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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Rostock
Urteil verkündet am 27.02.2006
Aktenzeichen: 3 U 136/05
Rechtsgebiete: InsO


Vorschriften:

InsO § 76
InsO § 313 Abs. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

3 U 136/05

In dem Berufungsrechtsstreit

hat der 3. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Rostock durch

den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht E., den Richter am Oberlandesgericht Dr. J. und Richter am Oberlandesgericht B.

aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 27.02.2006

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung der Beklagten werden das am 06.09.2005 verkündete Urteil des Landgerichts Schwerin (Az.: 1 O 117/03) abgeändert und die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Zwangsvollstreckung der Beklagten gegen Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages abwenden, sofern die Beklagte nicht zuvor Sicherheit in derselben Höhe erbringt.

Die Revision des Klägers wird zugelassen.

Streitwert der Berufung: 133.191,54 €.

Gründe:

I.

Der Kläger als Treuhänder im Insolvenzverfahren über das Vermögen des W. G. (Schuldner) nimmt die Beklagte nach Insolvenzanfechtung auf Rückübertragung einer ihr vom Schuldner abgetretenen Kaufpreisforderung sowie auf Zahlung von 18.406,53 € in Anspruch.

Der Schuldner hatte gegen seine frühere Ehefrau Ansprüche aus der Übertragung von Geschäftsanteilen an verschiedenen Gesellschaften. Mit notarieller Urkunde vom 14.02.2002 trat er die Zahlungsansprüche gegen seine frühere Ehefrau an die Beklagte ab, die die Abtretung annahm. Als Gegenleistung verpflichtete sie sich, den Schuldner Zeit seines Lebens zu pflegen.

Auf Antrag des Finanzamtes S. wurde am 03.03.2003 das Insolvenzverfahren über dessen Vermögen eröffnet; zum Treuhänder wurde der Kläger bestimmt. Dieser will die Abtretung der Kaufpreisansprüche nicht gegen die Masse wirken lassen. Mit Beschluss vom 09.10.2003 wies das Landgericht Schwerin sein Prozesskostenhilfegesuch zurück. Am 16.01.2004 hob der Senat (3 W) den Beschluss des Landgerichts Schwerin vom 09.10.2003 teilweise auf und verwies das Prozesskostenhilfeprüfungsverfahren zur erneuten Entscheidung an das Landgericht zurück. In seinem Beschluss legte der Senat dar, dass die Insolvenzanfechtung durchgreifen könne, aber noch aufzuklären sei, ob der Kläger als Treuhänder zur Insolvenzanfechtung berechtigt sei. Er habe bislang nicht vorgetragen, ob die Gläubigerversammlung ihn mit der Anfechtung beauftragt habe. Der Kläger ergänzte daraufhin sein Vorbringen dahingehend, dass - was zwischenzeitlich unstreitig ist - das Finanzamt der einzige Gläubiger sei und ihn mit der Anfechtung beauftragt habe.

Am 11.05.2004 bewilligte das Landgericht Schwerin dem Kläger Prozesskostenhilfe. Die Klage mit dem Antrag, die Beklagte zur Rückabtretung sowie zur Zahlung von 18.406,53 € zu verurteilen, wurde der Beklagten am 29.05.2004 zugestellt. Mit Schriftsatz vom 17.11.2004 legte der Kläger folgende Bestätigung des Finanzamts S. vom 16.11.2004 vor:

"Erteilung einer Aktivlegitimation zur Durchführung der Insolvenzanfechtung gegen Frau R. Z.

Das Land M.-V., vertreten durch das Finanzministerium, vertreten durch das Finanzamt S., vertreten durch den Vorsteher, LRD H. K.

beauftragt den Treuhänder

Rechtsanwalt C. A.,

mit der Durchführung der Insolvenzanfechtung im vereinfachten Insolvenzverfahren über das Vermögen des W. G. gegen Frau R. Z.."

Die Beklagte wendet ein, der Kläger sei nicht aktiv legitimiert, außerdem habe der Schuldner mit der Abtretung an sie nicht unentgeltlich geleistet, schon gar nicht mit dem Vorsatz, seine Gläubiger zu benachteiligen. Sie, die Beklagte, komme ihren Verpflichtungen aus dem Abtretungs- und Pflegevertrag nach.

Nach Beweisaufnahme durch Vernehmung des Schuldners als Zeugen verurteilte das Landgericht Schwerin die Beklagte zur Rückabtretung der an sie zedierten Kaufpreisforderung sowie zur Zahlung von 18.406,53 €.

Hiergegen richtet sich ihre Berufung. Sie wendet weiterhin ein, der Kläger als Treuhänder sei nicht zur Insolvenzanfechtung berechtigt. Der Auffassung des Landgerichts, in einem Insolvenzverfahren mit nur einem Insolvenzgläubiger könne dieser den Treuhänder mit der Insolvenzanfechtung beauftragen, sei nicht zu folgen, denn inhaltlich mache es keinen Unterschied, ob es einen oder mehrere Insolvenzgläubiger gebe. Die Anfechtungsvoraussetzungen, insbesondere die Benachteiligungsabsicht des Schuldners und die Kenntnis der Beklagten hiervon, habe das Landgericht unter fehlerhafter Beweiswürdigung festgestellt. Auch übergehe das Landgericht den Vortrag der Beklagten zur Pflegebedürftigkeit des Schuldners.

