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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Rostock
Urteil verkündet am 26.06.2006
Aktenzeichen: 3 U 237/03
Rechtsgebiete: BGB, InsO, HGB


Vorschriften:

BGB a.F. § 326
BGB a.F. § 326 Abs. 1
BGB a.F. § 271 Abs. 1
BGB a.F. § 266
BGB a.F. § 297
BGB a.F. § 291
InsO § 103
HGB § 352
HGB § 354
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Oberlandesgericht Rostock

URTEIL

IM NAMEN DES VOLKES

3 U 237/03

Verkündet am: 26.06.2006

In dem Rechtsstreit

hat der 3. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Rostock durch

den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht E., die Richterin am Oberlandesgericht B. und den Richter am Oberlandesgericht B.

aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 12.06.2006

für Recht erkannt:

Tenor:

I. Auf die Berufung des Klägers wird - unter Zurückweisung seines weitergehenden Rechtsmittels - das Urteil des Landgerichts Schwerin vom 28.08.2003 abgeändert und wie folgt gefasst:

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 16.121,69 € nebst 5% Zinsen auf 15.952,31 € für die Zeit vom 13.04.2000 bis 28.02.2001, auf 16.079,27 € für die Zeit vom 01.03.2001 bis 14.08.2002 sowie auf 16.121,69 € seit dem 15.08.2002 zu zahlen.

Die weitergehende Klage wird abgewiesen.

II. Die Kosten des Rechtsstreits werden gegeneinander aufgehoben.

III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages abwenden, sofern nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

IV. Die Revision der Beklagten wird zugelassen.

V. Der Wert des Berufungsverfahrens beträgt 33.294,44 €.

Gründe:

I.

Der Kläger nimmt die Beklagte auf Schadensersatz wegen Nichterfüllung sowie auf Zahlung von Lagerkosten in Anspruch.

Am 12.11.1999 bestellte die Beklagte bei der Insolvenzschuldnerin, der Firma H. GmbH (im weiteren: Schuldnerin), 300 Sommer- und 300 Winterjacken, 8.100 Baseballkappen, 4.000 Regenmäntel und 500 Arbeitsanzüge (Overalls) mit aufgedruckten bzw. gestickten Logos zur Lieferung im Dezember 1999 bzw. Januar 2000. In der Folgezeit nahm sie jeweils Teilmengen ab; die Schuldnerin erstellte Rechnungen über die gelieferten Mengen. Eine Anzahlung der Beklagten i. H. von 10.000,00 DM verrechnete die Schuldnerin auf nicht bezahlte Rechnungen. Anfang 2000 verständigten sich die Vertragspartner auf eine Minderung der Kaufpreise für die Regenjacken wegen Mängeln an den Farben und Aufdrucken und für die Baseballkappen wegen Mängeln der Bestickung mit dem Schriftzug "J.". Die Schuldnerin erteilte jeweils Gutschriften, die sie ebenfalls mit offenen Rechnungsforderungen verrechnete.

Am 07.03.2000 mahnte die Schuldnerin die Zahlung des Restkaufpreises zum 17.03.2000 an. Am 05.04.2000 erhob sie Klage auf Zahlung Zug um Zug gegen Abnahme von 430 Sommer- und Winterjacken, 300 Overalls, 6.000 Baseballkappen und 3.200 Regenmäntel. Nach Klageerhebung holte die Beklagte bei der Schuldnerin 60 Jacken und 60 Overalls gegen Bezahlung ab.

Am 23.08.2000 zeigte der Kläger gegenüber der Beklagten seine Bestellung zum Insolvenzverwalter über das Vermögen der Schuldnerin an und forderte erneut zur Zahlung des Restkaufpreises bis 30.08.2000 auf. Per Telefax vom 06.09.2000 teilte die Beklagte mit, dass sie keinen Wert mehr auf die eingelagerte Ware lege. Mit Schreiben vom 16.01.2001 forderte der Kläger die Beklagte erneut unter Fristsetzung zum 29.01.2001 mit Ablehnungsandrohung zur Zahlung und Abnahme der restlichen Textilwaren auf und kündigte an, nach fruchtlosem Fristablauf Schadensersatz wegen Nichterfüllung zu verlangen.

Am 14.08.2002 entnahm der Kläger die Restposten aus dem Lager und entsorgte sie. Den Kaufpreis für

 100 Sommerjacken a 37,00,00 DM netto = 3.700,00 DM
270 Winterjacken a 50,00 DM netto = 13.500,00 DM
6.000 Baseballkappen a 3,80 DM netto = 22.800,00 DM
3.200 Regenmäntel a 1,175 DM netto = 3.760,00 DM und
240 Overalls a 35,00 DM = 8.400,00 DM,
gesamt 52.160,00 DM

zzgl. 16 % MWSt (= 60.505,50 DM) fordert er als Schadensersatz. Im weiteren verlangt der Kläger Zahlung von Lagerkosten in Höhe von 1.077,92 DM für die Zeit vom 01.02.2000 bis 29.01.2001 sowie in Höhe weiterer 784,71 € für den Zeitraum 01.02.2001 bis 14.08.2002.

