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Gericht: Oberlandesgericht Rostock
Beschluss verkündet am 01.03.2007
Aktenzeichen: 1 Ws 426/06
Rechtsgebiete: StPO
Vorschriften:
StPO § 44 Satz 2 |
2. Die Wiedereinsetzung setzt auch in Fällen des § 44 Satz 2 StPO grundsätzlich einen ursächlichen Zusammenhang zwischen dem Belehrungsmangel und der Fristversäumnis voraus.
Oberlandesgericht Rostock - 1. Strafsenat - BESCHLUSS
1 Ws 413/06 1 Ws 425/06 1 Ws 426/06
In der Strafsache
gegen Mayk D. aus E., geboren am 00.00.1900 in B. S.
wegen des Verdachts der versuchten Hehlerei
hat der 1. Strafsenat des Oberlandesgerichtes Rostock durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Dr. Dally sowie die Richter am Oberlandesgericht Dr. Garbe und Zeng auf
1. den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand vom 18. Dezember 2006 gegen die Versäumung der Frist zur Einlegung der sofortigen Beschwerde gegen die Kostengrundentscheidung in dem Urteil des Landgerichts Rostock vom 13. Juni 2006,
2. die sofortige Beschwerde des früheren Angeklagten vom 18. Dezember 2006 gegen die Kostengrundentscheidung in dem vorbezeichnetem Urteil und
3. die als Beschwerde auszulegende "sofortige Beschwerde" des früheren Angeklagten vom 20. September 2006 gegen den Beschluss des Landgerichts Rostock vom 8. September 2006
auf Antrag der Generalstaatsanwaltschaft
am 1. März 2007 beschlossen:
Tenor:
1. Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wird als unzulässig verworfen.
2. Die sofortige Beschwerde vom 18. Dezember 2006 wird als unzulässig verworfen.
3. Die Beschwerde vom 20. September 2006 wird als unbegründet verworfen.
4. Der Beschwerdeführer trägt die Kosten des Beschwerde- und Antragsverfahrens.
Gründe:
I.
1. Das Amtsgericht Rostock hatte den früheren Angeklagten (und jetzigen Beschwerdeführer) wegen versuchter Hehlerei zu einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten - unter Strafaussetzung zur Bewährung - verurteilt. Das Landgericht Rostock hat dieses Urteil auf Berufung des Beschwerdeführers aufgehoben und ihn freigesprochen. Hinsichtlich der Kosten hat das Landgericht tenoriert: "Die Kosten des Verfahrens trägt die Staatskasse". Eine Entscheidung über die notwendigen Auslagen des früheren Angeklagten ist nicht getroffen worden.
Das Urteil nebst Kostenentscheidung ist in Anwesenheit des Beschwerdeführers und seines Verteidigers am 13. Juni 2006 verkündet worden. Nach dem Protokoll der Hauptverhandlung ist der Angeklagte (lediglich) "über das zulässige Rechtsmittel der Revision belehrt" (Bd. I, Bl. 173 d. A.) worden. Das Urteil ist rechtskräftig.
2. Mit Kostenfestsetzungsantrag vom 19. Juni 2006, beim Amtsgericht Rostock am 21. Juni 2006 eingegangen, hat der Verteidiger die Festsetzung von Gebühren und Auslagen beantragt. Die für die Festsetzung zuständige Rechtspflegerin legte die Akten dem Landgericht Rostock mit der Bitte vor, "das Urteil vom 13.06.2006 dahingehend zu ergänzen, wer die notwendigen Auslagen des Angeklagten trägt" (Bd. I, Bl. 195 d. A.). Das Landgericht Rostock hat daraufhin mit Beschluss vom 8. September 2006 die "angeregte Ergänzung des Urteilstenors in Bezug auf eine Entscheidung zu den notwendigen Auslagen ... abgelehnt". Gegen diesen dem Beschwerdeführer und dessen Verteidiger formlos übersandten Beschluss richtet sich dessen "sofortige Beschwerde" vom 20. September 2006, der der Vorsitzende der Strafkammer nicht abgeholfen hat.
Mit Beschluss vom 20. September 2006 wies die Rechtspflegerin den Kostenfestsetzungsantrag vom 19. Juni 2006 zurück. Dagegen wendet sich der Beschwerdeführer mit seiner sofortigen Beschwerde vom 29. September 2006.
3. Mit Schriftsatz vom 18. Dezember 2006 hat der Verteidiger des Beschwerdeführers die sofortige Beschwerde vom 29. September 2006 zurückgenommen. Gleichzeitig hat er sofortige Beschwerde gegen die Kostengrundentscheidung in dem Urteil des Landgerichts Rostock vom 13. Juni 2006 mit der Maßgabe eingelegt, diese insoweit zu vervollständigen, dass auch die notwendigen Auslagen des früheren Angeklagten der Staatskasse aufzuerlegen sind. Den ebenfalls gestellten Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand hat er damit begründet, dass "das Landgericht Rostock in der mündlichen Verhandlung nur über das Rechtsmittel der Revision, nicht jedoch über ein Rechtsmittel gegen die Kostenentscheidung belehrt" (Bd. II, Bl. 21 d. A.) habe.
