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Gericht: Oberlandesgericht Rostock
Urteil verkündet am 15.09.2003
Aktenzeichen: 3 U 58/03
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 249
BGB § 836
BGB § 837
1. Werden Teile eines Messezeltes mit den Abmessungen 50 m x 20 m und einer Firsthöhe von 6 m durch eine Sturmböe der Stärke 11 erfasst und gegen ein benachbartes Gebäude geweht, so haftet der Zeltbesitzes als Gebäudebesitzer gem. §§ 836, 837 BGB dem Eigentümer des beschädigten Nachbargebäudes.

2. Ein Land kann als Schadensersatz nicht den Besoldungsschaden, d.h. die für die zeit der Räumung eines Finanzamtsgebäudes geleisteten anteiligen Aufwendungen für Gehälter der Bediensteten geltend machen.


Oberlandesgericht Rostock

IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL

3 U 58/03

Laut Protokoll verkündet am: 15.09.2003

In dem Rechtsstreit

hat der 3. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Rostock durch

den Richter am Oberlandesgericht Dr. Jedamzik die Richterin am Landgericht Feger die Richterin am Landgericht Gombac

aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 25.08.2003

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Auf die Berufung des klagenden Landes wird das Urteil des Landgerichts Rostock vom 14.06.2002 - unter Zurückweisung des Rechtsmittels im Übrigen - teilweise geändert:

Die Beklagte wird verurteilt, an das klagende Land 16.458,25 € nebst 5,25% Zinsen p.a. seit dem 16.09.1998 zu zahlen. Im übrigen wird die Klage abgewiesen.

2. Die Kosten des Rechtsstreits werden der Beklagten auferlegt.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

4. Der Gegenstandswert des Berufungsverfahrens beträgt 18.799,10 €.

Gründe:

I.

Das klagende Land macht gegen die Beklagte Schadensersatz gemäß den §§ 836, 837, 831, 823 Abs. 1 BGB geltend. Die Beklagte baute im September 1997 in Rostock-Schutow neben dem Finanzamtsgebäude des Landes ein 50 m langes, 20 m breites und fast 7 m hohes Messezelt auf. Vor und am 09.09.1997 kündigten Wettervorhersagen für die Küstennähe Sturm mit Böen Stärke 10 bis 11 an. Am 09.09.1997 begannen Mitarbeiter der Beklagten mit dem Abbau des Zeltes und entfernten zunächst Seitenteile und Teile des Daches. Das Zeltgerüst und das restliche Dach wurden von einer Sturmböe der Stärke 11 erfasst und auf und gegen das auf dem Nachbargrundstück befindliche Gebäude Finanzamt Rostock I des Landes sowie gegen Fahrzeuge dort tätiger Beamter geweht. Die Feuerwehr ordnete die Räumung des Gebäudes an.

Das klagende Land forderte die Haftpflichtversicherung der Beklagten und abschriftlich diese selbst mit Schreiben vom 02.09.1998 unter Fristsetzung zum 15.09.1998 erfolglos zur Schadensersatzleistung auf.

Die Klägerin hat vorgetragen, die Beklagte habe nicht mit dem Zeltabbau beginnen dürfen, daher fahrlässig gehandelt und sei zur Schadensersatzleistung, d.h. Ersatz der Kosten für die Notreparatur des Daches von 29.799,95 DM, der Reparatur des Schornsteins i. H. v. 1.892,67 DM, der Überwachungskosten von 275,31 DM, der den Beamten erstatteten Selbstbeteiligung von jeweils 300,00 DM und des Besoldungsschadens von 2.722,53 DM, insgesamt zur Zahlung von 36.767,84 DM verpflichtet.

Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt, ihr Verschulden in Abrede gestellt, die Schadenshöhe bestritten und eingewandt, bei den Reparaturkosten sei ein Abzug neu für alt geboten.

Bezüglich der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils verwiesen.

