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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Rostock
Beschluss verkündet am 09.12.2005
Aktenzeichen: 11 UF 99/05
Rechtsgebiete: BGB, ZPO, FGG, SchulG M-V, KostO


Vorschriften:

BGB § 1627
BGB § 1628 Abs. 1
BGB § 1628 S. 1
BGB § 1687 Abs. 1 S. 3
ZPO § 621e Abs. 1
FGG § 13 a Abs. 1 S. 1
FGG § 13 a Abs. 1 S. 2 1. Alternative
FGG § 50 b
SchulG M-V § 17
SchulG M-V § 17 Abs. 5
SchulG M-V § 18 Abs. 2
SchulG M-V § 18 Abs. 2 S. 3
SchulG M-V § 15
SchulG M-V § 15 Abs. 2
SchulG M-V § 19 Abs. 1 S. 2
KostO § 2
KostO § 94 Abs. 3 S. 2
KostO § 131 Abs. 3
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Az.: 11 UF 99/05

Beschluss

In der Familiensache

betreffend die Entscheidung über den Besuch einer weiterführenden Schule des minderjährigen Kindes L..., geb. am ... wohnhaft bei der Kindesmutter

hat der 2. Familiensenat des Oberlandesgerichts Rostock durch

die Vorsitzende Richterin am Oberlandesgericht ... den Richter am Oberlandesgericht ... und die Richterin am Amtsgericht ...

am 09.12.2005 beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde des Kindesvaters gegen den Beschluss des Amtsgerichtes Greifwald - Familiengericht - vom 20.06.2005, Az.: 61 F 90/05, wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass hinsichtlich der erstinstanzlichen Kosten die Gerichtskosten die Eltern je zur Hälfte tragen und eine Erstattung der außergerichtlichen Kosten nicht stattfindet.

Das Beschwerdeverfahren ist gerichtsgebührenfrei; der Kindesvater trägt die gerichtlichen Auslagen des Beschwerdeverfahrens und hat die der Kindesmutter im Beschwerdeverfahren entstandenen Kosten zu erstatten.

Gründe:

A.

Die Parteien streiten um die Entscheidung über den Besuch einer weiterführenden Schule ab Klasse 5 der gemeinsamen minderjährigen Tochter L..., geb. am ...

Die Parteien waren miteinander verheiratet. Aus der Ehe stammt ihr Kind L..., welches seit Trennung der Eltern bei der Kindesmutter lebt. Durch Beschluss des Amtsgerichts Stralsund vom 08.04.2003, Az.: 21 F 588/02, steht das Aufenthaltsbestimmungsrecht der Kindesmutter allein zu.

Die Ehe der Eltern ist durch Urteil des Amtsgerichts Greifswald vom 21.03.2005, rechtskräftig seit dem 03.05.2005, geschieden. Die elterliche Sorge für L..., mit Ausnahme des Aufenthaltsbestimmungsrechts, das bei der Mutter liegt, steht den Eltern gemeinsam zu. Der Kindesvater hatte Umgang mit dem Kind, zuletzt, nach dem Willen der Kindesmutter, in begleiteter Form.

Die Eltern können sich nicht einigen, welche weiterführende Schule L... mit Beginn der 5. Klasse im Schuljahr 2005/2006 besucht.

Der Kindesvater ist der Ansicht, im Hinblick auf das in der Grundschule gezeigte Leistungsvermögen, die Leistungsbereitschaft und das Arbeitstempo L... sollte diese die integrierte Gesamtschule in Greifswald besuchen, ohne bereits jetzt auf den gymnasialen Bildungsweg und Erlangung des Abiturs festgelegt zu werden.

Die Kindesmutter ist der Ansicht, die Leistungen des Kindes rechtfertigen es, dem Wunsch des Kindes zu folgen und es am Gymnasium beschulen zu lassen.

Mit Beschluss vom 20.06.2005 hat das Familiengericht den Antrag des Antragstellers, ihm die Entscheidung über den Besuch der weiterführenden Schule des gemeinsamen Kindes zu übertragen, zurückgewiesen und diese der Antragsgegnerin allein übertragen.

Wegen der erstinstanzlichen Feststellungen und der Entscheidungsgründe nimmt der Senat auf den Beschluss des Familiengerichts (Bl. 49 - 53 d. A.) Bezug.

