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Gericht: Oberlandesgericht Rostock
Beschluss verkündet am 01.10.2008
Aktenzeichen: 1 WsRH 31/08
Rechtsgebiete: StrRehaG, StPO, GVG
Vorschriften:
StrRehaG § 2 | |
StrRehaG § 7 Abs. 1 Nr. 2 | |
StrRehaG § 7 Abs. 1 Nr. 3 | |
StrRehaG § 7 Abs. 5 | |
StrRehaG § 15 | |
StPO § 206a | |
GVG § 145 |
Oberlandesgericht Rostock - Senat für Rehabilitierungssachen - BESCHLUSS
In dem Rehabilitierungsverfahren
betreffend 1. Dietrich von L., geb. 00.00.1900 verst. am 00.00.1900,
hat der Senat für Rehabilitierungssachen des Oberlandesgerichts Rostock durch
den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Kruse, der Richter am Oberlandesgericht Hansen sowie die Richterin am Amtsgericht Ritter
auf die Beschwerde gegen den Beschluss der Rehabilitierungskammer des Landgerichts Neubrandenburg vom 21.05.2008 - 6 Rh 17/05 -
nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft
am 01.10.2008 beschlossen:
Tenor:
1. Der Beschluss des Landgerichts Neubrandenburg wird aufgehoben.
2. Das Verfahren wird gem. § 15 StrRehaG, § 206a StPO endgültig eingestellt.
3. Kosten werden nicht erhoben. Die den Beschwerdeführern im Beschwerdeverfahren entstandenen notwendigen Auslagen werden der Staatskasse auferlegt.
Gründe:
I.
Die Beschwerdeführer begehren in Fortsetzung des auf den alleinigen Antrag der Betroffenen zu 2. eingeleiteten Verfahrens die strafrechtliche Rehabilitierung ihrer Eltern Dietrich und H von L. nach dem Strafrechtlichen Rehabilitierungsgesetz (StrRehaG).
Dietrich von L. war Eigentümer der im Landkreis M. gelegenen landwirtschaftlichen Güter L. und S. mit einer Größe von insgesamt 1.152 ha. Im Zuge der sog. "Demokratischen Bodenreform" wurde dieses Vermögen 1945 auf besatzungshoheitlicher Grundlage im Wege der Legalenteignung eingezogen und gegen die Eheleute von L. und ihre jetzt beschwerdeführenden Kinder ein sog. Kreisverweis verhängt. In dessen Vollzug wurden die Betroffene zu 2. und die Beschwerdeführer ausweislich des Antragsvorbringens auf Veranlassung des Landrates des Kreises M. im November 1945 zwangsweise nach Th. exmittiert und dort zweimal für jeweils 10 Tage unter Bewachung in Lagern festgehalten, bevor sie 1946 nach N. übersiedeln konnten.
Die durch ihren Sohn J-D von L. als Betreuer vertretene Betroffene zu 2. hat mit Schriftsatz ihres Bevollmächtigten vom 27.09.2005 wegen dieser Vorkommnisse ihre eigene sowie - insoweit als nach § 7 Abs. 1 Nr. 2 StrRehaG antragsberechtigte Ehefrau - die strafrechtliche Rehabilitierung ihres verstorbenen Ehemannes beantragt. Der Antrag wurde beim Landgericht Neubrandenburg unter Geschäftszeichen 6 RhB 17/05 registriert und der dortigen Staatsanwaltschaft zur Stellungnahme übersandt. Mit Schriftsatz vom 01.11.2007 leitete die nachfolgend vom Generalstaatsanwalt nach § 145 GVG mit der Wahrnehmung der Amtsverrichtungen in dieser Sache betraute Staatsanwaltschaft Schwerin die Vorgänge dem Landgericht Neubrandenburg mit dem Antrag zu, den Rehabilitierungsantrag als unzulässig zu verwerfen.
Erst mit Schriftsatz vom 03.04.2008 zeigte der Bevollmächtigte gegenüber dem Landgericht an, dass H von L. bereits am 00.00.2000 verstorben war. Zugleich teilte er mit, das wegen Versäumung der sechsmonatigen Frist (des § 7 Abs. 5 StrRehaG) "wohl" einzustellende Verfahren solle nun von deren Kindern und Erben V, Dr. S, J-D und H H von L. als Erbengemeinschaft, diese vertreten durch J-D von L., "fortgeführt" werden. Auf die mit Schriftsatz vom 27.09.2005 gestellten Anträge werde Bezug genommen.
