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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Rostock
Urteil verkündet am 26.02.2009
Aktenzeichen: 3 U 22/08
Rechtsgebiete: ZPO, AGBG, BGB, ErbbauRVO


Vorschriften:

ZPO § 286 Abs. 1 S. 2
ZPO § 304 Abs. 1
ZPO § 543 Abs. 2
AGBG § 1 a.F.
AGBG § 5 a. F.
BGB § 133
BGB § 157
BGB § 254
BGB § 325
BGB § 326 a. F.
ErbbauRVO § 10 Abs. 1 a.F.
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Oberlandesgericht Rostock IM NAMEN DES VOLKES TEIL- und GRUNDURTEIL

3 U 22/08

Verkündet am: 26.02.2009

In dem Rechtsstreit

hat der 3. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Rostock aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 04.12.2008

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Landgerichts Rostock vom 03.11.2006 abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Unter Zurückweisung der mit der Berufung weiter verfolgten Klageanträge zu 1. und 2. wird die Klage hinsichtlich des hilfsweise geltend gemachten Antrages zu 3. dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt.

Gründe:

I.

Mit notariellem Vertrag vom 13.12.1996 verpflichtete sich die Beklagte, zugunsten der Klägerin an einer noch zu vermessenen Teilfläche der Flurstücke 193/3 und 195/6 ein Erbbaurecht zu bestellen. Weil das Grundstück der Restitution zugunsten Herrn O. H. (im Folgenden "Berechtigter" genannt) unterfiel, scheiterte die Durchführung des Vertrages. Die Klägerin begehrt deshalb Schadensersatz von der Beklagten.

Am 14.11.1990 erging ein Vermögenszuordnungsbescheid zugunsten der beklagten Stadt. Deren Eintragung im Grundbuch als Eigentümerin erfolgte am 22.02.1991. Mit Bescheid vom 25.05.1993 wurde der Restitutionsantrag des Berechtigten abgelehnt. Der Widerspruch hiergegen wurde unter dem 03.11.1995 zurückgewiesen. Der Widerspruchsbescheid ging der beklagten Stadt am 15.11.1995 zu. Vom 13.12.1996 datiert der streitgegenständliche Vertrag. Die Klägerin übersandte dem Landkreis den Bauantrag am 23.12.1996. Hiervon erhielt die beklagte Stadt am 06.01.1997 Kenntnis. Am 07.02.1997 beantragte der Streithelfer die GVO-Genehmigung. Unter dem 27.06.1997 schrieb er an die Parteien, dass das Flurstück 195/6 mit einer Klage beim Verwaltungsgericht belastet sei. Dieses Schreiben ist unstreitig Herrn B. B. zugegangen, dass das Schreiben auch der Klägerin damit zugegangen sei, stellt diese in Abrede. Unter dem 11.08.1997 schrieb der Streithelfer an die beklagte Stadt u. a. Folgendes:

"... komme ich zurück auf mein Schreiben vom 27.06.1997. Darin hatte ich Ihnen u. a. mitgeteilt, dass das Flurstück 195/6 mit einer Klage bei dem Verwaltungsgericht Schwerin belastet ist.

Um eine Beschleunigung der Sache herbeizuführen, könnten Sie selbst mit dem Landkreis Bad D. (...) oder mit dem zuständigen Amt zur Regelung offener Vermögensfragen Kontakt aufnehmen. ..."

Mit Schreiben vom 23.03.1998 übersandte der Streithelfer die Genehmigung nach § 57 der Kommunalverfassung an das zuständige Grundbuchamt. Unter dem 18.11.1998 teilt er diesem mit, dass die Eintragungshindernisse seit Anfang des Jahres behoben seien und bat um schnellstmögliche Eintragung; dieses Schreiben konnte das Grundbuchamt nicht zuordnen und es ging an den Streithelfer zurück.