Das Landgericht hat nach Einholung eines Sachverständigengutachtens die Klage abgewiesen mit der Begründung, es sei weder eine Haftung nach den §§ 836, 837 BGB gegeben, da Schädigungen durch Abbruchmaßnahmen nicht von diesen Vorschriften erfasst seien, noch eine Haftung aus §§ 831, 823 Abs. 1 BGB, da das Land für die fahrlässige Herbeiführung der Zeltverwehung und der Beschädigung des Gebäudes beweisfällig geblieben sei. Der Sachverständige habe festgestellt, dass es höchstwahrscheinlich auch dann zur Verwehung gekommen wäre, wenn nicht mit dem Abbau begonnen worden wäre.

Gegen dieses Urteil richtet sich das Rechtsmittel des klagenden Landes.

Zur Begründung trägt es vor:

Ihm stehe ein Anspruch aus den §§ 836, 837 BGB zu. Es gehe hier nicht um typische Schädigungen, die durch Abbruchmaßnahmen entstanden seien. Der Ausschluss der Haftung sei nach der Rechtsprechung nur dann gegeben, wenn ein Schaden direkt durch die Abbruchmaßnahmen eingetreten sei. Im vorliegenden Falle seien jedoch zum Zeitpunkt des Schadenseintritts Abbaumaßnahmen gerade nicht vorgenommen worden. Insoweit sei für die Haftung des Gebäudebesitzers nicht maßgeblich, dass die Mitarbeiter der Beklagten schon mit den Abbaumaßnahmen begonnen hätten, vielmehr sei hier von dem Zelt der Beklagten die Gefahr für das Eigentum des klagenden Landes ausgegangen. Schon in der Klage sei darauf hingewiesen worden, dass das Ablösen von Teilen des Zeltes auf die mangelhafte Unterhaltung zurückzuführen sei. Daher ergebe sich bereits aus der Ablösung von Teilen des Zeltes bei dem Sturm und der daraus folgenden Beschädigung des Eigentums eines Dritten, dass hier die Haftung des Gebäudebesitzers eintrete. Deswegen hätte die Beklagte beweisen müssen, dass für sie die Beschädigung des Gebäudes des Landes unvermeidbar gewesen sei. Ein derartiger Nachweis sei der Beklagten nicht gelungen. Im Ergebnis sei es für den Anspruch aus § 836 BGB unerheblich, dass bereits mit dem Abbau begonnen worden sei. Vielmehr sei maßgeblich, dass hier ein Zelt der Beklagten weiterhin aufgebaut gewesen sei, welches sodann die streitgegenständlichen Schäden verursacht habe. Aus dem Sachverständigengutachten ergebe sich, dass eine zusätzliche und rechtzeitige Sicherung durch eine Schrägspannung ausgehend von der Traufe der Zeltrahmen erforderlich gewesen wäre. Nach der gesetzlichen Beweislastregelung in §§ 836, 837 BGB habe das klagende Land lediglich die objektive Fehlerhaftigkeit des Werkes sowie deren Ursächlichkeit für den Schadenseintritt zu beweisen.

Da im vorliegenden Fall der Beweis des ersten Anscheins aber dafür spreche, dass das Zelt der Beklagten nicht ausreichend gesichert gewesen sei, dürfe es Aufgabe der Beklagten sein, diesen Anscheinsbeweis zu erschüttern.

Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes sei davon auszugehen, dass ein fehlerhaftes Werk gegeben sei, wenn ein entsprechender Schaden bei gewöhnlichen Naturereignissen eintrete. Daher müsse bei Ereignissen, mit denen nach der Erfahrung des Lebens zu rechnen sei, ein mit einem Grundstück verbundenes Werk so beschaffen sein, dass es auch entsprechenden Einwirkungen gewachsen sei. Ein großes Messezelt müsse im Herbst so gesichert sein, dass es auch Herbststürmen mit Böen von einer Windstärke von 11 standhalte. Die Beklagte habe dafür Sorge tragen müssen, dass das Messezelt ausreichend gesichert sei. Insbesondere hätte die Sicherung derartig vorgenommen werden müssen, dass bis zum endgültigen Abbau des Zeltes keine Gefahr von Teilen des Zeltes ausgehen könne. Eine derartige Sicherung habe es nicht gegeben. Die Beklagte habe die allgemeine Verkehrssicherungspflicht ihres Zeltes verletzt.

