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Gericht: Oberlandesgericht Rostock
Beschluss verkündet am 21.02.2008
Aktenzeichen: 1 W 7/08
Rechtsgebiete: ZPO
Vorschriften:
ZPO §§ 91 ff | |
ZPO § 116 Satz 1 Nr. 1 | |
ZPO § 118 Abs. 2 Satz 1 | |
ZPO § 572 Abs. 3 |
Az.: 1 W 7/08
Beschluss
In dem Prozesskostenbewilligungsverfahren
hat der 1. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Rostock am 21. Februar 2008 beschlossen:
Tenor:
Auf die sofortige Beschwerde des Antragstellers wird der ihm Prozesskostenhilfe versagende Beschluss des Einzelrichters der 4. Zivilkammer des Landgerichts Neubrandenburg vom 09.07.2007 - 4 O 435/07 - aufgehoben:
Die Sache wird zur erneuten Entscheidung an das Landgericht Neubrandenburg mit der Maßgabe zurückverwiesen, die Bewilligung von Prozesskostenhilfe nicht mit der Begründung zu versagen, dass es den am Gegenstand des Rechtsstreits wirtschaftlich Beteiligten zuzumuten sei, die Kosten aufzubringen.
Gründe:
I.
Die Voraussetzungen des § 116 Satz 1 Nr. 1 ZPO sind erfüllt.
1.
Nach den Angaben des Antragstellers, deren Glaubhaftmachung das Landgericht bislang nicht gemäß § 118 Abs. 2 Satz 1 ZPO verlangt hat, können die Prozesskosten nicht aus der verwalteten Vermögensmasse aufgebracht werden (§ 116 Satz 1 Nr. 1 Halbsatz 1 ZPO).
2.
Danach kommt es entscheidend darauf, ob es den am Gegenstand des (beabsichtigten) Rechtsstreits wirtschaftlich Beteiligten nicht zuzumuten ist, die Prozesskosten aufzubringen (§ 116 Satz 1 Nr. 1 Halbsatz 2 ZPO). Diese Voraussetzung liegt entgegen der Ansicht des Landgerichts vor.
a.
Vorschüsse auf die Prozesskosten sind nur solchen Beteiligten zuzumuten, welche die erforderlichen Mittel unschwer aufbringen können und für die der zu erwartende Nutzen bei vernünftiger, auch das Eigeninteresse sowie das Prozesskostenrisiko angemessen berücksichtigender Betrachtungsweise bei einem Erfolg der Rechtsverfolgung voraussichtlich deutlich größer sein wird (BGH, NJW-RR 2006, 1064). Von einer Zumutbarkeit ist nur dann auszugehen, wenn der Betrag, den ein Gläubiger bei der Verteilung der Insolvenzmasse zu erwarten hat, denjenigen deutlich übersteigt, den er für die Kosten aufzubringen hat (BGH, NJW 1993, 135 [136]).
b.
Dies ist hier nicht der Fall.
aa.
Bei der Frage, um welchen Betrag die Insolvenzmasse bei Durchführung des beabsichtigten Prozesses voraussichtlich vermehrt wird, kann nicht ohne Weiteres vom Nominalwert des geltend gemachten Anspruchs ausgegangen werden. Zu berücksichtigen sind auch das Prozess- und das Vollstreckungsrisiko (BGH, NJW-RR 2006, 1064; Zöller/Philippi, ZPO, 26. Aufl., § 116 Rn.7a). Zu letzterem hat der Antragsteller vorgetragen, dass die wirtschaftlichen Verhältnisse der Antragsgegnerin schlecht seien und ihr Vater mit Rücksicht hierauf in ihrem Namen um eine vergleichsweise Lösung gebeten habe. Dass das sich daraus ergebende Bonitätsrisiko mit 50 % überbewertet ist, hat das Landgericht nicht aufgezeigt und ist auch sonst nicht ersichtlich. Bei der gebotenen Vergleichsbetrachtung kann deshalb nur von einer zu erwartenden Vermögensmehrung von € 19.574,56 ausgegangen werden. Hiervon abzuziehen sind - was das Landgericht nicht beachtet hat - die Kosten des Insolvenzverfahrens (vgl. Zöller, a.a.O., § 116 Rn. 4 m.w.N.). Diese betragen ausweislich der rechnerisch zutreffenden Kostenaufstellung des Antragstellers € 14.944,24. Somit verbleibt eine Verteilungsmasse von € 4.630,32. Bei festgestellten Forderungen in einer Gesamthöhe von € 110.965,26 entspricht dies einer Quote von 4,17 %. Der Gläubiger mit der höchsten Forderung (Finanzamt W., lfd. Nr. 16: € 19.968,97) erhielte hierauf € 832,71.