Unter dem "14.02.1999" schrieb das Amt zur Regelung offener Vermögensfragen an die beklagte Stadt:

"... Anliegend übersende ich Ihnen das Schreiben des Verwaltungsgerichts Schwerin in Kopie und bitte mir mitzuteilen, wie die Flurstücke 195/15; 195/16; 195/17 und 260/1 heute genutzt werden und ob ggfs. ein Vergleich mit den Klägern denkbar wäre. ..."

Das in Bezug genommene Schreiben des Verwaltungsgerichts Schwerin war an die Prozessbevollmächtigten des Berechtigten adressiert; das Verwaltungsgericht teilte u.a. mit, dass das Verfahren seit über drei Jahren nicht betrieben worden sei.

Am 10.05.1999 wurde das Erbbaurecht auf abgeschriebenen Flächen (Flurstück 195/17: 14.434 m², Flurstück 193/12: 8.753 m²) eingetragen. Die entsprechende Mitteilung an den Streithelfer datiert vom 17.05.1999.

Im Rahmen des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens nahmen der Berechtigte und die beklagte Stadt Vergleichsgespräche auf. Auf einen Vergleichsvorschlag der beklagten Stadt vom 24.08.2000 unterbreitete der Berechtigte mit Schreiben vom 24.10.2000 einen eigenen Vergleichsvorschlag. Diesen lehnte die beklagte Stadt unter dem 14.11.2000 ab und bat das Verwaltungsgericht um Fortgang des Verfahrens. Mit Urteil vom 21.03.2001 ordnete das Verwaltungsgericht Schwerin (Az.: 3 A 1841/95) die Rückübertragung an; das Urteil ist rechtskräftig seit dem 14.08.2001. Am 15.08.2001 wurde ein Widerspruch zugunsten des Berechtigten in das Grundbuch eingetragen. Unter dem 10.01.2002 forderte die Klägerin die beklagte Stadt auf, bis zum 31.03.2002 für die dauerhafte Eintragung ihres Erbbaurechts zu sorgen.

Das Landgericht hat die beklagte Stadt verurteilt, an die Klägerin 199.785,44 EUR nebst Zinsen zu zahlen und die Klage im Übrigen abgewiesen. Es hat die Auffassung vertreten, der Klägerin stehe nur ein Anspruch in Höhe des negativen Interesses zu. Ferner sei bei den geltend gemachten Schadenspositionen anspruchsmindernd bzw. anspruchsausschließend zu berücksichtigen, das der Streithelfer auch die Klägerin mit Schreiben vom 27.06.1997 über den Rechtsstreit vor dem Verwaltungsgericht Schwerin informiert habe. Wegen der Einzelheiten wird auf die Gründe des angefochtenen Urteils Bezug genommen.

Mit ihrer hiergegen gerichteten Berufung verfolgt die Klägerin in erster Linie ihren vermeintlichen Schadensersatzanspruch i. H. v. 6 Mio. EUR wegen Nichterfüllung des Vertrages weiter. Die Klägerin ist der Auffassung, ihr stehe ein Anspruch in Höhe des positiven Interesses gegen die beklagte Stadt zu und beziffert den ihr entstandenen Erfüllungsschaden zweitinstanzlich noch auf 6 Mio. EUR. Der Anspruch ergebe sich aus einer Garantiehaftung der beklagten Stadt im Hinblick auf die in § 4 Abs. 1 des Vertrages enthaltene Regelung.

Die Klägerin ist der Auffassung, dass ihr ein Schaden i. H. v. 6 Mio. EUR bereits jetzt entstanden sei. Im Hinblick auf vom Landgericht geäußerte Bedenken dahingehend, dass es sich um einen zumindest teilweise zukünftig eintretenden Schaden handeln könnte, stellt die Klägerin hilfsweise einen auf Ersatz des Erfüllungsschadens gerichteten Feststellungsantrag.

Als weiteren Hilfsantrag macht die Klägerin einen Anspruch auf Ersatz des negativen Interesses geltend .

