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Gericht: Oberlandesgericht Rostock
Beschluss verkündet am 19.10.2005
Aktenzeichen: 10 WF 222/05
Rechtsgebiete: ZPO, FGG
Vorschriften:
ZPO § 36 Abs. 1 | |
ZPO § 281 | |
ZPO §§ 567 ff. | |
ZPO § 621 Abs. 1 Nr. 1 | |
ZPO § 621 a | |
FGG § 5 Abs. 1 | |
FGG § 46 |
Az.: 10 WF 222/05
Beschluss
In der Familiensache
hat der 1. Familiensenat des Oberlandesgerichts Rostock am 19.10.2005 beschlossen:
Tenor:
Zuständig ist das Amtsgericht M - Familiengericht -.
Gründe:
I. Gemäß Vorlagebeschluss vom 29.09.2005 begehrt das Familiengericht R die Bestimmung der örtlichen Zuständigkeit gemäß § 36 Abs. 1 ZPO für einen Rechtsstreit wegen des Sorgerechts für den minderjährigen Sohn der Parteien, F, das diese derzeit gemeinsam ausüben.
Der Antragsteller lebt im Bezirk des Amtsgerichts R, die Antragsgegnerin in dem des Amtsgerichts M(Anmerkung: anderer OLG - Bezirk). F hat bis Mitte 2005 seinen ständigen Aufenthalt bei der Antragsgegnerin gehabt. Er ist dort zur Schule gegangen. In den Sommerferien, die er beim Antragsteller verbracht hat, hat er den Wunsch geäußert, fortan bei diesem leben zu dürfen. Der Antragsteller hat sodann beim Amtsgericht R - Familiengericht - beantragt, das Aufenthaltsbestimmungsrecht für das Kind auf ihn zu übertragen. Die Antragsgegnerin ist diesem Antrag entgegengetreten und hat ihrerseits beantragt, dieses auf sie zu übertragen. Zudem hat sie die örtliche Zuständigkeit des Amtsgerichts R gerügt und die Verweisung an das Amtsgericht M beantragt, weil dort das Kind seinen gewöhnlichen Aufenthalt habe.
Mit Schreiben vom 28.07.2005 hat das Amtsgericht R den Antragsteller auf Bedenken hinsichtlich seiner Zuständigkeit hingewiesen und ihm Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben. Mit Beschluss vom 15.08.2005 hat es sich für örtlich unzuständig erklärt und das Verfahren an das Amtsgericht M verwiesen. Mit Beschluss vom 05.09.2005 hat das Amtsgericht M die Übernahme des Verfahrens abgelehnt. Es ist der Ansicht, der Verweisungsbeschluss des Amtsgerichts R vom 15.08.2005 sei nicht bindend, weil er willkürlich sei. Im Hinblick auf das gemeinsame Sorgerecht der Parteien habe das Kind sowohl einen Wohnsitz im Bezirk des Gerichts, in dem die Mutter wohne als auch in dem des Vaters. Bestehe - wie hier - ein Doppelwohnsitz, so sei das in der Sache zuerst angerufene Gericht zuständig; das sei hier das Amtsgericht R.
Der Verweisungsbeschluss des Amtsgerichts R sei willkürlich, weil der Antragsteller einer Verweisung ausdrücklich widersprochen und das Kind sich zum Zeitpunkt der Einleitung des Verfahrens beim Vater aufgehalten habe.
Mit dem Vorlagebeschluss vertritt das Amtsgericht R weiterhin die Ansicht, zuständig sei das Amtsgericht M. Der alleinige Wohnsitz des Kindes befinde sich im Bezirk dieses Gerichts. Denn die Parteien seien sich nach ihrer Trennung einig gewesen, dass das Kind bei der Mutter verbleiben solle. Damit sei ein alleiniger Wohnsitz des Kindes an dem der Mutter begründet worden. Diesen Wohnsitz könnten die Eltern nur einvernehmlich wieder ändern, was - wie sich aus den widerstreitenden Anträgen zum Aufenthaltsbestimmungsrecht ergebe - nicht erfolgt sei.
II. Die Voraussetzungen für eine Zuständigkeitsbestimmung nach § 36 Abs. 1 ZPO liegen vor. Sowohl das Amtsgericht R als auch das Amtsgericht M haben sich rechtskräftig für unzuständig erklärt (§ 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO).
