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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Rostock
Beschluss verkündet am 08.02.2007
Aktenzeichen: 3 U 180/06
Rechtsgebiete: ZPO, BGB


Vorschriften:

ZPO § 91a
ZPO § 91a Abs. 1
BGB § 371
BGB § 931
Das Rechtsschutzinteresse für eine Vollstreckungsabwehrklage fehlt, wenn der Gläubiger den Gerichtsvollzieher in einem gerichtlichen Protokoll anweist, die vollstreckbare Ausfertigung des Titels an den Schuldner herauszugeben und erklärt, dass eine Zwangsvollstreckung daraus nicht beabsichtigt sei.
Oberlandesgericht Rostock Beschluss

3 U 180/06

In dem Rechtsstreit

hat der 3. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Rostock am 08.02.2007 beschlossen:

Tenor:

Der Kläger hat die Kosten der Berufung gegen das Teilurteil des Landgerichts Rostock vom 11.10.2006 zu tragen.

Gegenstandswert der Berufung: bis 30.000,00 €

Gründe:

I.

Die Beklagten betrieben die Zwangsvollstreckung gegen den Kläger aus einer notariellen Urkunde vom 08.02.2006, wonach der Kläger sich bei Unterwerfung der sofortigen Zwangsvollstreckung in sein gesamtes Vermögen zur Zahlung von 25.600,00 € verpflichtete. In der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht am 02.08.2006 erklärte der Prozessbevollmächtigte der Beklagten zu Protokoll, dass eine Zwangsvollstreckung aus der notariellen Urkunde nicht beabsichtigt sei und wies die Gerichtsvollzieherin, der der Titel zum Zwecke der Vollstreckung übergeben worden war, an, ihn an den Kläger herauszugeben. Der Kläger beantragte, die Zwangsvollstreckung aus der notariellen Urkunde für unzulässig zu erklären und die Beklagten zur Herausgabe der vollstreckbaren Ausfertigung zu verurteilen. Das Landgericht wies die Klage insoweit durch Teilurteil ab und führte zur Begründung aus, hinsichtlich des ersten Antrages fehle es an einem Rechtsschutzbedürfnis. Dieses entfalle, wenn der Gläubiger den Titel zwar nicht mehr in den Händen halte, ihn aber auch nicht dem Schuldner aushändige, sondern dem Gerichtsvollzieher mit der Weisung ausgehändigt habe, ihn dem Schuldner herauszugeben. Der Herausgabeantrag sei nicht begründet, da den Beklagten die Herausgabe der vollstreckbaren Ausfertigung unmöglich geworden sei, denn der Gerichtsvollzieher habe die Urkunde im Besitz. Aufgrund der Anweisung an den Gerichtsvollzieher, den Titel an den Kläger herauszugeben, könnten sie auch nicht mehr in den Besitz desselben gelangen.

Gegen diese Entscheidung legte der Kläger Berufung ein. Mit der Berufungsbegründung erklärte er sodann die Erledigung der Hauptsache, soweit er mit der Klageschrift die Feststellung der Unzulässigkeit der Zwangsvollstreckung und die Herausgabe der vollstreckbaren Ausfertigung begehrte. Zur Begründung trägt der Kläger vor, er habe Veranlassung gehabt, auf einer antragsgemäßen Verurteilung der Beklagten zu beharren, da die Beklagten den Vollstreckungstitel am 02.08.2006 noch nicht an ihn herausgegeben hätten. Erst acht Wochen nach dem Verhandlungstermin habe die Gerichtsvollzieherin dem Prozessbevollmächtigten des Klägers die vollstreckbaren Ausfertigungen der notariellen Urkunde ausgehändigt. Es sei keineswegs sicher gewesen, dass sich die beiden vollstreckbaren Ausfertigungen der Notarurkunde vom 08.02.2006 im Besitz der Gerichtsvollzieherin S. K. befunden hätten. Eine Zustellung des Terminsprotokolls vom 02.08.2006 an die Gerichtsvollzieherin sei nicht vorgesehen gewesen und auch nicht erfolgt. Der Kläger sei nicht umhin gekommen, das landgerichtliche Urteil zunächst mit der Berufung anzufechten, um dann eine einseitige Erledigungserklärung abzugeben.

Die Beklagten haben sich der Erledigungserklärung angeschlossen und sich lediglich gegen die Kostenlast verwahrt. Sie tragen vor, auf den Termin zur mündlichen Verhandlung am 02.08.2006 habe der Beklagtenvertreter die Gerichtsvollzieherin mit Schreiben vom 04.08.2006 informiert.

II.

Auf die übereinstimmende Erledigungserklärung der Parteien musste der Senat gem. § 91a ZPO über die Kosten entscheiden. Dies führte zur Auferlegung der Kosten auf den Kläger, da dies unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes billigem Ermessen entspricht.

1.