Die Klägerin vertritt die Auffassung, das Landgericht habe seine Hinweispflichten verletzt und eine im Widerspruch zu den noch in der mündlichen Verhandlung vom 07.04.2006 geäußerten vorläufigen Rechtsauffassung stehende Überraschungsentscheidung getroffen. Insbesondere sei über das negative Interesse sowohl dem Grunde als auch der Höhe nach überhaupt nicht verhandelt worden. Die Klägerin ist der Auffassung, dass das Urteil aus diesem Grunde auch gegen Artikel 103 Abs. 1 GG verstoße. Darüber hinaus liege mangels ausreichender Darlegung der Gründe für die richterliche Überzeugungsbildung auch ein Verstoß gegen § 286 Abs. 1 S. 2 ZPO vor.

Ein Anspruch auf das positive Interesse habe das Landgericht mit rechtlich unzutreffenden Erwägungen abgelehnt. Das Landgericht habe insbesondere die rechtlichen Maßstäbe für die Annahme eines selbstständigen Garantieversprechens verkannt. Der diesbezügliche Vortrag der Klägerin sei auch in der Beweisaufnahme bestätigt worden.

Die Klägerin ist ferner der Auffassung, dass selbst bei einem offen gebliebenen Beweisergebnis keine Entscheidung zu ihren Lasten hätte getroffen werden dürfen. Die in § 4 des streitgegenständlichen Vertrages verwandte Formulierung begründe nach ihrem objektiven Erklärungsgehalt eine umfassende Einstandspflicht. Der Klägerin komme deshalb die Vermutung der Vollständigkeit und Richtigkeit der Urkunde zugute. Darüber hinaus ist die Klägerin der Auffassung, dass nach der Unklarheitenregel des § 5 AGBG a. F. etwaige Auslegungszweifel ohnehin zu Lasten der beklagten Stadt gehen müssten. Die Klägerin mache sich das Vorbringen der beklagten Stadt zum Vorliegen eines Formularvertrages zu eigen. Die beklagte Stadt habe jedenfalls die ihr kraft Gesetzes obliegende Pflicht, alles ihr Mögliche und Zumutbare für die Durchführung des Vertrages zu tun, verletzt und hafte deshalb aus positiver Forderungsverletzung auf das volle Erfüllungsinteresse.

Aber selbst wenn man mit dem Landgericht davon ausginge, der Klägerin stehe nur ein Anspruch wegen Verschuldens bei Vertragsschluss auf den Vertrauensschaden zu, seien die Ausführungen des Landgerichts weder zum Anspruchsgrund noch zur Höhe des Anspruchs zutreffend. Dem Grunde nach bestehe der Anspruch, weil die beklagte Stadt nach § 4 Abs. 1 des Vertrages das Risiko der Erteilung der GVO-Genehmigung übernommen habe. Darüber hinaus hätte die Beklagte nach Auffassung der Klägerin weitere zumutbare Schritte unternehmen können, um eine Wirksamkeit des Vertrages herbeizuführen, nämlich insbesondere einen Investitionsvorrangbescheid beantragen können.

Erst recht unzutreffend seien die Ausführungen des Landgerichts zur Anspruchshöhe. Ein Mitverschulden der Klägerin gem. § 254 BGB komme nicht - schon gar in anspruchsausschließendem Umfange - in Betracht. Das Landgericht habe in den Entscheidungsgründen die Frage nicht behandelt, ob das Schreiben des Streithelfers vom 27.06.1997 der Klägerin überhaupt wirksam zugegangen sei. Soweit der Urteilstatbestand den Eindruck vermittle, als sei das Schreiben an den Zeugen B. als damaligen Geschäftsführer der Klägerin gerichtet gewesen, sei dies nicht der Fall. Die Rechtsanwälte B. & Partner hätten die Klägerin zum damaligen Zeitpunkt auch nicht vertreten. Zu den Einzelpositionen vertritt die Klägerin die Auffassung, ihr stünden entgegen der Auffassung des Landgerichts weitergehende Ansprüche zu.