Hiergegen richtet sich die Beschwerde des Kindesvaters, mit der er sein erstinstanzliches Begehren, ihm das Entscheidungsrecht zu übertragen, weiter verfolgt.

Er trägt vor, das Familiengericht habe seinen nachgelassenen Schriftsatz vom 14.06.2005 in der Entscheidung nicht berücksichtigt. Auch die Kindesmutter habe im vorangegangenen Sorgerechtsverfahren das alleinige Sorgerecht beantragt und den Antrag später zurückgenommen, nicht nur er. Sein Antrag auf Übertragung des Entscheidungsrechts über den Schulbesuch stehe nicht in Verbindung mit dem gesonderten Antrag auf elterliche Alleinsorge, den er erneut beim Familiengericht gestellt habe. Solange über den Sorgerechtsantrag nicht entschieden sei, beabsichtige er, wenn ihm das Entscheidungsrecht über den Schulbesuch übertragen werde, das Kind am Wohnort der Kindesmutter, der das Aufenthaltsbestimmungsrecht allein zustehe, in der integrierten Gesamtschule in Greifswald, anzumelden. Die Ansicht des Familiengerichts, der Lernentwicklungsbericht vom 28.01.2005 sei durch den erweiterten Lernbericht vom 14.02.2005 vertieft worden, sei unzutreffend. Dieser sei lediglich geschönt worden. Dazwischen habe kein Unterricht mehr stattgefunden. Das Familiengericht habe das Abschlusszeugnis L... der 4. Klasse nicht herangezogen. Die Entscheidung über den weiteren Schulbesuch sei auf der Grundlage der Ergebnisse zur Mitte des 4. Schuljahres auf der Grundlage des Halbjahreszeugnisses gefallen. Die Kindesmutter habe für sich schon zu Beginn der 4. Klasse entschieden, dass L... das Gymnasium besuchen solle. Nunmehr plane die Landesregierung Mecklenburg-Vorpommern eine Schulgesetzänderung dahin, dass der Schulwechsel ab Schuljahr 2006/2007 erst ab dem 7. Schuljahr stattfinden solle. Er wolle die Umschulung auf eine Gesamtschule. L... solle dort die Orientierungsstufe 5. und 6. Schuljahr besuchen. Die Kinder würden auf Gymnasien einer Selektion unterworfen. Es bestehe ein Bundesländerwettkampf wegen der Pisa-Ergebnisse. Dem solle L... nicht ausgesetzt sein. Der Wille L... sei beeinträchtigt durch den Einfluss der Mutter. Nur deshalb sei er gegen die Anhörung des Kindes gewesen. Die Mutter habe die Entscheidung über den weiteren Schulbesuch ohne Abstimmung mit ihm und vor der gerichtlichen Auseinandersetzung getroffen und durchgeführt. Dies widerspreche der Vorschrift des § 1627 BGB. Er habe deshalb einen Antrag auf Übertragung des Entscheidungsrechts im Interesse des Kindes gestellt. Die vom Familiengericht getroffene Entscheidung, ihm die Kosten des Verfahrens zu übertragen, sei somit grob unbillig. Die Entscheidung des Familiengerichts lasse offen, welche Probleme denn für die Mutter entstehen würden, wenn L... eine Gesamtschule besuche. Die integrierte Gesamtschule Greifswald sei eine Ganztagsschule. Dies komme Berufstätigen entgegen. Der Besuch dort würde die nachmittägliche Verwahrung L... bei der Großmutter entbehrlich machen und sei zuverlässiger. Es sei in der Vergangenheit vorgekommen, dass die Großmutter angefahren worden sei, als sie das Kind von der Schule abholen wollte. L... sei in der Folge nicht im Hort aufgetaucht. Sein Antrag richte sich am Wohle des Kindes aus. Es handele sich um eine Angelegenheit von erheblicher Bedeutung. Die guten Schulnoten im Halbjahreszeugnis der 4. Klasse seien nicht allein ausschlaggebend für die Prognose, dass die Tochter den Anforderungen der gymnasialen Sekundarstufe 2 entspreche, dies auch im Hinblick auf den Lernentwicklungsbericht. Zum Zeitpunkt des Schulhalbjahres sei von der Tochter mehr Aktivität und Eigeninitiative gefordert worden. Er halte es für die Entwicklung des Kindes für bedeutsam, zu lernen, eigene Fähigkeiten und Neigungen zu erkennen und realistisch einzuschätzen. Diese Fähigkeit könne sich erst mit zunehmendem Reife- und Selbsterkenntnisprozess des Kindes entwickeln. Ein positives selbstbewusstes Ergebnis sei aus seiner Sicht dann zu erwarten, wenn dieser Entwicklungsprozess mit der objektiven Möglichkeit, sich auszuprobieren, gepaart sei. Bisher sei L... bis zum Zeitpunkt der angegriffenen Entscheidung noch kein Fachunterricht erteilt worden, sodass der kindlichen Selbstbestimmungsfähigkeit, hier in Form des geäußerten Wunsches zum Besuch eines Gymnasiums, noch nicht die ausschlaggebende Bedeutung zukommen könne. Er sehe seine geäußerten Bedenken nach den ersten vorliegenden schulischen Ergebnissen der Tochter vor den Herbstferien bestätigt. Nach Bekundungen der Klassenleiterin seien zwar erst wenige Noten erteilt worden, die auch noch kein außergewöhnliches Ergebnis darstellten, sich jedoch in einer Bandbreite von 1 bis 4 bewegten. Das Familiengericht habe nicht ausreichend berücksichtigt, dass die Kindesmutter völlig eigenmächtig und ohne Absprache mit ihm gehandelt habe. Auch die Erkenntnisse der Landesregierung, die zur Reform des Schulgesetzes geführt haben, seien vom Familiengericht nicht ausreichend berücksichtigt worden.