Die Beklagte rechnet hilfsweise mit Schadensersatzansprüchen auf. Sie behauptet hierzu, die Schuldnerin habe im Dezember 1999 defekte Regenmäntel geliefert. Zudem sei sie wiederholt nicht in der Lage gewesen, auf Abruf zu liefern. Hierdurch sei ihr - der Beklagten - ein Schaden in Höhe von insgesamt 40.380,40 DM entstanden.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes nimmt der Senat Bezug auf den Tatbestand der angefochtenen Entscheidung.

Das Landgericht Schwerin wies mit Urteil vom 28.08.2003 die Klage ab. Begründend führte es aus, im Ergebnis der Beweisaufnahme stehe fest, dass sich die Schuldnerin nicht vertragstreu verhalten habe und deshalb kein Anspruch auf Schadensersatz wegen Nichterfüllung bestehe.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Berufung des Klägers, die er wie folgt begründet:

Er sei - auch bei vorheriger Vertragsuntreue der Schuldnerin - am 16.01.2001 nicht gehindert gewesen, der Beklagten die von ihr bestellte Ware anzubieten, ihr eine Frist für die Abnahme und Bezahlung zu setzen und für den Fall der Nichtzahlung Schadensersatz zu verlangen. Entscheidend sei, dass er zum Zeitpunkt seines Aufforderungsschreibens zur Leistung im Stande gewesen sei. Nach Ansicht des Landgerichts würden die aufgrund der Beweisaufnahme festgestellten Vertragsverletzungen ihm - dem Insolvenzverwalter - jede Möglichkeit nehmen, das Vertragsverhältnis der Parteien in Zukunft mittels Fristsetzung und Ablehnungsandrohung zu einer Beendigung durch Erfüllung oder Schadensersatzleistung zu bringen. Für vier der fünf angeblichen Nichtlieferungen, die das Landgericht seiner Entscheidung zugrunde gelegt habe, sei nicht er, sondern die Schuldnerin verantwortlich. Ob er sich die einzige Nichtlieferung vom 30.08.2000 aus der Zeit nach Insolvenzeröffnung vom 09.08.2000 zurechnen lassen müsse sei zweifelhaft, denn zu diesem Zeitpunkt sei er noch nicht Insolvenzverwalter gewesen. Im Übrigen hätte ein solcher einmaliger - bestrittener - Vorfall nicht ausgereicht, die Beklagte für die Zukunft von ihren vertraglichen Verpflichtungen zu befreien. Auch habe zu diesem Zeitpunkt noch nicht festgestanden, ob das Vertragsverhältnis fortgesetzt werde. Erst am 18.10.2000 habe er die Erfüllung des beiderseitig nicht vollständig erfüllten Vertrages verlangt. Bei zutreffender rechtlicher Würdigung des § 326 BGB a. F. und des § 103 InsO hätte das Landgericht nicht zu einer Beweisaufnahme über die Nichtlieferung von Teilmengen kommen dürfen. Im Übrigen habe es die Zeugenaussagen unzutreffend gewürdigt.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Landgerichts Schwerin vom 28.08.2003 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 32.271,86 € nebst 12% Zinsen p. a. aus 30.936,02 € für die Zeit vom 01.02.2000 bis 28.02.2001, aus 31.487,15 € für die Zeit vom 01.03.2001 bis 14.08.2002 sowie aus 32.271,86 € seit dem 15.08.2002 zu zahlen.

Die Beklagte, die Zurückweisung der Berufung beantragt, verteidigt das erstinstanzliche Urteil. Die Argumentation des Klägers laufe darauf hinaus, dass sich ein Gläubiger folgenlos wiederholt vertragsuntreu verhalten dürfe, wenn es ihm nur gelinge, sich jedenfalls in dem Zeitpunkt vertragstreu zu verhalten, in dem er seinerseits Erfüllung verlange und den Weg des § 326 BGB beschreite. Zu Recht habe daher das Landgericht es als entscheidungserheblich angesehen, ob die Lieferungen an die Beklagte im Februar, März, Juli und August 2000 nicht hatten ausgeführt werden können. Zudem habe sich die Schuldnerin auch wegen der Fehlerhaftigkeit der Waren als unzuverlässig erwiesen. Bei allen gelieferten Regenmänteln seien die Schweißnähte aufgegangen. Die Eröffnung des Insolvenzverfahrens am 09.08.2000 habe entgegen der Auffassung des Klägers nicht zur Folge, dass alle vorangegangenen Pflichtverletzungen der Schuldnerin nicht mehr von Belang gewesen seien und nur noch auf das Verhalten des Klägers selbst abgestellt werden könne. Gegen die Beweiswürdigung des Erstrichters sei nichts zu erinnern.

Der Senat erhob Beweis über die Frage, ob der Kläger im Januar 2001 zur Lieferung der bestellten und bis dahin nicht gelieferten Textilien imstande war, sowie über Absprachen der Vertragspartner zu den Lagerkosten. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 23.01.2006 sowie auf die schriftliche Aussage des Zeugen M. P. vom 16.02.2006 verwiesen.

II.