Die Beklagte beantragt,

unter Abänderung des am 06.09.2005 verkündeten Urteils des Landgerichts Schwerin die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er verteidigt seine Berechtigung zur Insolvenzanfechtung und wiederholt, dass das Finanzamt ihn damit schon am 31.03.2004 beauftragt habe. Jedenfalls liege aufgrund der Ermächtigung des Finanzamts ein Fall der zulässigen Prozessstandschaft vor. Das Interesse an der Prozessstandschaft ergebe sich daraus, dass das Ergebnis der erfolgreichen Anfechtung der Gläubigergesamtheit zugute komme, was den Sinn und Zweck des § 313 Abs. 2 InsO entspreche.

Soweit der Kläger Ansprüche des Finanzamts geltend macht, erhebt die Beklagte die Verjährungseinrede.

II.

Die Berufung der Beklagten ist begründet.

1.

Der Kläger ist nicht berechtigt, die Insolvenzanfechtung gegen die Beklagte durchzuführen.

Nach § 313 Abs. 2 InsO ist der Treuhänder zur Insolvenzanfechtung nicht berechtigt. Vielmehr kann jeder Insolvenzgläubiger die Insolvenzanfechtung geltend machen. Allerdings kann die Gläubigerversammlung den Treuhänder oder einen der Gläubiger mit der Anfechtung beauftragen. Dies nimmt der Kläger für sich in Anspruch. Wenn, wie vorliegend nur ein einziger Gläubiger vorhanden sei, so führt er aus, könne die Beauftragung nicht von einer förmlichen Gläubigerversammlung, die lediglich aus dem einen Gläubiger besteht, abhängig gemacht werden. Eine solch überspitzte förmliche Verfahrensweise sei vom Normenzweck des § 313 Abs. 2 InsO nicht erfasst. Schließlich verfüge häufig nur der Treuhänder über die notwendigen Informationen zur Durchführung eines Anfechtungsprozesses. Gerade deshalb räume das Gesetz dem Treuhänder die Möglichkeit ein, sich mit der Durchsetzung der Anfechtung beauftragen zu lassen.

Diesen Ausführungen ist nicht zu folgen. Auf den ersten Blick mag zwar einleuchten, dass eine Gläubigerversammlung mit nur einem Gläubiger wenig sinnvoll erscheint und dass eine interne Abstimmung zwischen dem Gläubiger und dem Treuhänder ausreichen sollte. Indessen besteht die Gläubigerversammlung nicht nur aus den Gläubigern oder dem Gläubiger und dem Treuhänder bzw. Verwalter. Sie ist eine Gerichtsverhandlung, an der gem. § 76 InsO das Insolvenzgericht mitwirkt. Es hat eine neutrale Stellung und hat insbesondere die Aufgabe, zwischen Gläubiger und Treuhänder, die nicht zwingend gleichlaufende Interessen verfolgen müssen, zu vermitteln (vgl. MünchKomm-Ehricke, InsO, § 76 Rn. 3). Die Gläubigerversammlung akzentuiert sich in Beschlüssen unter Mitwirkung des Gerichts. Daran fehlt es unstreitig. In der Gläubigerversammlung hätte der Richter oder Rechtspfleger insbesondere bedacht, ob die Beauftragung des Treuhänders sachdienlich ist, wenn es nur einen Gläubiger gibt, dem das durch die Anfechtung Erlangte zufließt. Somit spricht die Tatsache, dass nur ein Gläubiger vorhanden ist, gerade nicht für die Entbehrlichkeit einer förmlichen Gläubigerversammlung.

Somit sind die Formalitäten einer Gläubigerversammlung unverzichtbar; das Einvernehmen zwischen dem Treuhänder und dem einzigen Gläubiger genügt nicht.

2.

Die fehlende Aktivlegitimation kann der Kläger nicht dadurch ausgleichen, dass er im Wege der gewillkürten Prozessstandschaft die Rechte des Finanzamts verfolgt.

Die gewillkürte Prozessstandschaft setzt ein schutzwürdiges rechtliches Interesse an der Prozessführung voraus. Daran fehlt es. Mit seiner Funktion als Parteikraft Amtes im öffentlichen Interesse ist die Tätigkeit des Treuhänders oder Insolvenzverwalters für einen Insolvenzgläubiger schlechterdings unvereinbar. Bei einem Insolvenzverfahren mit mehreren Gläubigern liegt dies auf der Hand. Indessen kann mit Rücksicht auf die Rechtsnatur der Insolvenzverwaltung bzw. der Treuhänderschaft im Verbraucherinsolvenzverfahren mit nur einem Gläubiger nichts anderes gelten; auch dann ist der vorgegebene Interessenwiderstreit der Insolvenzmasse und des nicht bevorrechtigten Gläubigers nicht aufgehoben.

III.

Die Nebenentscheidungen ergehen nach §§ 97 Abs. 1, 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Der Senat lässt gem. § 543 ZPO die Revision des Klägers zu.

Ende der Entscheidung

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