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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Rostock
Urteil verkündet am 20.02.2006
Aktenzeichen: 3 U 110/05
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 817 Satz 2
1. Fordert der Hauptunternehmer angebliche Werklohnzahlungen im Wege der ungerechtfertigten Bereicherung zurück, so hat er die Behauptung des Zahlungsempfängers zu widerlegen, es habe sich in Wahrheit um Schmiergeldzahlungen gehandelt.

2. Fall ihm der Beweis nicht gelingt, hat er gem. § 817 Satz 2 BGB keinen Rückforderungsanspruch.


Oberlandesgericht Rostock IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

3 U 110/05

Laut Protokoll verkündet am: 20.02.2006

In dem Rechtsstreit

hat der 3. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Rostock aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 30.01.2006

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Die Berufung der Klägerin gegen das am 12.07.2005 verkündete Urteil des Landgerichts Schwerin wird zurückgewiesen.

2. Die Kosten der Berufung werden der Klägerin auferlegt.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Klägerin bleibt nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages abzuwenden, falls nicht die Beklagten zu 1. und 3. vorher Sicherheit in gleicher Höhe leisten.

4. Der Gegenstandswert des Berufungsverfahrens beträgt 51.678,00 €.

Gründe:

I.

Die Fa. F. GmbH, vormalige Beklagte zu 2), beauftragte die Klägerin als Generalunternehmerin am 18.08.1999 mit der Erstellung einer Halle zum Pauschalfestpreis von 1.897.760,00 DM. Der Beklagte zu 1) stellte der Klägerin am 12.10.1999 eine Rechnung über 99.760,00 DM brutto über Stahlbauarbeiten. Der Beklagte zu 3), firmierend als "F.", stellte dem Beklagten zu 1) am 20.10.1999 58.000,00 DM und am 26.10.1999 41.760,00 DM in Rechnung. Den Gesamtbetrag von 99.760,00 DM überwies die Klägerin am 09.11.1999 an den Beklagten zu 1). Daraufhin übergab er dem Beklagten zu 3), der zugleich Geschäftsführer der Beklagten zu 2) war, einen Scheck vom 11.11.1999 über 41.760,00 DM und einen weiteren vom gleichen Tage in Höhe von 58.000,00 DM. Die Schecks wurden dem Konto des Beklagten zu 3) gutgeschrieben.

Die Klägerin verlangt unter dem Gesichtspunkt der ungerechtfertigten Bereicherung bzw. der unerlaubten Handlung Rückzahlung der 99.760,00 DM. Erstinstanzlich hat sie vorgetragen, die Beklagte zu 2) habe den Beklagten zu 1) ihr gegenüber als Subunternehmer ins Spiel gebracht, damit sie dessen Rechnung bezahle. Sie sei davon ausgegangen, dass es sich dabei um einen Vorschuss für Stahlbauarbeiten an der Halle handele, mit deren Erstellung die Beklagte zu 2) beauftragt worden sei.

Die Beklagten haben Klageabweisung beantragt und vorgetragen, bei dem gezahlten Betrag habe es sich um eine Provision für Leistungen des Beklagten zu 3) gehandelt, der eine Provision für das Zustandekommen des Bauvertrages zwischen der Beklagten zu 2) und der Klägerin beansprucht habe. Diese habe die Klägerin ihm gewähren wollen. Die Provisionszahlung sei zur Verschleierung über den Beklagten zu 1) gelaufen. Diese Zahlungsweise hätten der Geschäftsführer der Klägerin, der Beklagte zu 1) und der Beklagten zu 3) abgesprochen.

Zu den weiteren Einzelheiten des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes nimmt der Senat Bezug auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils.

Das Landgericht wies die Klage nach Beweiserhebung und Anhörung des Geschäftsführers der Klägerin und des Beklagten zu 3) ab. Beide bestätigten jeweils ihre Version der Geschehnisse. Die vernommenen Zeuginnen konnten zu den Abmachungen nichts bekunden. Das Landgericht begründete seine Entscheidung damit, dass der Klägerin der Nachweis einer rechtsgrundlosen Leistung nicht gelungen sei.