Die zulässige Berufung des Klägers ist teilweise begründet. Die Beklagte schuldet ihm Schadensersatz wegen Nichterfüllung in Höhe von 15.952,31 € (1) sowie Lagerkosten in Höhe weiterer 169,38 € (2). Die Aufrechnung mit behaupteten Gegenansprüchen der Beklagten auf Schadensersatz ist überwiegend unzulässig; im Umfang ihrer Zulässigkeit sind sie unbegründet (3).

1. Die Beklagte ist zur Zahlung von Schadensersatz wegen Nichterfüllung in Höhe von 15.952,31 € verpflichtet.

1.1. Anzuwenden ist das BGB in der bis zum 31.12.2001 geltenden Fassung (im weiteren: BGB a.F.), denn die streitgegenständlichen Verträge wurden 1999 geschlossen ( Art. 229 § 5 EGBGB).

1.2. Der Anspruch ist dem Grunde nach gem. § 326 Abs. 1 BGB a.F. teilweise gerechtfertigt.

1.2.1. Nach dieser Regelung kann, sofern bei einem gegenseitigen Vertrag der eine Teil mit der ihm obliegenden Leistung in Verzug ist, ihm der andere Teil zur Bewirkung der Leistung eine angemessene Frist mit der Erklärung bestimmen, dass er die Annahme der Leistung nach dem Ablauf der Frist ablehne. Nach dem Ablauf der Frist ist er berechtigt, Schadensersatz wegen Nichterfüllung zu verlangen. Diese Voraussetzungen lagen vor.

a) Die Beklagte befand sich mit der Bezahlung des Kaufpreises in Verzug.

Abweichend von ihren schriftlichen Bestellungen von November 1999, wonach die Textilien im Dezember 1999 bzw. Januar 2000 geliefert werden sollten, holte die Beklagte bei der Schuldnerin jeweils nach vorheriger telefonischer Mitteilung einen Teil der bestellten Artikel ab und bezahlte diese jeweils im Umfang der abgeholten Menge. Dass eine konkrete Frist, innerhalb derer der Abruf der Lieferung zu erfolgen hat, vereinbart war, ist nicht vorgetragen. Folglich war die Beklagte als Käuferin verpflichtet, innerhalb einer angemessenen Frist den Zeitpunkt der Lieferung zu bestimmen. Nachdem dies unterblieb, konnte die Schuldnerin wegen der gem. § 271 Abs.1 BGB eingetretenen Fälligkeit auf Zahlung und Abnahme klagen (Palandt/Putzo, BGB, 65. Aufl., § 433 Rn 41). Das ist hier erfolgt. Nachdem sie am 07.03.2000 erfolglos die Zahlung des Restkaufpreises zum 17.03.2000 angemahnt hatte, erhob die Schuldnerin am 05.04.2000 Zahlungsklage. Mit Zustellung dieser Klage am 13.04.2000 befand sich die Beklagte in Zahlungsverzug.

Auch nach eigener Darstellung war die Beklagte spätestens ab 01.01.2001 mit der Abnahme der restlichen Waren und der Zahlung des Restkaufpreises in Verzug, denn sie teilte dem Insolvenzverwalter mit Schreiben vom 23.11.2000 mit, dass lt. Vereinbarung die gesamten Waren im Jahr 2000 abgefordert und geliefert werden sollten.

b) Nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens am 09.08.2000 konnte der Kläger von der Beklagten Erfüllung des Vertrages verlangen (§ 103 Abs. 1 InsO).

Das Landgericht stellte fest, dass der Insolvenzverwalter nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens im Oktober 2000 mehrfach erklärt hat, an Stelle der Schuldnerin den Vertrag zu erfüllen. Mit dem Erfüllungsverlangen trat er anstelle der Schuldnerin in den Vertrag ein.

Durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens geriet der mit Klageerhebung vorliegende Zahlungsverzug der Beklagten nicht in Wegfall. Maßgeblich für den Inhalt des Schuldverhältnisses ist die Rechtslage bei Insolvenzeröffnung, weil der Insolvenzverwalter für die Masse grundsätzlich nicht mehr und keine anderen Rechte, aber auch nicht weniger beanspruchen kann als der Gemeinschuldnerin zustand (BGH NJW 1999, 1261, 1262).

c) Das Schreiben des Insolvenzverwalters vom 16.01.2001, mit welchem er die Beklagte unter Ablehnungsandrohung aufforderte, bis zum 29.01.2001 die Ware zu bezahlen und abzuholen, erfüllt die Anforderung des § 326 Abs. 1 BGB a.F.

d) Mit fruchtlosem Ablauf der Frist sind diese beiderseitigen Leistungspflichten erloschen. Der Kläger kann von der Beklagten Schadensersatz wegen Nichterfüllung verlangen.

