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Gericht: Oberlandesgericht Rostock
Beschluss verkündet am 07.02.2005
Aktenzeichen: 2 Ss (OWi)106/04 I 257/04
Rechtsgebiete: OWiG, StPO, StVG


Vorschriften:

OWiG § 46 Abs. 1
OWiG § 79 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1
OWiG § 79 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2
OWiG § 79 Abs. 3
OWiG § 79 Abs. 3 Satz 1
StPO § 267 Abs. 1 Satz 3
StPO § 300
StPO § 344 Abs. 1
StPO § 344 Abs. 2
StPO § 344 Abs. 2 Satz 1
StPO § 344 Abs. 2 Satz 2
StVG § 24
StVG § 25
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Oberlandesgericht Rostock - Senat für Bußgeldsachen - Beschluss

Geschäftszeichen 2 Ss (OWi)106/04 I 257/04

In der Bußgeldsache

gegen Gerald K. geboren am 00.00.1900 in W. wegen Verkehrsordnungswidrigkeit

hat der Senat für Bußgeldsachen des Oberlandesgerichtes Rostock durch den Richter am Oberlandesgericht H. auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen gegen das Urteil des Amtsgerichts Güstrow vom 16.01.2004 - 971 OWi 435/03 - nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft Rostock, des Betroffenen und der Verteidigung

am 07. Februar 2005 beschlossen:

Tenor:

Die Rechtsbeschwerde wird auf Kosten des Betroffenen (§ 46 Abs. 1 OWiG i.V.m. § 473 Abs. 1 StPO) als unbegründet verworfen.

Gründe:

I.

Mit seiner Rechtsbeschwerde wendet sich der Betroffene gegen das Urteil des Amtsgerichts Güstrow vom 16.01.2004 - 971 OWi 435/03 -, mit dem gegen ihn wegen fahrlässiger Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit eine Geldbuße in Höhe von 275,00 Euro sowie ein Fahrverbot von zwei Monaten verhängt worden ist.

II.

Das Rechtsmittel des Betroffenen ist gem. § 79 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, Nr. 2 OWiG statthaft. Das Rechtsmittel ist im Sinne von § 79 Abs. 3 OWiG i.V.m. § 344 Abs. 1 und Abs. 2 StPO auch noch ausreichend begründet worden, mithin zulässig.

1.)

Im Gegensatz zur Beschwerde oder zur Berufung ist bei der Revision - und für die Rechtsbeschwerde gilt nichts anderes, vgl. § 79 Abs. 3 OWiG - eine Begründung vorgeschrieben, die aus den Revisionsanträgen und deren Rechtfertigung (§ 344 Abs. 1 StPO) besteht und bestimmte Ausführungen darüber verlangt, auf welche Rechtsnormen die Anfechtung gestützt werden soll, § 344 Abs. 2 Satz 1 StPO (KK-Kuckein, StPO, 5. Aufl. § 344 Rn. 1).

Aus der Begründung einer Revision bzw. Rechtsbeschwerde muss hervorgehen, ob das Urteil wegen Verletzung einer Rechtsnorm über das Verfahren oder wegen Verletzung einer anderen Rechtsnorm angegriffen wird.

a)

Eine den Anforderungen der §§ 79 Abs. 3 Satz 1 OWiG, 344 Abs. 2 Satz 2 StPO genügende Verfahrensrüge, mit welcher auch die Verletzung des rechtlichen Gehörs geltend gemacht werden müsste, ist nicht erhoben worden. Die Mitteilung der den Verfahrensverstoß begründenden Tatsachen ist nämlich so vollständig und genau vorzunehmen, dass das Rechtsbeschwerdegericht aufgrund der Rechtfertigungsschrift prüfen kann, ob ein Verfahrensfehler vorliegt, wenn die behaupteten Tatsachen bewiesen sind oder bewiesen werden. Erforderlich ist hierbei nicht nur, dass der Beschwerdeführer die ihm nachteiligen Tatsachen nicht übergeht, sondern auch, dass er die Fakten vorträgt, die für das Vorliegen eines Ausnahmetatbestandes sprechen, die seiner Rüge den Boden entziehen können (vgl. KK-Kuckein a. a. O. § 344 Rz. 38 m. w. N.)

In dieser Hinsicht genügt die Rechtsbeschwerdebegründung vom 23.01.2004 nicht den Anforderungen. Sie teilt nämlich schon nicht den Umstand mit, dass ausweislich des Hauptverhandlungsprotokolls vom 16.01.2004 der Verteidiger sehr wohl Gelegenheit zum Schlussvortrag hatte und auf Freispruch plädierte; der Betroffene hat danach das letzte Wort erhalten und sich den Ausführungen seines Verteidigers angeschlossen.

b)

Indes erweist sich die Rechtsbeschwerde unter dem Gesichtspunkt der Rüge der Verletzung des sachlichen Rechts als noch ordnungsgemäß begründet und nach allem zulässig.