Hiergegen richtet sich die form- und fristgerecht eingelegte und begründete Berufung der Klägerin, mit der sie den Klageanspruch gegen die Beklagten zu 1) und 3) weiter verfolgt. Die Abweisung der Klage gegen die Beklagte zu 2) nimmt sie hin. Begründend führt die Klägerin aus, sie sei einem Irrtum unterlegen, da sie von einer Zahlungspflicht gegenüber dem Beklagten zu 1) ausgegangen sei. Das Landgericht habe die erhobenen Beweise falsch gewürdigt. Vertragspartner des Generalunternehmervertrages vom 18.08.1999 sei nicht die Beklagte zu 2), sondern der Beklagte zu 3). Die Bestimmungen dieses Vertrages habe das Landgericht falsch ausgelegt. Die Klägerin habe in zulässiger Weise Leistungen an Subunternehmer erbringen dürfen. Es sei bewiesen, dass die Zahlung an den Beklagten zu 1) ohne Rechtsgrund erfolgt sei, da seine Rechnung fingiert sei. Er sei nicht nur Zahlstelle, sondern Zahlungsempfänger gewesen und daher zur Herausgabe verpflichtet.

Das Landgericht habe das Vorbringen der Klägerin nicht erschöpfend gewürdigt, denn danach stehe fest, dass der Beklagte zu 1) sich gem. § 819 BGB nicht auf Entreicherung berufen könne. Aus der Aussage der Zeugin Retschlag ergebe sich, dass der Beklagte zu 1) Kenntnis von Tatsachen gehabt habe, aus denen sich das Fehlen des Rechtsgrundes ergebe. Die Beweislast für das Fehlen des rechtlichen Grundes nach § 812 BGB liege nicht bei der Klägerin.

Im Übrigen seien die Voraussetzungen der §§ 823 Abs. 2 BGB, 263 StGB gegeben, weil die Beklagten zu 1) und 3) einvernehmlich den Geldfluss zwischen den Beklagten habe verschleiert hätten.

Die Klägerin beantragt,

unter Abänderung des am 12.Juli 2005 verkündeten Urteils des Landgerichts Schwerin die Beklagten zu 1) und zu 3) gesamtschuldnerisch zu verurteilen, an die Klägerin 51.678,00 € nebst Zinsen i. H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen,

hilfsweise

die Sache gem. § 538 ZPO unter Aufhebung des Urteils vom 12.07.2005 an das Landgericht Schwerin zurückzuverweisen.

Die Beklagten beantragen,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigen das angefochtene Urteil unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vortrages.

II.

Die zulässige Berufung ist unbegründet. Die Klage hat keinen Erfolg. Dabei ist unerheblich, welche Sachverhaltsdarstellung zugrundegelegt wird.

1. Die Klägerin hat keinen Anspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung gem. §§ 812 Abs. 1, S. 1, 1. Alt. , 817 S. 1 BGB gegen den Beklagten zu 1), da sie den ihr obliegenden Beweis für die Rechtsgrundlosigkeit der Leistung nicht erbringen konnte.

a) Nach ihrem Vortrag steht ihr ein solcher Anspruch zu. Danach leistete sie zur Erfüllung einer Verbindlichkeit des Beklagten zu 1) auf eine nicht bestehende Werklohnforderung, d. h. auf eine Nichtschuld. § 814 BGB steht dem nicht entgegen, denn sie nahm an, der Beklagte zu 1) habe einen Vorschussanspruch als Subunternehmer. Der Beklagte zu 1) kann nicht gem. § 818 Abs. 3 BGB Wegfall der Bereicherung einwenden, da er wusste, dass er keinen Anspruch aus seiner Rechnung hatte (§§ 818 Abs. 4, 819 BGB). Liegen die Voraussetzungen des § 819 BGB vor, so kann sich der Bereicherungsschuldner grundsätzlich nicht mehr gem. § 818 Abs. 3 BGB auf den Wegfall der Bereicherung berufen (Palandt/Sprau, BGB, 65. Aufl., Rn. 8 zu § 819).

b) Dem Vorbringen der Klägerin steht erheblicher Beklagtenvortrag entgegen. Danach vereinbarten der Geschäftsführer der Klägerin und der Beklagte zu 3) , dass die Klägerin über den Beklagten zu 1) an den Beklagten zu 3) eine Provision leisten sollte.

