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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Rostock
Urteil verkündet am 10.07.2006
Aktenzeichen: 3 U 158/05
Rechtsgebiete: InsO, StGB


Vorschriften:

InsO § 133
InsO § 130
InsO § 131
InsO § 143 Abs. 1
InsO § 130 Abs. 1
InsO § 130 Abs. 2
InsO § 17 Abs. 2
InsO § 17 Abs. 2 Satz 1
StGB § 266a
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Oberlandesgericht Rostock

URTEIL

IM NAMEN DES VOLKES

3 U 158/05

Laut Protokoll verkündet am: 10.07.2006

In dem Rechtsstreit

hat der 3. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Rostock durch

den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht E., den Richter am Oberlandesgericht Dr. J. und den Richter am Oberlandesgericht B.

aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 26.06.2006

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Auf die Berufung des Klägers werden das Urteil des Landgerichts Schwerin vom 13.10.2005 - Az: 3 O 202/05 - abgeändert und die Beklagte verurteilt, an den Kläger 73.111,55 € nebst Zinsen hierauf in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszins seit dem 09.06.2004 zu zahlen; im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

2. Die Kosten des Rechtsstreit trägt die Beklagte.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht zuvor der Kläger Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

4. Streitwert der Berufung: 73.111,55 €.

Gründe:

I.

Der Kläger macht als Insolvenzverwalter Rückzahlungsansprüche aufgrund einer Anfechtung von Zahlungen der Gemeinschuldnerin an den Sozialversicherungsträger geltend.

Mit Beschluss vom 01.06.2002 eröffnete das AG Rostock das Insolvenzverfahren über das Vermögen der R. R. M. und T. GmbH & Co. KG (nachfolgend Gemeinschuldnerin) aufgrund eines Eigenantrages vom 05.02.2002 und bestellte den Kläger zum Insolvenzverwalter.

Mindestens ab Mai 2000 zahlte die Schuldnerin die monatlich fälligen Beiträge nicht pünktlich, sondern jeweils mindestens einen Monat später, so dass sich regelmäßig Mitte des Monats ein Saldo von etwa 75.000,00 € ergab, welcher sodann kurzfristig auf ca. 35.000,00 € zurückgeführt, jedoch bis zur Stellung des Eigenantrages nie vollständig ausgeglichen wurde. Da die Schuldnerin den Beitrag für den Monat Mai 2000 nicht zahlte, leitete die Beklagte Vollstreckungsmaßnahmen gegen sie ein. Um die Vollstreckung abzuwenden, trafen sie am 17.07.2000 eine Ratenzahlungsvereinbarung. Nachdem die Schuldnerin diese Vereinbarung nicht eingehalten hatte, erklärte die Beklagte sie mit Schreiben vom 18.08.2000 für hinfällig und kündigte an, die Vollstreckung fortzusetzen.

Der Kläger ficht folgende Zahlungen der Gemeinschuldnerin an:

 - 05.11.2001699,45 €
- 30.11.200135.258,05 €
- 18.12.200135.658,09 €
- 18.12.20011.495,96 €
- =73.111,55 €.

Die Zahlungen seien, so der Kläger, innerhalb der letzten drei Monate vor Antragstellung und damit zu einem Zeitpunkt erfolgt, zu dem die Schuldnerin bereits zahlungsunfähig gewesen sei. Die Beklagte habe bei Erhalt der Zahlungen Kenntnis von der Zahlungsunfähigkeit gehabt. Ihr seien jedenfalls hinreichend Umstände bekannt gewesen, aus denen sie zwingend auf die Zahlungsunfähigkeit hätte schließen müssen. Dies hätte sich ihr schon aus den ständigen Zahlungsrückständen bei der Beklagten erschließen müssen, da die Schuldnerin diese immer wieder erheblich hatte anwachsen lassen. Mit Blick auf die Strafbewehrtheit der Nichtabführung von Arbeitnehmerbeiträgen an den Sozialversicherungsträger hätte sich die Kenntnis des Vermögensverfalls aufdrängen müssen.