Der Kindesvater beantragt,

unter Abänderung des erstinstanzlichen Beschlusses des Amtsgerichts Greifswald vom 20.06.2005, Az.: 61 F 90/05, ihm die Entscheidung über dden Besuch der weiterführende Schule des gemeinsamen Kindes L... zu übertragen

und

die erstinstanzlichen Kosten der Kindesmutter aufzuerlegen und sie zu verpflichten, seine außergerichtlichen Kosten zu erstatten;

hilfsweise,

die erstinstanzlichen Gerichtskosten zu teilen und die Erstattung der außergerichtlichen Kosten nicht anzuordnen.

Die Kindesmutter beantragt,

die Beschwerde des Kindesvaters zurückzuweisen.

Sie trägt vor, sie habe über L... weiteren Schulbesuch deshalb so entschieden, um ihrem Leistungsstand und ihrem Wunsch zu entsprechen. Sachliche Gespräche seien zu der Zeit ihrer Entscheidung mit dem Kindesvater nicht mehr möglich gewesen. Sie sei ferner der Auffassung gewesen, dass der Kindesvater keine Einwendungen grundsätzlicher Art gegen den Besuch eines Gymnasiums erheben würde. Sie habe die Entscheidung auch nicht leichtfertig getroffen. Sie habe sich über Leistungsstand und mögliche schulische Entwicklungen mit der Klassenleiterin und der Direktorin der Grundschule unterhalten. Wegen des ständigen Kontaktes mit L... in Kenntnis ihrer schulischen Entwicklung und ihrer Lerneinstellung und ihrer positiven Lernentwicklung könne sie davon ausgehen, dass L... mit dem Besuch des Gymnasiums ab Klassenstufe 5 nicht überfordert sei. L... selbst habe wiederholt geäußert, das Gymnasium besuchen zu wollen. Somit widerspreche ihre Entscheidung, ab Schuljahr 2005/2006 L... das Gymnasium besuchen zu lassen, nicht dem Kindeswohl. Auch der Einwand des Kindesvaters, dass die Unterbringung in einer Gesamtschule zuverlässiger sei, da die Großmutter im Jahre 2003 in einen Unfall verwickelt gewesen sei, stehe dem Kindeswohl nicht entgegen. L... könne nach Absprache mit der Großmutter, die sich zuverlässig kümmere, Mittag essen und Hausaufgaben machen. Im Übrigen habe sie L... Kontakt zur Großmutter nach der Schule nur als eine Möglichkeit angegeben. Ansonsten könne L... nach der schulischen Betreuungszeit, die 14.45 Uhr ende, nach Hause fahren. Dem Kindesvater sei bekannt, dass L... auf das Gymnasium wolle. Dennoch habe der Kindesvater L... darin nicht unterstützt und spreche dem Kind insoweit einen eigenen Willen ab.