Die Klägerin beantragt, das Urteil des Landgerichts abzuändern und

1. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 6 Mio. EUR nebst Zinsen i. H. v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz p. a. seit dem 07.08.2002 zu zahlen,

hilfsweise für den Fall, dass dem Antrag zu 1. nicht stattgegeben wird,

2. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin sämtliche materielle Schäden bis zu einem Höchstbetrag von 6 Mio. EUR, die durch die nicht rechtsbeständige Eintragung des Erbbaurechts entsprechend des Erbbaurechtsvertrages vom 13.12.1996 des Notars Dr. Engelhardt ab dem Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung künftig entstehen, zu ersetzen,

hilfsweise für den Fall, dass auch dem Antrag zu 2. nicht stattgegeben wird,

3. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin weitere 3.965.129,39 EUR nebst Zinsen i. H. v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz p. a. seit dem 07.08.2002 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung der Klägerin zurückzuweisen.

Sie hält die Berufung der Klägerin bereits für unzulässig, weil die Berufungsbegründung nicht in zulässiger Weise eine Rechtsverletzung darlege noch zu berücksichtigende Tatsachen aufzeige, die eine andere als die Entscheidung des Landgerichts rechtfertigen würden. Im Übrigen verteidigt die Beklagte das angefochtene Urteil mit Sach- und Rechtsausführungen.

II.

Die zulässige Berufung der Klägerin ist unbegründet und unterliegt der Zurückweisung, soweit sie Ersatz ihres positiven Interesses geltend macht (vgl. 1. - 3.). Im Übrigen ist ihre Klage dem Grunde nach gerechtfertigt; hierüber ist durch Grundurteil zu entscheiden (vgl. 4.).

1.

Der Klägerin steht kein Anspruch auf Schadensersatz aus §§ 325, 326 BGB a. F. wegen Nichterfüllung eines Garantieversprechens zu. Der Senat misst § 4 Abs. 1 des streitgegenständlichen Vertrages nicht die Bedeutung eines selbständigen Garantieversprechens bei, aufgrund dessen die Klägerin des Ersatz des positiven Erfüllungsinteresses verlangen könnte.

a.

Allerdings schließen die Genehmigungsbedürftigkeit eines Kaufvertrages und der mit ihr bis zur Erteilung oder Versagung der Genehmigung verbundene Schwebezustand grundsätzlich nicht aus, dass die Vertragsparteien für die Dauer des Schwebezustandes Leistungspflichten vereinbaren. Unter anderen können sie verabreden, dass der Kaufpreis schon vor Erteilung der erforderlichen Genehmigung zu hinterlegen und/oder zu verzinsen ist, weil hierdurch die endgültige Erfüllung der Pflicht zur Grundstücksübertragung und zur Zahlung des Kaufpreises nicht vorweggenommen wird (vgl. u. a. BGH, Urt. v. 20.11.1998, V ZR 17/98, NJW 1999, 1329, 1330). Ob ausgehend von dieser Rechtsprechung auch die Vereinbarung einer unbedingten Erfüllungsgarantie unabhängig vom späteren Wirksamwerden des Vertrages zulässig ist oder ob dem das Genehmigungserfordernis nach der GVO zuwider liefe (vgl. hierzu ausführlich Koppenberg, WM 2001, S. 844, 846 m. w. N.), bedarf keiner Entscheidung.

b.

Denn nach der durchgeführten Beweisaufnahme lässt sich nicht mit der gebotenen Sicherheit feststellen, dass die Parteien § 4 Abs. 1 im Sinne eines solchen Garantieversprechens verstanden haben.

1)

Die Auslegung der Vertragsklausel bestimmt sich nicht nach den für allgemeine Geschäftsbedingungen entwickelten Auslegungsgrundsätzen. Denn bei § 4 Abs. 1 handelt es sich nicht um eine allgemeine Geschäftsbedingung gem. § 1 AGBG a.F. Eine Vertragsklausel kann nur als allgemeine Geschäftsbedingung qualifiziert werden, wenn sie die eine Vertragspartei als Verwenderin der anderen Vertragspartei als Kundin bei Abschluss des Vertrages "gestellt" hat, wenn sie also der Vertragsgestaltungsmacht der Verwenderin zuzurechnen ist. Die Verwenderin muss die Vertragsklausel der Kundin einseitig auferlegt haben, indem sie unter Ausschluss des Kunden einseitig rechtsgeschäftliche Gestaltungsmacht in Anspruch genommen hat (st. Rspr.; vgl. u.a. BGH, Urt. v. 24.05.1995, XII ZR 172/94, BGHZ 130, 57; OLG Hamm, Urt. v. 21.01.1999, 18 U 142/98, NJW-RR 1999, 999).

