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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Rostock
Urteil verkündet am 07.11.2005
Aktenzeichen: 3 U 183/04
Rechtsgebiete: StrEG, GG, BGB


Vorschriften:

StrEG § 2
StrEG § 2 Nr. 4
StrEG § 7
StrEG § 7 Abs. 2
GG Art. 34
BGB § 839
BGB § 893
BGB § 823 Abs. 1
BGB § 831
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Oberlandesgericht Rostock IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

3 U 183/04

Laut Protokoll Verkündet am: 07.11.2005

In dem Rechtsstreit

hat der 3. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Rostock durch

den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Eckert, Richter am Oberlandesgericht Dr. Jedamzik und die Richterin am Oberlandesgericht Bartmann

auf die mündliche Verhandlung vom 17.10.2005

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung der Klägerin gegen das am 02.09.2004 verkündete Urteil des Landgerichtes Rostock - 4 O 91/04 - wird zurückgewiesen.

Die Kosten der Berufung werden der Klägerin auferlegt.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Klägerin wird nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages abzuwenden, falls nicht das beklagte Land vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Revision wird zugelassen.

Gegenstandswert des Berufungsverfahrens: bis zum 17. Dezember 2004 18.672,13 EUR, danach 2.689,12 EUR.

Gründe:

I.

Die Klägerin verlangt wegen der Beschlagnahme und Beschädigung eines Personenkraftwagens Entschädigung nach dem Gesetz über die Entschädigung für Strafverfolgungsmaßnahmen (StrEG). Der Sohn der Klägerin, der Zeuge M. R., kaufte 1997 einen PKW VW Golf II zum Preis von 2.800,- DM. Streitig ist, ob dies im Auftrag der Klägerin erfolgte und ob sie Eigentum erwarb. Der PKW wurde am 24.07.1997 auf die Klägerin zugelassen. Danach nahm der Sohn der Klägerin zahlreiche Umbauten an dem Fahrzeug vor. In einem gegen die Klägerin und ihren Sohn geführten Ermittlungsverfahren wegen mittelbarer Falschbeurkundung wurde es nebst Motor am 20.01.1999 aufgrund eines Beschlusses des Amtsgerichts Rostock beschlagnahmt. Der PKW war frisch lackiert worden, der Motor ausgebaut. Auf Veranlassung der Staatsanwaltschaft R. wurde er bei der Firma G. untergestellt, dort allerdings nicht sorgfältig behandelt, sondern im Freien abgestellt und unsachgemäß mit einer Plane abgedeckt. Dabei entstanden Abdrücke und Blasen auf der frischen Lackierung sowie zahlreiche Roststellen, da Laub und Wasser im Innenraum standen. Die Reparaturkosten hierfür betragen lt. einem Sachverständigengutachten 1.732,13 EUR.

Die Beschlagnahme des Fahrzeuges dauerte vom 20.01.1999 bis zum 18.06.1999, die des separaten VR6-Motors vom 20.01.1999 bis zum 12.10.2000. Der Sohn der Klägerin mietete am 01.06.1999 und am 28.12.1999 zwei Garagen zur Unterstellung des Fahrzeugs an. Die entsprechenden Mieten macht die Klägerin in diesem Verfahren geltend.

Das gegen die Klägerin und deren Sohn gerichtete Ermittlungsverfahren wurde am 26.05.2000 eingestellt. Das Amtsgericht Rostock stellte zugunsten der Klägerin und ihres Sohnes die Entschädigungspflicht der Staatskasse dem Grunde nach für die Beschlagnahme des Fahrzeugs und des Motors fest.