Ob ein Rechtsmittel für erledigt erklärt werden kann, ist in Literatur und Rechtsprechung umstritten (zustimmend Zöller/Vollkommer, ZPO, 26. Aufl., § 91a Rn. 19; a.A. Stein/Jonas/Bork, ZPO, 21. Aufl., § 91a Rn. 52 und 53). In der Rechtsprechung der Oberlandesgerichte wird die Möglichkeit der Erledigungserklärung weitgehend befürwortet (OLG Frankfurt NJW-RR 1989, 63; OLG Hamm FamRZ 1987, 1056; KG FamRZ 1982, 950; OLG Rostock OLGR 2006, 967; a.A. OLG Karlsruhe, FamRZ 1991, 464). Der Bundesgerichtshof ist in einer älteren Entscheidung (GRUR 1959, 102) ohne weiteres von der Zulässigkeit einer auf das Rechtsmittel beschränkten übereinstimmenden Erledigungserklärung ausgegangen. In einer weiteren Entscheidung hat der Bundesgerichtshof es für statthaft erachtet, eine Berufung einseitig für erledigt zu erklären, wenn für eine solche Erledigungserklärung ein Bedürfnis besteht, weil nur auf diese Weise eine angemessene Kostenentscheidung möglich ist (NJW 1998, 2453). Der Senat erachtet eine übereinstimmende Erledigung der Berufung für zulässig mit der Folge, dass der Weg für eine Kostengrundentscheidung analog § 91a Abs. 1 ZPO eröffnet wird, weil für die Parteien eine andere Möglichkeit für die gebotene Kostengrundentscheidung nicht gegeben ist. Es wäre unbillig, den Kläger auch dann mit den insbesondere außergerichtlichen Kosten der Berufung zu belasten, wenn er zu Unrecht mit seiner Klage abgewiesen worden ist oder den Beklagten, wenn er zu Unrecht verurteilt wurde. Eine Rücknahme der Berufung würde keine angemessene Lösung darstellen, da der Berufungskläger dann die Kosten allein zu tragen hätte.

2.

Danach war analog § 91a Abs. 1 ZPO über die Kostentragung auf der Grundlage der Rechtslage, die vor Eintritt des erledigenden Ereignisses in Gestalt der Übergabe der vollstreckbaren Ausfertigungen des Titels an den Prozessbevollmächtigten des Klägers gegolten hat, nach billigem Ermessen unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes zu entscheiden. Dem entsprach es, die Kosten der Berufung dem Kläger aufzuerlegen, da es der Vollstreckungsabwehrklage an dem erforderlichen Rechtschutzinteresse fehlte und der Herausgabeklage an der materiellen Erfolgsaussicht. Daher hatte die Berufung keine Aussicht auf Erfolg.

a) Die Vollstreckungsabwehrklage war nach der im Termin vom 02.08.2006 protokollierten Erklärung der Beklagten wegen fehlenden Rechtsschutzbedürfnisses unzulässig, denn dem Kläger drohte ernsthaft keine Vollstreckung mehr. Solange der Gläubiger den Vollstreckungstitel unverändert in Händen hält, wird eine Vollstreckungsabwehrklage nicht wegen mangelnden Rechtsschutzinteresses unzulässig, selbst wenn der Beklagte, der die Zwangsvollstreckung bei Klageerhebung uneingeschränkt betrieb, später erklärt, er verzichte auf die weitere Vollstreckung (BGH NJW 1984, 2826; NJW 1992, 2148; OLG Köln, JurBüro 1999, 609). Falls der Titel dem Schuldner nicht ausgehändigt worden ist, besteht die Gefahr der Vollstreckung für ihn fort. Wenn sich der Titel noch in der Hand des Gläubigers befindet, vermag deshalb selbst ein Verzicht des Gläubigers auf die Zwangsvollstreckung oder einer Einigung von Gläubiger und Schuldner darüber, dass eine Zwangsvollstreckung nicht mehr in Betracht kommt, das Rechtsschutzinteresse für eine Vollstreckungsabwehrklage des Schuldners nicht zu beseitigen (BGH NJW 1984, 2826). So lag es hier nicht, denn die Beklagten hatten den Vollstreckungstitel nicht mehr in Händen. Sie übten weder den unmittelbaren, noch den mittelbaren Besitz an den vollsteckbaren Ausfertigungen der notariellen Urkunde aus, nachdem sie die Gerichtsvollzieherin zur Herausgabe an den Kläger angewiesen hatten. Darin lag die Abtretung des Herausgabeanspruches gem. § 931 BGB sowie die Zurücknahme des Vollstreckungsauftrages, die jederzeit möglich ist. Der Gläubiger kann infolge seiner Herrschaft über den vollstreckbaren Anspruch den Gerichtsvollzieher anweisen, die Zwangsvollstreckung einzustellen (Zöller/Stöber, ZPO, 26. Aufl., Rn. 12 zu § 753). Die Zwangsvollstreckung war damit beendet. Sowohl mittelbarer Besitz wie Eigentum an den Urkunden gingen auf den Kläger über. Dieser konnte sich an die Gerichtsvollzieherin wenden und unter Vorlage des Terminsprotokolls die Herausgabe der Urkunden erwirken. Damit war eine Vollstreckung aus dem Titel zuverlässig ausgeschlossen, so dass es an dem erforderlichen Rechtsschutzinteresse fehlte (BGH NJW 1994, 1161).

b) Zu Recht wies das Landgericht auch die Klage auf Herausgabe des Titels ab. Da mittelbarer Besitz und Eigentum an der Urkunde gem. § 931 BGB auf den Kläger übergegangen waren, war auch der Anspruch gem. § 371 BGB analog durch Erfüllung erloschen (§ 362 BGB).

3.

Der Senat konnte nur über die Kosten des Berufungsverfahrens, nicht über die des gesamten Rechtsstreits entscheiden, da es sich bei der angefochtenen Entscheidung um ein Teilurteil handelt und das Landgericht die Gesamtkosten in dem Schlussurteil zu verteilen hat, wobei zu berücksichtigen sein wird, dass das angefochtene Teilurteil durch die übereinstimmende Erledigungserklärung ex tunc wirkungslos geworden ist (Zöller/Vollkommer, ZPO, 26. Aufl., Rn. 12 zu § 91a).

Ende der Entscheidung

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