Das klagende Land habe auch einen Schadensersatzanspruch gegenüber der Beklagten aus den §§ 831, 823 Abs. 1 BGB. Die Argumentation des Landgerichts könne nicht überzeugen. Der Verschuldensvorwurf ergebe sich daraus, dass die Mitarbeiter der Beklagten mit den Abbauarbeiten begonnen hätten, obwohl sich die Sturmböen bereits angekündigt hätten. Obgleich die Mitarbeiter der Beklagten aus den Pressemitteilungen und den Mitteilungen der Wetterdienste hätten feststellen können, dass entsprechende Sturmböen erwartet würden und der Abbau zeitlich auch nicht erforderlich gewesen sei, sei die Stabilität des Messezeltes durch den Abbau weiterhin eingeschränkt worden. Die Mitarbeiter hätten auch nicht dafür gesorgt, dass das gesamte Messezelt nochmals durch eine Schrägabspannung zusätzlich gesichert werde. Sie hätten ohne derartige Sicherungsmaßnahmen und ohne zu erkennen, dass hier aufgrund der Sturmböen besondere Sorgfalt erforderlich gewesen sei, die Abbaumaßnahmen angefangen. Die Beklagte sei eine Fachfirma für die Aufstellung entsprechender Großzelte. Deswegen sei davon auszugehen, dass die Mitarbeiter der Beklagten entsprechend geschult gewesen seien und eigene Feststellungen darüber treffen hätten treffen können, wann gefahrlos mit dem Abbau des Zeltes begonnen werden könne. Aufgrund der besonderen Berufspflicht der Mitarbeiter der Beklagten gehe das Landgericht fehlerhaft davon aus, dass das klagende Land beweisbelastet sei. Es habe zu einer Beweislastumkehr kommen müssen. Die Beklagte hätte beweisen müssen, dass ihre geschulten Mitarbeiter die Situation ordnungsgemäß eingeschätzt hätten und gefahrlos mit dem Abbau des Zeltes beginnen konnten. Da der Sachverständige jedoch festgestellt habe, dass eine ausreichende Sicherung gerade nicht gegeben gewesen sei und die Schäden durch Teile des Zeltes entstanden seien, sei Fahrlässigkeit der Mitarbeiter ersichtlich. Die Beklagte könne sich auch nicht exculpieren, da der erstinstanzliche Vortrag der Beklagten als Nachweis für eine ausreichende Überwachung und Ausfall der Mitarbeiter der Beklagten nicht ausreiche. Der Beklagten sei auch der Vorwurf eines Organisationsverschuldens zu machen.

Das klagende Land beantragt,

die Beklagte unter Aufhebung des Urteils des LG Rostock vom 14.06.2002 (3 O 53/99) zu verurteilen, an es 18.799,10 € nebst 5,25 % Zinsen auf 18.043,73 € seit dem 16.09.1998 und auf 755,37 € seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das erstinstanzliche Urteil unter Vertiefung und Erweiterung ihres erstinstanzlichen Vortrages.

II.

Die zulässige Berufung hat teilweise Erfolg.

A.

Dem Land steht dem Grunde nach ein Schadensersatzanspruch gemäß §§ 836, 837 BGB zu.

1.) Aufgrund der Ablösung von Teilen eines Gebäudes oder eines mit einem Grundstück verbundenen Werkes - des Messezeltes der Beklagten - wurde das Gebäude des Landes beschädigt.

a) Das von der Beklagten errichtete Messezelt ist als Gebäude i. S. v. § 836 Abs. 1 Satz 1 BGB anzusehen. Darunter sind zu verstehen mit dem Grundstück verbundene oder durch eigene Schwere darauf ruhende umschlossene Bauwerke, die von Menschen betreten werden können und zum Aufenthalt von Menschen oder Tieren oder zur Unterbringung von Sachen bestimmt sind (Münchner Kommentar zum BGB, 3. Aufl., Rn. 5 zu § 836). Um ein solches Bauwerk handelt es sich hier, denn das 50 m lange, fast 7 m hohe und 20 m breite Zelt ruht durch seine erhebliche Schwerkraft fest auf dem Grundstück.