Ohne auf die durch den Tod der H von L. geänderte Situation einzugehen, wies die Rehabilitierungskammer des Landgerichts Neubrandenburg mit Beschluss vom 21.05.2008 - 6 Rh 17/05 - den Antrag auf strafrechtliche Rehabilitierung der betroffenen Eheleute Dietrich und H von L. als unzulässig zurück, wobei es im Rubrum der Entscheidung jedoch die Kinder der Betroffenen als Antragsteller bezeichnete.
Gegen diesen dem Bevollmächtigten am 17.07.2008 förmlich zugestellten Beschluss wenden sich die Beschwerdeführer mit ihrem am 01.08.2008 beim Landgericht eingegangenen Rechtsmittel, mit dem sie das Begehren auf Rehabilitierung ihrer Eltern weiterverfolgen.
II.
Die statthafte und zulässige Beschwerde führt wegen des durch den Tod der Betroffenen zu 2. eingetretenen, nicht mehr behebbaren und auch vom Senat im Beschwerdeverfahren von Amts wegen zu beachtenden Verfahrenshindernisses unter Aufhebung der angefochtenen Entscheidung zur Einstellung des Verfahrens nach § 15 StrRehaG, § 206 a StPO.
1.
Obwohl die Beschwerdeführer bis zu der angefochtenen Entscheidung des Landgerichts weder Betroffene noch Antragsteller nach § 7 Abs. 1 Nr. 2 StrRehaG dieses Rehabilitierungsverfahrens waren (vgl. dazu nachfolgend unter 2.), richtet sich der Beschluss vom 21.05.2008, in dessen Rubrum sie fälschlich als Antragsteller bezeichnet werden, förmlich gegen sie. Sie sind durch die getroffene Sachentscheidung auch "materiell" beschwert, weil es ihnen bei deren Fortbestand nicht mehr möglich wäre, ihr eigenes Antragsrecht als Abkömmlinge nach § 7 Abs. 1 Nr. 2 StrRehaG auszuüben (vgl. dazu unter 4.).
2.
Soweit die Betroffene zu 2. ihre eigene Rehabilitierung beantragt hatte, wurde das Verfahren durch ihren Tod zunächst vorläufig beendet. Weil innerhalb der sechsmonatigen Frist des § 7 Abs. 5 StrRehaG, bei der es sich um eine gesetzliche Ausschlussfrist handelt, von keinem der nach § 7 Abs. 1 Nr. 2 StrRehaG Antragsberechtigten dessen Fortsetzung beantragt worden war, ist ein endgültiges Verfahrenshindernis eingetreten. Das Landgericht hätte deshalb insoweit keine Sachentscheidung mehr treffen dürfen, sondern das Verfahren durch deklaratorischen Beschluss gem. § 15 StrRehaG, § 206a StPO einstellen müssen. Das war nunmehr vom Senat im Rahmen seiner Befassung mit der Beschwerde von Amts wegen unter Aufhebung der getroffenen Sachentscheidung nachzuholen.
Daran würde sich auch dann nichts ändern, wenn das Landgericht, was allerdings unklar geblieben ist, zu der Auffassung gelangt sein sollte, mit dem Schriftsatz des Bevollmächtigten vom 03.04.2008 werde gerade wegen der nach dem Tod der Mutter versäumten Frist des § 7 Abs. 5 StrRehaG ein neuer, eigenständiger Rehabilitierungsantrag der nach § 7 Abs. 1 Nr. 2 berechtigten Kinder gestellt. Anlass für eine solche Überlegung könnte sein, dass in dem Schriftsatz zwar einerseits die Befürchtung geäußert wird, das Verfahren "dürfte" wohl einzustellen sein, dann aber gleichwohl erklärt wird, dieses werde von der nun ebenfalls durch den Bevollmächtigten vertretenen Erbengemeinschaft "fortgeführt", wozu man sich auf die Anträge vom 27.09.2006 beziehe.
Auch dann hätte das allein auf den Antrag der H von L. vom 27.09.2005 unter dem Geschäftszeichen 6 Rh 17/05 eingeleitete und wegen Versäumung der Frist des § 7 Abs. 5 StrRehaG durch ihre Kindern nicht mehr "fortsetzungsfähige" Rehabilitierungsverfahren eingestellt und deren eigener Antrag vom 03.04.2008 vom Landgericht unter einem gesonderten Geschäftszeichen erfasst, der Staatsanwaltschaft zur Stellungnahme zugeleitet und sodann unter dem neuen Geschäftszeichen beschieden werden müssen. Das ist nicht geschehen. Vielmehr hat das Landgericht seine Entscheidung im ursprünglichem Vorgang und unter dem "alten" Geschäftszeichen getroffen und lediglich die Namen der Antragsteller ausgetauscht, was zeigt, dass gerade kein neues Verfahren eingeleitet worden ist.