Die Beklagte behauptete, von einer Zahlungsunfähigkeit keine Kenntnis gehabt zu haben. Die Gemeinschuldnerin habe ihren Eigenantrag vielmehr damit begründet, dass ein weltweit agierender Konzern plötzlich als Vertragspartner ausgestiegen sei, so dass die Zahlungsunfähigkeit allenfalls plötzlich eingetreten sei. Die Gemeinschuldnerin habe ihre Arbeitnehmer seit Längerem bei der Beklagten versichert. Diese habe stets nur Zahlungsverzögerungen von einem Monat zugelassen. Längere Verzögerungen hätten auch den angefochtenen Zahlungen nicht zugrunde gelegen.

Mit Urteil vom 13.10.2005 hat das Landgericht Schwerin die Klage abgewiesen. Die Beklagte, so die Begründung, habe aus den gegebenen Umständen nicht schließen müssen, dass die Schuldnerin zahlungsunfähig sei. Insbesondere lege die Nichtbegleichung der Sozialversicherungsbeiträge nicht den Schluss nahe, dass die Schuldnerin andere höhere Verbindlichkeiten ebenfalls nicht beglichen habe. Auch eine Kenntnis der Zahlungseinstellung sehe das Gericht nicht. Aus Sicht der Beklagten habe nur eine Zahlungsstockung vorgelegen, weil die Gemeinschuldnerin über mindestens 15 Monate regelmäßig nur einen immer gleich hohen Zahlungsrückstand auflaufen lassen habe, den sie jeweils um etwa gleiche Beträge abgebaut habe.

Hiergegen richtet sich die Berufung des Klägers. Das Landgericht, so rügt er, habe die Voraussetzungen einer Anfechtung nach § 133 InsO übersehen, auf die er sich berufen habe. Auf diese sei die Entscheidung nicht eingegangen.

Er hält weiterhin die Voraussetzungen für eine Anfechtung nach § 130 InsO für gegeben. Die Beklagte habe Kenntnis von Umständen gehabt, die zwingend auf das Vorliegen einer Zahlungsunfähigkeit schließen ließen. Das Landgericht habe sich nur alternativ mit einzelnen Anhaltspunkten beschäftigt, die für sich genommen jeweils noch nicht auf hinreichende Kenntnis schließen ließen. Diese seien vorliegend kumulativ gegeben. Zwar würdige das Gericht, dass regelmäßig über längere Zeit zögerlich gezahlt worden sei, lasse aber außer Acht, dass zum Zeitpunkt der jeweiligen angefochtenen Zahlungen stets zwei Monatsbeiträge offen gewesen seien. Wenn das Gericht eine Zahlungsstockung annehme, verkenne es, dass diese nur einen einmaligen vorübergehenden Zustand darstelle. Wenn der Bundesgerichtshof ein Indiz für die Zahlungsunfähigkeit schon sehe, wenn die Zahlung mehr als drei Wochen in Rückstand geraten sei, könne eine Zahlungsstockung dann nicht mehr angenommen werden, wenn sich die Überschreitung dieser Frist regelmäßig über einen längeren Zeitraum fortsetzt.

Auch eine Anfechtbarkeit nach § 131 InsO sei gegeben. Es sei fehlerhaft, wenn das LG annehme, die Gemeinschuldnerin habe nicht im Eindruck angedrohter Vollstreckungen geleistet. Im Weiteren wiederholt und vertieft der Kläger seinen erstinstanzlichen Vortrag. Im Übrigen habe das Landgericht unberücksichtigt gelassen, dass es im Jahre 2001 erneute Ratenzahlungsbemühungen gegeben und die Beklagte bei der Schuldnerin Zahlungen selbst noch im Oktober 2001 angemahnt habe.

Der Kläger beantragt,

die Beklagte unter Aufhebung des Urteils des Landgerichts Schwerin vom 13.10.2005 zu dem Aktenzeichen 3 O 202/05 zu verurteilen, an den Kläger 73.111,55 € nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszins seit dem 08.06.2004 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das angefochtene Urteil und wiederholt den erstinstanzlichen Vortrag.

II.

Die Berufung ist zulässig und begründet. Der Anspruch des Klägers folgt aus § 143 Abs. 1 i.V.m. § 130 Abs. 1, 2 InsO.

