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Gericht: Oberlandesgericht Rostock
Beschluss verkündet am 06.10.2004
Aktenzeichen: 2 Ss (OWi) 259/04 I 174/04
Rechtsgebiete: OWiG, StPO
Vorschriften:
OWiG § 77 b Abs. 1 | |
OWiG § 77 b Abs. 2 | |
OWiG § 79 Abs. 3 | |
StPO § 41 | |
StPO § 275 Abs. 1 | |
StPO § 349 Abs. 4e |
Oberlandesgericht Rostock - Senat für Bußgeldsachen - BESCHLUSS
2 Ss (OWi) 259/04 I 174/04
In der Bußgeldsache
wegen Verkehrsordnungswidrigkeit
hat der Senat für Bußgeldsachen des Oberlandesgerichtes Rostock durch
den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Dr. D., den Richter am Oberlandesgericht H. sowie den Richter Landgericht K.
auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen gegen dass Urteil des Amtsgerichts Schwerin vom 08.06.2004 - 34 OWi 311/03 - auf Antrag der Generalstaatsanwaltschaft
am 06.Oktober 2004 beschlossen:
Tenor:
1. Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen wird das Urteil des Amtsgerichts Schwerin vom 08.06.2004 gemäß § 79 Abs. 3 OWiG i. V. m. § 349 Abs. 4 StPO aufgehoben.
2. Die Sache wird zu erneuter Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an das Amtsgericht Schwerin zurückverwiesen.
Gründe:
I.
Das Amtsgericht Schwerin verhängte gegen den Betroffenen mit Urteil vom 08.06.2004 wegen vorsätzlicher Geschwindigkeitsüberschreitung eine Geldbuße von 500,- Euro sowie ein dreimonatiges Fahrverbot. Dem Sitzungsprotokoll fügte die erkennende Richterin eine von ihr unterschriebene Urteilsurkunde bei, die lediglich den Tenor der verkündeten Entscheidung enthielt. Aufgrund ihrer Verfügung vom 09.06.2004 wurde dieses Urteil der Staatsanwaltschaft Schwerin gemäß § 41 StPO mit der Bitte um Rechtsmittelverzicht zugestellt. Dieser wurde daraufhin erklärt. Mit Schreiben vom 09.06.2004, das am selben Tage beim Amtsgericht Schwerin einging, legte der Betroffene Rechtsbeschwerde gegen das in seiner Anwesenheit verkündete Urteil ein. Die Richterin brachte daraufhin am 01.07.2004 ein mit Gründen versehenes Urteil zu den Akten, das dem Verteidiger des Betroffenen am 05.07.2004 zugestellt wurde. Mit am 19.07.2004 beim Amtsgericht Schwerin eingegangenen Schriftsatz hat er die Rechtsbeschwerde mit der Verletzung materiellen Rechts begründet.
II.
Das statthafte (§ 79 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 OWiG) Rechtsmittel ist frist- und formgerecht eingelegt und auch in der gehörigen Form begründet worden, mithin zulässig.
Die Rechtsbeschwerde hat auch mit der Sachrüge zumindest vorläufigen Erfolg.
Das angefochtene Urteil ist aufzuheben, weil es unzulässiger Weise keine Gründe enthält und daher einer Überprüfung auf sachlich-rechtliche Fehler nicht zugänglich ist (vgl. Göhler OWiG, 13. Aufl. § 77 b Rn. 8 m.w.N.).
Dadurch, dass die erkennende Richterin das als Anlage zum Protokoll verfasste unterschriebene Urteil der Staatsanwaltschaft zustellen ließ, hat sie ein abgekürztes Urteil abgesetzt, obwohl die Voraussetzungen des § 77 b Abs. 1 OWiG nicht vorlagen, da der Betroffene nicht auf Rechtsmittel verzichtet hatte und die Frist zur Einlegung der Rechtsbeschwerde noch nicht abgelaufen war.
Allein dieses Urteil ist für die Überprüfung des Senats auf die Rechtsbeschwerde hin maßgeblich. Es konnte, da es aus dem inneren Dienstbereich des Gerichts auf Verfügung der erkennenden Richterin hin herausgegeben worden ist, auch innerhalb der Frist des § 275 Abs. 1 StPO nicht mehr nachträglich ergänzt werden (Grundlegend insoweit Senatsbeschluss vom 22.06.2004 - 2 Ss (OWi) 175/04 I 104/04 -, vgl. auch Senatsbeschlüsse vom 23.06.2000 - 2 Ss (OWi) 134/00 I 78/00 - und 12.02.2002 - 2 Ss (OWi) 228/01 I 20/02; OLG Köln VRS 56, 149; BayObLG NStZ 1991, 342; OLG Celle NStZ-RR 2000, 180; OLG Jena NStZ-RR 2003, 273; OLG Brandenburg NStZ-RR 2004, 121).
Die Voraussetzungen des § 77 b Abs. 2 OWiG liegen nicht vor. Soweit der BGH in Fällen, in denen der Amtsrichter den vor der Hauptverhandlung von der Staatsanwaltschaft gestellten Antrag auf schriftliche Begründung des Urteils übersehen hat, die Nachholung der Urteilsgründe über den Wortlaut des § 77 b Abs. 2 OWiG hinaus für zulässig erachtet hat (BGH NJW 1997, 1862), ist dies auf den vorliegenden Sachverhalt nicht übertragbar. Die später mit Gründen versehene Urteilsfassung muß daher bei der Entscheidung über die Rechtsbeschwerde unberücksichtigt bleiben.
Der Senat weist ergänzend auf Folgendes hin:
Das Amtsgericht wollte durch die von ihm gewählte Vorgehensweise offensichtlich eine Verfahrensbeschleunigung erreichen. Die Zustellung einer unterschriebenen Urteilsurkunde an die Staatsanwaltschaft mit der Anfrage, ob auf Rechtsmittel verzichtet werde, ist dazu jedoch nicht geeignet (insoweit zumindest mißverständlich Göhler, OWiG, 13. Aufl., § 77 b Rn. 3). Eine Entscheidung über den Rechtsmittelverzicht der Staatsanwaltschaft kann ohne weiteres durch ein formloses Übersenden der Akten mit dem Protokoll der Hauptverhandlung, aus dem sich der Tenor der verkündeten Entscheidung ergibt, herbeigeführt werden, da die Wirksamkeit des Rechtsmittelverzichts nicht von der Zustellung des Urteil abhängig ist, sondern lediglich die vorherige Kenntnisnahme der Entscheidung voraussetzt (vgl. Meyer-Goßner, StPO, 47. Aufl., § 302 Rn. 14 m.w.N.).
Ende der Entscheidung
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