1.2.2. Der Kläger ist mit seinen Rechten aus § 326 BGB a.F. nicht wegen fehlender Vertragstreue ausgeschlossen.

a) Es entspricht ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (NJW 1987, 251, 253; NJW-RR 1994, 372), dass bei gegenseitigen Verträgen die Rechte des Gläubigers aus § 326 BGB ausgeschlossen sein können, wenn und so lange er selbst vertragsuntreu ist. Diese Einschränkung des § 326 BGB a. F. im Hinblick auf Treu und Glauben ist Ausdruck des Verbotes des Rechtsmissbrauches. Ein Gläubiger, der zum Zeitpunkt der Geltendmachung seiner Rechte selbst vertragsuntreu ist, ist in seinen Rechten beschränkt. Dies gilt aber nur, so lange er vertragsuntreu ist. Hat ein Gläubiger die eigene Vertragswidrigkeit beseitigt, ist er nicht gehindert nach Vorliegen der Voraussetzung Schadensersatz wegen Nichterfüllung aus § 326 BGB a. F. zu verlangen. Eine vorangegangene Vertragsuntreue schließt folglich die spätere Geltendmachung der Rechte aus § 326 BGB a. F. nicht aus.

b) Das Landgericht legt seiner Entscheidung fünf Nichtlieferungen in der Zeit von Februar bis August 2000 zu Grunde. Diese Vertragsverletzungen der Schuldnerin muss sich der Kläger als Insolvenzverwalter nicht zurechnen lassen. Seinem Recht, gem. § 103 Abs. 1 InsO Erfüllung eines beiderseits noch nicht vollständig erfüllten Vertrages zu wählen, steht nicht entgegen, dass die Erfüllung in Folge von Umständen unterblieben ist, die auf Seiten des einen oder anderen Vertragspartners Schuldner- oder Gläubigerverzug (§§ 286ff, 293ff BGB) begründen (Marotzke in Eickmann u.a., Heidelberger Kommentar zur Insolvenzordnung, 3. Auflage, § 103 Rn. 28). Folglich kann er unbeschadet eines etwaigen Verzuges der Schuldnerin vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens die vertraglich geschuldete Leistung erneut anbieten und bei Annahmeverzug des Vertragspartners nach § 326 BGB vorgehen.

Die Beklagte ihrerseits hatte trotz der behaupteten wiederholten Nichtlieferung seitens der Schuldnerin an den mit ihr geschlossenen Verträgen festgehalten; die - erst teilweise erfüllten - Verträge bestanden zum Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung fort.

c) Auch die behauptete Nichtlieferung gemäß der Anforderung der Beklagten vom 30.08.2000 steht dem Ersatzanspruch nach § 326 BGB a. F. nicht entgegen. Es ist bereits nicht festzustellen, dass die Beklagte zu diesem Zeitpunkt einen durchsetzbaren Anspruch hatte, denn mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens am 09.08.2000 verloren ihre Ansprüche auf weitere Lieferungen der Schuldnerin und die entsprechenden Kaufpreisansprüche der Schuldnerin gegen die Beklagte zunächst ihre Durchsetzbarkeit (BGHZ 150, 353 = NJW 2002, 2783, 2785 ZIP 2002, 1093). Erst mit der Entscheidung des Klägers als Insolvenzverwalters im Oktober 2000, die Verträge zwischen der Schuldnerin und der Beklagten zu erfüllen, erhielten die gegenseitigen Ansprüche die Rechtsqualität von originären Masseverbindlichkeiten und -forderungen (a.a.O.). Auch war der Kläger nach Rechtshängigkeit der Klage auf Zahlung der Restkaufpreisforderung Zug um Zug gegen Abnahme aller bestellten und noch nicht gelieferten Waren nicht mehr zur Lieferung von Teilmengen verpflichtet.

d) Dass der Kläger im Oktober 2000, als er die Beklagte mehrfach zur Vertragserfüllung aufforderte, nicht leistungsbereit war, stellte das Landgericht nicht fest. Er war daher am 16.01.2001 nicht gehindert, der Beklagten die von ihr bestellte Ware anzubieten, ihr eine Frist für die Abnahme und Zahlung zu setzen und für den Fall der Nichtzahlung Schadensersatz zu verlangen.

e) Für die Beklagte ist dieses Ergebnis nicht unzumutbar. Sie war ihrerseits nicht gehindert, vor Klageerhebung oder vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Schuldnerin das Vertragsverhältnis nach § 326 BGB a. F. zu beenden, wenn und soweit die vom Landgericht festgestellten Vertragsverletzungen der Schuldnerin zur Unzumutbarkeit der Fortsetzung dieses Vertragsverhältnisses geführt hätten. Ihr Schreiben vom 06.09.2000, in welchem sie erklärte, keinen Wert mehr auf die eingelagerte Ware zu legen, erfüllte die gesetzlichen Anforderungen an eine Fristsetzung mit Ablehnungsandrohung nach § 326 Abs. 1 BGB a. F. nicht. Eine Fristsetzung ihrerseits war auch nicht nach § 326 Abs. 2 BGB a. F. entbehrlich. Zwar behauptet die Beklagte, der Kläger habe eine zum 01.09.2000 abgerufene Bestellung nicht liefern können. Sie trägt allerdings nicht vor, weshalb wegen dieses - bestrittenen - Verzuges mit einer Teillieferung ihr Interesse an der Erfüllung des Vertrages insgesamt in Wegfall geraten sein soll. Im Übrigen war - wie oben ausgeführt - der Kläger zu diesem Zeitpunkt nicht mehr zur Lieferung von Teilmengen verpflichtet.