aa) Der Beklagte zu 1) ist nach der Version der Beklagten passiv legitimiert. Bei dieser Konstellation trat er als Strohmann für den Beklagten zu 3) , den Hintermann auf. Solche Strohmanngeschäfte sind grundsätzlich wirksam. Es entspricht allgemeiner Auffassung, dass aus einem ernstlich gewollten Strohmanngeschäft der Strohmann und nicht der Hintermann berechtigt und verpflichtet wird (BGH NJW 1995, 727; 1982, 569). Nach außen hin sollten die Überweisungsvorgänge wirksam sein, denn die erklärte Rechtsfolge war von den Parteien ernstlich gewollt, weil anderenfalls der erstrebte wirtschaftliche Zweck nicht oder nicht in rechtsbeständiger Weise erreicht würde. Die Provisionszahlung sollte in verschleierter Form wirksam erfolgen. Der Beklagte zu 3) war Geschäftsführer der Beklagten zu 2) und durfte als solcher keine Provision verlangen, denn er konnte der von ihm vertretenen Gesellschaft kein Geschäft vermitteln.

bb) Nach dem Vortrag der Beklagten sollte für die Zahlung ein rechtlicher Grund bestehen. Aufgrund der Vereinbarung der Klägerin mit dem Beklagten zu 3) sollte dieser eine Provision erhalten, und zwar auf dem Zahlungsweg über den Beklagten zu 1). Diese Vereinbarung könnte als verdeckte Schmiergeldzahlung sittenwidrig und damit gem. § 138 Abs. 1 BGB nichtig sein. Der Beklagte zu 3) konnte nicht für die von ihm vertretene Beklagte zu 2) als Geschäftsführer tätig sein und gleichzeitig als Vermittler eine Provision fordern. Schmiergeldverträge über Zuwendungen an den Vertreter oder Verhandlungsgehilfen des anderen Teils verstoßen gegen § 299 StGB und sind zugleich sittenwidrig (Palandt/Heinrichs, BGB, 65. Aufl., Rn. 63 u. 64 zu § 138 mwN). So können die Dinge hier liegen. Der mit der Zahlung verfolgte Zweck könnte anstößig sein, denn dem Beklagten zu 3) sollte unter Umgehung der Beklagten zu 2) ein Vermögensvorteil zugewandt werden. Der Sache nach handelte es sich um eine Belohnung dafür, dass sich der Beklagte zu 3) für das Zustandkommen des Generalunternehmervertrages vom 18.08.1999 mit der danach von der Beklagten zu 2) zu zahlenden hohen Vergütung eingesetzt hatte. Dies mag wegen der Schädigung der Gesellschaft, zu deren Lasten die Zahlung letztlich erfolgte, anstößig und möglicherweise sittenwidrig gewesen sein.

Der Klägerin fällt jedoch wegen ihrer bewussten Mitwirkung bei dem Geschäft gleichfalls ein Sittenverstoß zur Last, so dass gem. § 817 S. 2 BGB die Rückforderung ausgeschlossen ist. Die Vorschrift ist auf alle Bereicherungsansprüche anzuwenden, wenn dem Leistenden ein Verstoß gegen die guten Sitten oder ein gesetzliches Verbot zur Last fällt (BGH 50, 90). Sie versagt für die Rückabwicklung eines zweifelhaften Geschäfts die gerichtliche Durchsetzbarkeit, insbesondere bei Schmiergeldzahlungen (Palandt/Sprau, BGB, 65. Aufl., Rn. 11 und 23 zu § 817).

c) Die Klägerin konnte das Fehlen des rechtlichen Grundes nicht nachweisen. Der Gläubiger eines Bereicherungsanspruches hat grundsätzlich die Voraussetzungen des § 812 BGB und damit auch das Fehlen eines rechtlichen Grundes zu beweisen (BGH NJW 1995, 727; BGH, 128, 167). Lediglich bei unklaren Zahlungsvorgängen trägt der Bereicherungsschuldner eine sekundäre Behauptungslast und muss die Umstände darlegen, aus denen er ableitet, das Erlangte behalten zu dürfen, wenn der Bereicherungsgläubiger außerhalb des von ihm zu beweisenden Geschehensablaufes steht, während der Schuldner diese Kenntnis hat und ihm nähere Angaben zumutbar sind (BGH NJW 1999, 2877). So liegen die Dinge hier indes nicht. Vielmehr bleibt es bei dem Grundsatz, dass die Klägerin das Fehlen des rechtlichen Grundes zu beweisen hat.

