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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Rostock
Beschluss verkündet am 06.06.2003
Aktenzeichen: 3 U 129/03
Rechtsgebiete: InsO


Vorschriften:

InsO § 130
1. Leistungen des Schuldners aufgrund eines außergerichtlichen Sanierungsvergleichs sind nicht von der insolvenzrechtlichen Anfechtung ausgenommen.

2. Informationen, die der Anfechtungsgegner im Rahmen der Sanierungsbemühungen erlangt, können den Schluss auf die Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit des Schuldners rechtfertigen.


Oberlandesgericht Rostock Beschluss

3 U 129/03

In dem Rechtsstreit

hat der 3. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Rostock durch

den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht, die Richterin am Oberlandesgericht die Richterin am Landgericht

am 06.06.2003 einstimmig beschlossen:

Tenor:

Die Berufung der Beklagten gegen das am 28.02.2003 verkündete Urteil des Landgerichts Neubrandenburg (Az.: 3 O 373/02) wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Streitwert der Berufung: 5.797,16 €.

Gründe:

I. Der Kläger als Insolvenzverwalter nimmt die Beklagte nach insolvenzrechtlicher Anfechtung auf Rückgewähr von 5.797,16 € zur Insolvenzmasse in Anspruch.

Zur Abwendung eines Insolvenzverfahrens bemühte sich der Schuldner um eine Sanierung. In seinem Auftrag unterbreiteten die Rechtsanwälte Witt und Peters mit Schreiben vom 20.01.2000 allen Gläubigern ein außergerichtliches Vergleichsangebot. Ein Vergleich mit allen Gläubigern kam nicht zustande. Die Beklagte, die das das Vergleichsangebot in modifizierter Form annahm, erhielt am 20.04.2000 und am 20.05.2000 jeweils 5.669,13 DM.

Diese Zahlungen focht der Kläger an. Das Landgericht verurteilte die Beklagte antraggemäß zur Rückgewähr. Hiergegen richtet sich ihre Berufung. Mit Schreiben vom 29.04.2003 teilte der Senatsvorsitzende ihr mit, dass die Zurückweisung der Berufung gem. § 522 Abs. 2 ZPO in Betracht komme. Die Beklagte nahm hierzu mit Schriftsatz vom 03.06.2003 Stellung.

II. Die Berufung ist gem. § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen.

1. Sie hat keine Aussicht auf Erfolg.

Die Berufung kann nur darauf gestützt werden, dass das angefochtene Urteil auf einer Rechtsverletzung beruht oder die nach § 529 ZPO zugrunde zu legenden Tatsachen eine andere Entscheidung rechtfertigen. Da beides nicht ersichtlich ist, hält das angefochtene Urteil den Berufungsangriffen stand.

a) Zutreffend bejaht das Landgericht den Anfechtungstatbestand des § 130 Abs. 1 InsO. Leistungen aufgrund eines außergerichtlichen Sanierungsvergleichs sind nicht von der Anfechtung einer kongruenten Deckung ausgenommen.

b) Der Berufungsbegründung ist zuzugeben, dass der in den Entscheidungsgründen enthaltene Satz, es könne nicht festgestellt werden, dass der Beklagten zum Zeitpunkt der - später angefochtenen - Zahlungen positive Kenntnis von der Zahlungsunfähigkeit des Schuldners hatte, missverstanden werden kann.

Mit dem Folgesatz beginnt jedoch die Würdigung der der Beklagten bekannten Umstände, die gem. § 130 Abs. 2 InsO zwingend auf die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners schließen lassen. Sie lässt Rechtsfehler nicht erkennen. Insbesondere ist es nicht zu beanstanden, dass das Landgericht dem der Beklagten bekannten Vermögensstatus des Schuldners per 31.12.1999 maßgebliche Bedeutung beimisst. Das Schreiben der Rechtsanwälte vom 20.01.2000 beziffert die Verbindlichkeiten des Schuldners auf über 10.000.000 DM. Weiter heißt es dort, dass diesen Verbindlichkeiten keine wesentlichen freien Vermögenswerte gegenüberstünden, dass in einem Insolvenzverfahren allenfalls die Kosten der Masse gedeckt seien und dass die Insolvenzgläubiger nicht mit einer Quote rechnen könnten. Ungeachtet des nachfolgenden Vorschlags, beginnend ab September 2000 35 % der Forderungen zu begleichen, belegt dieses Schreiben eindrucksvoll, dass der Schuldner nicht in der Lage ist, wesentliche Schulden alsbald zurückzuführen. Diese Mitteilung genügt als Anknüpfungspunkt für die Kenntnis der auf Zahlungsunfähigkeit deutenden Umstände (vgl. BGH NJW 1984, 1953 = ZIP 1984, 809).

Dass der Schuldner seine Gläubiger im Rahmen außergerichtlicher Vergleichsbemühungen informierte, führt nicht zu einem Verwertungsverbot (vgl. MünchKomm-Kirchhof, InsO, § 130 Rz. 37). Die Indizien für Zahlungsunfähigkeit wären nur ausgeräumt, wenn der Vergleich mit allen wesentlichen Gläubigern zustandegekommen wäre. Dies ist unstreitig nicht geschehen; derartiges wurde der Beklagten auch nicht mitgeteilt. Sie selbst nahm im Übrigen das Vergleichsangebot nicht an, sondern handelte für sich eine Vorverlegung der Zahlungstermine aus. Dies zeigt, dass ihr nicht nur daran lag, möglich früh Zahlungen des Schuldners zu erhalten; vielmehr war ihr Vertrauen in die Erfüllbarkeit des ursprünglich vorgeschlagenen Vergleichs begrenzt.

c) Die von der Beklagten in ihrem Schriftsatz vom 03.06.2003 angeführten wirtschaftlichen Aspekte sprechen nicht dagegen, die von dem Schuldner im Rahmen von Sanierungsbemühungen erteilten Informationen in die Würdigung der auf Zahlungsunfähigkeit hindeutenden Umstände gem. § 130 Abs. 2 InsO einzubeziehen. Für den Gläubiger bleibt es wirtschaftlich sinnvoll, durch Forderungsnachlass zur Sanierung eines in Vermögensverfall geratenen Vertragspartners beizutragen, denn im Erfolgsfall wird seine Forderung zumindest teilweise getilgt, während er bei Scheitern der Sanierung mit seiner Forderung in aller Regel in voller Höhe ausfallen wird. Nach Entgegennahme einer mit dem Risiko späterer Anfechtbarkeit belasteten Leistung steht der Gläubiger nicht schlechter als bei einem völligen Forderungsausfall.

d) Die angefochtenen Zahlungen von jeweils 5.669,13 DM waren angesichts der Ausführungen im Schreiben der Rechtsanwälte W. und P. vom 20.01.2000 nicht geeignet, den Anschein fort- oder wiederbestehender Liquidität zu vermitteln, denn im Vergleich zum Umfang der der Beklagten bekannten Gesamtverbindlichkeiten des Schuldners waren sie gering (vgl. BGH ZIP 2001, 2097 [2098] = NJW-RR 2002, 261; BGH ZIP 2003, 488, 491).

2. Der vorliegende Rechtsstreit ist nicht von grundsätzlicher Bedeutung. Zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung ist ein Urteil des Berufungsgerichts nicht erforderlich.

II. Die Kostenentscheidung ergeht gem. § 97 Abs. 1 ZPO.

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