II.
Sämtliche Anträge bleiben ohne Erfolg.
1. Die Kostengrundentscheidung im Urteil des Landgerichts Rostock vom 13. Juni 2006 kann nicht dahin ausgelegt werden, dass in ihr auch die dem Freigesprochenen entstandenen notwendigen Auslagen der Staatskasse auferlegt worden sind; auch eine entsprechende Ergänzung oder Berichtigung der Kostengrundentscheidung ist nicht möglich.
Nach inzwischen fast einhelliger Auffassung in Rechtsprechung und Schrifttum setzt die Erstattung der notwendigen Auslagen eines freigesprochenen Angeklagten eine ausdrückliche Entscheidung in dem das Verfahren abschließenden Urteil oder Beschluss voraus. Da § 464 Abs. 1 und Abs. 2 StPO zwischen den Verfahrenskosten einerseits und den Auslagen andererseits ausdrücklich unterscheidet, kann die Überbürdung der Verfahrenskosten auf die Staatskasse nicht dahin ausgelegt werden, dass damit auch die notwendigen Auslagen der Staatskasse angelastet werden (vgl. nur OLG Düsseldorf MDR 1986, 76; KG NStZ-RR 2004, 190; OLG Karlsruhe NStZ-RR 1997, 157 f.; OLG Stuttgart StV 1993, 651 f.; Hilger in: Löwe/Rosenberg StPO 25. Aufl. § 464 Rdn. 24 f. und § 467 Rdn. 27; Franke in: KK 5. Aufl. § 464 Rdn. 4, 6; Meyer-Goßner StPO 49. Aufl. § 464 Rdn. 12, alle m. w. Nachw.). Das Gericht, das eine unvollständige Kostenentscheidung getroffen hat, darf sie selbst weder ergänzen noch berichtigen (vgl. auch BGH NStZ-RR 1996, 352). Eine Korrektur ist allein auf eine nach § 464 Abs. 3 Satz 1 StPO ordnungsgemäß erhobene sofortige Beschwerde hin möglich (vgl. Hilger in: Löwe/Rosenberg aaO Rdn. 29; Franke in: KK aaO Rdn. 4).
Die von der Strafkammer im Urteil vom 13. Juni 2006 getroffene Entscheidung bezieht sich nach ihrem eindeutigen Wortlaut allein auf die Verfahrenskosten. Allerdings wird in der Rechtsprechung teilweise vertreten, dass die notwendigen Auslagen des freigesprochenen Angeklagten der Staatskasse dann aufzuerlegen sein können, wenn in der Kostenentscheidung formuliert ist, dass der Angeklagte "auf Kosten der Staatskasse freigesprochen" wird (vgl. OLG Düsseldorf StV 1995, 146 f.; OLG Naumburg NStZ-RR 2001, 189 f.; OLG Oldenburg StV 2003, 174 f.; a. A. Hilger in: Löwe/Rosenberg aaO Rdn. 23 ff.; Franke in: KK aaO Rdn. 6; Meyer-Goßner aaO § 467 Rdn. 20). Damit sei eine Auslegung der Kostenentscheidung auch dahin möglich, dass der Freigesprochene mit keinerlei auf das Verfahren bezogenen notwendigen Auslagen belastet werden solle. Diese Rechtsprechung ist nicht unproblematisch; zu bedenken ist, dass das Fehlen eines entsprechenden Ausspruches über die notwendigen Auslagen - mithin die (konkludente) Ablehnung der Überbürdung der notwendigen Auslagen auf die Staatskasse - auch bewusst geschehen kann (vgl. auch Hilger in: Löwe/Rosenberg aaO § 464 Rdn. 24). Damit einhergehende Auslegungsschwierigkeiten - zumal (regelmäßig) im Kostenfestsetzungsverfahren - liegen auf der Hand. Freilich bedarf es eines näheren Eingehens angesichts des hier schon anders gelagerten (eindeutigen) Wortlautes der Kostengrundentscheidung nicht (vgl. auch OLG Oldenburg aaO).
2. Der (vorgreifliche) Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist unzulässig. Er genügt nicht den Anforderungen der §§ 44, 45 StPO.
Dabei kommt es nicht darauf an, dass der frühere Angeklagte - wie sich aus dem Hauptverhandlungsprotokoll vom 13. Juni 2006 ergibt (§ 274 StPO) - nicht über das Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde hinsichtlich der Kostengrundentscheidung belehrt worden ist; es kann in diesem Zusammenhang auch offen bleiben, ob entgegen der gesetzlichen Vermutung des § 44 Satz 2 StPO die Fristversäumnis gleichwohl verschuldet ist, weil das Landgericht Rostock den Beschwerdeführer mit Beschluss vom 8. September 2006 auf den richtigen Rechtsbehelf hingewiesen hat.