b) Jedenfalls liegt ein mit einem Grundstück verbundenes Werk vor. Darunter versteht man einen einem bestimmten Zweck dienenden, nach gewissen Regeln der Kunst oder Erfahrung unter Verbindung mit dem Erdkörper hergestellten Gegenstand (BGH NJW 61, 1617). In der Rechtsprechung ist anerkannt, dass dazu beispielsweise ein allein infolge seiner Schwerkraft auf dem Grundstück stehender Bierpavillion zählt (OLG Düsseldorf VersR 1999, 854). Ähnlich liegen die Dinge hier. Es handelt sich um eine Halle mit den Abmessungen 50 x 20,10 m mit einer Traufenhöhe von 3,10 m und einer Firsthöhe von 6,76 m. Die tragenden Elemente der Halle sind in Aluminiumkonstruktion ausgeführt mit einer leichten Zelthaut und einem Fußbodenrost mit Holzbelag. Es besteht zwar keine feste Verbindung mit dem Grundstück wie bei einem Haus, das Werk ist jedoch aufgrund seiner erheblichen Schwerkraft unter Verbindung mit dem Erdkörper hergestellt. Die Verankerung des Messezeltes gegen Abheben und Gleiten erfolgt wahlweise durch Erdanker, Betonplatten mit Dübelschrauben, Betongewichte mit Zurrgurten oder zugelassener Anker in ungerissenem Beton. Demnach wird hier eine gewisse Verbindung mit dem Erdkörper hergestellt.

c) Durch Ablösung von Teilen des Gebäudes bzw. Werkes ist das Gebäude des klagenden Landes beschädigt worden. Unter Ablösung ist nicht nur die Trennung eines Teiles vom Ganzen, sondern auch die Lockerung des Gesamtgefüges oder die Desintegration des Teiles selbst zu verstehen (Münchner Kommentar, a.a.O., Rn. 40). Aus den vorgelegten Fotos ist ersichtlich, dass Teile des Messezeltes gegen das Gebäude des Landes geworfen wurden.

2.) Die Ablösung der Zeltteile war die Folge objektiv fehlerhafter Errichtung sowie mangelhafter Unterhaltung der Zeltkonstruktion.

a) Insoweit kommt dem beweispflichtigen Land der Beweis des ersten Anscheins zugute (BGH NJW 1993, 1782, 1783). Da ein Gebäude mit seinen sämtlichen Einrichtungen der Witterung standhalten muss, beweist nach der Lebenserfahrung die Loslösung von Gebäudeteilen infolge von Witterungseinwirkung grundsätzlich, dass die Anlage entweder fehlerhaft errichtet oder mangelhaft unterhalten war. Dies gilt nur dann nicht, wenn ein außergewöhnliches Naturereignis vorliegt, dem auch ein fehlerfrei errichtetes oder mit der erforderlichen Sorgfalt unterhaltenes Werk nicht standzuhalten vermag. Weil ein Gebäudebesitzer auch ungewöhnliche aber mögliche Sturmstärken in seine Betrachtung einbeziehen und entsprechende Vorsorge für die Festigkeit der Gebäudeteile treffen muss, kann dieser Anscheinsbeweis in der Regel nicht dadurch erschüttert werden, dass das Schadensereignis durch eine besonders starke Sturmböe verursacht worden ist. Dies gilt auch im vorliegenden Falle, in dem es sich unstreitig um einen Orkan mit der Windstärke 11 handelte.

b)

Es hat sich hier nicht etwa eine atypische Gefahr realisiert, wie etwa bei einem Abbruch eines Gebäudes (vgl. dazu BGH VersR 1987, 1096, 1097; 1978, 1160). Dort hat der Bundesgerichtshof nur ausgesprochen, dass ein Abbruchunternehmer nicht zu den Personen gehört, die das Gesetz in § 836 BGB begünstigen will. Im Übrigen ist der Schaden hier nicht bei dem Abbruch eines Gebäudes entstanden, vielmehr ruhten die Abbrucharbeiten, als die Windböe das Zelt erfasste.

c)

