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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Rostock
Urteil verkündet am 20.11.2008
Aktenzeichen: 3 U 158/08
Rechtsgebiete: GBBerG, SachenR-DV, BGB


Vorschriften:

GBBerG § 9
GBBerG § 9 Abs. 3
GBBerG § 9 Abs. 5
SachenR-DV § 1
BGB § 133
BGB § 157
BGB § 255
BGB § 328
BGB § 398
BGB § 404
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Oberlandesgericht Rostock IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

3 U 158/08

Verkündet am: 20.11.2008

In dem Rechtsstreit

hat der 3. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Rostock aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 02.10.2008

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Landgerichts Stralsund vom 05.03.2008 wird zurückgewiesen.

2. Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Klägerin.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht zuvor die Beklagten Sicherheit in gleicher Höhe leisten.

4. Streitwert des Berufungsverfahrens: 37.905,76 €

Gründe:

I.

Die Klägerin macht aus abgetretenem Recht einen einmaligen Ausgleichsentschädigungsanspruch aus § 9 Abs. 3 GBBerG i. V. m. § 1 Sachenrechts-Durchführungsverordnung (SachenR-DV) für die Belastung ihres Grundstücks mit Leitungsrechten geltend.

Das Grundstück, eingetragen im Grundbuch von ... Flur ... Flurstück ..., in welchem noch vor dem 03.10.1990 eine Regenentwässerungs- und eine Abwasserleitung verlegt worden waren, gehörte ursprünglich der Treuhandanstalt (nachfolgend THA). Diese verkaufte es mit Vertrag vom 30.09.1994 an Herrn ... (im Folgenden Streitverkündeten).

Dieser Vertrag bestimmte in § 11 unter "Sonstige Abwicklung / weitere Vollmachten" Ziffer 11.2:

"Wenn und soweit auf dem Grundbesitz gemäß 1.1 Anlagen errichtet sind oder werden, die für die Ver- und Entsorgung des Kaufgegenstandes und / oder der Gesamtanlage erforderlich oder zweckmäßig sind, ist der Käufer verpflichtet, die Errichtung und den dauernden Betrieb derartiger Anlagen zu dulden und weiter zu gestatten, dass alle Maßnahmen vorgenommen werden dürfen, die zur Instandhaltung und eventuellen Erneuerung erforderlich oder zweckmäßig sind.

Der Käufer ist verpflichtet, entsprechende Dienstbarkeiten und / oder Baulasten zu bestellen oder zu übernehmen.

Wenn und soweit dem Grundbesitz gemäß 1.1 Leitungen Dritter für Wasser, Abwasser, Gas, Strom, Wärme, Fernmeldeleitung, Gemeinschaftsantenne oder sonstige Versorgungsleitungen liegen, gelten sie als nicht mitveräußert.

Der Käufer duldet diese Leitungen weiterhin im Grundbesitz gemäß 1.1 unentgeltlich sowie ungehindert deren Betrieb, Unterhaltung, Reinigung und Erneuerung. Er räumt ferner den Berechtigten dieser Leitungen gleichermaßen und unentgeltlich das Recht ein, Leitungen der vorbezeichneten Art neu zu verlegen und gestattet das Aufgraben des Grundstücks zur Verlegung oder Umlegung der Leitungen oder zur notwendigen Unterhaltungs-, Reinigungs- oder Erneuerungsarbeiten. Die Kosten trägt der jeweilige Veranlasser.

Der Käufer verpflichtet sich, auf Verlangen der jeweils Berechtigten jederzeit entsprechende Baulasten zu bestellen und die Eintragung beschränkter persönlicher Dienstbarkeiten oder Grunddienstbarkeiten dieses Inhalts in das Grundbuch zu bewilligen und zu beantragen sowie jeden Rechtsnachfolger im Eigentum des Kaufgegenstandes in gleicher Weise zu verpflichten, sofern wegen der in Rede stehenden Leitungen zur Zeit des Eigentumswechsels noch keine Baulasten oder beschränkte persönliche Dienstbarkeiten oder Grunddienstbarkeiten eingetragen sind. Insoweit entstehende Kosten trägt der jeweils Berechtigte."