Die Klägerin verlangte zunächst Ersatz folgender Schäden:

- 1.732,13 EUR Sachschaden lt. Sachverständigengutachten (Anl. K 3)

- 184,43 EUR Sachverständigenkosten (Anl. K 6)

- 23,01 EUR Trailerkosten für das Abholen der Karosserie (Anl. K 7)

- 5,62 EUR Abmeldekosten

- 268,43 EUR Garagenmiete für die Zeit 06/99 bis 12/99 (Anl. K 8)

- 498,51 EUR Garagenmiete für die Zeit 01/00 bis 01/01 (Anl. K 9)

- 152,00 EUR Nutzungsausfall für 4-tägige Reparatur (38,00 EUR/Tag)

- 15.808,00 EUR Nutzungsausfall für die Zeit 20.01.99 bis 27.03.2000 (416 Tage á 38,00 EUR/Tag)

Die Generalstaatsanwaltschaft Rostock lehnte den Entschädigungsantrag der Klägerin mit Bescheid vom 07.12.2003 ab.

Die Klägerin hat behauptet, ihr Sohn M.R. habe den PKW in ihrem Auftrag erworben, so dass sie Eigentümerin geworden sei.

Erstinstanzlich hat die Klägerin die o. g. Kosten in Höhe von insgesamt 18.672,13 EUR nebst Zinsen geltend gemacht. Das beklagte Land hat Klageabweisung beantragt und das Eigentum der Klägerin bestritten. Außerdem wendet es ein, die durch die unsachgemäße Verwahrung entstandenen Schäden seien nicht nach dem StrEG entschädigungspflichtig, da sie außerhalb des normalen Laufs der Dinge lägen.

Bezüglich der weiteren Einzelheiten des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes nimmt der Senat Bezug auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils.

Das Landgericht wies nach Vernehmung des Zeugen M. R. die Klage ab. Zur Begründung führt es aus, der Klägerin sei kein Schaden entstanden, da sie nicht Eigentümerin des beschlagnahmten PKW geworden sei.

Hiergegen richtet sich die zulässige Berufung der Klägerin, mit der sie - nach teilweiser Rücknahme ihres Rechtsmittels - noch folgende Schadenspositionen geltend macht:

Sachschaden 1.732,13 EUR Sachverständigenkosten 184,43 EUR Abmeldekosten 5,62 EUR Garagenmiete 766,94 EUR Summe: 2.689,12 EUR

Zur Begründung führt sie aus, das Landgericht sei aufgrund falscher Beweiswürdigung zu dem Ergebnis gekommen, dass die Klägerin nicht Eigentümerin des beschlagnahmten PKW gewesen sei. Es sei nicht lebensfremd, dass die Klägerin als Mutter einen PKW kaufe, um ihn ihrem Sohn zur Benutzung zu überlassen, ohne ihm gleichzeitig das Eigentum zu übertragen.

Die Klägerin beantragt,

unter Abänderung des am 02.09.2004 verkündeten Urteils des Landgerichts Rostock - 4 O 91/04 - das beklagte Land zu verurteilen, an sie 2.689,12 EUR nebst Zinsen i. H. v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Antragstellung zu zahlen.

Das beklagte Land beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Es verteidigt das angefochtene Urteil unter Wiederholung und Vertiefung seines erstinstanzlichen Vortrages. Die Beweiswürdigung des Landgerichtes, wonach nicht die Klägerin, sondern deren Sohn M. R. Eigentümer des beschlagnahmten Fahrzeuges und dessen Motors gewesen sei, sei nachvollziehbar und überzeugend.

Der Senat wies die Klägerin darauf hin, dass es zweifelhaft sei, ob die Beschädigung des Fahrzeuges von der Entschädigungspflicht nach dem StrEG abgedeckt sei. Zur Eigentümerstellung der Klägerin hat der Senat Beweis durch Vernehmung des Zeugen M. R. erhoben. Zum Ergebnis der Beweisaufnahme nimmt er Bezug auf das Terminsprotokoll vom 17.10.2005.

II.

Die zulässige Berufung ist unbegründet. Die Klage hat keinen Erfolg. Der Klägerin steht kein Ersatzanspruch gem. den §§ 2, 7 StrEG oder Art. 34 GG, § 839 BGB zu. Der Senat hat zwar auf Grund der Vernehmung des Zeugen R. und weiterer unstreitiger Indizien keine Zweifel daran, dass die Klägerin Eigentümerin des beschlagnahmten PKW war, sie kann jedoch aus Rechtsgründen von dem beklagten Land keinen Ersatz fordern.