Nach dem Beweis des ersten Anscheins ist erwiesen, dass die Ablösung die Folge fehlerhafter Errichtung oder mangelhafter Unterhaltung war. Die insoweit für das Gegenteil beweispflichtige Beklagte hat den erforderlichen Beweis mangelnder Kausalität nicht geführt. Der Sachverständige hat in seinem Gutachten auf Seite 27 (Bl. 168 d. A.) vielmehr folgendes festgestellt:

"Die eigenen Berechnungen haben aber auch gezeigt, dass es bei seitlich geschlossenem Zelt unter Windlast zu großen Verschiebungen in Traufhöhe kommt, die den Richtwert gem. DIN 4112 (Anlage 6.3) von (1+h)/125 = (2010+310)/125 = 18,6 cm deutlich übersteigen, was auf eine zu schlanke Konstruktion schließen lässt. Hier wird eine Überprüfung dringendst angeraten."

Dies bedeutet, dass das von der Beklagten errichtete Messezelt fehlerhaft errichtet war, da es unter Windlast zu großen Verschiebungen kommen konnte. Demgemäß stellte der Sachverständige auf Blatt 28 seines Gutachtens auch fest, dass es bei geschlossenem Zelt und einer böigen Anströmung zu übergroßen seitlichen Verschiebungen gekommen wäre, möglicherweise verbunden mit einem Resonanzeffekt (Aufschaukeln), der höchstwahrscheinlich auch zum Schadensfall geführt hätte.

Diese drohende und mögliche Ursache für den Schadenseintritt wurde durch den begonnenen Zeltabbau nicht beseitigt. Vielmehr kam es dadurch und durch die bereits entfernte seitliche Beplankung zu einer starken Erhöhung der Zugkräfte am Fußende der Binderstiele und führte letztendlich zum Versagen der Konstruktion.

3.) Damit ist die Beklagte zur Leistung von Schadensersatz gemäß §§ 837, 836 Abs. 1 Satz 1 BGB verpflichtet. Den ihr gemäß § 836 Abs. 1 Satz 2 obliegenden Entlastungsbeweis konnte die Beklagte nicht führen. Nach den §§ 836, 837 BGB obliegt der Beweis für eine Verletzung der Verkehrssicherungspflicht in Umkehr der gewöhnlichen Beweislastregelungen nicht dem Land, vielmehr hat die Beklagte als Gebäudebesitzerin den Beweis für die Einhaltung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt zur Abwendung der Gefahr zu führen (BGH NJW 1999, 2593). Der Verletzte hat lediglich die objektive Fehlerhaftigkeit des Werkes sowie deren Ursächlichkeit für den Schadenseintritt zu beweisen (BGH a.a.O.). Bei Vorliegen der objektiven Voraussetzungen des § 836 BGB wird das Verschulden des Werkbesitzers vermutet. Die Beklagte hatte daher zur Widerlegung der Vermutung darzulegen und zu beweisen, dass sie zum Zwecke der Abwendung der Gefahr die im Verkehr erforderliche Sorgfalt beachtet hatte. Diesen Beweis hat sie nicht erbracht. Vielmehr hat der Sachverständige festgestellt, dass das von ihr errichtete Messezelt den technischen Anforderungen der DIN 4112 nicht entsprach. In der Errichtung eines solchen Zeltes liegt ein fahrlässiges Verhalten.

Durch den teilweisen Abbau des Zeltes angesichts des drohenden Orkans ist die Beklagte ihrer Sorgfaltspflicht nicht nachgekommen. Vielmehr entstand dadurch eine starke Erhöhung der Zugkräfte am Fußende der Binderstiele und führte letztendlich zum Versagen der Konstruktion. Danach hat die Beklagte als Besitzerin des Zeltes nicht alle Maßnahmen getroffen, die aus technischer Sicht geboten und geeignet waren, die Ablösung von Teilen - sei es auch nur bei starkem Sturm - nach Möglichkeit rechtzeitig zu erkennen und ihr zu begegnen. Die Beklagte hätte von vornherein die einschlägigen DIN Normen beachten müssen.

B.

Dem Land steht auch ein Anspruch gem. den §§ 31, 823 Abs. 1 BGB zu.