Bei Beurkundung des Vertrages wies der Notar darauf hin, dass das Grundbuchbereinigungsgesetz über die bis dahin aufgeführten Leitungsrechte dahin erweitert werden solle, dass mit der SachenR-DV auch Eigentümer von Grundstücken, die mit anderen Versorgungsleitungen belastet seien, bestimmte Rechte erhalten sollten.

Die Eigentumsumschreibung auf den Streitverkündeten erfolgte am 10.10.1995.

Mit Vertrag vom 13.11.1998 erwarb die Klägerin das Grundstück vom Streitverkündeten. In diesem Vertrag ist eine § 11 des Kaufvertrages zwischen der THA und dem Streitverkündeten entsprechende Regelung nicht enthalten.

Am 30.07.2004 wurde zugunsten der Beklagten zu 1. im Grundbuch eine beschränkte persönliche Dienstbarkeit in Gestalt eines Regenentwässerungsleitungsrechts aufgrund einer Bescheinigung des Landkreises ..., untere Wasserbehörde, vom 16.08.2004 eingetragen. Zugunsten der Beklagten zu 2. wurde am 23.09.2003 in das Grundbuch eine beschränkte persönliche Dienstbarkeit in Gestalt eines Abwasserleitungsrechts aufgrund einer Bescheinigung des Landkreises ..., untere Wasserbehörde vom 12.08.2003 eingetragen.

Die Bundesanstalt für vereinigungsbedingte Sonderaufgaben als Rechtsnachfolgerin der THA, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des § 1 SachenR-DV (am 11.01.1995) Eigentümerin des von den Leitungsrechten betroffenen Grundstücks war, trat ihren etwaigen Ausgleichsentschädigungsanspruch, ohne diesen gegenüber den Beklagten selbst geltend zu machen, an den Streitverkündeten am 12.06.2006 ab, der ihn seinerseits am 13.06.2006 an die Klägerin abtrat.

Die Klägerin verlangt von den Beklagten als Gesamtschuldner für die Dienstbarkeit betreffend die Regenentwässerungs- und die Abwasserleitung einen Ausgleichsentschädigungsbetrag in zwei Teilbeträgen von insgesamt 37.905,76 €.

Das Landgericht Stralsund hat die Klage mit Urteil vom 05.03.2008 abgewiesen. Wegen der Urteilsgründe und den weitergehenden erstinstanzlichen Tatsachenfeststellungen nimmt der Senat auf das angefochtene Urteil Bezug.

Die Klägerin greift das Urteil in vollem Umfang an. Die Tatsachenfeststellungen des Landgerichtes rechtfertigen aus ihrer Sicht eine andere Entscheidung. Sie meint, die Beklagten könnten sich nicht auf einen Verzicht der Klagbarkeit der Entschädigungsforderung berufen. Eine entsprechende Vereinbarung gebe § 11 des Kaufvertrages vom 30.09.1994 zwischen der THA und dem Streitverkündeten zugunsten der Beklagten nicht her. Dass sich der Streitverkündete im Vertrag vom 30.09.1994 zur unentgeltlichen Duldung von Leitungsrechten verpflichtet habe, schließe Entschädigungsansprüche nicht von vornherein aus. Bei dem streitgegenständlichen Entschädigungsanspruch handele es sich um einen gesetzlichen Entschädigungsanspruch, der gerade nicht auf der klassischen Leistungsbeziehung zwischen zwei Parteien basiere, weshalb ihm bereits der Entgeltcharakter fehle. Der geschlossene Kaufvertrag habe in Unkenntnis der erst entstehenden Rechtslage darauf gezielt, einen privatvertraglich vereinbarten Schutz des jeweiligen Dienstbarkeitsberechtigten davor zu bieten, nicht über den gesetzlichen Entschädigungsanspruch hinaus in Anspruch genommen zu werden, nicht aber den gesetzlichen Entschädigungsanspruch auszuschließen. Es liege vielmehr nahe, dass sich der Käufer die Geltendmachung von Entschädigungsansprüchen habe offen lassen wollen. Da die SachenR-DV zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses noch nicht in Kraft getreten war, sei unklar gewesen, welche Leitungsrechte von einem Entschädigungsanspruch erfasst werden würden. Dass der Verzicht auf eine mögliche Entschädigung nicht gemeint sein konnte, ergebe sich im Wege der Vertragsauslegung auch daraus, dass die Parteien ansonsten einen höheren Kaufpreis vereinbart hätten. Es liege vielmehr fern und sei lebensfremd, dass der Begriff der unentgeltlichen Duldung in § 11 des notariellen Kaufvertrages auch den Verzicht auf gesetzliche Entschädigungsansprüche habe enthalten sollen.