Nach dem Vortrag der Klägerin, der sich im Rahmen der Beweisaufnahme bestätigt hat, "hat die Beklagte § 4 Abs. 1 nicht gem. § 1 AGBGB a. F. gestellt". Die Klägerin hat vorgetragen, sie habe bei den Vertragsverhandlungen auf ihre großen Investitionsrisiken und auf die Notwendigkeit ihrer Absicherung hingewiesen. Es habe Konsens bestanden, dass die Klägerin eine zügige Bereitstellung der Investitionen nur auf gesichertem rechtlichen Fundament verwirklichen könne. Als der Klägerin dann der Entwurf mit der hier in Rede stehenden Gewährleistungsklausel zugegangen sei, sei sie selbstverständlich und von ihrem Empfängerhorizont auch zutreffend davon ausgegangen, dass damit genau dieser Interessenlage Rechnung getragen werden solle. Ausgehend von diesem Vortrag hat nicht die beklagte Stadt einseitig § 4 Abs. 1 in den Vertrag eingeführt, sondern haben vielmehr beide Vertragsparteien - wenn nicht die Klägerin allein - § 4 Abs. 1 zum Gegenstand der Vertragsverhandlungen gemacht. Soweit in den Ausführungen der Parteien eine andere rechtliche Bewertung zum Ausdruck kommt, bindet dies den Senat nicht. Damit muss der Senat die allgemeinen Auslegungsgrundsätze heranziehen.

Nach §§ 133, 157 BGB ist bei der Auslegung von Willenserklärungen und Verträgen der wirkliche Wille der Erklärenden zu erforschen. Dabei ist vom Wortlaut der Erklärung auszugehen. In einem zweiten Auslegungsschritt sind sodann die außerhalb des Erklärungsaktes liegenden Begleitumstände in die Auslegung einzubeziehen, soweit sie einen Schluß auf den Sinngehalt der Erklärung zulassen. Für die Auslegung sind nur solche Umstände heranzuziehen, die dem Erklärungsempfänger bekannt oder erkennbar waren (vgl. BGH, Urt. v. 05.10.2006, III ZR 166/05, BGHR 2006, 1509).Von überragender Bedeutung sind der mit der Absprache verfolgte Zweck und die Interessenlage der Parteien (BGH, Urt. v. 13.03.2003, IX ZR 199/00, NJW 2003, 2235, 2236; Urt. v. 09.05.2003, V ZR 240/02, NJW-RR 2003, 1053, 1054). Ein von dem objektiven Erklärungsinhalt einer Formulierung übereinstimmend abweichendes Verständnis der Vertragsparteien nach §§ 133 , 157 BGB geht dem objektiven Erklärungsinhalt vor. Dazu reicht es aus, wenn die eine Vertragspartei ihrer Erklärung einen von dem objektiven Erklärungsinhalt abweichenden Inhalt beimisst und die andere dies erkennt und hinnimmt (BGH, Urt. v. 19.05.2006, V ZR 264/05, BGHR 2006, 1141, 1142 m.w.N.). Die Auslegungsalternativen sind herauszuarbeiten. Im Anschluss bedarf es einer Auseinandersetzung, für welche der denkbaren Alternativen die besseren Gründe sprechen (BGH, Urt. v. 04.11.1999, III ZR 223/98, MDR 2000, 203).