1.) Danach haftet die Beklagte für Schäden, die ein verfassungsmäßig berufener Vertreter durch eine in Ausführung der ihm zustehenden Verrichtung begangene zum Schadensersatz verpflichtende Handlung einem Dritten zufügt. Diese Vorschrift gilt für alle juristischen Personen (Palandt/Heinrichs, BGB, 62. Aufl., Rn. 3 zu § 31). § 31 ist eine haftungszuweisende Norm, die voraussetzt, dass der verfassungsmäßige Vertreter eine zum Schadensersatz verpflichtende Handlung begangen hat, etwa eine unerlaubte Handlung nach § 823 Abs. 1 BGB. Den Begriff des verfassungsmäßig berufenen Vertreters legt die Rechtsprechung in dem Bestreben, den Anwendungsbereich des § 831 BGB zurückzudrängen, weit aus. Es genügt, dass dem Vertreter durch allgemeine Betriebsregelung und Handhabung bedeutsame, wesensmäßige Funktionen der juristischen Person zur selbständigen eigenverantwortlichen Erfüllung zugewiesen sind und er die juristische Person insoweit repräsentiert (Palandt/Heinrichs, a.a.O., Rn. 6 zu § 31). Dies war bei dem vor Ort tätigen Zeltbaumeister Roland Augustin der Beklagten der Fall. Er war mit der Leitung des Baus vor Ort betraut. Der personelle Anwendungsbereich der §§ 31, 30 deckt sich in etwa mit dem Begriff des leitenden Angestellten.

Selbst wenn man dies verneint, so wäre die Beklagte aufgrund eines Organisationsmangels haftbar zu machen. Danach ist die juristische Person verpflichtet, den Gesamtbereich ihrer Tätigkeit so zu organisieren, dass für alle wichtigen Aufgabengebiete ein verfassungsmäßiger Vertreter zuständig ist, der die wesentlichen Entscheidungen selbst trifft. Entspricht die Organisation diesen Anforderungen nicht, muss sich die juristische Person so behandeln lassen, als wäre der tatsächlich eingesetzte Verrichtungsgehilfe ein verfassungsmäßiger Vertreter (BGH NJW 1980, 2810). Die Übertragung eines wichtigen Aufgabenbereichs an einen Funktionsträger oder Bediensteten begründet daher nach der Rechtsprechung für die juristische Person eine Haftung ohne Entlastungsmöglichkeit. So liegen die Dinge hier. Die Beklagte haftet ohne Entlastungsmöglichkeit für das Verschulden des von ihr beauftragtem Zeltbaumeisters Augustin.

2.) In dessen Person liegt hier eine unerlaubte Handlung nach § 823 Abs. 1 BGB vor. Schon mit dem Aufbau des baulich nicht einwandfreien, den DIN-Normen nicht entsprechenden Zeltes wurde die Ursache für den späteren Schadensfall gesetzt. Dieses musste besonders im Herbst so beschaffen sein, dass es auch ungewöhnlichen Wetterverhältnissen wie Orkanen und kräftigen Sturmböen standhielt. Indem die Beklagte bzw. der Zeuge Augustin dies nicht beachteten, handelten sie fahrlässig. Für sie war bei Beachtung der erforderlichen Sorgfalt voraussehbar, dass durch den Aufbau des baulich nicht einwandfreien Zeltes bei entsprechenden Witterungsverhältnissen an Nachbargebäuden Schäden entstehen konnten. Die Beklagte bzw. der Zeuge Augustin handelten damit mindestens leicht fahrlässig im Sinne von § 823 Abs. 1 BGB.

C.

Der Schadensersatzanspruch des Landes ist der Höhe nach nur zum Teil begründet.

1.) Es kann Schadensersatz entsprechend der vorgelegten Rechnung für die Notreparatur des Daches i. H. v. 29.799,95 DM verlangen. Insoweit ist kein Abzug neu für alt vorzunehmen (vgl. dazu Palandt/Heinrichs, a.a.O., Rdn. 146 vor § 249).