Das Landgericht habe zudem verfahrensfehlerhaft von der Vernehmung des Zeugen ... (des Streitverkündeten) abgesehen. Dieser hätte über die Umstände des Vertragsschlusses Auskunft geben können.

Sie beantragt,

in Abänderung des Urteils des Landgerichts Stralsund vom 05.03.2008 die Beklagten zu verurteilen, gesamtschuldnerisch an die Klägerin 18.952,88 € nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz der EZB ab dem 23.09.2003 zu zahlen sowie am 01.01.2011 weitere 18.952,88 € zu zahlen.

Die Beklagten beantragen,

die Berufung zurückzuweisen,

und verteidigen das angefochtene Urteil unter Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vortrages. Wegen der weitergehend dargelegten Rechtsansichten der Parteien wird ergänzend auf die im Berufungsverfahren gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.

II.

Die zulässige Berufung der Klägerin hat in der Sache keinen Erfolg. Die Klägerin kann die Beklagten nicht gesamtschuldnerisch auf Zahlung einer Ausgleichsentschädigung aus § 9 Abs. 3 GBBerG i. V. m. § 1 SachenR-DV in Anspruch nehmen.

1.

Zwar steht der Klägerin ein solcher Anspruch grundsätzlich zur Seite, welchen sie im Wege der Abtretung gem. § 398 BGB erworben hat.

a.

Die Voraussetzungen der Anwendbarkeit des § 9 Abs. 3 GBBerG, § 1 SachenR-DV liegen vor. Insbesondere handelt es sich um Entwässerungsleitungen, für welche der zuständige Träger jeweils Leitungsbescheinigungen eingeholt hat, und die bereits vor dem 03.10.1990 verlegt worden sind. Mit der Erteilung der Leitungsbescheinigung ist jeweils für die Beklagten die Dienstbarkeit entstanden.

b.

Ein Anspruch auf Ausgleichsentschädigung nach § 9 Abs. 3 GBBerG, § 1 SachenR-DV gegenüber den Beklagten als aus der Grunddienstbarkeit Berechtigte ist in der Person der THA entstanden, da diese zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des § 1 SachenR-DV (11.01.1995) Eigentümerin des von den Leitungsrechten betroffenen Grundstücks war (ebenso OLG Dresden, Urt. v. 26.05.2004, 6 U 2231/03, NotBZ 2005, 81 mit Anm. Maaß). Die BVS als Rechtsnachfolgerin der THA hat diesen Anspruch, ohne ihn gegenüber den Beklagten selbst geltend zu machen, an den Streitverkündeten abgetreten, der ihn wiederum an die Klägerin abgetreten hat. Bedenken gegen die Wirksamkeit der Abtretungen hegt der Senat nicht. Daher ist die Klägerin anspruchsberechtigt.

2.

Eine Verzichtsvereinbarung, welche zum Verlust des klägerischen Anspruches geführt hätte, besteht nicht.

a.

Eine Vereinbarung zwischen der Klägerin und den Beklagten, die eine Geltendmachung dieses Anspruches auszuschließen vermochte, haben die Parteien nicht geschlossen.

b.