Anfechtbar ist gem. § 130 Abs. 1 InsO eine Rechtshandlung, die in den letzten drei Monaten vor dem Insolvenzantrag einem Insolvenzgläubiger eine Sicherung oder Befriedigung gewährt oder ermöglicht, wenn zur Zeit der Handlung der Schuldner zahlungsunfähig war und der Gläubiger zu dieser Zeit die Zahlungsunfähigkeit kannte. Der Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit oder des Eröffnungsantrages steht gem. § 130 Abs. 2 InsO die Kenntnis von Umständen gleich, die zwingend auf die Zahlungsunfähigkeit oder den Eröffnungsantrag schließen lassen.

1. Die Überweisungen der Schuldnerin an die Beklagte stellen eine Rechtshandlung im Sinne des § 130 Abs. 1 InsO dar, da sie diese freiwillig erbracht hat.

2. Die angefochtenen Leistungen erfolgten in der Drei-Monats-Frist des § 130 Abs. 1 InsO. Sie erfolgten im November und Dezember 2001, der Insolvenzantrag wurde am 05.02.2002 gestellt.

3. § 130 Abs. 1 InsO setzt weiter voraus, dass es sich bei den Leistungen um solche einer kongruenten Deckung handelt. Das ist hier der Fall. Die Zahlungen erfolgten - wenn auch verspätet - zur Erfüllung der Verpflichtung zur Abführung der Sozialversicherungsbeiträge. Eine Inkongruenz der erbrachten Sozialbeiträge wäre nur dann gegeben, wenn die Leistung unter dem Druck einer Vollstreckung oder einer Vollstreckungsandrohung oder nach Stellung eines Insolvenzantrages zur Beseitigung desselben erfolgt oder als mittelbare Zahlung für die Schuldnerin durch einen Dritten erbracht wird (BGH Urt. vom 08.12.2005 - IX ZR 182/01 - ZInsO 2006, 94 = ZIP 2006, 290 = NZI 2006, 159). Das ist hier zu verneinen. Die Vollstreckung, die durch die zwischen der Schuldnerin und der Beklagten vereinbarte Ratenzahlung abgewendet werden sollte und die sich an den Rücktritt von der Ratenvereinbarung anschließenden Vollstreckungsandrohungen, die aber nicht in einer Vollstreckungsmaßnahme mündeten, liegen sämtlich im Jahr 2000 und damit gemessen an dem Zeitpunkt der streitgegenständlichen Zahlungen mindestens ein Jahr zurück. Gleichwohl haben diese die Gemeinschuldnerin zu keiner Zeit dazu bewogen, ihren Zahlungsrückstand bei der Beklagten vollständig auszugleichen, so dass von einer andauernden Druckwirkung der früher einmal ergriffenen bzw. angekündigten Vollstreckungsmaßnahmen nicht ausgegangen werden kann.

4. Das Anfechtungsrecht des § 130 Abs. 1 InsO setzt voraus, dass die Gemeinschuldnerin zum Zeitpunkt der Leistungen - also im November und Dezember 2001 - zahlungsunfähig war

a) Wann Zahlungsunfähigkeit vorliegt, bestimmt sich nach § 17 Abs. 2 InsO. Gem. § 17 Abs. 2 Satz 1 InsO ist der Schuldner zahlungsunfähig, wenn er nicht in der Lage ist, die fälligen Zahlungspflichten zu erfüllen (BGH Urt. vom 25.10.2001 - IX ZR 17/01 - BGHZ 149, 100 = ZIP 2001, 2235 = ZInsO 2001, 1150). Es genügt, wenn es sich um eine Verbindlichkeit auch nur eines Gläubigers handelt, wenn diese nur erheblich ist (BGH Urt. vom 25.10.2001, a.a.O.). Auf die Merkmale der "Dauer" und der "Wesentlichkeit" habe der Gesetzgeber - so der Bundesgerichtshof - bewusst verzichtet. Daher könne nicht starr auf einen festen Prozentsatz der Verbindlichkeiten abgestellt werden, den der Schuldner nicht erfüllt hat (BGH Urt. vom 24.05.2005 - IX ZR 123/04 - ZIP 2005, 1426 = ZInsO 2005, 807 = NJW 2005, 3062). Der Bundesgerichtshof hält eine Orientierungsgrenze für die Handhabbarkeit des § 17 Abs. 2 InsO für erforderlich. Er hat diese bei 10 % für grundsätzlich gegeben angenommen, betont jedoch, dass diese bei Vorliegen besonderer Umstände höher oder niedriger liegen kann (BGH Urt. vom 24.05.2005, a.a.O.; BGH Urt. vom 08.12.2005, a.a.O.).