2.) Bezüglich der Kosten der Schornsteinerneuerung von 1.892,67 DM hält der Senat einen Abzug neu für alt für gerechtfertigt, den er gem. § 287 ZPO auf 20 % schätzt, da das Gebäude durch den Einbau eines neuen Schornsteins eine Wertverbesserung erfährt. Hier tritt im Vermögen des Landes eine messbare Vermögensmehrung ein, denn der neue Schornstein hat eine längere "Lebenserwartung" als der alte, es werden auf längere Sicht Reparaturaufwendungen erspart, so dass sich die Werterhöhung für das Land wirtschaftlich günstig auswirkt (BGH 30, 34; 102, 331; OLG Frankfurt BauR 87, 323). Schließlich ist die Vorteilsausgleichung für das Land auch zumutbar (BGH 30, 34). Insoweit kann es daher aus der Rechnung vom 24.09.1997 nur einen Betrag von 1.514,27 DM beanspruchen.

3.) Erstattungsfähig sind die Beträge für die Bewachung des Gebäudes i. H. v. 275,31 DM und die an die Bediensteten geleisteten Erstattungsbeträge für die Selbstbeteiligung i. H. v. insgesamt 600,00 DM.

4.) Den geltend gemachten Besoldungsschaden i. H. v. 2.727,53 DM kann das Land nicht ersetzt verlangen. Es trägt nicht vor, dass ihm durch die 3-stündige Untätigkeit der Bediensteten, d. h. die Betriebsunterbrechung ein Vermögensschaden entstanden ist. Bei dem Besoldungsschaden handelt es sich um sogenannte "frustrierte Aufwendungen". Nur nach der in der Literatur vertretenen Frustrationstheorie sollen Aufwendungen des Geschädigten unabhängig von dem maßgebenden Haftungsgrund immer einen Schaden darstellen, soweit sie infolge des schädigenden Ereignisses fehlschlagen (Esser/Schmidt, § 31 III). Diese Auffassung wird von der Rechtsprechung und der h. L. abgelehnt (BGH NJW 2000, 2342; Münchner Kommentar, § 249, Rdn 43; Staudinger/Schiemann, § 249, Rdn 125). Dieser Rechtsprechung und h. L. schließt sich der Senat an. Es besteht nach altem Schuldrecht kein allgemeiner Rechtssatz dahin, dass Aufwendungen schlechthin zu ersetzen sind, die durch ein Schadensereignis nutzlos geworden sind (BGH NJW 1977, 2266). Lediglich bei der Neuregelung des § 284 BGB n. F. hat sich der Gesetzgeber anders entschieden. Das Land könnte insoweit nur dann einen Schaden geltend machen, wenn ihm durch die Betriebsunterbrechung nachhaltig ein Gewinn entgegangen ist. Dazu kann es nichts vortragen, denn das Finanzamt kann nicht mit einem auf Gewinnerzielung gerichteten Gewerbebetrieb gleichgesetzt werden.

5.) Der Zinsschaden des Landes ergibt sich aus den §§ 284 Abs. 1, 286 Abs. 1, 288 Abs. 2 BGB a. F. Es kann ab Verzugseintritt, dem 16.09.1998, 5,25 % Zinsen p. a. verlangen. Mit Ablauf der Zahlungsfrist des Schreibens vom 02.09.1998 geriet die Beklagte gem. § 284 Abs. 1 BGB a. F. in Verzug. Der geltend gemachte Zinssatz ist der Höhe nach gerechtfertigt. Das Land legte mit Schreiben des Finanzministeriums vom 29.06.1998 die konkreten Zinsbelastungen dar, die es zu tragen hat. Diese Zinssätze selbst hat die Beklagte nicht in Frage gestellt. Das Schreiben vom 29.06.1998 beinhaltet nicht nur eine Anweisung der Behörde, sondern die konkreten Zinssätze, die das Land zu tragen hat. Wenn die Beklagte fristgemäß gezahlt hätte, hätte das Land seinen Kredit anteilig reduzieren können.

D.

Die Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 92 Abs. 2, 708 Nr. 10, 713 ZPO.

Anlass zur Zulassung der Revision bestand nicht.

Ende der Entscheidung

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