Die Ausgleichsansprüche der Klägerin gegenüber den Beklagten sind auch nicht durch eine Vereinbarung zwischen der THA und dem Streitverkündeten untergegangen. Insbesondere die Verpflichtung des Streitverkündeten aus dem Kaufvertrag mit der THA vom 30.09.1994 in § 11 Ziff. 11.2, die Leitungen auch weiterhin unentgeltlich im Grundbesitz zu dulden, ist unbeschadet ihres noch im Einzelnen durch Vertragsauslegung zu ermittelnden konkreten Inhaltes nicht dahin zu qualifizieren.

Eine Auslegung dieser Vereinbarung dahin, dass die THA und der Streitverkündete für diesen und bindend auch für jeden späteren Erwerber zugunsten der Beklagten und sonstiger Leitungsberechtigten einen Verzicht auf gesetzliche Ausgleichsansprüche hätten vereinbaren wollen, stellte einen Erlassvertrag zugunsten Dritter dar. Ein Erlassvertrag zugunsten Dritter, auf den § 328 BGB angewendet werden kann, wird jedoch von der herrschenden Meinung in Rechtsprechung und Literatur nicht zugelassen (BGH Urt. v. 21.06.1994, XI ZR 183/93, BGHZ 126, 261 = NJW 1994, 2483; BGH, Beschl. v. 26.04.2002, BLw 32/01, VIZ 2002, 528 = MDR 2002, 1183; Palandt/Grüneberg, BGB, 67. Aufl., Rn. 8 vor § 328). Dem schließt sich der Senat an. 3.

Auch wenn eine unmittelbare Anwendung des § 328 BGB somit ausscheidet, wird in derartigen Vereinbarungen ein pactum de non petendo gesehen (BGH, a.a.O.; Palandt/Grüneberg, a.a.O.; zum Streitstand umfassend auch Staudinger-BGB/Jagmann, 2004, § 328 Rn. 5 und Vorbem. 54 vor § 328).

a.

Das pactum de non petendo gibt dem Schuldner als Dritten einen Anspruch auf Freizeichnung gegen die Verbindlichkeit. Die schuldrechtliche Vereinbarung gibt somit dem Schuldner die Einwendung, nicht in Anspruch genommen zu werden, berührt die eigentliche Forderung in ihrem Bestand aber nicht. Dem hieraus Verpflichteten soll sogar der Einwand der Nichteinklagbarkeit seiner Forderung entgegenstehen, so dass die Klage als unzulässig abzuweisen wäre (vgl. hierzu auch LG Bonn, Urt. v. 03.06.2008, 10 O 400/07; LG Bonn, Urt. v. 03.06.2008, 10 O 396/07), was der Senat im Berufungsverfahren jedenfalls offen lassen kann.

b.

Die Vereinbarung des Streitverkündeten mit der THA in § 11 Ziff. 11.2 des Kaufvertrages vom 30.09.1994 ist als ein pactum de non petendo zu qualifizieren. In ihr verpflichtete sich der Streitverkündete gegenüber der THA die im Grundbesitz verlegten Leitungen u.a. für Wasser und Abwasser unentgeltlich zu dulden, den Berechtigten Grunddienstbarkeiten bzw. Baulasten einzuräumen und im Fall der Notwendigkeit von Instandhaltungsmaßnahmen oder zum Zwecke der Verlegung der Leitungen Arbeiten am Grundstück vornehmen zu lassen. Die übernommene Verpflichtung zur unentgeltlichen Duldung der Leitungen, die sich ausdrücklich auch auf Abwasserleitungen bezog, gibt den Beklagten als Leitungsberechtigten den Einwand, dass der aus dem Vertrag Verpflichtete - hier der Streitverkündete - einen finanziellen Ausgleich für die Gewährung des Leitungsrechtes nicht verlangen kann. Der Entgeltbegriff erfasst dabei seiner Natur nach auch die hier streitgegenständlichen Ausgleichsentschädigungsansprüche, die an die Stelle des vereinbarten Entgeltes bei vertraglicher Bestellung der Grunddienstbarkeit treten.