2)

Der Wortlaut von § 4 Abs. 1 spricht allerdings dafür, dass die beklagte Stadt für die rechtsbeständige Erbbaurechtsverschaffung hat einstehen wollen. Die Wortwahl "Gewährleistung" erachtet der Senat insoweit für eindeutig. Dass sich diese Gewährleistung nur für den Fall der Erteilung der GVO-Genehmigung und des Wirksamwerdens des Vertrages auswirken sollte, findet keinen Anklang in § 4 Abs. 1 oder auch im vertraglichen Kontext, in dem § 4 Abs. 1 steht. In § 4 Abs. 3 ist davon die Rede, dass "im Übrigen" eine Gewährleistung für Rechts- und Sachmängel nicht übernommen werde.

Auch § 19 (3 c) des Vertrages kann Gegenteiliges nicht entnommen werden. Dort wird nur auf eine schwebende Unwirksamkeit aus anderen Gründen hingewiesen. Eine Aussagekraft zur schwebenden Unwirksamkeit infolge Fehlens der GVO-Genehmigung und zum Verständnis von § 4 Abs. 1 erschließt sich nicht.

Keine Auslegungsrelevanz hat für den Senat der Umstand, dass die Erteilung der GVO-Genehmigung und damit das Wirksamwerden des Vertrages nicht im Einflussbereich der beklagten Stadt gelegen hat. Zu Recht weist die Klägerin darauf hin, dass sich ein Vertragsteil auch und gerade für den Eintritt eines Umstandes starksagen kann, der nicht ihrem Einflussbereich unterliegt.

Entsprechendes gilt für die Argumentation der beklagten Stadt, § 4 Abs. 1 entspreche Formulierungsvorschlägen aus einschlägigen Formularbüchern und erkläre sich mit dem Erfordernis gem. § 10 Abs. 1 ErbbauRVO a.F., wonach vorgeschrieben gewesen sei, dass das Erbbaurecht nur und ausschließlich an erster Rangstelle bestellt werden kann. Die gewählte Formulierung weicht in einem Maße von den üblichen und in Formularbüchern vorgeschlagenen Standardformulierungen ab (z.B. "Der Eigentümer garantiert ferner, dass das vereinbarte Erbbaurecht an erster Rangstelle im Grundbuch eingetragen wird." bzw "Der Grundstückseigentümer haftet dafür, dass das Erbbaurecht die erste Rangstelle erhält."), dass der Erklärungsversuch nicht überzeugend oder gar zwingend ist. Soweit der Zeuge B. bekundet hat, es handele sich um eine für Gesellschaftsverträge typische Garantieklausel, braucht der Senat nicht darüber zu befinden, ob dies zutrifft. Da es vorliegend um einen Erbbaurechtskaufvertrag geht, hat die beklagte Stadt die Klausel nicht gesellschaftsvertraglich interpretieren müssen. Es hätte eines ausdrücklichen Hinweises der Klägerin auf die Besonderheit der Klausel bedurft, der nicht ersichtlich ist.

Ein vom Vertrag im Übrigen selbständiges Garantieversprechen lässt sich jedoch vor dem Hintergrund der vom Zeugen B. gegenüber seinem Verhandlungspartner der beklagten Stadt, dem Bürgermeister H., zum Ausdruck gekommenen Sicherungsinteresse nicht bejahen. Der Zeuge hat durchaus glaubhaft bekundet, dass es für ihn um ein erhebliches Investitionsvolumen gegangen sei, für das er einer Absicherung bedurft habe. Deshalb sei für ihn die bestandskräftige Eintragung des Erbbaurechts essenziell gewesen. Der Bürgermeister H. hat das so verstehen dürfen und müssen, dass dem Zeugen daran gelegen gewesen ist, bei Scheitern des Vertrages etwa infolge einer Verweigerung der GVO-Genehmigung, den Verlust durch bereits getätigte und sich nicht rentierende Investitionen nicht tragen zu müssen. Nicht hingegen hat der Zeuge H. das bekundete Interesse des Zeugen B. dahin verstehen können, die beklagte Stadt wolle für das Erfüllungsinteresse einstehen. Für ein gegenteiliges Verständnis mag zwar ins Feld zu führen sein, der Zeuge H. sei sicher davon ausgegangen, für die Eintragung des Erbbaurechts ggfs. durch ein Investitionsvorrangverfahren sorgen zu können. Indes wäre eine solche Garantie derart ungewöhnlich und für die beklagte Stadt interessenwidrig gewesen, dass sich ein solches Verständnis der Klausel verbietet. Die beklagte Stadt hätte bei Wirksamwerden des Garantieversprechens letztlich für den fiktiven Gewinn des geplanten Hotelbetriebes für Jahrzehnte einstehen müssen. Für eine solch außergewöhnliche Haftungszusage, die im für die beklagte Stadt ersichtlichen Interesse der Klägerin auch nicht notwendig gewesen ist, hätte es eines eindeutigeren Zugeständnisses der beklagten Stadt und ihres Verhandlungsführers bedurft, von dem der Zeuge B. indes nichts hat berichten können. Soweit der Zeuge H. gesagt haben soll, "das gehe klar, dafür stehe er ein", vermag der Senat dem keine eigenständige, im Sinne eines solchen Garantieversprechens rechtlich relevante Bedeutung beizumessen; es handelt sich vielmehr um Äußerungen einer anpreisenden bzw. beruhigenden Art, dem kein weiterer Regelungsgehalt beigemessen werden kann.