Der Senat ist gemäß § 621 a, 621 Abs. 1 Nr. 1 ZPO in Verbindung mit § 5 Abs. 1 FGG für dieses Verfahren zuständig (vgl. Keidel/Engelhardt, FGG, 15. Auflage, § 46 Rn. 38). § 46 FGG ist nicht einschlägig, weil das Familiengericht R das Verfahren nicht aus Zweckmäßigkeitserwägungen an das Familiengericht M abgeben möchte sondern, weil es sich für unzuständig hält.
Zuständig für die Entscheidung über die Zuständigkeit ist der Senat und nicht der Einzelrichter. Dieses folgt daraus, dass sich das Verfahren gemäß § 621 a ZPO nach den Vorschriften des Gesetzes über Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit richtet. Das FGG sieht eine Entscheidung des Einzelrichters in Rechtsmittelverfahren vor dem OLG nicht vor.
Selbst wenn die Vorschriften der ZPO einschlägig wären, wäre der Senat und nicht der Einzelrichter zuständig. Denn für die Oberlandesgerichte bestehen für diese Fälle keine Regelungen wie die, die für die Landgerichte einschlägig sind (vgl. § 348 ZPO zum originären und § 348 a ZPO zum obligatorischen Einzelrichter). Auch ist eine Vorlage zur Bestimmung der örtlichen Zuständigkeit kein Rechtsmittelverfahren im Sinne der §§ 567 ff. ZPO.
Zuständig für den Rechtsstreit ist das Amtsgericht M. Die Zuständigkeit folgt zumindest aus § 281 ZPO analog.
§ 281 ZPO findet im Hinblick auf das Fehlen einer entsprechenden Vorschrift im FGG analoge Anwendung (vgl. Keidel/Schmidt, FGG, 15. Auflage, § 1 R. 41 m.w.N.).
Der Beschluss des Amtsgerichts R - Familiengericht - vom 15.08.2005 ist für das Amtsgericht M - Familiengericht - bindend.
Der Bindungswirkung des genannten Beschlusses steht nicht entgegen, dass der Antragsteller keinen Antrag im Sinne des § 281 ZPO gestellt, sondern der Verweisung ausdrücklich widersprochen hat. Denn auch Verweisungsbeschlüsse, die auf einem Verfahrensmangel beruhen, sind grundsätzlich wirksam (vgl. BGH FamRZ 1998, 360, 361 li. Sp.; BGH FamRZ 1990, 1226, 1227 li. Sp.). Der Ausnahmefall, dass vor der Verweisung kein rechtliches Gehör gewährt worden ist, liegt hier nicht vor.
Auch ist der Beschluss des Familiengerichts R nicht willkürlich. Selbst wenn die Ansicht des Amtsgerichts R, das betroffene Kind habe nur einen Wohnsitz am Wohnort der Mutter, unzutreffend wäre, würde dieses keine Willkür begründen. Ein Irrtum hinsichtlich des Wohnsitzes und der daraus resultierenden Zuständigkeit steht der bindenden Wirkung eines Verweisungsbeschlusses nicht entgegen. Der Beschluss wird durch diesen Fehler nicht willkürlich, weil es Sinn der Bindungswirkung ist, die Frage der örtlichen Zuständigkeit dem weiteren Streit zu entziehen (vgl. BGH FamRZ 1990, 1226, 1227 li. Sp.).
Für die Ansicht des Amtsgerichts R, das Kind habe nur bei der Mutter einen Wohnsitz begründet, nur deren Wohnsitzgericht sei daher für den Rechtsstreit zuständig, spricht zudem, dass das Kind bis zu den Sommerferien 2005 mit Wissen und Willen des Antragstellers bei der Antragsgegnerin gelebt hat. Sind sich getrenntlebende oder geschiedene Eltern, die gemeinsam das Aufenthaltsbestimmungsrecht ausüben, einig, dass das Kind bei einem von beiden Elternteilen leben soll, so begründen sie an dessen Wohnsitz den alleinigen Wohnsitz des Kindes (vgl. BGH NJW-RR 1994, 322). Dieser Wohnsitz kann während der Dauer der gemeinsamen Ausübung des Aufenthaltsbestimmungsrecht nur einvernehmlich durch die Eltern wieder aufgehoben werden (vgl. auch Keidel/Engelhardt, FGG, 15. Auflage, § 36 Rn. 15).
Ende der Entscheidung
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