Das zuständige Jugendamt hat im Beschwerdeverfahren berichtet, dass sich L... positiv zum Schulalltag geäußert habe. Von der Klassenleiterin des Kindes sei L... als gute und aufmerksame Schülerin dargestellt worden. Es sei von guten Leistungen und einer dem Anspruch der Schulform entsprechenden Selbständigkeit berichtet worden. L... arbeite in den Unterrichtsstunden gut mit, wirke jedoch manchmal verträumt. Sie spreche über ihr Hobby, den Pferdesport, und zeige dabei viel Begeisterung. In der Klasse habe sie Freunde gefunden, zu denen sie ein offenes und herzliches Verhältnis habe. Sie zeige aber auch deutlich ihre Ablehnung, wenn das Verhalten oder Aussehen anderer Kinder nicht ihren Wertvorstellungen entspreche. Das Verhalten zu den Lehrern der Schule sei korrekt und unauffällig.

B.

Die gem. § 621e Abs. 1 ZPO statthafte Beschwerde des Kindesvaters ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden (§ 621e Abs. 3, 517, 520 Abs. 1, 2 und 3 S. 1 ZPO).

Sie ist jedoch in der Hauptsache nicht begründet. Im Ergebnis der Anhörung der Beteiligten, des Kindes L... und Vernehmung der derzeitigen Klassenlehrerin L..., der Zeugin B..., steht fest, dass der Kindesvater nicht besser als die Kindesmutter geeignet ist, eine am Kindeswohl ausgerichtete Entscheidung zu treffen. Die von der Kindesmutter bevorzugte Entscheidung zum Besuch des Gymnasiums dient auch zur Überzeugung des Senats eher dem Kindeswohl, als der vom Kindesvater gewünschte Besuch L... einer Gesamtschule.

Das amtsgerichtliche Verfahren leidet an einem wesentlichen Verfahrensmangel. Das Familiengericht hat entgegen § 50 b FGG das betroffene Kind nicht persönlich angehört. Das schwerwiegende Gründe vorlagen, nach denen das Familiengericht von der Anhörung abgesehen hat (§ 50 b Abs. 3 Satz 1 FGG) lässt sich der angefochtenen Entscheidung nicht entnehmen. Ein schwerwiegender Grund in diesem Sinne, von der persönlichen Anhörung des Kindes L..., geb. am ... abzusehen, kann nicht, wie das Familiengericht meint, darin liegen, dass die Eltern auf eine Anhörung L... verzichtet haben. Der persönlichen Anhörung eines Kindes im Alter von sechs Jahren aufwärts kommt in der Regel ein beachtlicher Erkenntniswert zu, weshalb eine Anhörung grundsätzlich geboten ist (OLG Karlsruhe FamRZ 1994, 393). Die Anhörung eines zehnjährigen Kindes in einem Sorgerechtsverfahren ist regelmäßig geboten, damit der Tatrichter ein besseres Verständnis von der Persönlichkeit, der Situation, aber auch von den Bedürfnissen und Gefühlen des Kindes vermittelt bekommt, um letztendlich eine sachgerechte Entscheidung treffen zu können.

Der Senat hat von der Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und Zurückverweisung an das Familiengericht abgesehen und nach persönlicher Anhörung der Eltern und des minderjährigen Kindes L... in der Sache selbst entschieden.

Leben Eltern, denen die elterliche Sorge gemeinsam zusteht, nicht nur vorübergehend getrennt, so kann derjenige Elternteil, bei dem das Kind seinen tatsächlichen Aufenthalt hat, in Angelegenheiten des täglichen Lebens sorgerechtliche Entscheidungen allein treffen. Handelt es sich jedoch um Angelegenheiten, deren Regelung für das Kind von erheblicher Bedeutung ist, so ist das gegenseitige Einvernehmen der Eltern erforderlich (§ 1687 Abs. 1 S. 1 und 2 BGB). Bei Streitigkeiten, die Angelegenheiten von erheblicher Bedeutung betreffen und in denen sich die Eltern nicht einigen können, ist auf Antrag eines Elternteils, dem die Bedeutung eines Verfahrens-, nicht aber eines Sachantrages zukommt, die Entscheidung gem. § 1628 Abs. 1 BGB einem Elternteil, der nicht der antragstellende Elternteil sein muss, allein zu übertragen.