3)

Die Frage, ob ein Garantieversprechen in dem von der Klägerin geltend gemachten Sinne wegen Verstoßes gegen die guten Sitten oder gegen die Grundsätze der GVO verstieße, kann dahinstehen.

2.

Der beklagten Stadt kann auch keine positive Forderungsverletzung vorgeworfen werden, die die Klägerin berechtigen könnte, Schadensersatz wegen Nichterfüllung zu verlangen.

a.

Solange eine erforderliche GVO-Genehmigung nicht erteilt ist, befindet sich der genehmigungspflichtige Vertrag im Stadium der schwebenden Unwirksamkeit. Schon während der Schwebezeit entfaltet der Vertrag Vorwirkungen. Die Vertragsparteien können sich nicht einseitig vom schwebend unwirksamen Vertrag lösen und sie sind einander verpflichtet, dass Ihrige zur Herbeiführung der Wirksamkeit des Vertrages zu tun (vgl. u. a. BGH, Urt. v. 04.06.1954, V ZR 18/53, BGHZ 14, 1; Urt. v. 15.05.1998, V ZR 89/97, WM 1998, 1405, 1407). Verletzt eine Partei diese Pflicht schuldhaft, haftet sie aus dem Gesichtspunkt des Verschuldens bei Vertragsschluss (vgl. BGH, Urt. v. 10.06.1999, IX ZR 409/97, BGHZ 142, 51, 60). Zu ersetzen ist der Vertrauensschaden, der nur ausnahmsweise dem Erfüllungsschaden gleichkommen kann. Die gegenteilige Entscheidung des OLG Hamburg (Urt. v. 05.01.1972, 5 U 40/71, MDR 1972, 947, 948) ist zu Recht vereinzelt geblieben, weil sie dem Charakter der schwebenden Unwirksamkeit nicht gerecht wird.

b.

Nach diesen Grundsätzen kann das von der Klägerin geltend gemachte Fehlverhalten der beklagten Stadt (grundloser Abbruch der Ankaufsverhandlungen mit dem Restitutionsberechtigten, Versäumnis eines Investitionsvorrangverfahrens oder eines Umlegungsverfahrens) nicht als positive Forderungsverletzung qualifiziert werden, die einen Schadensersatz wegen Nichterfüllung bedingen kann.

3.