1.

Die Klägerin kann nicht Ersatz des Sachschadens i. H. v. 1.732,13 EUR verlangen.

a) Dieser Schaden ist nicht nach § 7 StrEG ersatzfähig, da er nicht durch die Strafverfolgungsmaßnahme verursacht ist. Das Fahrzeug wurde während der Beschlagnahme bei einem Privatunternehmer untergestellt und dort beschädigt. Wie der Bundesgerichtshof ausgeführt hat, gewährt das Strafrechtsentschädigungsgesetz nur einen Ausgleich für die spezifischen und typischen Folgen der entschädigungspflichtigen Strafverfolgungsmaßnahme (BGH MDR 1979, 562; OLG Hamm, MDR 1988, 414). Der nach § 7 StrEG zu ersetzende Vermögensschaden muss durch die Verurteilung oder durch den Vollzug der Maßnahme adäquat verursacht worden sein (Meyer, Strafrechtsentschädigung, 6. Aufl., Rdn. 12 zu § 7 m. w. N.). Für Schäden, die auf andere Ursachen als auf den Vollzug der Maßnahme zurückzuführen sind, auch wenn die Ursache im Zusammenhang mit der Strafverfolgung steht, gibt das StrEG keinen Ersatz, so etwa, wenn ein Untersuchungshäftling in der JVA auf einer Bananenschale ausrutscht und sich verletzt oder wenn während der Haft Gegenstände aus seiner Habe oder seinem sonstigen Vermögen abhandenkommen (Meyer, a.a.O., Rdn. 16 zu § 7). Ähnlich liegen die Dinge hier. Die Beschlagnahme besteht darin, dass die tatsächliche Verfügungsgewalt des Gewahrsamsinhabers über Beweis-, Verfalls- und Einziehungsgegenstände entzogen oder beschränkt wird und diese Gegenstände in amtliche Verwahrung genommen oder sonst sichergestellt werden. Nur soweit die typischen Folgen dieser Beschlagnahmewirkungen reichen, greift die Entschädigungsvorschrift des § 2 Nr. 4 StrEG ein (BGH MDR 1979, 562). Der Schaden trat nicht - wie möglicherweise in einem vom Landgericht Flensburg entschiedenen Fall - durch die Beschlagnahme oder deren lange Dauer ein (LG Flensburg, Urteil vom 27.02.2004, JurBüro 2004, 455 [Entwertung durch lange Standzeit eines PKW]). Vielmehr wurde das Fahrzeug durch das pflichtwidrige Verhalten eines Dritten beschädigt. Dies lag außerhalb des normalen Laufs der Dinge und war somit nicht durch die Beschlagnahme verursacht.

b) Ein Anspruch aus Amtspflichtverletzung gem. Art. 34 GG, § 893 BGB besteht nicht, da die Klägerin nicht dargetan hat, dass sie nicht auf andere Weise Ersatz zu erlangen vermag (§ 839 Abs. 1 S. 2 BGB). Insoweit obliegt ihr die Darlegungs- und Beweislast (Palandt/Sprau, BGB, 64. Aufl., Rdn. 62 zu § 839). Von einer vorsätzlichen Schädigung durch Beamte des Landes ist nicht auszugehen. Das Abstellen eines Kraftfahrzeugs im Freien ist grundsätzlich nicht unsachgemäß. Die Staatsanwaltschaft nahm zudem die Beschädigung des Fahrzeugs nicht billigend in Kauf, denn nach einem Anruf des Sohnes der Klägerin bat die Staatsanwältin die Polizeibehörde, den Wagen sachgemäß zu verwahren; von Lackschäden war im Übrigen nicht die Rede.

