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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Rostock
Beschluss verkündet am 12.01.2007
Aktenzeichen: 2 U 5/06
Rechtsgebiete: ZPO, GKG


Vorschriften:

ZPO § 42 Abs. 1
ZPO § 42 Abs. 2
ZPO § 44
ZPO § 321a
GKG § 63 Abs. 3
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Oberlandesgericht Rostock Beschluss

2 U 5/06

In dem Rechtsstreit

hat der 2. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Rostock am 12. Januar 2007 beschlossen:

Tenor:

Das Befangenheitsgesuch der Klägerin gegen den Präsidenten des Oberlandesgerichts Dr. h.c. H..., den Richter am Oberlandesgericht L... und die Richterin am Oberlandesgericht K...-F... wird als unzulässig verworfen.

Gründe:

I.

Die Klägerin begehrte erstinstanzlich, der Beklagten die Verwendung der Wortmarke "Schwarzbiernacht" zu untersagen. Das Landgericht Rostock gab der Klage statt und setzte den Streitwert auf EUR 10.000 fest. In der sich hieran anschließenden Berufungsinstanz vor dem Oberlandesgericht nahm die Klägerin die Klage in der mündlichen Verhandlung vom 23.08.2006 zurück.

Gegenstand der Erörterung in der vorbenannten Verhandlung war auch die Höhe des Streitwerts. Protokollauszug: "Der Gegenstandswert des Rechtsstreits wurde mit den Parteien erörtert. Der Vorschlag des Senats, diesen auf EUR 30.000 anzuheben, fand keinen Widerspruch." Nach Schluss der mündlichen Verhandlung beantragte die Beklagte die Festsetzung des Streitwertes und verwies auf das vor dem Landgericht durchzuführende Kostenfestsetzungsverfahren. Der Senat setzte den Streitwert für das Berufungsverfahren mit Beschluss vom 25.06.2006 auf EUR 30.000 fest. Hierauf beantragte die Beklagte die Festsetzung dieses Streitwertes auch für die 1. Instanz. Die Klägerin trat dem Antrag entgegen. Mangels Einvernehmen bleibe es dabei, dass der Streitwert für die 1. Instanz EUR 10.000 betrage. Soweit im Protokoll vermerkt sei, es habe sich "kein Widerspruch" erhoben, beinhalte dieses keine Zustimmung, zumal "Schweigen" im rechtlichen Sinne nichts bedeute.

Mit Beschluss vom 13.11.2006 setzte der Senat den Streitwert unter Abänderung der erstinstanzlichen Festsetzung auch für die 1. Instanz auf EUR 30.000 fest. Er verwies auf die Einheitlichkeit des Wertes sowie darauf, dass beide Parteien diesem Gegenstandswert des gesamten Rechtsstreits in der mündlichen Verhandlung nicht entgegen getreten seien.

Mit Gesuch vom 24.11.2006 lehnte die Klägerin den Senat wegen Befangenheit ab und erhob Gegenvorstellung gegen den Beschluss vom 13.11.2006. Zur Begründung des Ablehnungsgesuches führt sie aus, dass der Gegenstandswert in der mündlichen Verhandlung ausschließlich im Hinblick auf die Berufungsinstanz erörtert worden sei. Die Beschlussbegründung, nach der die Parteien dem erörterten Wert des "gesamten Rechtsstreits" nicht entgegengetreten seien, sei unergründlich und begründe die dringende Besorgnis der Befangenheit des Senats.

II.

Das Befangenheitsgesuch ist unzulässig.

Über das Ablehnungsgesuch hat der Senat ohne Mitwirkung der für befangen erklärten Richter zu entscheiden. Dem steht nicht entgegen, dass die Klägerin "den Senat" für befangen erklärt hat. Denn das Gericht als solches oder ein ganzer Spruchkörper ist nicht ablehnbar. Nach § 42 Abs. 1 ZPO können nur die einzelnen Richter abgelehnt werden können. Dies erfordert jedoch nicht, dass der abgelehnte Richter im Ablehnungsgesuch nach § 44 ZPO namentlich bezeichnet werden muss. Nach einhelliger Auffassung in Rechtsprechung und Schrifttum ist es ausreichend, dass dieser individualisierbar und zweifelsfrei bestimmbar ist. Dieses ist hier der Fall. Die namentliche Benennung der abgelehnten Richter ist entbehrlich, da sich die notwendige Identifizierung der gemeinten Personen aus der "Sitzbank" ergibt (vgl. OLG Köln, Beschluss vom 05.02.1993 - 19 W 58/92).

