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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Rostock
Beschluss verkündet am 06.05.2008
Aktenzeichen: 11 WF 63/08
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 127 Abs. 2 Satz 2
ZPO § 323
ZPO § 323 Abs. 4
ZPO § 794 Abs. 1 Nr. 5
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Az.: 11 WF 63/08

Beschluss

In dem Prozesskostenhilfeprüfungsverfahren

hat der 2. Familiensenat des Oberlandesgerichts Rostock am 06.05.2008 beschlossen:

Tenor:

Die sofortige Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Amtsgerichts Demmin - Zweigstelle Malchin - vom 21.05.2007, Az.: 90 F 31/07, wird zurückgewiesen.

Gründe:

A.

Der Antragsteller ist der Vater der am 11.01.1994 geborenen Antragsgegnerin. Durch Jugendamtsurkunde des Landkreises D... vom 23.02.1999, Urkundenregister-Nr. 154/1999, ist der Antragsteller verpflichtet, der Antragsgegnerin Unterhalt zu zahlen.

In einem vorangegangenen Unterhaltsabänderungsverfahren, welches der Antragsteller betrieb (Amtsgericht Demmin - Zweigstelle Malchin -, Az.: 90 F 63/06), schlossen die Parteien am 01.12.2006 einen Vergleich mit nachfolgendem Inhalt:

"1. Die Parteien sind sich darüber einig, dass der Kläger der Beklagten nach wie vor Unterhalt gem. der Verpflichtungsurkunde des Jugendamtes des Landkreises Demmin vom 23.02.1999 - Urkundenregister-Nr. 154/1999 schuldet.

Die Parteien sind sich einig, dass der Kläger ab dem Monat Dezember 2006 monatlich jeweils zum 10. des Monats 140,00 EUR an die Beklagte zahlt.

Zahlt der Kläger diesen Betrag in einem Monat, wird für diesen Monat auf die Vollstreckung des Differenzbetrages zum geschuldeten Unterhalt verzichtet. Der Kläger nimmt diesen Verzicht an.

Die Parteien sind sich einig darüber, dass bis einschließlich November 2006 ein Unterhaltsrückstand des Klägers an die Beklagte in Höhe von insgesamt 500,00 EUR besteht.

Der Kläger zahlt diesen Rückstand in monatlichen Beträgen á 50,00 EUR ab August 2007, zahlbar jeweils zum 10. des Monats, zurück.

Die Beklagte verpflichtet sich, die eingeleiteten Pfändungsmaßnahmen aufzuheben und die hierzu erforderlichen Erklärungen abzugeben."

Bei Abschluss des Vergleichs war der Antragsteller einem weiteren minderjährigen Kind, P...M..., geb. am 12.08.2000, zum Unterhalt verpflichtet. Seine Ehefrau bezog Leistungen nach dem SGB II, dessen Fortzahlung im Zeitpunkt des Vergleichs beantragt, aber noch nicht bewilligt war. Der Antragsteller hatte ein Einkommen von 889,92 EUR zuzüglich 110,00 EUR Spesen monatlich.

Der Antragsteller begehrt die Abänderung des Vergleichs dahin, der Antragsgegnerin ab Januar 2007 einen monatlichen Unterhalt i. H. v. nur noch 33,00 EUR zu schulden. Er beantragt die Bewilligung von Prozesskostenhilfe.

Mit angefochtenem Beschluss vom 21.05.2007 hat das Amtsgericht den Antrag des Antragstellers auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe zurückgewiesen, weil es an der erforderlichen Erfolgsaussicht für die Rechtsverfolgung fehle. Die Abänderungsklage nach § 323 ZPO sei nicht zulässig, weil sich die Verhältnisse des Antragstellers nicht so wesentlich geändert hätten, dass von einer Änderung der Geschäftsgrundlage ausgegangen werden müsse, die eine Abänderung der Unterhaltsverpflichtung erforderlich mache.

Gegen diesen Beschluss wendet sich der Antragsteller mit seiner sofortigen Beschwerde. Er ist der Ansicht, eine Bindung durch oder an den Prozessvergleich komme nicht in Betracht, weil sich diesem nicht entnehmen lasse, auf welcher Geschäftsgrundlage er abgeschlossen worden sei. Bei der Abänderung des Vergleichs sei deshalb - wie bei einer Erstfestsetzung des Unterhalts - nach den gesetzlichen Vorschriften vorzugehen.

Das Amtsgericht hat der sofortigen Beschwerde des Antragstellers nicht abgeholfen und diese zur Entscheidung dem Oberlandesgericht vorgelegt.

B.

Die gemäß § 127 Abs. 2 Satz 2 ZPO statthafte sofortige Beschwerde des Antragstellers ist zulässig, bleibt in der Sache jedoch erfolglos.

Im Ergebnis zutreffend hat das Amtsgericht dem Antragsteller die nachgesuchte Prozesskostenhilfe für seine Unterhaltsabänderungsklage verweigert, weil diese keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet (§ 114 ZPO). Allerdings ist die Abänderungsklage nach dem Vorbringen des Antragstellers bereits deshalb unzulässig, weil der Vergleich, dessen Abänderung der Antragsteller begehrt, nicht selbst Vollstreckungstitel i.S.v. § 323 Abs.4 ZPO ist, denn er hat keinen vollstreckungsfähigen Inhalt. Abänderbar wäre, wenn die Vorraussetzungen hierfür vorlägen, die Jugendamtsurkunde vom 23.02.1999 in Verbindung mit dem Vergleich. Aber auch eine Klage auf Abänderung der Jugendamtsurkunde i.V.m. dem Vergleich wäre nach dem Vorbringen des Antragstellers nicht begründet.

