Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Rostock
Beschluss verkündet am 30.05.2006
Aktenzeichen: 10 WF 239/05
Rechtsgebiete: ZPO, BGB, UVG


Vorschriften:

ZPO § 114
ZPO § 127 Abs. 2
ZPO § 253
ZPO § 567
ZPO § 568 Abs. 1
ZPO § 572
ZPO § 644
ZPO §§ 645 ff
ZPO § 648 Abs. 2 Satz 3
BGB § 1603 Abs. 2 Satz 1
BGB § 1610
BGB § 1612 b Abs. 5
UVG § 7
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Az: 10 WF 239/05

Beschluss

In der Familiensache

hat der 1. Familiensenat des Oberlandesgerichts Rostock am 30.05.2006 beschlossen:

Tenor:

Auf die sofortige Beschwerde des Klägers wird der Beschluss des Amtsgerichts Hagenow - Familiengericht - vom 05.09.2005, Az: 3 F 284/05 dahingehend abgeändert, dass dem Kläger ratenfreie Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt G aus L für die Anträge vom 24.05.2006 in der Haupt- und Eilsache bewilligt wird.

Gründe: I.

Der minderjährige Kläger begehrt nunmehr ab Juli 2005 einen monatlich im Voraus fälligen Unterhalt in Höhe von 228 Euro abzüglich gewährter monatlicher 151 Euro Unterhaltsvorschussleistungen sowie im Wege der einstweiligen Anordnung einen künftig fällig werdenden Unterhalt in Höhe von monatlich 228 Euro. Der Beklagte behauptet verminderte Leistungsfähigkeit wegen des Bezuges von Arbeitslosengeld II. Das Familiengericht hatte dem Kläger Prozesskostenhilfe versagt unter Hinweis auf die Möglichkeit, die Zahlung von Unterhalt in Höhe von 100 % des Regelbetrages im vereinfachten Verfahren gem. §§ 645 ff ZPO geltend zu machen. Bezogen auf den Eilantrag fehle ein Anordnungsgrund, da der Kläger einen direkten Anspruch gegen die zuständige Stelle für Unterhaltsvorschussleistungen habe, wodurch mangels Dringlichkeit eine Regelung über eine einstweilige Anordnung nicht nötig scheine.

II.

Auf die zulässige und begründete Beschwerde des Klägers ist ihm wegen §§ 114, 127 Abs. 2, 567, 568 Abs. 1, 572 ZPO i. V. m. §§ 253, 645 ZPO, 1603 Abs. 2 Satz 1, 1610 BGB Prozesskostenhilfe für die geänderten Anträge vom 24.05.2006 zu bewilligen.

Grundsätzlich hat ein minderjähriges Kind drei Möglichkeiten seinen Unterhalt gerichtlich geltend zu machen: Klage auf festen Betrag, Klage auf Prozentsatz des Regelbetrages, Antrag im vereinfachten Verfahren. Dabei steht dem Kläger die Wahl offen, ob er das vereinfachte Verfahren oder das Klageverfahren betreibt. Vorliegend kann dahinstehen, ob bei der Wahl beider Verfahrensarten ein Anspruch auf Prozesskostenhilfe besteht (so OLG Naumburg, Beschluss vom 25.03.1999, Az: 3 WF 22/99; OLG Köln, Beschluss vom 05.11.2001, Az: 21 WF 208/01) oder für eine reguläre Unterhaltsklage anstelle des vereinfachten Verfahrens grundsätzlich nicht bewilligt wird (OLG Hamm, Beschluss vom 09.02.1999, Az: 2 WF 17/99). Auch das OLG Hamm sieht mit seiner Entscheidung einen Vorrang des vereinfachten Verfahrens nach § 645ff ZPO nicht, wenn die Parteien im Wesentlichen über Rechtsfragen und nicht über die Höhe des Einkommens des Beklagten streiten, da in diesem Falle das vereinfachte Verfahren weder schneller noch billiger ist.