1.2.3. Schadensersatz wegen Nichterfüllung nach § 326 BGB a. F. kann der Kläger lediglich in dem Umfang verlangen, in dem er im Januar 2001 zur vollständigen Erfüllung der Verträge, d. h. zur Lieferung aller bestellten und bis zu diesem Zeitpunkt nicht abgerufenen Restposten der jeweiligen Lieferverträge in der Lage war. Dies ist lediglich hinsichtlich der Verträge über die Baseballkappen und über die Overalls der Fall.

a) Der Ersatzanspruch nach § 326 BGB a. F. setzt voraus, dass der Gläubiger zum Zeitpunkt seiner Fristsetzung mit Ablehnungsandrohung in der Lage ist, die von ihm geschuldete Leistung in vollem Umfang zu erbringen. Eine nur teilweise Leistungsfähigkeit schließt einen Ersatzanspruch aus. Dies folgt aus § 266 BGB a. F., wonach der Schuldner zu Teilleistungen nicht berechtigt ist. Zwar sind bei einer entsprechenden vertraglichen Vereinbarung, die auch stillschweigend zu Stande kommen kann, Teilleistungen zulässig (vgl. Palandt/Heinrichs, BGB, 65. Aufl., § 266 Rn. 5). Eine solche Abrede hatten vorliegend die Vertragspartner durch die von ihnen praktizierte Vorgehensweise - Lieferung von Teilmengen auf Abruf - auch getroffen. Diese Vereinbarung endete jedoch mit Erhebung der Klage, mit der die Schuldnerin die Beklagte auf Zahlung der Restkaufpreise Zug um Zug gegen Abnahme der jeweiligen Restposten in Anspruch nahm. Nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens haben die Parteien nicht erneut Teillieferungen vereinbart. Vielmehr verlangte auch der Kläger von der Beklagten die Abnahme aller Restposten gegen Zahlung.

b) Die Beweislast für ihre Behauptung, der Kläger sei entgegen seiner Darstellung am 26.01.2001 nicht zur Lieferung aller bestellten und bis dahin nicht abgeholten Textilwaren im Stande gewesen, obliegt der Beklagten.

Zwar hat der Kläger nach dem allgemeinen Grundsatz, dass jede Partei die Darlegungs- und Beweislast für die tatsächlichen Voraussetzungen der ihr günstigen Rechtsnorm trägt, die Voraussetzungen des § 326 Abs. 1 BGB a. F. darzulegen und nachzuweisen. Zu diesen Voraussetzungen lässt sich auch die eigene Leistungsfähigkeit zählen. Zieht man jedoch § 297 BGB heran, so braucht der Gläubiger seine Leistungsfähigkeit und -bereitschaft nicht darzulegen und zu beweisen. Bereits aus dem Wortlaut dieser Vorschrift ergibt sich, dass es sich hierbei nicht um eine anspruchsbegründende Tatsache handelt. Vielmehr stellt die fehlende Leistungsfähigkeit eine Einwendung dar, deren tatsächliche Umstände die Beklagte als Gläubigerin darzulegen und zu beweisen hat (Palandt/Heinrichs, BGB, 65. Aufl., § 297 Rn 3; KG NJW-RR 1997, 1059). Dass der Kläger der Beklagten am 26.01.2001 die bis dato nicht abgerufenen Textilien zur Abnahme angeboten hat, ist unstreitig.

c) Die Beklagte hat zur Überzeugung des Senats bewiesen, dass der Kläger im Januar 2001 nicht mehr zur Lieferung aller bestellten und noch nicht abgeforderten Sommer- und Winterjacken sowie Regenmäntel im Stande war.

aa) Seine Überzeugung, dass der Kläger die restlichen Sommer- und Winterjacken nicht vollständig liefern konnte, gründet der Senat im wesentlichen auf die Aussage des Zeugen M. P., die dieser im Einvernehmen mit den Parteien mit Schreiben vom 16.02.2006 unter Beifügung der maßgeblichen Unterlagen schriftlich ergänzt hat. Der Zeuge bekundete, dass im Zeitraum Mai 2000 bis 14. August 2002 im Freilager der H. P. Spedition und Lagerei in H. 30 Kartons Herrenjacken (Order Nr. 991008) durchgehend eingelagert gewesen seien. Die Anlieferung sei am 05.05.2006 durch die Fa. Y. C. erfolgt; in deren Auftrag seien die Waren am 14.08.2002 komplett an Herrn Rechtsanwalt M. in H. ausgeliefert worden. Diese Aussage steht im Einklang mit dem Telefax der Fa. Y. C. vom 05.05.2000, wonach 30 Kartons Jacken zur Einlagerung angeliefert wurden. Ausweislich des Lieferscheins der Schuldnerin Nr. 20/5017 vom 28.03.2000 befanden sich in 26 Kartons 10 Winterjacken je Karton und in weiteren 4 Kartons 20 Sommerjacken je Karton. Damit steht fest, dass am 05.05.2000 260 Winterjacken und 80 Sommerjacken eingelagert wurden. Da der Kläger Lieferung von 270 Winterjacken und 100 Sommerjacken schuldete, war er folglich im Januar 2001 nicht zur vollständigen Vertragserfüllung in der Lage; es fehlten 10 Winter- und 20 Sommerjacken.

