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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Rostock
Beschluss verkündet am 16.04.2007
Aktenzeichen: 3 W 119/06
Rechtsgebiete: SOG M-V


Vorschriften:

SOG M-V § 56 Abs. 5
SOG M-V § 55 Abs. 1 Nr. 2 2. Halbsatz
1. Die richterliche Entscheidung gemäß § 56 Abs. 5 SOG M-V darf sich nicht auf eine Überprüfung der Rechtmäßigkeit des vorangegangenen polizeilichen Zugriffs beschränken. Vielmehr hat der Richter auch und insbesondere über die Fortdauer des Gewahrsams zu befinden. Dies erfordert die Prüfung, ob im Zeitpunkt seiner Entscheidung die Fortdauer der Freiheitsentziehung zur Abwehr der fortbestehenden Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung geboten ist. Hierbei hat sich der Richter zunächst damit auseinanderzusetzen, ob die Polizeibeamten den Betroffenen zu Recht in Gewahrsam genommen haben. War die Ingewahrsamnahme bereits rechtswidrig, so lässt sich ihre Fortdauer allenfalls dann rechtfertigen, wenn neue Erkenntnisse hinzukommen.

2. Für die Annahme einer polizeilichen Gefahr genügt es, dass bei objektiver Sicht zur Zeit des polizeilichen Einschreitens die Tatsachen auf eine drohende Gefahr hindeuten, ohne dass sofort eindeutig Klarheit geschaffen werden kann. Die Rechtmäßigkeit der vorangegangenen Ingewahrsamnahme durch die Polizeibeamten allein indiziert nicht die Rechtmäßigkeit der richterlich angeordneten Fortdauer der Ingewahrsamnahme. Vielmehr hat das Amtgericht zu prüfen, ob im Falle der Freilassung weiterhin die Gefahr besteht, dass der Betroffene nach Freilassung seine Straftat fortsetzen, eine weitere Straftat begehen, bzw. weiterhin die öffentliche Sicherheit und Ordnung stören wird.

3. Feststellungen zum Fortbestehen der Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung zum Zeitpunkt der richterlichen Entscheidung sind in dem nach den Umständen des Einzelfalles möglichen Umfang erforderlich.Vielfach indizieren bestimmte Verhaltensweisen die die Freiheitsentziehung rechtfertigende Prognose. Bei der richterlichen Entscheidung gem. § 56 Abs. 5 SOG kann der Rückgriff auf § 55 Abs. 1 Nr. 2 2. Halbsatz SOG M-V hilfreich sein. Als solche Anzeichen sind dort erwähnt die Ankündigung der Begehung der Tat oder die Aufforderung dazu, das Mitführen von Transparenten, Flugblättern oder sonstigen Gegenstände mit derartigen Aufforderungen, zudem das Mitführen von Waffen und Werkzeugen oder sonstigen Gegenständen, die zur Tatbegehung geeignet sind, und schließlich das Auffälligwerden des Störers in der Vergangenheit aus vergleichbarem Anlass.


Oberlandesgericht Rostock

Beschluss

3 W 119/06

In dem Freiheitsentziehungsverfahren

hat der 3. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Rostock am 16.04.2007 beschlossen:

Tenor:

Auf die weitere Beschwerde werden der Beschluss des Landgerichts Rostock vom 19.06.2006 (Az.: 2 T 100/06) und der Beschluss des Amtsgerichts Rostock vom 01.05.2006 (Az.: XIV 227/06) aufgehoben. Es wird festgestellt, dass die am 01.05.2006 durch das Amtsgericht Rostock angeordnete Fortdauer der polizeilichen Ingewahrsamnahme rechtswidrig war.

Die Kosten der Beschwerde und der weiteren Beschwerde werden der Staatskasse auferlegt.

Gegenstandswert der Beschwerde: bis 1.000,00 €

Gründe:

I.

Der Betroffene erstrebt die Feststellung der Rechtswidrigkeit einer Freiheitsentziehung.