Die Frage des Besuchs der weiterführenden Schule hat das Familiengericht zutreffend als Angelegenheit von erheblicher Bedeutung angesehen. Nach der Legaldefinition des § 1687 Abs. 1 S. 3 BGB sind Entscheidungen in Angelegenheiten des täglichen Lebens in der Regel solche, die häufig vorkommen und die keine schwer abzuändernden Auswirkungen auf die Entwicklung des Kindes haben. Daraus folgt, dass Angelegenheiten von erheblicher Bedeutung alljene sind, die nicht diesen Anforderungen entsprechen. Von erheblicher Bedeutung für das Kind sind jedenfalls Entscheidungen, die die kindliche Entwicklung auf Dauer bestimmen. Hierzu gehört zweifelsfrei die Wahl der Schulart (Johannsen/Henrich/Jaeger, Eherecht, 4. Aufl. § 1687 Rn. 4).

Weil sich die Eltern über diese wesentliche Angelegenheit nicht einigen können, ist eine Entscheidung gem. § 1628 S. 1 BGB aufgrund des Antrages des Kindesvaters erforderlich.

Die Vorstellungen der Eltern über die gewünschte Schulart sind am Maßstab des Kindeswohls (§ 1697a BGB) zu messen (BVerfG FamRZ 2003, 511). Zu fragen ist also, welche Schulart am ehesten den Fähigkeiten und Fertigkeiten, aber auch den Wünschen L... im Hinblick auf die konkret möglichen Schularten am ehesten entspricht.

Der Kindesvater ist der Ansicht, L... solle ab Klassenstufe 5 die integrierte Gesamtschule in Greifswald besuchen, weil aus seiner Sicht derzeit noch nicht festgestellt werden könne, ob die Fähigkeiten und Fertigkeiten und die Leistungsbereitschaft Livs den Anforderungen einer gymnasialen Ausbildung entspricht. Gem. § 17 des Schulgesetzes des Landes Mecklenburg-Vorpommern vom 15.05.1996, GVBl. M-V 1996 S. 205 i.d.F. des Gesetzes vom 06.10.2005, GVBl. M-V. 2005 S. 510, umfasst die integrierte Gesamtschule die Jahrgangsstufen 5 bis 10, sofern eine gymnasiale Oberstufe eingerichtet ist, die Jahrgangsstufen 5 bis 12. Nach fernmündlicher Auskunft der integrierten Gesamtschule in Greifswald ist dort eine gymnasiale Oberstufe nicht eingerichtet. Allerdings besteht gem. § 17 Abs. 5 Schulgesetz M-V dort ein Schulverbund mit dem Jahn-Gymnasium, so dass gymnasiale Kurse belegt und nach Jahrgangsstufe 10 in Jahrgangsstufe 11 des Jahn-Gymnasiums gewechselt werden kann. Gem. § 18 Abs. 2 des Schulgesetzes M-V wird in der integrierten Gesamtschule das Bildungsangebot der in ihr zusammengefassten Bildungsgänge vereinigt. Sie ermöglicht es, den Schülern in individueller Bestimmung des Bildungsweges die Bildungsgänge zu verfolgen und führt zu den Abschlüssen, die an der regionalen Schule erworben werden können, durch den Schulverbund mit einem Gymnasium auch zum Abitur. Gem. § 18 Abs. 2 S. 3 Schulgesetz M-V ermöglicht es die Unterrichtsorganisation der integrierten Gesamtschule den Schülern eine Schwerpunktbildung entsprechend ihrer Leistungsfähigkeit und ihren Neigungen durch Unterricht in gemeinsamen Kerngruppen und Kursen, die nach Leistungsansprüchen differenziert werden, vorzunehmen. Der Besuch der integrierten Gesamtschule führt danach in der Regel zu den Abschlüssen der regionalen Schule, hier Klasse 10. Bei entsprechenden Fähigkeiten und Fertigkeiten ist es jedoch dort auch möglich, einen gymnasialen Bildungsgang einzuschlagen und weiterführend ab Klasse 11 die Sekundarstufe 2 an einem Gymnasium mit dem Ziel des Abiturs zu belegen. Die Wahl der Schulform ist dann vorteilhaft, wenn nach den zur Zeit festzustellenden Fähigkeiten und Fertigkeiten noch nicht feststeht, ob die Leistungsanforderungen an den gymnasialen Bildungsweg gegeben sind, ohne diese Möglichkeit auszuschließen. Hiervon geht der Kindesvater aus.