Zwar hat der Betroffene nicht ausdrücklich die Verletzung sachlichen Rechts gerügt. Die Rechtsbeschwerdebegründung ist insoweit jedoch unter Berücksichtigung des gesetzlichen Grundgedankens des § 46 Abs. 1 OWiG i.V.m. § 300 StPO der Auslegung zugänglich (LR-Hanack, StPO, 24. Aufl. § 344 Rn. 70). Es kommt beim Fehlen der ausdrücklichen Kennzeichnung des Anfechtungsmittels als Sachrüge - wie hier - darauf an, ob aus den Ausführungen der Rechtsbeschwerdebegründung der Wille des Beschwerdeführers hervorgeht, das Urteil auf dessen sachlich-rechtliche Richtigkeit hin überprüfen zu lassen (vgl. Gribbohm NStZ 1983, 97, 99). Eine solche Absicht ist beispielsweise in der Behauptung zu sehen, der Angeklagte bzw. Betroffene sei zu Unrecht bestraft oder das Gesetz sei unrichtig angewendet worden (OLG Hamm NJW 1964, 1736). Auch im Bestreiten der Tat kann eine Sachrüge gesehen werden (OLG Karlsruhe DAR 1958, 24); jedenfalls ist aber weitere Voraussetzung, dass eine fehlerhafte Rechtsanwendung nicht nur als möglich hingestellt, sondern - zumindest stillschweigend - bestimmt geltend gemacht wird (vgl. KK-Kuckein a.a.O. § 344 Rn. 26).

Unter Berücksichtigung der vorstehenden Ausführungen ist das Rechtsbeschwerdevorbringen dergestalt, das Tatgericht habe aus - näher dargelegten - fehlerhaften Erwägungen heraus den Betroffenen zu Unrecht als Täter der vorgeworfenen Verkehrsordnungswidrigkeit identifiziert und verurteilt, das Urteil sei offenkundig falsch, der Betroffene freizusprechen gewesen, bei gebotener wohlwollender Betrachtung als noch zulässige Sachrüge anzusehen.

2.

Die danach zulässige Rechtsbeschwerde hat indes keinen Erfolg. Die auf die Sachrüge hin vorzunehmende umfassende Überprüfung des angefochtenen Urteils auf Fehler bei der Anwendung des materiellen Rechts hat keine Rechtsfehler zum Nachteil des Betroffen ergeben. Die amtsgerichtlichen Feststellungen tragen ohne weiteres den Schuldspruch wegen fahrlässiger Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit. Die Beweiswürdigung ist frei von Rechtsfehlern. Auch gegen den Rechtsfolgenausspruch ist nichts zu erinnern.

In dieser Hinsicht ist insbesondere auf folgendes hinzuweisen:

a)

Hat der Tatrichter im Bußgeldverfahren wegen einer Verkehrsordnungswidrigkeit anhand eines bei einer Verkehrsüberwachungsmaßnahme gefertigten Beweisfotos die Überzeugung erlangt, dass der Betroffene und die abgebildete Person identisch sind, so gilt für die Darstellung in den Urteilsgründen nach der mittlerweile gefestigten Rechtsprechung und der ständigen Rechtsprechung des Senats (vgl. u. a. Beschluss vom 24.03.2003 - 2 Ss(OWi) 282/02 I 266/02 - ) folgendes:

Wird im Urteil gem. § 267 Abs. 1 Satz 3 StPO i.V.m. § 46 Abs. 1 OWiG auf ein zur Identifizierung generell geeignetes Foto verwiesen, bedarf es im Regelfall keiner näheren Ausführungen. Die Bezugnahme muss dabei im Urteil deutlich und zweifelsfrei zum Ausdruck kommen. Die Verwendung des Gesetzestextes wird dem in der Regel gerecht.

Bestehen allerdings nach Inhalt oder Qualität des Fotos Zweifel an seiner Eignung als Grundlage für eine Identifizierung des Fahrers, so muss der Tatrichter angeben, aufgrund welcher - auf dem Foto erkennbaren - Identifizierungsmerkmale er die Überzeugung von der Identität des Betroffenen mit dem abgebildeten Fahrzeugführer gewonnen hat. Die - auf dem Foto erkennbaren - charakteristischen Merkmale, die für die richterliche Überzeugungsbildung bestimmend waren, sind zu benennen und zu beschreiben (vgl. BGHSt 41, 276).