Gemäß § 323 Abs. 4 ZPO i. V. m. § 794 Abs. 1 Nr. 5 ZPO kann eine Abänderung einer Jugendamtsurkunde über die Verpflichtung zur Zahlung von Kindesunterhalt in Fällen wie diesen, wie bei sonstigen privatrechtlichen Rechtsgeschäften, allein nach den Regeln des materiellen Rechts verlangt werden. Maßgeblich hierfür sind die Grundsätze über die Veränderung oder den Fortfall der Geschäftsgrundlage (§ 313 BGB), die eine Anpassung rechtfertigen, wenn es den Beteiligten nach Treu und Glauben nicht zugemutet werden kann, an den bisherigen Regelungen festgehalten zu werden. Bei der Beurteilung der Frage, ob die Geschäftgrundlage entfallen ist oder sich geändert hat, sind die Verhältnisse bei Klageerhebung denen bei Abschluss des Vergleichs gegenüberzustellen.

Nach dem Wortlaut des Vergleichs vom 01.12.2006 haben die Parteien lediglich die bereits durch Jugendamtsurkunde vom 23.02.1999 (Jugendamt des Landkreises D..., Urkundenregister-Nr. 154/1999) nach Grund und Höhe geregelte Unterhaltsverpflichtung des Antragstellers gegenüber der Antragsgegnerin bekräftigt und nur die Vollstreckbarkeit der Jugendamtsurkunde eingeschränkt, nämlich dahin, dass, wenn der Antragsteller der Antragsgegnerin ab Dezember 2006 monatlich 140,00 EUR zahlt, die Antragsgegnerin auf die Vollstreckung des Differenzbetrages nach der Jugendamtsurkunde verzichtet.

Dem Antragsteller ist zunächst darin zuzustimmen, dass die Umstände, die zur Grundlage des Vergleichs geworden sind, dem Vergleich selbst nicht zu entnehmen sind. Allerdings folgt daraus nicht, dass in einem solchen Fall bereits die Abänderung der Jugendamtsurkunde i.V.m. dem Vergleich nach den Regeln einer Neufestsetzung des Unterhalts verlangt werden kann. Entsprechendes ergibt sich auch nicht aus dem Urteil des BGH vom 03.05.2001 (FamRZ 2001, 1140). In dem dort entschiedenen Fall hatten sich bei Vergleichsschluss herrschende Verhältnisse nachträglich geändert. Allerdings ließ sich dem dortigen Vergleich nicht entnehmen, ob und inwieweit diese geänderten Verhältnisse Grundlage des abgeschlossenen Vergleichs waren.

Begehrt der Unterhaltspflichtige die Abänderung einer Jugendamtsurkunde wegen einer Veränderung der Geschäftsgrundlage des den Schuldtitel bestätigenden Vergleichs, hat er sowohl die bei Vergleichsschluss herrschenden Umstände als auch die dem gegenüber veränderten jetzigen Verhältnisse im Einzelnen darzulegen (OLG Hamburg, FamRZ 2002, 465). Der Antragsteller kann sich nicht darauf berufen, dass die Umstände, die Geschäftsgrundlage des Vergleichs geworden sind, sich aus diesem nicht ergeben. Der Antragsteller selbst hat den Vergleich 12 Wochen vor Einreichung der jetzigen Unterhaltsabänderungsklage geschlossen. Dass er selbst nicht in der Lage ist, darzulegen, was aus seiner Sicht Geschäftsgrundlage des Vergleichs war, ist nicht nachvollziehbar. Im Übrigen haben sich unstreitig die für die Bemessung von Grund und Höhe des Unterhaltsanspruchs der Antragsgegnerin maßgeblichen Verhältnisse seit Abschluss des Vergleichs nicht geändert. Zwar ist Unterhaltstitel weiterhin die Jugendamtsurkunde vom 23.02.1999, denn der Vergleich bestätigt lediglich den dort titulierten Unterhalt. Jedoch kommt es für die Beurteilung der Veränderung der Verhältnisse auf den Zeitpunkt des Vergleichsschlusses an, denn die Parteien haben in Kenntnis der tatsächlichen Verhältnisse im Zeitpunkt des Vergleichsschlusses den Unterhaltsanspruch der Antragsgegnerin nach Grund und Höhe, wie er in der Jugendamtsurkunde tituliert ist, bestätigt und lediglich dessen Vollstreckbarkeit eingeschränkt. Im Zeitpunkt des abgeschlossenen Vergleichs war der Antragsteller zwei minderjährigen Kindern und seiner Ehefrau, die Sozialhilfe bezog, zum Unterhalt verpflichtet und bezog ein unterhaltsrechtlich relevantes Nettoeinkommen, welches bei Einreichung der Unterhaltsabänderungsklage unverändert war.

Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst (§ 127 Abs. 4 ZPO).

Ende der Entscheidung

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