Am Vormittag des 01.05.2006 hielt er sich in Rostock auf der Steinstraße auf. Dort fand eine Demonstration statt. Um 11.30 Uhr nahmen mehrere Polizeibeamte ihn in Gewahrsam; anschließend wurde er vernommen und dem Richter vorgeführt, der ihn in der Zeit von 14.15 Uhr bis 14.25 Uhr anhörte. Sodann ordnete das Amtsgericht mit sofortiger Wirksamkeit die Fortdauer der polizeilichen Ingewahrsamnahme längstens bis zum 02.05.2006, 09.00 Uhr, an. Begründet wird dieser auf einem Vordruck abgefasste Beschluss wie folgt (vorgedruckte Passagen sind kursiv wiedergegeben):

"Die Ingewahrsamnahme des Betroffenen ist unerlässlich, um eine gegenwärtige Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung abzuwehren (§§ 55 Abs. 1 Nr. 3, 56 Abs. 5 SOG M-V).

Der Betroffene hat während einer Demonstration einen Polizeibeamten angegriffen und beleidigt. Der Verdacht ergibt sich aus der Aussage des Polizeibeamten.

Die Anordnung der Fortdauer der polizeilichen Ingewahrsamnahme ist auch nicht unverhältnismäßig. Um die begründete Gefahr für eine Vereitelung der Anordnung auszuschließen, war gem. § 8 Abs. 1 Satz 2 FEVG die sofortige Wirksamkeit der Entscheidung anzuordnen."

Die sofortige Beschwerde des Betroffenen gegen diesen Beschluss blieb erfolglos. In seiner Begründung stellte das Landgericht - in tatsächlicher Hinsicht dessen Einlassung folgend - fest, der Betroffene habe gesehen, dass vier Polizeibeamte in Höhe des Postgebäudes einen jungen Mann "am Wickel gehabt" und ihn festgehalten hätten. Um dem jungen Mann zu helfen, habe der Betroffene im Laufschritt die Straße überquert. Ungefähr in der Mitte der Straße habe ihn ein Polizist erreicht und mit seiner Schulter geschubst, so dass der Betroffene gestolpert und hingefallen sei. Dem Betroffenen sei es dann gelungen aufzustehen, obwohl ein Polizeibeamter ihn festgehalten habe. Er habe dann den Polizeibeamten festgehalten, um ihn auf Distanz zu halten. Der Polizeibeamte habe ihn aufgefordert loszulassen und zugesichert, auch den Betroffenen loszulassen. Dieser habe losgelassen, jedoch nicht der Polizeibeamte. Der Betroffene habe dann versucht, dem Polizeibeamten seinen Pullover zu entreißen, an dem dieser ihn festgehalten habe. Das sei ihm gelungen. Dann seien drei bis vier weitere Polizeibeamte gekommen, die ihn zu Boden gebracht, gefesselt und abgeführt hätten. Ihm sei weder bewusst geworden, dass er die Polizeiausrüstung beschädigt noch dass er die Polizeibeamten beleidigt habe.

Weiter heißt es in dem Beschluss, von dem Betroffenen sei insbesondere dadurch eine gegenwärtige Gefahr für die öffentliche Sicherheit ausgegangen, weil er versucht habe, polizeiliche Maßnahmen zu verhindern. So habe er beabsichtigt, die Polizeibeamten körperlich anzugreifen, um dem in ihrer Gewalt befindlichen jungen Mann zu helfen. Ein derartiger geplanter körperlicher Angriff auf Polizeibeamte rechtfertige die Ingewahrsamnahme. Diese sei auch insofern unerlässlich gewesen, da davon auszugehen gewesen sei, dass der Betroffene auch in der Folge an diesem Tag körperlich gegen Polizeibeamte vorgegangen wäre, wenn er der Meinung gewesen wäre, andere Personen gegen Polizeibeamte schützen zu müssen.

Gegen diesen Beschluss wendet sich der Betroffene mit seiner sofortigen weiteren Beschwerde. Er beanstandet insbesondere, dass das Landgericht es unterlassen habe, die von ihm, dem Betroffenen, benannten Zeugen zu vernehmen.

II.

Die weitere Beschwerde des Betroffenen ist zulässig. Ihr steht nicht entgegen, dass der Betroffene noch am Abend des 01.05.2006 freigelassen wurde. Wird mit einer gerichtlichen Entscheidung tiefgreifend in ein Grundrecht eingegriffen, so gebietet der aus Artikel 14 Abs. 4 GG abgeleitete effektive Rechtschutz auch nach Beendigung der freiheitsentziehenden Maßnahme vor Erschöpfung des Rechtsmittelweges, dem Betroffenen die Möglichkeit zu geben, den Grundrechtseingriff auf seine Rechtsmäßigkeit hin überprüfen zu lassen (BVerfG NJW 2002, 206).

III.