Die Klägerin hat ggf. Schadensersatzansprüche aus dem mit der Firma G. geschlossenen Verwahrungsvertrag, dieser ist als Vertrag mit Schutzwirkung zu Gunsten Dritter, hier der Eigentümerin einzuordnen (dazu Palandt/Heinrichs, BGB, 64. Aufl., Rdn. 13 ff. zu § 328). Auch kommen Schadensersatzansprüche gegen den Verwahrer wegen unerlaubter Handlung gem. §§ 823 Abs. 1, 831 BGB in Betracht.

2.

Da die Klägerin Schadensersatz für die Beschädigung des Fahrzeuges nicht verlangen kann, sind auch die zur Schadensfeststellung erforderlichen Sachverständigenkosten nicht zu ersetzen. Nur der Schädiger hat die Kosten von Sachverständigengutachten zu erstatten, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig sind (vgl. dazu Palandt/Heinrichs, BGB, 64. Aufl., Rn 40 zu § 249). Dies ist bei dem beklagten Land nicht der Fall.

3.

Ersatz der Garagenmiete i. H. v. 766,94 EUR kann die Klägerin nicht fordern.

a) Für die Zeit nach der Freigabe des Motors aus der Beschlagnahme am 12.10.2000 kann die Klägerin die Miete nicht mehr verlangen, da nach ihrem eigenen Vortrag die Unterstellung in einer Garage nur wegen des fehlenden Motors erforderlich war.

b) Die übrigen Mieten sind nicht gem. § 7 StrEG erstattungsfähig, da sie nicht durch die Beschlagnahme des Motors adäquat verursacht wurden. Auf eine besondere Sicherung des Fahrzeugs in einer Garage hatte die Klägerin keinen Anspruch. Die Unterstellung des PKW in einer Garage war nicht erforderlich, um mögliche Schäden abzuwenden, die durch die fortdauernde Beschlagnahme des Motors drohten. Der PKW konnte nach Beendigung der Beschlagnahme bedenkenlos im Freien abgestellt werden, da er wegen des fehlenden Motors nicht fahrbereit war und deshalb ein geringes Diebstahlrisiko als bei einem fahrbereiten Wagen bestand.

c) Die Klägerin hat auch nicht dargetan, dass ihr insoweit ein eigener Vermögensschaden entstanden ist. Ihr Sohn, nicht sie selbst, mietete die Garagen an. Nur er war daher vertraglich zur Mietzahlung verpflichtet. Eine vertragliche oder gesetzliche Verpflichtung der Klägerin zur Erstattung der Garagenmiete an den Sohn ist nicht ersichtlich. Der Zeuge R. bekundete vor dem Senat, dass seine Eltern gegenüber ihren Kindern zwar großzügig seien, insbesondere ihrem Sohn kostenlos die Nutzung des PKW überließen. Sie würden jedoch nicht sämtliche Aufwendungen zur Nutzung des Fahrzeuges übernehmen, insbesondere habe er - so seine Bekundung - die laufenden Benzinkosten mindestens teilweise selbst zu tragen. Dass die Klägerin die Miete tatsächlich zahlte, ist im Übrigen bestritten, sie trug erstinstanzlich lediglich vor, sie habe den für die Anmietung vereinbarten Mietzins entrichten müssen, nicht ob und wann sie an wen zahlte.

4.

Die Abmeldekosten liegen unter der Geringfügigkeitsgrenze des § 7 Abs. 2 StrEG und sind somit nicht erstattungsfähig.

III.

Die Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 97 Abs. 1, 516 Abs. 2, 708 Nr. 10, 711 S.1 ZPO.

Die Revision war gem. § 543 Abs. 2, S. 1 Nr. 2 ZPO zuzulassen zur Klärung der höchstrichterlich bislang nicht entschiedenen Frage, ob der infolge unsachgemäßer Verwahrung der beschlagnahmten Sache entstehende Sachschaden gem. § 7 Abs. 1 StrEG erstattungsfähig ist.

Ende der Entscheidung

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