Die vom Kläger gewählte Verfahrensart ist im Rahmen der beantragten Prozesskostenhilfe nicht zu beanstanden. Der Beklagte hat vorprozessual eingewandt, er könne nicht mehr zahlen, er bezöge Arbeitslosengeld II. Bei dieser Fallgestaltung bietet das vereinfachte Verfahren vorausschauend keine Vorteile gegenüber einer regulären Unterhaltsklage. Mit der Erhebung vorgenannter Einwendung ist nämlich zu rechnen. In dieser Sache geht es vorhersehbar um Rechtsfragen, insbesondere die Bewertung der Leistungs(un)fähigkeit und Erwerbsobliegenheit, die Zurechnung eines fiktiven Einkommens oder die Höhe des Selbstbehaltes des Unterhaltsverpflichteten. Bei dieser Sachlage ist das vereinfachte Verfahren weder billiger noch schneller noch aus Beweisgründen günstiger für den Kläger.

Da der Kläger Ansprüche auf Unterhalt in Höhe des Regelbetrages durchsetzen möchte, hilft ihm nicht einmal die den Unterhaltspflichtigen im vereinfachten Verfahren ggf. nach § 648 Abs. 2 Satz 3 ZPO treffende Auskunftspflicht.

Der Kläger begehrt den Mindestbedarf in Höhe des Regelbedarfs abzüglich der gemäß § 7 UVG an den Unterhaltsvorschussträger übergegangenen Leistungen. Er hat damit lediglich seine Bedürftigkeit nachzuweisen. Der Beklagte muss seine behauptete Leistungsunfähigkeit nachweisen (vgl. Hoppenz/Hülsmann, Familiensachen, 8. Auflage, § 1610 BGB Rdn. 18, 39, § 1603 BGB Rdn. 31; Weinreich/Klein, Familienrecht, 2. Auflage, § 1603 Rdn. 124). Insofern ist der Kläger berechtigt, im Klageverfahren zur Hauptsache seinen Unterhaltsanspruch in Höhe von 100 % des jeweiligen Regelbetrages der jeweiligen Altersstufe abzüglich des gem. § 1612 b Abs. 5 BGB anrechenbaren Kindergeldes insoweit geltend zu machen, als kein Anspruchsübergang gem. § 7 UVG bereits stattgefunden hat.

Im Rahmen des anhängigen Hauptsacheverfahrens ist dem Kläger auch Prozesskostenhilfe für die beabsichtigte einstweilige Anordnung gem. § 644 ZPO zu bewilligen.

Er hat seinen Unterhaltsanspruch schlüssig dargelegt und glaubhaft gemacht. Eine Notsituation ist (anders als bei § 940) nicht erforderlich (Hoppenz/Zimmermann, a.a.O., § 644 ZPO Rdn. 1, 5). Unter Berücksichtigung des geänderten Anträge ist die Klage in der Hauptsache nicht ohne Aussicht auf Erfolg. Der Kläger ist für die Zukunft auch nicht wegen § 7 UVG an einer Geltendmachung im Wege der einstweiligen Anordnung gehindert.

Keinesfalls entfällt mit dem Bezug von Unterhaltsvorschuss der Anordnungsgrund oder die Eilbedürftigkeit, da der Kläger einen Anspruch auf angemessenen Unterhalt im Rahmen des § 1610 BGB hat und grundsätzlich nicht auf ein Abwarten der Hauptsacheentscheidung zu verweisen ist, sofern dieser angemessene Unterhalt die bezogenen Unterhalts-vorschussleistungen erheblich unterschreitet, zumal ein Vorrang der Inanspruchnahme der Unterhaltsvorschusskasse nicht besteht.

Eine Kostenentscheidung ist wegen § 127 Abs. 4 ZPO nicht veranlasst.

Ende der Entscheidung

Zurück