Ob die Schuldnerin zum Zeitpunkt der Leistung der angefochtenen Zahlungen nicht in der Lage war, mindestens 10 % ihrer Verbindlichkeiten mittels kurzfristig verfügbarer Mittel zu begleichen, braucht der Senat unter Berücksichtigung der vom Bundesgerichtshof aufgestellten Grundsätze nicht abschließend festzustellen.

b) Darin, dass die Schuldnerin regelmäßig schwankend einen Zahlungsrückstand zwischen ca. 35.000,00 € und ca. 70.000,00 € bei der Beklagten hatte, die Lücke von 35.000,00 € aber über mindestens 15 Monate nicht geschlossen hat, sieht der Senat wegen der langen Zeitdauer der bestehenden unausgeglichenen Verbindlichkeit einen besonderen Umstand, bei welchem der Anteil der unbefriedigten Verbindlichkeiten weit unter 10 % der Gesamtverbindlichkeiten liegen kann und dennoch ein hinreichendes Beweisanzeichen für die Zahlungsunfähigkeit bildet.

Der Bundesgerichtshof hat in diesem Zusammenhang ausgeführt, es sei untunlich, das Merkmal der andauernden Unfähigkeit zu betonen, weil dies als Bestätigung der verbreiteten Neigung hätte verstanden werden können, den Begriff der Zahlungsunfähigkeit stark einzuengen und damit eine etwa auch über Wochen oder sogar Monate fortbestehende Illiquidität zur rechtlich unerheblichen Zahlungsstockung zu erklären. Eine solche Auslegung gefährde das Ziel einer rechtzeitigen Eröffnung des Insolvenzverfahrens erheblich. Ein Unternehmen aber, welches dauerhaft eine geringfügige Liquiditätslücke aufweist, erscheine nicht erhaltungswürdig (BGH Urt. vom 24.05.2005, a.a.O.). Ähnlich hat das OLG Celle befunden, dass die beharrliche Nichtabführung von Sozialversicherungsbeiträgen über einen längeren Zeitraum (sechs Monate) im Rahmen der Glaubhaftmachung eines Insolvenzgrundes bei Antragstellung genügen müsse (OLG Celle, Beschl. vom 09.02.2000 - 2 W 101/99 - NZI 2000, 214; dem folgend OLG Dresden Beschl. vom 28.08.2000 - 7 W 1396/00 - ZInsO 2000, 560; OLG Naumburg Beschl. vom 22.02.2000 - 5 W 1/00 - MDR 2000, 1153 = KTS 2000, 440). Die zitierten Oberlandesgerichte lesen ihrer Ansicht ebenso wie der Bundesgerichtshof bei seinen Erwägungen zu den Umständen, aus denen der Sozialversicherer zwingend auf Zahlungsunfähigkeit schließen muss, den Gedanken zugrunde, dass der Schuldner schon wegen der Strafbewehrung durch § 266a StGB die Sozialversicherer erst dann nicht mehr bedienen wird, wenn er die übrigen Gläubiger schon lange nicht mehr bedient. Nach der allgemeinen Erfahrung ist nicht zu vermuten, dass er den Sozialversicherer als Ersten nicht mehr befriedige (BGH Urt. vom 25.10.2001, a.a.O.; BGH Urt. vom 20.11.2001 - IX ZR 48/01 - BGHZ 149, 178 = ZIP 2002, 87 = NJW 2002, 515 = ZInsO 2002, 29; BGH Urt. vom 27.05.2003 - IX ZR 169/02 - ZIP 2003, 1506 = ZInsO 2003, 764 = NJW 2003, 3347; OLG Celle Beschl. vom 09.02.2000, a.a.O.; OLG Dresden Beschl. vom 28.08.2000, a.a.O.; OLG Naumburg Beschl. vom 22.02.2000, a.a.O.). Soweit dem teilweise entgegengehalten wird, es könne sich auch um Zahlungsunwilligkeit handeln, gehen die vorzitierten Entscheidungen schon unter Hinweis auf die Strafbewehrtheit der Nichtabführung davon aus, dass es sich erfahrungsgemäß nicht um einen Fall der Zahlungsunwilligkeit handeln wird, soweit sich zumindest nicht hierfür Anhaltspunkte zeigen. Das OLG Naumburg (Beschl. vom 22.02.2000, a.a.O.) spricht aus, dass der Insolvenzantragsteller bei der Glaubhaftmachung des Insolvenzgrundes "Zahlungsunfähigkeit" die theoretischen anderen Möglichkeiten der Nichtzahlung nicht ausräumen brauche. Auch das OLG Dresden (Beschl. vom 28.08.2000, a.a.O.) und das OLG Celle (Beschl. vom 09.02.2000, a.a.O.) sowie der Bundesgerichtshof (Urt. vom 27.05.2003, a.a.O.) ordnen die Vortrags- und Beweislast für eine Zahlungsunwilligkeit dem Schuldner bzw. dem Anfechtungsgegner zu. Der Senat schließt sich dem an. Die Beklagte hat hierzu nichts vorgetragen. Darüber hinaus führt das OLG Dresden (Beschl. vom 28.08.2000, a.a.O.) zutreffend aus, dass gerade der Umstand, dass der Schuldner leistet, aber nie die vollständige Befriedigung erreicht, gegen einen Zahlungsunwillen spricht, denn mit der Teilzahlung demonstriert er seinen Zahlungswillen. Wenn er es aber nicht schafft, ist dies ein weiteres starkes Beweisanzeichen für die Zahlungsunfähigkeit.