Sinn und Zweck des Grundbuchbereinigungsgesetzes war es, die zunächst favorisierte vertragliche Vereinbarung des Eigentümers und des Leitungsberechtigten von Grunddienstbarkeiten für Leitungen, die vor dem 03.10.1990 errichtet worden waren und für die Grunddienstbarkeiten nicht bestellt sind, durch eine gesetzliche Begründung der Grunddienstbarkeiten zu ersetzen, um so für Ver- und Entsorger Sicherheiten zu schaffen. Wird von § 9 GBBerG durch Einholung einer Leitungsrechtsbescheinigung vom Versorger Gebrauch gemacht, wird die Grunddienstbarkeit Kraft Gesetzes begründet und das Grundbuch ist gem. § 9 Abs. 5 GBBerG nur noch zu berichtigen. Weil durch die gesetzliche Begründung der Grunddienstbarkeit ein quasi enteignungsgleicher Eingriff in das Eigentum des Grundstückseigentümers erfolgt, soll dieser hierfür einen Ausgleich erhalten. An die Stelle des verhandelten Entgeltes bei vertraglicher Begründung der Grunddienstbarkeit tritt, weil nun die Grunddienstbarkeit nicht mehr verhandelt wird, ein in § 9 Abs. 3 GBBerG bestimmter finanzieller Ausgleich. Dieser steht seinem Charakter nach dem Entgelt bei vertraglicher Begründung der Grunddienstbarkeit gleich (OLG Dresden, a.a.O. mit Anm. Maaß).

Dafür, dass die Parteien des Kaufvertrages vom 30.09.1994 von diesem Entgeltbegriff abweichend mit Ziff. 11.2 des Vertrages nur über gesetzliche Entschädigungsansprüche hinausgehende privatrechtliche Entgeltansprüche gegen Leitungsberechtigte haben ausschließen wollen, gibt das Vertragswerk zudem nichts her. Der allgemeine und nicht weiter präzisierte Vortrag der Klägerin in erster Instanz, dem Streitverkündeten sei es darum gegangen, zukünftige Entschädigungsansprüche zugunsten des Erwerbers zu erhalten, wird in zweiter Instanz nicht weiter verfolgt. Dies belegt die von der Klägerin nicht in Abrede gestellte Einlassung des Streitverkündeten im Rahmen der mündlichen Verhandlung am 02.10.2008 (siehe unten).

c.

Das pactum de non petendo wirkt auch gegen die Klägerin, obgleich es vertraglich zu Lasten des Streitverkündeten begründet worden ist und sie sich nicht in gleicher Weise vertraglich kaufvertraglich verpflichtet hat wie der Streitverkündete gegenüber der THA. Dies folgt aus § 404 BGB. Aus dieser Vorschrift ist herzuleiten, dass sich die Klägerin auch Einwendungen entgegenhalten lassen muss, die den Beklagten gegenüber der THA als Erstzedentin oder dem Streitverkündeten als Zweitzedenten zugestanden haben. Dabei ist es unschädlich, dass die Beklagten gegenüber der THA als Erstzedentin keine Einwendungen haben geltend machen können, sondern ihnen diese erst mit Eigentumserwerb und Abtretung der Entschädigungsansprüche gegenüber dem Streitverkündeten erwachsen sind.

Im Falle einer Abtretungskette bleiben dem Schuldner die gegen einen Zedenten bestehenden Einreden und Einwendungen, gleich welchem Zendenten gegenüber sie entstanden sind, auch gegen den späteren Zessionaren erhalten (Staudinger-BGB/Busche, 2005, § 404 Rn. 6). Das ergibt sich bereits aus Sinn und Zweck der Norm. § 404 BGB dient vorrangig dem Schutz des Schuldners. Dieser soll durch einen mit der Abtretung verbundenen Gläubigerwechsel, auf den er keinen Einfluss hat, nicht schlechter gestellt werden. Daher sollen ihm alle Einwendungen erhalten bleiben, die er dem Ursprungsgläubiger gegenüber hat geltend machen können (vgl. hierzu Roth in Münch/KommBGB, 5. Aufl., § 404 Rn. 1; Palandt/Grüneberg, a.a.O., § 404 Rn. 1).