Die Kindesmutter hat sich für das Gymnasium entschieden, wobei zunächst hier gem. § 15 Schulgesetz M-V die Jahrgangsstufen 5 und 6 die schulartbezogene Orientierungsstufe darstellen. Gem. § 15 Abs. 2 Schulgesetz M-V hat die Orientierungsstufe die Aufgabe, durch Beobachtung, Förderung und Erprobung das Erkennen der Interessengebiete und Lernmöglichkeiten der Schüler und damit die Wahl zwischen den Bildungsgängen der Sekundarstufe 1 zu erleichtern. Die Arbeit in der Orientierungsstufe baut auf dem Unterricht in der Grundschule, seinen Lernformen und Erfahrungen auf und dient dazu, Erkenntnisse über die individuellen und gemeinsamen Interessen und Fähigkeiten der Schüler zu gewinnen. Für alle Gegenstandsbereiche des Unterrichts in der Orientierungsstufe der Jahrgangsstufen 5 und 6 auch am Gymnasium gelten die gleichen Rahmenpläne, wie an der regionalen Schule, der kooperativen Gesamtschule und der integrierten Gesamtschule (§ 15 Abs. 2 S. 3 Schulgesetz M-V). Die Ausrichtung der Orientierungsstufe (Klasse 5 und 6) am Gymnasium ist jedoch durch das Ziel des Gymnasiums, die Erlangung des Abiturs und der Studierfähigkeit, geprägt. Gem. § 19 Abs. 1 S. 2 Schulgesetz M-V vermittelt das Gymnasium seinen Schülern entsprechend ihren Leistungen und Neigungen eine vertiefte und erweiterte allgemeine Bildung, die die Schüler befähigt, nach Maßgabe der Abschlüsse ihren Bildungsweg an einer Hochschule, aber auch in berufsqualifizierenden Bildungsgängen fortzusetzen.

Die Kindesmutter ist der Ansicht, dass L... nach ihrem derzeitigen Stand ihrer Leistungsfähigkeit und Leistungsbereitschaft in der Lage ist, diesen gymnasialen Bildungsweg zu gehen. Die Einschätzungen der Klassenleiterin L... in der 4. Klasse der Grundschule zum Schulhalbjahr, niedergelegt im erweiterten Lernentwicklungsbericht (Bl. 13 f. d. A.), rechtfertigen die Annahme der Kindesmutter. Entgegen der Ansicht des Kindesvaters steht der etwa 2 Wochen zuvor gefertigte Lernentwicklungsbericht im Halbjahreszeugnis der Grundschule 4. Klasse (Bl. 12 R d. A.) damit nicht im Widerspruch.

Soweit der Kindesvater auf eine E-Mail vom 31.01.2004 der Kindesmutter an ihn verweist (Bl. 9 d. A.), in der sie die Unzufriedenheit mit der Leistungsbereitschaft L... zum Ausdruck bringt, hat die Kindesmutter im Rahmen ihrer Anhörung vor dem Senat nachvollziehbar dargelegt, dass sie hiermit lediglich zum Ausdruck bringen wollte, dass L... ihr Leistungsvermögen nicht vollständig ausschöpft, jedoch von schlechten Leistungen keine Rede sein kann. Im Übrigen gibt die E-Mail den Entwicklungsstand des Kindes im Zeitpunkt der Abfassung ein Jahr vor dem erweiterten Lernentwicklungsbericht von Februar 2005 wieder. Im Hinblick auf ihre Leistungsbereitschaft hat L... nach dem erweiterten Lernentwicklungsbericht zum Halbjahr der 4. Klasse der Grundschule erhebliche Fortschritte gemacht.

L... besucht aufgrund der angefochtenen Entscheidung seit Herbst 2005 das Gymnasium. Zu der Frage, ob die Fähigkeiten und Fertigkeiten derzeit und auch in Zukunft gymnasialen Anforderungen entsprechen, hat der Senat die derzeitige Klassenleiterin L..., die Zeugin B..., gehört. Im Ergebnis der durchgeführten Beweisaufnahme steht aufgrund der überzeugenden Aussagen der Zeugin für den Senat fest, dass die von der Kindesmutter bevorzugte Entscheidung, L... ein Gymnasium besuchen zu lassen, eher dem Kindeswohl entspricht als die Absicht des Vaters, L... an einer integrierten Gesamtschule lernen zu lassen.