Entscheidend ist, dass sich das Wiedereinsetzungsgesuch nicht dazu verhält, dass und aus welchen Gründen die - im Übrigen nicht behauptete - Unkenntnis von der einwöchigen Frist zur Einlegung des Rechtsmittels der sofortigen Beschwerde (§ 311 Abs. 2 StPO) für die Fristversäumnis hier ursächlich geworden ist. Die Wiedereinsetzung setzt auch in Fällen des § 44 Satz 2 StPO grundsätzlich einen ursächlichen Zusammenhang zwischen dem Belehrungsmangel und der Fristversäumung voraus (vgl. auch Senatsbeschluss vom 12. Februar 2007 - I Ws 359/06 -; a. A. OLG Schleswig SchlHA 1976, 28 f.). Deshalb muss in dem Antrag dargelegt und grundsätzlich auch glaubhaft gemacht werden, dass die Rechtsmittelfrist gerade aufgrund des Fehlens der Belehrung nach § 35 a StPO versäumt worden ist (vgl. Senatsbeschluss aaO; Meyer-Goßner aaO § 44 Rdn. 22 m. w. N.). Hierzu bestand im vorliegenden Fall vor allem deshalb Veranlassung, weil das Landgericht Rostock bereits mit Beschluss vom 8. September 2006 darauf hingewiesen hat, dass "die unterbliebene Entscheidung über die notwendigen Auslagen ... mit dem Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde (hätte) angegriffen werden können, was aber nicht geschehen ist". Die Rechtsprechung des OLG Schleswig (SchlHA 1976, 28 f.) steht hier nicht entgegen, da dort - anders als hier - der Verteidiger innerhalb der Wochenfrist nach Belehrung über die Rechtslage durch die Strafkammer die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt hatte.
Der Beschwerdeführer hätte im Übrigen - zwingend erforderlich (vgl. auch Maul in: KK aaO § 45 Rdn. 6 m. Nachw.) - auch darlegen und glaubhaft machen müssen, wann für ihn der Umstand, der ihn an der Einlegung des Rechtsmittels der sofortigen Beschwerde gehindert hat, weggefallen ist, damit der Senat prüfen kann, ob die Frist für die Anbringung des Gesuchs gewahrt ist (vgl. auch Senatsbeschluss vom 13. Februar 2007 - I Ws 42/07 -).
Bei dieser Sachlage hat sich der Senat auch nicht veranlasst gesehen, von Amts wegen Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur rechtzeitigen Anbringung des Antrags auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren.
3. Die sofortige Beschwerde des Verteidigers vom 18. Dezember 2006 gegen die Kostengrundentscheidung in dem Urteil des Landgerichts Rostock vom 13. Juni 2006 ist zwar gemäß § 464 Abs. 3 Satz 1 StPO statthaft, erweist sich jedoch wegen Verspätung als unzulässig. Dies gälte auch dann, wenn - was indes hier eher fern liegt (vgl. auch KG NStZ-RR 2004, 190 f.) - der Kostenfestsetzungsantrag vom 19. Juni 2006 als sofortige Beschwerde gegen die Kostengrundentscheidung im Urteil des Landgerichts Rostock auszulegen sein sollte.
4. Die als Beschwerde auszulegende (§ 300 StPO) "sofortige Beschwerde" des früheren Angeklagten vom 20. September 2006 ist aus den zutreffenden Gründen des angefochtenen Beschlusses des Landgerichts Rostock vom 8. September 2006 unbegründet. Unschädlich ist es, dass das Landgericht die "interne Anregung" einer Rechtspflegerin des Amtsgerichts Rostock durch Beschluss - und nicht durch Verfügung - beschieden hat.
5. Soweit der Verteidiger die sofortige Beschwerde vom 29. September 2006 zurückgenommen hat, ist der Senat mit der Sachentscheidung - auch mit Blick auf die Wirksamkeit der Rücknahme - nicht befasst. Denn diese sofortige Beschwerde richtet(e) sich gegen den Beschluss des Amtsgerichts Rostock vom 20. September 2006.
III.
Die Kostenentscheidung hinsichtlich der (unzulässigen) sofortigen Beschwerde und der (unbegründeten) Beschwerde beruht auf § 473 Abs. 1 Satz 1 StPO. Hinsichtlich des erfolglosen Wiedereinsetzungsgesuches hat der Beschwerdeführer ebenfalls die Kosten zu tragen. Zwar ist bei Verwerfung des Wiedereinsetzungsantrags grundsätzlich eine Kostenentscheidung deshalb nicht veranlasst, weil die durch den Antrag entstandenen Kosten zu den Verfahrenskosten gehören, mit denen der Antragsteller regelmäßig ohnehin schon belastet ist (vgl. Meyer-Goßner aaO § 473 Rdn. 38 m. w. N.). Hier ist jedoch zu berücksichtigen, dass die Kosten des Verfahrens rechtskräftig durch Urteil des Landgerichts Rostock vom 13. Juni 2006 der Staatskasse auferlegt worden sind. Folglich bedarf es hier des - an sich entbehrlichen - ausdrücklichen Ausspruches über die Kostenfolge (vgl. auch Fischer in: KK aaO § 473 Rdn. 16).
Ende der Entscheidung
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