bb.
Für die Beurteilung der Frage, welche Kosten ein Gläubiger aufzubringen hat, ist zunächst der Kreis derjenigen Gläubiger zu bestimmen, denen die Aufbringung zumutbar ist. Dies ist für das Unternehmen N. Logistik W. (lfd. Nr. 14) zu verneinen, weil der Antragsteller dessen Forderung vorläufig bestritten hat (vgl. Zöller/Philippi, a.a.O., m.w.N.). Ferner scheiden die Gläubiger mit geringen Forderungen als wirtschaftlich Beteiligte i.S.v. § 116 Satz 1 Nr. 1 ZPO aus (OLG Rostock, OLGR Rostock 2003, 254). Wann eine Minimalforderung vorliegt, ist im Einzelfall abhängig von den aufzubringenden Kosten [hier: ca. € 3.900,-; dazu gleich], der zu erlangenden Quote [hier: 4,17 %] und der Anzahl der Gläubiger [hier: 19] (OLG Düsseldorf, MDR 2002, 846). Vorliegend ist davon auszugehen, dass nur solche Insolvenzgläubiger zu Vorschüssen herangezogen werden können, die an der Gesamtsumme der festgestellten Forderungen selbst jeweils mit mindestens 5 % (= € 5.548,26) beteiligt sind (so generell: OLG Hamm, ZIP 2005, 1711). Das sind hier die Gläubiger mit den Forderungen unter den laufenden Nummern 1, 3, 8, 10, 16, 18, 20 und 21. Die von diesen Gläubigern aufzubringenden Prozesskosten belaufen sich auf ca. € 3.900,-. Entgegen der Ansicht des Antragstellers sind die Kosten des Gegners nicht hinzuzurechnen. Die Prozesskostenhilfe soll der bedürftigen Partei die Prozessführung ermöglichen, sie aber nicht vor den Kostenerstattungsansprüchen ihres Gegners nach den §§ 91 ff ZPO schützen, falls sie den Prozess verliert (Zöller/Philippi, a.a.O., § 114 Rn. 15). Die Kosten des Gegners haben deshalb bei Ermittlung der Kosten i.S.v. § 116 Satz 1 Nr. 1 ZPO außer Betracht zu bleiben. Die Prozesskosten i.H.v. € 3.900,- sind zwischen den 8 "Großgläubigern" im Verhältnis ihrer jeweiligen Einzelforderung zum Gesamtbetrag (€ 90.916,61) zu teilen. Der Gläubiger mit der höchsten Forderung (Finanzamt W., lfd. Nr. 16: € 19.968,97) wäre an ihnen mit 21,96 % = € 856,44 beteiligt.
Demnach müssten die wirtschaftlich beteiligten Gläubiger für Prozesskosten einen Betrag aufbringen, den sie selbst bei Verteilung der Insolvenzmasse nicht zu erwarten haben. Dies ist ihnen unzumutbar.
II.
Da das Landgericht die Versagung von Prozesskostenhilfe mit den wirtschaftlichen Verhältnissen des Antragstellers begründet hat, hat der Senat von einer abschließenden Prüfung der sachlichen Erfolgsaussicht der beabsichtigten Klage abgesehen und von der Möglichkeit des § 572 Abs. 3 ZPO Gebrauch gemacht.
Ende der Entscheidung
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