Die Zeugin hatte aufgrund des ihr mit der Zeugenladung übermittelten voraussichtlichen Beweisthemas eine Klassenkonferenz abgehalten, um zum Leistungsstand und der Leistungsbereitschaft L... auch die Meinung der übrigen Fachlehrer darlegen zu können. Nach dem Bekunden der Zeugin hat sich L... gut in die Klasse eingelebt, ist auf den Unterricht vorbereitet, bringt Ideen ein und hat ein gutes Sprachvermögen. Sie erkennt Zusammenhänge und ist fleißig, vor allem in den Lernfächern, was z. B. in sehr guten Englischnoten zum Ausdruck kommt. Das von L... besuchte Gymnasium hat eine mathematisch-naturwissenschaftliche Ausrichtung. Die Zeugin hat hervorgehoben, dass L... besser als andere denken und gedankliche Zusammenhänge herstellen könne, was sich insbesondere in den mathematisch-naturwissenschaftlichen Fächern zeige. L... gehört nach dem Bekunden der Zeugin derzeit zum oberen Leistungsdrittel der von ihr besuchten Klasse. Ihr Arbeitstempo müsse L... noch steigern. Nach Einschätzung der Zeugin, die seit mehr als 10 Jahren am Gymnasium unterrichtet, ist L... fähig, den gymnasialen Bildungsweg einzuschlagen. Ihre Leistungsbereitschaft und ihr Vermögen, selbständig zu arbeiten, ist gut entwickelt. Nach der von der Zeugin vorgelegten Übersicht über die bisher erteilten Noten beträgt der Zensurendurchschnitt 2,2.

L... hat im Rahmen ihrer persönlichen Anhörung erklärt, dass Gymnasium besuchen zu wollen. Dem Wunsch L... kommt zwar keine ausschlaggebende, jedoch eine erhebliche Bedeutung zu. Denn die Leistungsbereitschaft von Kindern hängt im großen Umfang auch von der Akzeptanz des Schülers für die von ihm besuchte Schulart ab. Worauf sich die Akzeptanz des Schülers begründet, ist hierbei nachrangig. Es kommt deshalb hier entscheidend auch nicht darauf an, ob L... im Einzelnen die Unterschiede der Ausrichtung einer Gesamtschule oder eines Gymnasiums kennt.

Die von L... im Rahmen ihrer persönlichen Anhörung geäußerten Berufswünsche (Friseuse oder Pferdewirtin) setzen zwar ein Abitur nicht voraus. Dem derzeit geäußerten Berufswunsch kommt jedoch in Anbetracht des Alters von L... nur eine nachrangige Bedeutung für die Frage, welche Schulartentscheidung am ehesten dem Kindeswohl entspricht, zu. Dieser ist in der Regel bis zum Schulabschluss mehrfachen Änderungen unterworfen; dies insbesondere dann, wenn weitere Interessen und Neigungen geweckt werden im Zusammenhang mit der Erteilung des Fachunterrichts in den höheren Klassen.

Die Hauptsacheentscheidung des Familiengerichts im angefochtenen Beschluss ist daher im Ergebnis nicht zu beanstanden.

Zu Recht rügt der Kindesvater jedoch die vom Familiengericht getroffene Kostenentscheidung. Der Kindesvater hat das Familiengericht erkennbar ausschließlich im Interesse des gemeinsamen Kindes angerufen und eine schlüssige Begründung für seinen Antrag gegeben. Dass dies zum Teil mit der Darlegung des Streitstandes der Kindesmutter persönlich verbunden war, ist insoweit ohne Belang. Die erstinstanzliche Kostenentscheidung war daher ermessensfehlerhaft. Die erstinstanzlichen Gerichtskosten waren gem. § 94 Abs. 3 S. 2 KostO zu teilen. Gem. § 13 a Abs. 1 S. 1 FGG war anzuordnen, dass eine Erstattung der außergerichtlichen Kosten nicht stattfindet.

C.

Die Gebührenfreiheit des Beschwerdeverfahrens folgt aus § 131 Abs. 3 KostO.

Weil das Rechtsmittel des Kindesvaters in der Hauptsache erfolglos geblieben ist, hat dieser nach der zwingenden Vorschrift des § 13 a Abs. 1 S. 2 1. Alternative FGG der Kindesmutter deren außergerichtliche Kosten zu erstatten und die gerichtlichen Auslagen gem. § 2 KostO zu tragen.

Gesetzliche Gründe, die Rechtsbeschwerde zuzulassen (§§ 621e Abs. 2, 543 Abs. 2 ZPO), bestehen nicht.

Ende der Entscheidung

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