bb) Sein Unvermögen zur Erfüllung des Liefervertrages über die Regenmäntel ergibt sich bereits aus der Einlassung des Klägers in der mündlichen Verhandlung vom 23.01.2006, wonach weder er noch die Schuldnerin über diese Textilien verfügen konnten. Er erklärte, hierzu hätte es der Vorlage der Originaldokumente bedurft. Diese seien von der Kreissparkasse P. am 10.07.00 nach C. an die C. M. Bank zurückgesandt worden, nachdem die Schuldnerin die für die Aufnahme der Dokumente erforderlichen 1.200 $ nicht an die Sparkasse gezahlt habe. Zwar sagte der Kläger auch, die 32 Kartons seien im Freihafen verblieben und er hätte die Dokumente jederzeit innerhalb weniger Tage aus C. heranschaffen und so die Ware auslösen können. Gegen die behauptete Einlagerung spricht jedoch die schriftliche Aussage des Zeugen M. P. vom 26.02.06, der bekundete, der Artikel mit der Order Nr. 991047 sei ihnen (der Spedition P.) unbekannt und lt. Unterlagen zu keinem Zeitpunkt von ihnen eingelagert worden. Der Senat ist auf Grund der Aussage des Zeugen P. überzeugt, dass sich die Regenmäntel zu dem hier maßgeblichen Zeitpunkt nicht im Freilager befanden und der Kläger folglich nicht - auch nicht binnen weniger Tage - zur Lieferung an die Beklagte in der Lage war. Die diesbezügliche Aussage des Zeugen ist - wie auch seine Aussage im übrigen - glaubhaft. Da seine Bekundungen zu den anderen Textilwaren mit den beigefügten Unterlagen übereinstimmen, bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass seine Aussage zu den Regenmänteln falsch ist.

Der Kläger kann sich nicht mit Erfolg darauf berufen, dass es hinsichtlich der Regenmäntel auf seine Lieferfähigkeit im Januar 2001 nicht ankomme. Zwar hatte die Beklagte in ihrem an die Schuldnerin gerichteten Schreiben vom 14.06.2000 erklärt, auf Grund der Mangelhaftigkeit der gelieferten Regenmäntel die restlichen Raincoats nicht mehr abzunehmen. Nachdem der Kläger nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens im Oktober 2000 Erfüllung der Verträge verlangt hat, hat sie diese Erklärung ihm gegenüber jedoch nicht wiederholt. Im übrigen hat der Kläger selbst eine Fristsetzung mit Ablehnungsandrohung auch hinsichtlich der Regenmäntel nicht für entbehrlich gehalten, wie er mit Schreiben vom 16.01.2001 verdeutlicht.

d) Den Nachweis für ihre Behauptung, der Kläger sei im Januar 2001 nicht zur Lieferung der bestellten und bis dahin nicht abgeforderten Baseballkappen und Overalls in der Lage gewesen, hat die Beklagte nicht erbracht.

In seiner schriftlichen Aussage vom 16.02.2006 bekundete der Zeuge M. P., dass in der Zeit von Mai 2000 bis August 2001 40 Kartons Baseballcaps (Order Nr. 991046) und 12 Kartons Overalls (Order Nr. 991048) eingelagert gewesen seien. Dies stimmt überein mit dem Inhalt des Telefaxschreibens der Fa. Y. C. vom 05.05.2000, wonach die Artikel in den vom Zeugen P. angegebenen Mengen zur Einlagerung angeliefert wurden. Aus dem Lieferschein der Schuldnerin Nr. 20/5017 vom 28.03.2000 ergibt sich, dass 20 Overalls je Karton verpackt waren. Der bereits der Klage beigefügten Rechnung der Schuldnerin Nr. 812409 vom 10.12.1999 über eine Teillieferung von Baseballkappen ist zu entnehmen, dass jeweils 150 Stück je Karton verpackt sind. Danach waren zu dem hier maßgeblichen Zeitpunkt 240 Overalls (20 x 12) und 6.000 Baseballkappen (150 x 40) bei der Spedition P. eingelagert, was dem vom Kläger jeweils vertraglich geschuldeten Leistungsumfang entspricht.

Die Aussage des Zeugen Rechtsanwalt F.-D. M. rechtfertigt keine abweichende Feststellung. Zwar sagte er aus, bei Zählung der Waren am 23.04.02 habe er zur Order Nr. 991046 Baseballcapes einen Fehlbestand von 25 Stück (40 Kartons - 29 a 150, 1 a 125, gesamt 5.975) und zur Order Nr. 991048 Overalls einen solchen von 4 Stück (12 Kartons - 11 a 20, 1 a 16, gesamt 236) festgestellt. Dies lässt jedoch nicht auf einen entsprechenden Fehlbestand bereits im Januar 2001 schließen. Anfang 2001 habe er - so der Zeuge - keine Bestandsaufnahme gemacht. Einige der Fehlbestände seien durch ihn selbst veranlasst worden, weil er Bemusterungen vorgenommen habe, um die Möglichkeit des Abverkaufs an Dritte zu prüfen.