aa) Dies ist nicht bereits dadurch erwiesen, dass die Rechnung des Beklagten zu 1) fingiert ist. Die Beklagten trugen vielmehr einen Sachverhalt vor, aus dem sich ein möglicherweise unwirksames rechtliches Grundgeschäft ergibt, bei dem jedoch die Rückforderung gem. § 817 S. 2 BGB ausgeschlossen ist. Dies hat die Klägerin nicht widerlegt. Bei § 817 Satz 2 hat zwar der Bereicherte zu beweisen, dass dem Leistenden gleichfalls ein Sittenverstoß zu Last fällt (Palandt/Sprau, BGB, 65. Aufl., Rn. 24 zu § 817). Hier haben jedoch die Beklagten eine Schmiergeldzahlung vorgetragen, aus der sich zwangsläufig die Kenntnis des Bereicherungsgläubigers von der Sittenwidrigkeit ergibt. Dann liegen die Voraussetzungen des § 817 Satz 2 BGB vor und der Bereicherungsgläubiger muss beweisen, dass kein solcher Sachverhalt gegeben ist.

bb) Die Beweiswürdigung des Landgerichtes, wonach nicht erwiesen sei, welche Sachverhaltsdarstellung zutreffe, ist nicht zu beanstanden. Danach liegt ein sogenanntes non liquet vor, das zu Lasten der beweisbelasteten Klägerin geht. Der Beklagte zu 3) bestätigte bei seiner Anhörung vor dem Landgericht, dass er eine Provisionszahlung über den Beklagten zu 1) mit dem Geschäftsführer der Klägerin vereinbart habe. Der Geschäftsführer der Klägerin bekundete zwar, er habe geglaubt, auf eine wirksame Rechnung des Beklagten zu 1) zu zahlen, eine Provisionszahlung stellte er in Abrede. Wem hier zu glauben ist, kann nicht festgestellt werden. Sonstige Beweismittel führte die Klägerin nicht an.

cc) Erachtet man das Provisionsversprechen der Klägerin als wirksam und nicht als sittenwidrig, so ergibt sich nichts anderes, denn dann besteht zweifelsfrei nach dem unwiderlegten Beklagtenvortrag ein Rechtsgrund für die Zahlung.

d) Im Ergebnis ist nach allen drei denkbaren Sachverhaltsvarianten kein Anspruch der Klägerin gegeben: Ihre eigene Version kann sie nicht nachweisen, bei Zugrundelegung des Beklagtenvortrages - entweder Provisionszahlung oder Schmiergeldzahlung - besteht ein rechtlicher Grund für die Zahlung bzw. die Rückforderung ist ausgeschlossen.

2. Auch gegenüber dem Beklagten zu 3) steht der Klägerin kein Bereicherungsanspruch gem. § 812 Abs. 1, S. 1, 1. Alt. , 817 S. 1 BGB zu. Es fehlt an einer direkten Leistungsbeziehung ihm. Geleistet hat sie an den Beklagten zu 1), denn sie überwies den Geldbetrag auf sein Konto. Er trat nicht nur als Bote oder Vertreter des Beklagten zu 3), sondern als Strohmann auf [s. o. 1. b) aa)].

3. Ein Anspruch gegen den Beklagten zu 3) gem. § 822 BGB entfällt, da nach dem unwiderlegten Vortrag der Beklagten schon gegen den Beklagten zu 1) kein Bereicherungsanspruch bestand. Dies ist Voraussetzung für einen Anspruch nach § 822 BGB (Palandt/Sprau, BGB, 65. Auflage, Rdn. 2 zu § 822).

4. Ansprüche gem. §§ 823 Abs. 2, 263 StGB stehen der Klägerin nicht zu, da sie die Voraussetzungen eines Betruges, insbesondere eines Irrtums nicht nachweisen konnte. Dies folgt aus den obigen Ausführungen, wonach nicht bewiesen ist, dass die Leistung ohne Rechtsgrund erfolgte. Vielmehr kann nicht ausgeschlossen werden, dass die Zahlung aufgrund der Provisionsabrede zwischen dem Geschäftsführer der Klägerin und dem Beklagten zu 3) erfolgte.

5. Einen Anspruch gem. § 823 Abs. 2 BGB, 299 StGB hat allenfalls die Beklagten zu 2) als Geschädigte, wenn man letztere Vorschrift als Schutzgesetz ansieht.

III.

Die Nebenentscheidungen beruhen auf § 97 Abs. 1, 708 Nr. 10, 711 Satz 1 ZPO. Zur Zulassung der Revision bestand kein Anlass.

Ende der Entscheidung

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