c) Der Einwand der Beklagten, die Schuldnerin sei nicht zahlungsunfähig gewesen, sondern es hätten für jeden Beitrag nur Stockungen vorgelegen, da diese regelmäßig mit etwa einem Monat Verzug befriedigt worden seien, greift dies nicht durch. Derartige Stockungen sind von einer Zahlungsunfähigkeit abzugrenzen. Gerät der Schuldner in einen kurzfristen Zahlungsrückstand, veranlasst dies noch nicht die Stellung eines Eröffnungsantrages. Eine bloße Zahlungsstockung ist anzunehmen, wenn der Zeitraum nicht überschritten wird, den eine kreditwürdige Person benötigt, um sich die benötigten Mittel zu leihen. Dafür erscheinen drei Wochen erforderlich, aber auch ausreichend (BGH Urt. vom 24.05.2005, a.a.O. ). Schon nach diesem Kriterium handelte es sich bei allen Zahlungen nicht mehr um Stockungen.

Wenn fortlaufend periodisch neue Rückstände entstehen, die zu saldieren sind, ist auch das Saldo zu betrachten, um festzustellen, ob der Schuldner noch in der Lage ist, seine Verbindlichkeiten zu bedienen. Hiervon ausgehend, hat die Gemeinschuldnerin die Verbindlichkeiten gegenüber der Beklagten über einen langen Zeitraum, der ein Jahr weit übersteigt, nicht vollständig bedient, so dass eine bloße Stockung der Zahlungen auszuschließen ist.