Die Klägerin kann schließlich den Ersatz ihres enttäuschten positiven Interesses nicht aus den Grundsätzen vorvertraglichen Verschuldens herleiten. Dabei kann der Senat die Frage dahinstehen lassen, ob die beklagte Stadt verpflichtet gewesen ist, alles zu unternehmen, um der Klägerin ggfs. auf andere Art und Weise als durch Erfüllung des streitgegenständlichen Kaufvertrages (etwa durch Ankauf des restitutionsbelasteten Grundstücks, Durchführung eines Investitionsvorrangverfahrens bzw. eines Umlegungsverfahrens) das Erbbaurecht zu verschaffen, und ob die beklagte Stadt diese Pflicht vorwerfbar verletzt hat. Ein unterstelltes vorvertragliches Verschulden in diesem Sinne rechtfertigt nicht die Verpflichtung der beklagten Stadt, die Klägerin so zu stellen, wie sie im Falle eines Wirksamwerdens des Kaufvertrages stehen würde. Die dargestellte interessengerechte Auslegung des Vertrages ergibt, dass die beklagte Stadt wohl für die Fehlinvestitionen der Klägerin hat aufkommen sollen, die sie nach Vertragsabschluss im berechtigten Vertrauen auf die Erlangung des Erbbaurechts getätigt hat, nicht aber für einen entgangenen, in keiner Weise kalkulierbaren Gewinn des geplantes Hotelbetriebes.

4.

Die Klage ist dem Grunde nach begründet, soweit die Klägerin Ersatz ihrer nach Vertragsabschluss getätigten Investitionen verlangt.

Der Senat geht - wie dargetan - nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme davon aus, dass die in § 4 Abs. 1 des Vertrages enthaltene Regelung eigenständige Bedeutung insofern haben sollte, als die Klägerin auf bestandskräftige Eintragung des Erbbaurechts hat vertrauen dürfen. Die Bedeutung der Klausel geht über eine ohnehin bestehende Haftung aus vorvertraglichem Verschulden - wie vom Landgericht festgestellt und von der beklagten Stadt hingenommen - insofern hinaus, als sie eine eigenständige vom Verschulden unabhängige Haftung der Beklagten für die bestandskräftige Eintragung des Erbbaurechts begründet. Dadurch wird allerdings die Berücksichtigung eines Mitverschuldens der Klägerin nicht ausgeschlossen; die verschuldensunabhängige Einstandspflicht der Beklagten ist jedoch bei der Abwägung gem. § 254 BGB zu ihrem Nachteil zu berücksichtigen.

Ausgehend hiervon besteht - in Übereinstimmung mit dem Landgericht - kein Anspruch auf Ersatz des Vertrauensschadens, soweit es sich um vor Vertragsschluss veranlasste Aufwendungen handelt. Denn diese Aufwendungen hat die Klägerin jedenfalls nicht im Vertrauen auf die in § 4 Abs. 1 des Vertrages enthaltene Regelung getätigt. Selbst wenn man zugunsten der Klägerin unterstellen wollte, dass aufgrund vorliegender Vertragsentwürfe ein Vertrauen auf das Zustandekommen des Vertrages mit diesem Inhalt geweckt worden ist, käme eine Haftung jedenfalls deshalb nicht in Betracht, weil es sich um einen formbedürftigen Vertrag gehandelt hat. In einem solchen Fall ist eine Haftung für vor Vertragsschluss entstandene Vertrauensschäden nur unter ganz engen Voraussetzungen denkbar, weil anderenfalls ein mittelbarer Zwang zum Vertragsschluss bestünde, was dem Schutzzweck der Formvorschrift zuwiderliefe. Der insoweit grundsätzlich erforderliche vorsätzliche Treue- und Pflichtenverstoß (vgl. Palandt-Grüneberg, BGB, 68. Aufl., § 311 Rn. 31 m.w.N.) ist weder dargetan noch sonst ersichtlich.

Hingegen besteht ein Anspruch der Klägerin auf Ersatz des Vertrauensschadens jedenfalls hinsichtlich solcher Investitionen, die die Klägerin im Zeitpunkt nach dem Vertragsschluss und vor endgültiger Kenntnis vom Scheitern des Vertrages getätigt hat. Da die Sache insoweit zur Anspruchshöhe noch nicht entscheidungsreif ist, hat der Senat von der Möglichkeit des § 304 Abs. 1 ZPO Gebrauch gemacht.

Eine Entscheidung über die Kosten und die Vollstreckbarkeit ist nicht zu treffen.

Die Revision wird nicht zugelassen, weil die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO nicht erfüllt sind.

Ende der Entscheidung

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