Dem wird das angefochtene Urteil uneingeschränkt gerecht. Es nimmt zunächst gem. § 46 Abs. 1 OWiG i.V.m. § 267 Abs. 1 Satz 3 StPO ausdrücklich auf die in der Hauptverhandlung in Augenschein genommenen Messfotos unter präziser Hervorhebung ihrer aktenmäßigen Fundstellen Bezug. Sodann beschreibt der Tatrichter präzise einzelne Identifizierungsmerkmale, die er sowohl bei dem in der Hauptverhandlung erschienenen Betroffenen als auch den Beweisfotos festgestellt hat. Mit dem Umstand, dass der Betroffene in der Hauptverhandlung - im Gegensatz zum Beweisfoto - einen Schnauzbart trug, setzt sich der Tatrichter rechtsfehlerfrei im Rahmen der Beweiswürdigung auseinander. In diesem Zusammenhang hat im Rahmen der tatrichterlichen Feststellungen wie auch der Beweiswürdigung im Übrigen zu gelten, dass diese alleinige Aufgabe des Tatrichters sind. Solange der Tatrichter mögliche, wenn auch nicht zwingende Folgerungen aus bestimmten Beweisanzeichen gezogen hat, ist seine in der Hauptverhandlung auf verfahrensrechtlich ordnungsgemäße Weise gewonne Überzeugung auch für das Revisions- bzw. Rechtsbeschwerdegericht bindend. Dieses kann auf die Sachbeschwerde nur bei Rechtsfehlern eingreifen, wenn also die Feststellungen oder die Beweiswürdigung widersprüchlich, unklar oder nicht erschöpfend sind, wenn sie gegen gesicherte wissenschaftliche Erkenntnisse, Denkgesetze oder Erfahrungssätze verstossen (vgl. dazu KK-Schoreit a. a. O., § 261 Rz. 51 m. w. N.).

Dies ist nicht der Fall. Soweit die Verteidigung jetzt versucht, den Betroffenen unter Vorlage von Lichtbildern und Sachvortrag im Tatsächlichen zu entlasten, indem ein anderer Täter präsentiert wird, kann dies im Rechtsbeschwerdeverfahren keinen Erfolg haben. Dies hätte in der Tatsacheninstanz geschehen müssen.

b)

Auch die Rechtsfolgenbemessung begegnet keinen Bedenken.

Grundlage für die Verhängung einer Geldbuße bei der Begehung einer Verkehrsordnungswidrigkeit ist § 24 StVG, für die Verhängung eines Fahrverbotes § 25 StVG, die in der Bußgeldkatalogverordnung (BKatV) ihre nähere Ausprägung finden ( §§ 1, 4 BKatV). Die Erfüllung eines entsprechenden Tatbestandes des Bußgeldkatalogs weist auf das Vorliegen eines groben oder beharrlichen Verstoßes gegen die Pflichten eines Kraftfahrzeugführers hin. Bei Verstößen dieser Art bedarf es grundsätzlich der vorgesehenen Regelgeldbuße und der Denkzettel- und Besinnungsmaßnahme eines vorgesehenen Fahrverbotes (ständige Rechtsprechung des Senats, vgl. z.B. Beschluss vom 14.06 2001 - 2 Ss (OWi) 100/01 I 83/01 - m. w. N.).

Der Begründungsaufwand im Urteil ist demgemäß eingeschränkt. Der Tatrichter muss allerdings wenigstens erkennen lassen, dass er sich der Möglichkeit bewusst war, von der Verhängung des Fahrverbotes gegen eine angemessene Erhöhung der Geldbuße abzusehen (vgl. Senatsbeschluss vom 27.04.2001 - 2 Ss(OWi) 23/01 I 58/01).

Auch in dieser Hinsicht weist das angefochtene Urteil keinen Rechtsfehler auf. Ausweislich der Urteilgründe hat der Tatrichter sowohl geprüft, ob aufgrund der Tatumstände ein Abweichen von der Regelsanktion angezeigt sein könnte als auch abgewogen, ob die Regelsanktion für den Betroffenen eine unzumutbare Härte darstellen würde, beides jedoch verneint.

III.

Nach alledem konnte die zwar zulässige Rechtsbeschwerde des Betroffenen keinen Erfolg haben und war kostenpflichtig zu verwerfen.

IV.

Diese Entscheidung des Senats ist nicht weiter anfechtbar, § 304 Abs. 4 Satz 2 StPO i.V.m. § 46 Abs. 1 OWiG.

Ende der Entscheidung

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