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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Rostock
Beschluss verkündet am 16.10.2006
Aktenzeichen: 11 UF 39/06
Rechtsgebiete: ZPO, GewSchG, StGB, BGB


Vorschriften:

ZPO § 519 Abs. 1
ZPO § 621 e Abs. 1
ZPO § 621 e Abs. 3
GewSchG § 1
GewSchG § 1 Abs. 1 Satz 1
GewSchG § 2
GewSchG § 2 Abs. 1
StGB § 239
StGB § 240
BGB § 1361 b
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Az.: 11 UF 39/06

BESCHLUSS

In der Familiensache

hat der 2. Familiensenat des Oberlandesgerichts Rostock durch

die Vorsitzende Richterin am Oberlandesgericht ... die Richterin am Oberlandesgericht ... und den Richter am Oberlandesgericht ...

am 16. Oktober 2006 beschlossen:

Tenor:

Auf die Beschwerde des Antragsgegners wird der Beschluss des Amtsgerichts Demmin vom 03.03.2006, Az.: 19 F 64/05, geändert und der Antrag der Antragstellerin auf Regelung der Benutzung der gemeinsamen Wohnung abgewiesen.

Die Gerichtskosten trägt die Antragstellerin; sie hat die dem Antragsgegner entstandenen Kosten zu erstatten.

Das Beschwerdeverfahren ist gebührenfrei.

Gründe:

A.

Der Antragsgegner wendet sich mit der Beschwerde gegen die vom Amtsgericht angeordneten Maßnahmen nach dem Gewaltschutzgesetz, hier Wohnungsüberlassung und Räumungsverpflichtung.

Die Parteien haben eine eheähnliche Lebensgemeinschaft geführt. Aus der Verbindung stammen die gemeinsamen minderjährigen Kinder, V..., geb. ..., und A..., geb. am .... Die Parteien bewohnten während ihrer Lebensgemeinschaft ein im Alleineigentum der Antragstellerin befindliches Haus. Dort leben auch in einer separaten Wohnung die Eltern der Antragstellerin.

Auf Antrag der Antragstellerin erließ das Amtsgericht nach Anhörung der Parteien am 03.03.2006 einen Beschluss mit folgendem Tenor:

"... 1. Die im Anwesen ..., im Erdgeschoss befindliche Wohnung, bestehend aus einem Schlafzimmer, einem Wohnzimmer mit Küche und Wintergarten, zwei Kinderzimmern, einem Durchgangszimmer, einem Bad, einem Flur, einem Gäste-WC, einem Büroraum wird der Antragstellerin zur alleinigen Nutzung zugewiesen.

2. Der Antragsgegner hat den vorbezeichneten Wohnraum zu räumen und an die Antragstellerin herauszugeben.

3. Die sofortige Wirksamkeit der Entscheidung wird angeordnet. ..."

Wegen der erstinstanzlichen Feststellungen und Entscheidungsgründe nimmt der Senat auf den angefochtenen Beschluss Bezug.

Gegen diesen Beschluss wendet sich der Antragsgegner mit seiner Beschwerde.

Er bestreitet, am 24.12.2005 gegenüber der Antragstellerin ernsthaft am Telefon erklärt zu haben, das Haus mit einem Radlader zusammenschieben zu wollen. Im Übrigen habe er nie die Absicht gehabt, dauerhaft in der Wohnung zu verbleiben. Er habe diese zwischenzeitlich verlassen und geräumt. Er lebe derzeit im Hotel. Er sei lediglich zur Ausübung seiner Geschäfte auf den im Haus befindlichen Büroraum angewiesen.

Der Antragsgegner beantragt,

den Beschluss des Amtsgerichts Demmin - Familiengericht - vom 03.03.2006, Az.: 19 F 64/05, zu ändern und den Antrag der Antragstellerin abzuweisen.

Die Antragstellerin beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Sie verteidigt den angefochtenen Beschluss und trägt vor, zwar wohne der Antragsgegner seit dem 03.03.2006 nicht mehr in ihrem Haus. Es sei jedoch keine Erfüllung bzw. Erledigung in Bezug auf die Verpflichtung zur Räumung und Herausgabe des Wohnraumes eingetreten. Der Antragsgegner habe nicht geräumt. Er habe noch persönliche Sachen in dem Büroraum gelassen. Er habe die in Ziff. 1 des angefochtenen Beschlusses bezeichneten Räumlichkeiten nicht an sie herausgegeben und auch die Schlüssel für Haus und Wohnung nicht übergeben. Der Antragsgegner könne nicht pauschal bestreiten, ihr am 24.12.2005 in Aussicht gestellt zu haben, ihr Haus mit einem Radlader zusammenzuschieben. In seiner eidesstattlichen Versicherung vom 19.01.2006 habe er eingestanden, nicht zu wissen, was er ihr am 24.12.2005 gesagt habe bzw. in welcher Weise er sie beschimpft habe, weil er eine Flasche Goldbrand ausgetrunken hatte.

B.

Die gemäß § 621 e Abs. 1 ZPO statthafte Beschwerde ist zulässig. Zwar ist sie entgegen §§ 621 e Abs. 3, 519 Abs. 1 ZPO nicht bei dem Oberlandesgericht, sondern bei dem Amtsgericht eingelegt worden. Das Amtsgericht hat die Weiterleitung der Beschwerdeschrift durch Verfügung vom 14.03.2006 veranlasst, so dass diese noch rechtzeitig vor Ablauf der Beschwerdefrist am 20.03.2006 bei dem Oberlandesgericht eingegangen ist (vgl. Zöller/Gummer/Heßler, ZPO 25. Aufl., § 519 Rdn. 14 m. w. N.).