Nach § 42 Abs. 2 ZPO findet die Ablehnung eines Richters wegen Besorgnis der Befangenheit statt, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Mißtrauen gegen seine Unparteilichkeit zu rechtfertigen. Das Ablehnungsgesuch kann, wenn die Besorgnis der Befangenheit geltend gemacht wird, von der Anhängigkeit des Verfahrens bis zu dessen rechtskräftigem Abschluss angebracht werden. Äußerste Zeitgrenze für die nachträgliche Geltendmachung von Ablehnungsgründen ist die abschließende Erledigung des Rechtsstreits durch eine unanfechtbare Entscheidung. Danach ist ein Befangenheitsantrag auch dann nicht mehr zulässig, wenn sich die vermeintliche Befangenheit erst aus den Gründen der Entscheidung selbst ergibt (BayObLG, Beschluss vom 16.09.1993 - AZ: 1Z BR 100/93).

Dieser Zeitpunkt ist hier überschritten. Denn unbeschadet dessen, dass das Gericht auf Anregung einer Partei die Wertfestsetzung von Amts wegen ändern kann, § 63 Abs. 3 GKG, ist hinsichtlich der Wertfestsetzung ein Rechtsmittel nicht gegeben. Damit war zum Zeitpunkt des Ablehnungsgesuchs die Instanz durch unanfechtbaren Beschluss beendet, das Ablehnungsgesuch mithin unzulässig.

Die vorbezeichnete Rechtslage kann nicht dadurch umgangen werden, dass - wie hier - gegen eine rechtskräftige Entscheidung Gegenvorstellung erheben wird und mit dieser der Ablehnungsantrag verbunden wird. Denn bei der Gegenvorstellung handelt es sich nicht um ein rechtsmittelähnliches Institut, sondern um einen nicht geregelten außerordentlichen Rechtsbehelf, der für den Verfahrensfortgang ohne unmittelbaren Einfluss ist, das Verfahren insbesondere nicht fortsetzt. Es besteht nicht einmal ein Anspruch auf Bescheidung der Gegenvorstellung, sondern nur dahin, die Gegenvorstellung darauf zu prüfen, ob sie Veranlassung gibt, die getroffene Entscheidung zu ändern. Ein Rechtsschutzbedürfnis für ein Ablehnungsgesuch besteht von daher nicht (mehr), vielmehr ist für das Verfahren der Gegenvorstellung die Ablehnung der an der Ursprungsentscheidung beteiligten Richter grundsätzlich ausgeschlossen (BGH, Beschluss vom 11.07.2001 - AZ: 3 Str 462/00; BGH, Beschluss vom 06.08.1997 - AZ: 3 StR 337/96; BayerVwGH, Beschluss vom 03.04.2006 - AZ: 3 C 06.263; BFH, Beschluss vom 01.10.2002 - AZ: VII B 193/02; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 12.09.2000 - AZ: 1 Ws 497/00; OLG Schleswig, Beschluss vom 18.08.2000 - AZ: 11 W 36/94; OLG Frankfurt, Beschluss vom 02.06.1997 - AZ: 3 W 70/96).

Ob für das Gegenvorstellungsverfahren in entsprechender Anwendung des § 321a ZPO in Fällen der Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör etwas anderes zu gelten hätte, kann der Senat offen lassen. Die Klägerin ist vor Erlass des zweiten Streitwertbeschlusses angehört worden und hat ihre abweichende Rechtsansicht vorgebracht. Es ist auch nicht ersichtlich, dass der erkennende Senat dieses Vorbringen nicht beachtet hätte. Vielmehr hat er den Streitwertbeschluss abweichend von der Rechtsansicht der Klägerin damit begründet, dass eine einheitliche Festsetzung für beide Instanzen notwendig sei, da eine Änderung des Streitgegenstandes nicht eingetreten sei. Soweit der angegriffene Senat in dem Beschluss zudem ausgeführt hat, dass die Parteien der Festsetzung dieses Wertes für den gesamten Rechtsstreit nicht entgegen getreten seien, betrifft dieses nicht die den Beschluss tragenden Gründe. Zudem haben die Parteien ausweislich des nicht beanstandeten Protokolls der mündlichen Verhandlung vom 23. August 2006 der Anhebung des Gegenstandswertes des Rechtsstreits nicht widersprochen. Aus der Formulierung "Rechtsstreit" und "Anhebung" erschließt sich ohne weiteres, dass die Parteien der Streitwertänderung auch für die 1. Instanz nicht entgegengetreten sind.

Ende der Entscheidung

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