1.3. Der Kläger kann von der Beklagten Zahlung in Höhe von 15.952,31 € verlangen.

1.3.1. Die Beklagte schuldet ihm Schadensersatz in Höhe der ursprünglichen Restkaufpreisforderung ohne Mehrwertsteuer.

a) Der Schaden des Klägers besteht in der Differenz zwischen der Vermögenslage, die eingetreten wäre, wenn die Beklagte ordnungsgemäß erfüllt hätte, und der durch die Nichterfüllung tatsächlich entstandenen Vermögenslage (BGH NJW 1998, 2901, 2902). Bei ordnungsgemäßer Erfüllung hätte der Kläger für die Textilwaren unstreitig einen Nettokaufpreis von 52.160,00 DM (entspricht 26.668,98 €) erzielt. Die Herstellungskosten bleiben unberücksichtigt, denn die Textilien lagen zur Abholung bereit. Sie waren unstreitig mit einem speziellen Logo für die Beklagte versehen und daher für den Kläger nicht anderweitig verwertbar.

Die von der Beklagten geleistete Anzahlung in Höhe von 10.000,00 DM war bereits bei Berechnung der Klagforderung berücksichtigt, da sie von der Gemeinschuldnerin auf einzelne Posten verrechnet worden war, und zwar auf 1.050 Baseballkappen, auf 800 Regenmäntel sowie auf 80 Overalls.

Ebenfalls Berücksichtigung fand, dass die Beklagte nach Klageerhebung 60 Arbeitsanzüge und 60 Jacken bei der Gemeinschuldnerin abholte und bezahlte, was sich aus dem Vergleich der jeweiligen Restposten in Klage und Urteil ergibt. Die Arbeitsanzüge sind in der Klage mit 300 Stück, im Urteil mit 240 Stück angegeben; die Jacken in der Klage mit 430 Stück und im Urteil mit 370 Stück (100 Sommerjacken und 270 Winterjacken).

b) Zu Recht wendet die Beklagte ein, dass der Kläger auf den Schadensersatzanspruch keine Mehrwertsteuer beanspruchen kann, da keine umsatzsteuerpflichtige Leistung vorliegt.

1.3.2. Der Ersatzanspruch des Klägers berechnet sich demnach wie folgt:

 6.000 Baseballkappen a 3,80 DM netto = 22.800,00 DM
240 Overalls a 35,00 DM netto = 8.400,00 DM
gesamt: 31.200,00 DM
bzw. 15.952,31 €.

1.3.3. Aus der behaupteten Mangelhaftigkeit der nicht gelieferten Regenjacken kann die Beklagte nichts für sich herleiten, denn dem Kläger stehen - wie oben ausgeführt - insoweit keine begründeten Schadensersatzansprüche zu.

1.3.4. Der Schadensersatzanspruch ist gem. §§ 291 BGB a. F., 352 HGB mit 5 % seit Rechtshängigkeit zu verzinsen. Die behauptete Inanspruchnahme eines Bankkredits hat der Kläger trotz Bestreitens nicht belegt.

2. Die Beklagte schuldet dem Kläger Erstattung der Lagerkosten in Höhe von 190,45 €.

2.1. § 354 HGB bestimmt für Kaufleute, dass auch ohne Verabredung Lagergeld nach den an dem Ort üblichen Sätzen fordern kann, wer in Ausübung seines Handelsgeschäftes einem anderen Geschäfte besorgt oder Dienste leistet. Danach gilt eine Vergütung als stillschweigend vereinbart, so dass die Beklagte die von ihr behauptete Vereinbarung der Kostentragung durch die Gemeinschuldnerin beweisen muss. Diesen Nachweis hat sie nicht geführt.

Die Zeugin S. P. sagte lediglich aus, dass bei einem Gespräch in H. in Anwesenheit eines Mitarbeiters der Schuldnerin gesagt worden sei, dass die Ware bei der Schuldnerin kostenlos eingelagert werden solle. Allerdings sollten die Textilien lt. vertraglicher Vereinbarung im Dezember 1999 bzw. Januar 2000 an die Beklagte ausgeliefert werden. Durch die in der Folgezeit praktizierte Lieferung von Teilleistungen auf Abruf wurde eine Lagerung über die ursprünglich vereinbarte Lieferfrist hinaus erforderlich. Zu der Frage, ob die Ware auch in dieser Zeit ohne Berechnung von Lagerkosten zur Verfügung gehalten werden sollte, konnte die Zeugin nichts sagen.

Der Zeuge Timmermann konnte zu den hier streitgegenständlichen Verträgen nichts aussagen.

Schließlich ist unstreitig, dass die Schuldnerin der Beklagten mit Schreiben vom 18.02.00 mitgeteilt hat, sie werde ab Februar 2000 Lagerkosten in Höhe von 9,00 DM je m² berechnen.

2.2. Die Beklagte schuldet Lagerkosten lediglich für die Zeit von Februar bis April 2000.

Insoweit folgt der Anspruch aus § 354 HGB, denn die Schuldnerin lagerte die der Beklagten zu liefernden Textilien selbst ein.

Ab Mai 2000 erfolgte die Einlagerung bei der H. P. Spedition und Lagerei in H. Dass und in welcher Höhe ihm bzw. der Schuldnerin insoweit Lagerkosten berechnet wurden, trägt der Kläger nicht vor.