Die Beschwerde ist auch begründet.

Gemäß § 2 Abs. 1 GewSchG i. V. m. § 1 Abs. 1 Satz 1GewSchG besteht ein Anspruch der Antragstellerin gegen den Antragsgegner, mit dem sie einen auf Dauer angelegten gemeinsamen Haushalt geführt hat, jedoch nicht verheiratet ist, ihr die gemeinsam genutzte Wohnung zur alleinigen Nutzung zu überlassen nur dann, wenn der Antragsgegner vorsätzlich den Körper, die Gesundheit oder die Freiheit der Antragstellerin widerrechtlich verletzt hat.

Unter Körperverletzung ist hier der Eingriff in die körperliche Unversehrtheit zu verstehen, also jede Störung der körperlichen, geistigen oder seelischen Lebensvorgänge. Auch psychische Gewalt kann zu einer Körperverletzung führen, wenn sie sich körperlich auswirkt, z.B. in Schlaflosigkeit, Zittern oder Appetitlosigkeit.

Eine Verletzung der Gesundheit wird bei jedem Hervorrufen oder Steigern eines von den normalen körperlichen Funktionen nachteilig abweichenden Zustands angenommen (BGHZ 114, 284). Zu den Gesundheitsverletzungen gehört auch die Störung des seelischen Wohlbefindens des Opfers, sofern sie medizinisch feststellbar und von einigem Gewicht ist (Schumacher, FamRZ 2002, 645).

Eine Verletzung der Freiheit liegt vor, wenn die körperliche Bewegungsfreiheit i. S. einer Freiheitsberaubung nach § 239 StGB eingeschränkt ist. Dies ist dann anzunehmen, wenn eine Person in einem Raum eingesperrt wird oder durch Drohung, Zwang oder Täuschung zu einer Handlung genötigt wird. Die allgemeine Handlungsfreiheit dagegen ist als solche nicht geschützt (Hoppenz/Müller, Familiensachen, 8. Aufl., § 1 GewSchG Rdn. 7 -9).

Dass die Antragstellerin derartiges hat erleiden müssen, ergibt sich weder aus dem angefochtenen Beschluss des Amtsgerichts noch aus dem erstinstanzlichen Vorbringen der Antragstellerin. Das Amtsgericht stellt im angefochtenen Beschluss maßgeblich darauf ab, dass der Antragsgegner der Antragstellerin bei einem der Telefonate am 24.12.2005 mit der Verletzung der Freiheit gedroht habe, indem er versucht habe, sie durch die Ankündigung, er würde andernfalls das Haus mit einem Radlader zusammenschieben, sie dazu zu nötigen, ihm die Kinder am Folgetag besuchsweise zu überlassen. Unabhängig davon, dass der Antragsgegner mit der Beschwerde eine derartige Äußerung bestritten hat, würde, unterstellt, der Antragsgegner habe eine solche Äußerung getätigt, dies keine Freiheitsverletzung i. S. d. § 1 GewSchG darstellen. Denn geschützt ist hier die körperliche Bewegungsfreiheit, nicht die allgemeine Handlungsfreiheit. Ggf. handelt es sich hierbei um eine Nötigung i. S. d. § 240 StGB, die vom Tatbestand des § 1 Abs. 1 Satz 1 GewSchG nicht erfasst ist. Im Übrigen ist die Antragstellerin offenbar selbst nicht von der Ernsthaftigkeit der behaupteten Drohung des Gegners ausgegangen, denn sie hat nichts unternommen, auch nicht die Polizei gerufen, um den Antragsgegner an der Realisierung seines vermeintlichen Vorhabens zu hindern.

Die Behauptung der Antragstellerin, der Antragsgegner habe sie am Abend des 15.10.2005 mit einer geworfenen vollen Bierflasche am Rücken getroffen, hat der Antragsgegner bestritten. Er hat zwar den Wurf bestätigt, jedoch erklärt, die Antragstellerin weder getroffen zu haben, noch habe treffen wollen. Zulässigen Beweis für ihre Behauptung tritt die beweisbelastete Antragstellerin nicht an. Glaubhaftmachung genügt insoweit nicht. Gleiches gilt für den vom Antragsgegner verursachten Auffahrunfall auf den von der Antragstellerin gesteuerten Pkw am 11.11.2005. Der Antragsgegner hat behauptet, durch Unaufmerksamkeit aufgefahren zu sein. Dass dies in der Absicht geschehen ist, die Antragstellerin an Körper oder Gesundheit zu verletzen, steht nicht fest.

Andere Gründe, wie sie etwa § 1361 b BGB für die alleinige Benutzungszuweisung der früheren Ehewohnung unter getrennt lebenden Ehegatten zur Vermeidung einer unbilligen Härte berechtigen, begründen keinen Anspruch auf Benutzungsregelung der früheren gemeinsamen Wohnung zwischen nicht verheirateten Lebenspartnern gemäß § 2 GewSchG. Beschimpfungen, Belästigungen, Beleidigungen und Nachstellungen, wie sie die Antragstellerin behauptet, rechtfertigen eine Benutzungsregelung i. S. d. § 2 Abs. 1 GewSchG nicht.

C.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 13 a Abs. 1 Satz 1 FGG, 131 Abs. 1 Satz 2, Abs. 5 KostO.

Gesetzliche Gründe, die Rechtsbeschwerde zuzulassen (§§ 621 e Abs. 2, 543 Abs. 2 ZPO), bestehen nicht.

Ende der Entscheidung

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