3.
Soweit H von L. als Angehörige nach § 7 Abs. 1 Nr. 2 StrRehaG die strafrechtliche Rehabilitierung ihres betroffenen Ehemannes beantragt hatte, ist das Verfahren ebenfalls unter Aufhebung der vom Landgericht getroffenen Sachentscheidung nach § 15 StrRehaG i.V.m. § 206a StPO einzustellen.
Auch in diesem Fall ist eine Fortführung des Ausgangsverfahrens durch die Beschwerdeführer als (weitere) Antragsberechtigte wegen Ablaufs der Frist des § 7 Abs. 5 StrRehaG ausgeschlossen.
Zwar ist der Tod der Antragstellerin kein unmittelbar vom Wortlaut des § 7 Abs. 5 StrRehaG erfasster Anwendungsfall, weil dort nur die Möglichkeit eröffnet wird, das Verfahren bei Tod des antragstellenden Betroffenen durch die nach § 7 Abs. 1 Nrn. 2 und 3 StrRehaG Antragsberechtigten fortzusetzen. Diese sollen sich innerhalb der Frist entscheiden können, ob sie die Rechtsnachfolge des Betroffenen antreten. Sinn und Zweck der Antragsfrist ist es dabei, in Bezug auf Fortgang bzw. Beendigung des Verfahrens alsbald Rechts- und Verfahrenssicherheit für alle Beteiligten herzustellen. Wenn das Gesetz derartige Fristen aber schon für die Rechtsnachfolge vom eigentlich Betroffenen auf die nach seinem Tod nur "ersatzweise" nach § 7 Abs. 1 Nrn. 2 und 3 StrRehaG Antragsberechtigten für notwendig erachtet, müssen diese erst recht für Verfahren gelten, die lediglich aus abgeleitetem Recht geführt werden. Die Herstellung von Rechtssicherheit für alle Beteiligten ist dann mindestens in gleichem Umfang wie im originären Anwendungsfall des § 7 Abs. 5 StrRehaG geboten.
Vorliegend hat dies zur Folge, dass der ebenfalls erst mit Schriftsatz des Bevollmächtigten vom 03.04.2008 gestellte Antrag, auch das von H von L. lediglich als Antragstellerin zu Gunsten ihres Mannes betriebene Rehabilitierungsverfahren nach ihrem Tod durch ihre Kinder fortzusetzen, wegen Verfristung keinen Erfolg haben konnte. Auch diesbezüglich hätte das Verfahren vom Landgericht wegen des Todes der Antragstellerin und der nicht rechtzeitigen Wiederaufnahme durch andere Antragsberechtigte eingestellt werden müssen.
4.
Der Senat weist darauf hin, dass den Beschwerdeführern (gerade) durch diese Entscheidung nicht die Möglichkeit genommen ist, innerhalb der Frist des § 7 Abs. 1 StrRehaG mit einem eigenen Antrag die strafrechtliche Rehabilitierung ihrer Eltern zu begehren, wenn sie sich davon angesichts der zumindest ihrem Bevollmächtigten bekannten Rechtsprechung des Senats zu den sogenannten "Bodenreformfällen" einen Erfolg versprechen. Das dann erneut mit der Sache befasste Landgericht wird angesichts der Besonderheiten des Falles u. a. zu prüfen haben, ob die ausweislich des Antragsvorbringens in Vollziehung des Kreisverweises erfolgte zwangsweise Exmittierung der Betroffenen zu 2. und ihrer Kinder, die mit einer zeitweiligen Lagerunterbringung unter Bewachung verbunden gewesen sei, unter die Regelung des § 2 StrRehaG fällt.
III.
Die Entscheidung über die Gebühren folgt aus § 14 Abs. 1 StrRehaG. Eine Auslagenentscheidung bezüglich des wegen des Todes der Betroffenen zu 2. eingestellten erstinstanzlichen Verfahrens ist nicht veranlasst (Wende in Rehabilitierung, Potsdamer Kommentar, 2. Aufl. 1997, § 14 Rdz. 25 m. w. Nachw.). Die Auslagenentscheidung für das Beschwerdeverfahren beruht auf § 14 Abs. 4 StrRehaG i.V.m. § 473 Abs. 4 StPO.
Ende der Entscheidung
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