2.3. Der Anspruch errechnet sich aus den dargelegten Aufwendungen für

 Februar 2000 i. H. von 126,44 DM
März 2000 i. H. von 121,88 DM und
April 2000 i. H. von 82,96 DM
gesamt 331,28 DM
bzw. 169,38 €,

gegen deren Höhe die Beklagte keine Einwendungen erhoben hat.

Der Zinsanspruch folgt aus den §§ 291 BGB a. F., 352 HGB.

3. Gegen die begründeten Zahlungsansprüche des Klägers kann die Beklagte nicht mit Schadensersatzansprüchen wegen Mangelhaftigkeit gelieferter Waren bzw. wegen Nichtlieferung zu konkreten Terminen aufrechnen.

3.1. Die Aufrechnung mit den vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens begründeten Schadensersatzansprüchen ist gem. § 96 Abs. 1 Ziff. 1 InsO unzulässig.

Nach dieser Regelung kann nicht aufgerechnet werden, wenn ein Insolvenzgläubiger erst nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens etwas zur Insolvenzmasse schuldig geworden ist. Das ist hier der Fall.

Wählt der Insolvenzverwalter nach § 103 InsO Erfüllung eines bei Verfahrenseröffnung beiderseits nicht vollständig erfüllten Vertrages, so verlieren die noch offenen Ansprüche im Insolvenzverfahren ihre Durchsetzbarkeit, soweit sie nicht auf anteilige Gegenleistungen für vor Verfahrenseröffnung erbrachte Leistungen gerichtet sind (BGHZ 150, 353 = NJW 2002, 2783 = ZIP 2002, 1093). Die Rechte und Pflichten aus diesem Vertrag werden insgesamt zu Masseforderungen und Verbindlichkeiten aufgewertet (§ 55 Abs. 1 Nr. 2 InsO). Mit Wirksamwerden des Erfüllungsverlangens wurde die mit der Klage beanspruchte Restkaufpreisforderung als originäre Masseforderung begründet; mit dem ursprünglichen Erfüllungsanspruch der Insolvenzschuldnerin ist sie lediglich inhaltlich identisch. Gegen diese neue Forderung der Masse kann gem. § 96 Abs. 1 Nr. 1 InsO nicht mit einem vor Verfahrenseröffnung begründeten Anspruch aufgerechnet werden (BGH NJW 1995, 1966, 1967; NJW 1992, 507, 508); dies gilt nach Aufgabe der sog. "Erlöschenstheorie" weiter (vgl. BGH NJW 2003, 2744 = ZIP 2003, 1208).

3.2. Soweit die Beklagte Schadensersatzforderungen wegen Nichtlieferung der nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens am 30.08.2000 abgeforderten Waren geltend macht, ist eine Aufrechnung nicht ausgeschlossen. Wenn die Insolvenzmasse aufgrund des Erfüllungsverlangens die Warenlieferung schuldete, stellen etwaige Schadensersatzansprüche, die die Beklagte als Käuferin aus dem Lieferverzug des Insolvenzverwalters herleitet, Masseverbindlichkeiten gem. § 55 Abs. 1 Ziff. 2 InsO dar (MünchKomm-Hefermehl, InsO, § 55 Rn. 113), die vorweg aus der Insolvenzmasse zu berichtigen sind (§ 53 InsO).

Allerdings sind die Schadensersatzansprüche nicht begründet. Die Schadenshöhe, die sie mit 2.000,00 DM beziffert, hat die Beklagte nicht substantiiert dargelegt. Der Kläger hat diesen Vortrag zu Recht als nicht einlassungsfähig beanstandet. Auf entsprechenden Hinweis des Landgerichts hat die Beklagte zu dieser Schadensposition nichts weiter vorgetragen. Im Übrigen war - wie bereits ausgeführt - der Kläger am 30.08.2000 vor Ausübung seines Wahlrechts gem. § 103 Abs. 1 InsO noch nicht verpflichtet, abgerufene Teilmengen zu liefern. Zu dieser Zeit hatte die Beklagte gegen die Masse keinen durchsetzbaren Anspruch, denn der Vertrag befand sich in der Schwebephase zwischen Verfahrenseröffnung und Entscheidung des Verwalters über Erfüllung oder Erfüllungsablehnung. Bevor die Beklagte Lieferung forderte, hätte sie, um die Schwebephase zu beenden, den Verwalter gem. § 103 Abs. 2 Satz 2 InsO zur Erklärung auffordern müssen.

III.

Die Kostenentscheidung ergeht gem. § 92 Abs. 1 ZPO. Die zulässigerweise hilfsweise zur Aufrechnung gestellte Schadensersatzforderung der Beklagten erhöht den Streitwert.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus den §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Die Revision der Beklagten ist zuzulassen, weil die entscheidungserhebliche Rechtsfrage, inwieweit der Insolvenzmasse nach positivem Erfüllungsverlangen des Verwalters Vertragsverletzungen des Schuldners zuzurechnen sind, bislang höchstrichterlich nicht entschieden ist.



Ende der Entscheidung

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