5. Schließlich bedarf es der Kenntnis der Beklagten von der Zahlungsunfähigkeit der Gemeinschuldnerin oder aber zumindest der Kenntnis von solchen Umständen, die den Schluss auf die Zahlungsunfähigkeit zwingend nahelegen (BGH Urt. vom 20.11.2001, a.a.O.). Mit der unter 4. zur Zahlungsunfähigkeit zitierten Rechtsprechung muss ein Sozialversicherungsträger mit Blick auf die Strafbewehrtheit der Nichtabführung davon ausgehen, dass der Schuldner nicht zuerst dessen Ansprüche nicht befriedigt. Dies gilt umso mehr, als die Schuldnerin ein produzierendes Gewerbe betrieb, bei welchem es in der Natur der Sache liegt, dass sie das zu bearbeitende Material erwerben muss. Zahlt sie dieses nicht, bleibt ihr noch die Möglichkeit, auf andere Lieferanten zurückzugreifen, um aus der Zahlungsunfähigkeit wieder herauszukommen. Die Wahl eines anderen Sozialversicherungsträgers für die Arbeitnehmer stand ihr aber nicht zu.

Vorliegend streiten hier noch weitere Umstände gegen die Beklagte. Sie hatte innerhalb des Zeitraums, für welchen dauerhaft Zahlungsrückstände der Gemeinschuldnerin zu verzeichnen waren, bereits Zwangsvollstreckungsmaßnahmen angedroht und wiederholt außergerichtlich die ausstehenden Zahlungen angemahnt. Ein Forderungsausgleich erfolgte auf diese Versuche, auf die Schuldnerin Druck auszuüben, nicht. Beachtlich gegen die Beklagte spricht schließlich der Umstand, dass sie eine Ratenzahlungsvereinbarung mit der Gemeinschuldnerin 2000 zur Abwendung von Vollstreckungsmaßnahmen geschlossen hatte, von der sie mangels Erfüllung durch die Gemeinschuldnerin wieder Abstand genommen hatte. Bereits zu diesem Zeitpunkt musste sich ihr aufdrängen, dass die Schuldnerin offenbar nicht über ausreichend liquide Mittel verfügte, um einschneidende Vollstreckungsmaßnahmen ernstlich abzuwenden. In der unerfüllten Ratenvereinbarung lag ein schlichtes Vertrösten, welches ein weiterer Anhaltspunkt für die Zahlungsunfähigkeitserkenntnis des Gläubigers ist (BGH Urt. vom 20.11.2001, a.a.O. ). Wollte die Beklagte hiergegen einwenden, die Zahlungsfähigkeit der Gemeinschuldnerin sei nach Rücktritt von der Ratenvereinbarung wieder hergestellt gewesen, wäre sie hierfür vortrags- und beweispflichtig.

6. Soweit dieser Betrachtungsweise der Gedanke entgegengehalten wird, dass der Sozialversicherungsträger besonders schutzwürdig im Rahmen der Insolvenzanfechtung sei, da für ihn ein Kontrahierungszwang besteht und er sich nicht ohne weiteres aus dem Vertrag lösen kann, wenn es zu Zahlungsrückständen kommt, bestätigt der Bundesgerichtshof, dass es für Sozialversicherungsträger keine Ausnahmen vom Anfechtungsrecht des Insolvenzverwalters gibt (BGH Urt. vom 08.12.2005, a.a.O.). Das OLG Celle (Beschl. vom 09.02.2000, a.a.O.) weist darauf hin, dass der Sozialversicherer mit Blick auf die Rechtsprechung zur Strafbewehrung der unterlassenen Beitragsabführung durch den Schuldner im Gegenzug zum Kontrahierungszwang recht schnell ein Insolvenzverfahren einleiten könne. Dies mag zwar im Einzelfall wirtschaftlich unbefriedigend sein, legt jedoch das Risiko einer erfolgreichen Anfechtung von Leistungen durch den Insolvenzverwalter in die abgewogene Prüfung durch den Sozialversicherer.

7. Der Zinsanspruch folgt aus § 291 BGB. Der Zinsbeginn richtet sich nach Zustellung des Mahnbescheides. Daher können Zinsen erst ab 09.06.2004 verlangt werden, da der Mahnbescheid ausweislich der Zustellungsurkunde (Bl. 3 d.A.) am 08.06.2004 zugestellt wurde.

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 2 ZPO. Wegen des geringfügigen Unterliegens betreffend den Zinsanspruch waren dem Kläger Kosten nicht aufzuerlegen. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Gründe, die Revision zuzulassen liegen in Anbetracht der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes nicht vor.



Ende der Entscheidung

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