Allerdings soll § 404 BGB keine Anwendung finden, wenn der Einwand des Schuldners allein in einem persönlichen Anspruch gegen den Zedenten begründet gewesen ist oder seine Ausübung schon gegenüber dem Zedenten rechtsmissbräuchlich gewesen wäre (Roth, a.a.O., § 404 Rn. 9). Diese Voraussetzungen liegen nach Überzeugung des Senates hier indes nicht vor. Dass es sich bei § 11 Ziff. 11.2 des Kaufvertrages nicht um einen höchst persönlichen Anspruch der Beklagten gegen den Streitverkündeten handelt, ergibt sich bereits daraus, dass dieser gegenüber jeglichen Leitungsberechtigten zur unentgeltlichen Duldung verpflichtet sein sollte und namentliche Ansprüche konkreter Berechtigter nicht vorgesehen waren.

Allerdings besteht grundsätzlich die Möglichkeit, das pactum de non petendo in seiner Wirkung auf die Parteien zu begrenzen, in deren Vereinbarung das pactum de non petendo gründet. § 404 BGB kann nämlich auch zumindest in gewissen Grenzen abbedungen werden (Staudinger-BGB/Busche, a.a.O., Rn. 3). Der Inhalt einer solchen Stillhalteabrede ist im Wege der §§ 133, 157 BGB auszulegen (BGH, Urt. v. 21.06.1994, XI ZR 183/93, MDR 1994, 1203). So erstreckt es sich auch auf Dritte, wenn diese bereits in der Vereinbarung genannt werden (BGH, Beschl. v. 26.04.2002, BLw 32/01, VIZ 2002, 528 = MDR 2002, 1183; BGH, Urt. v. 25.05.1993, VI ZR 272/92, MDR 1993, 848). Ebenso kann ein enger Haftungsverbund etwa bei Gesamtschuldnern oder der Stufenhaftung des § 255 BGB genügen (OLG Naumburg, Urt. v. 08.04.2003, 11 U 255/01, NJW-RR 2004, 144). Hingegen hat das OLG Koblenz eine Erstreckung des pactum de non petendo auf die aus einem Kreditvertrag mithaftende Ehefrau verneint, weil diese bei der Vereinbarung des Stillhalteabkommens nicht erkennbar einbezogen gewesen sei (OLG Koblenz, Urt. v. 24.05.2007, 5 U 145/07, ZIP 2007, 2021).

Eine interessengerechte Auslegung von § 11 Ziff. 11.2 des Kaufvertrages vom 30.09.1994 ergibt, dass die Parteien § 404 BGB nicht haben abbedingen wollen. Eine dahingehende ausdrückliche Formulierung enthält der Vertrag nicht. Auch im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung kann dem Wortlaut eine weitergehende Wirkungsbeschränkung im Falle nachfolgender Abtretungen nicht entnommen werden. Der Wortlaut der Vereinbarung spricht aus Sicht des Senates eher dafür, dass die Parteien die Verpflichtung zur unentgeltlichen Duldung nicht auf den Streitverkündeten persönlich haben beschränken wollen. Sie haben nämlich geregelt, dass dann, wenn die Leitungsrechte noch nicht im Grundbuch eingetragen sind, der Streitverkündete jeden weiteren Erwerber des Grundstückes vertraglich zur unentgeltlichen Duldung habe verpflichten sollen. Es sollte also gerade in Unsicherheit dessen, ob bei nicht erfolgter dinglicher Sicherung die Vereinbarung auch gegen den Erwerber gilt, durch das Zutun des Streitverkündeten diese Wirkung sichergestellt werden.

Anderweitige außerhalb der Urkunde liegende Umstände, die im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung einen anderweitigen Schluss zulassen, sieht der Senat nicht und hat die insoweit vortrags- und beweispflichtige Klägerin auch nicht vorgetragen. Aus den Kaufpreisen früherer und späterer Kaufverträge lässt sich hierfür nichts herleiten, denn der Kaufpreis eines Grundstückes unterliegt ständigen Veränderungen und wird im Wesentlichen durch die allgemeinen Marktbedingungen, Angebot und Nachfrage und nicht zuletzt durch das Verhandlungsgeschick der Parteien bestimmt.

Soweit die Klägerin behauptet hat, dass sich die Parteien einig gewesen sein sollen, das pactum de non petendo nur auf den Streitverkündeten zu beschränken, brauchte der Senat den Streitverkündeten nicht - wie von der Klägerin angeboten - als Zeugen zu vernehmen. Der Streitverkündete ist in der Sitzung vom 02.10.2008 des Senats persönlich anwesend gewesen und vom Senat hierzu angehört worden. Er hat angegeben, dass ihm das Leitungsproblem bewusst gewesen sei und der Notar auf eine zu erwartende gesetzliche Regelung hingewiesen habe. Wörtlich hat er in diesem Zusammenhang ausgeführt:

"Mir ist es nur um die Leitungen gegangen, wegen der ich hätte keine Baumaßnahme durchführen können."

Dem kann entnommen werden, dass ihm eine mögliche Erlangung eines Entgeltes weder für sich noch für einen späteren Erwerber als Gegenleistung für die Leitungsrechte wichtig und er bereit gewesen ist, die Leitungen ohne Weiteres zu dulden, wenn er nur das Grundstück würde bebauen können. Dass die Parteien des Kaufvertrages vom 30.09.1994 darüber einig gewesen sein sollen, die gesetzlichen Wirkungen des § 404 BGB abweichend vom gesetzlichen Leitbild nicht eintreten zu lassen, hat er nicht bestätigen können, obwohl der Senat dieses Problem ausführlich dargelegt und erörtert hat. Vielmehr legen seine Ausführungen nahe, dass die Parteien des Kaufvertrages vom 30.09.1994 gerade keine Einigung dahin erzielt haben, dass nur der Streitverkündete die im Vertrag aufgeführten Leitungsrechte unentgeltlich dulden müsse, jeder spätere Erwerber hiervon abweichend aber eine entgeltliche Leistung verlangen könne. Dem widerspricht schon die Verpflichtung des Streitverkündeten aus Ziff. 11.2 des Vertrages, jeden späteren Erwerber in der gleichen Weise zu binden, wie sich der Streitverkündete in Ziff. 11.2 gebunden hat. Wenn gerade zwischen den Parteien die Wirkung des § 404 BGB hätte abbedungen werden sollen, stünde die Verpflichtung zur Bindung künftiger Erwerber hierzu in einem nicht auflösbaren Widerspruch.

Soweit im Vortrag der Klägerin in ihrem Schriftsatz vom 22.11.2007 anklingt, den Vertragsparteien des Vertrages vom 30.09.1994 sei es darum gegangen, einen "Entschädigungsanspruch zugunsten des Erwerbers bestehen zu lassen", kann diesem Vortrag im vorliegenden Zusammenhang keine Bedeutung beigemessen werden. Er bezieht sich ersichtlich nicht auf die Frage, ob § 404 BGB hat abbedungen werden sollen in Bezug auf das pactum de non petendo. Vielmehr ist er in dem Kontext der Frage zu verstehen, ob der Vertrag vom 30.09.1994 überhaupt ein pactum de non petendo beinhaltet (siehe oben).

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf den §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Da die Entscheidung im Wesentlichen auf der tatrichterlichen Auslegung einer Vertragsklausel beruht, sieht der Senat keinen Grund, die Revision zuzulassen.

Ende der Entscheidung

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