Die weitere Beschwerde ist begründet. Gegenstand der Rechtsmittel des Betroffenen ist nicht die am 01.05.2006 am Vormittag vollzogene Ingewahrsamnahme des Betroffenen, sondern die richterlich angeordnete Fortdauer des Gewahrsames. Gemäß § 27 FGG ist der Senat darauf beschränkt, die angegriffene Entscheidung darauf hin zu überprüfen, ob sie auf einer Rechtsverletzung beruht. Dies ist vorliegend der Fall.

1. Bei der Entscheidung über die Fortdauer der Ingewahrsamnahme hat das Amtsgericht nicht festgestellt, dass die Voraussetzungen des § 55 Abs. 1 Nr. 2 und 3 SOG M-V zum Zeitpunkt seiner Entscheidung weiterhin gegeben waren, d. h. dass die Fortdauer der Ingewahrsamnahme zur Abwendung einer Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung unerlässlich war.

Die richterliche Entscheidung gemäß § 56 Abs. 5 SOG M-V darf sich nicht auf eine Überprüfung der Rechtmäßigkeit des vorangegangenen polizeilichen Zugriffs beschränken. Vielmehr hat der Richter auch und insbesondere über die Fortdauer des Gewahrsams zu befinden. Dies erfordert die Prüfung, ob im Zeitpunkt seiner Entscheidung die Fortdauer der Freiheitsentziehung zur Abwehr der fortbestehenden Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung geboten ist.

a) Hierbei hat sich der Richter zunächst damit auseinanderzusetzen, ob die Polizeibeamten den Betroffenen zu Recht in Gewahrsam genommen haben. War die Ingewahrsamnahme bereits rechtswidrig, so lässt sich ihre Fortdauer allenfalls dann rechtfertigen, wenn neue Erkenntnisse hinzukommen.

Bei der Beurteilung der Rechtmäßig- oder Rechtswidrigkeit der polizeilichen Ingewahrsamnahme ist auf die Situation unmittelbar vor dem Zugriff abzustellen. Für die Annahme einer polizeilichen Gefahr genügt es, dass bei objektiver Sicht zur Zeit des polizeilichen Einschreitens die Tatsachen auf eine drohende Gefahr hindeuten, ohne dass sofort eindeutig Klarheit geschaffen werden kann (BGH, Beschl. vom 27.10.1988 - III ZR 256/87, BGHR Verwaltungsrecht, Allg. Grundsätze, Polizeirecht 1; OLG Hamm, Urt. v. 07.06.1978 - IV A 330/77, NJW 1980, 138). Spätere Erkenntnisse nach eingehender Beweisaufnahme sind nicht zu berücksichtigen, da diese den vollziehenden Polizeibeamten vor Ort nicht zur Verfügung standen.

Die auf eine polizeiliche Gefahr deutenden Tatsachen waren vorliegend gegegeben, denn der Betroffene hat selbst eingestanden, auf die Polizeibeamten losgegangen zu sein, um dem in ihrer Gewalt befindlichen jungen Mann zu helfen. Auch wenn er nicht dartut, auf welche Art er "helfen" wollte, so erweckte jedenfalls das Zugehen auf die Polizeibeamten den Eindruck, dass er diese körperlich angreifen werde, um den anderen Mann aus deren Gewalt zu befreien. Demgemäß durften die Polizeibeamten den Betroffenen gem. § 55 Abs. 1 Nr. 2 1. Halbsatz und Nr. 3 SOG M-V in Gewahrsam nehmen, weil die Begehung einer Straftat - Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte gem. § 113 StGB - unmittelbar bevorstand. Auch bedeutete der begründete Verdacht, dass der Betroffene die Vollzugshandlung der Polizeibeamten stören werde, eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung. In der Situation vor Ort genügte es nicht, den drohenden Angriff des Betroffenen abzuwehren; vielmehr war es geboten, ihn zunächst von dem Tatort zu entfernen.

b) Sodann hat der Richter festzustellen, ob die Voraussetzungen des § 55 Abs. 1 Nr. 2 und 3 SOG M-V weiterhin gegeben sind, d. h. die Fortdauer der Ingewahrsamnahme zur Abwehr einer Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung unerlässlich ist. Die Rechtmäßigkeit der vorangegangenen Ingewahrsamnahme durch die Polizeibeamten allein indiziert nicht die Rechtmäßigkeit der richterlich angeordneten Fortdauer der Ingewahrsamnahme. Vielmehr hat das Amtgericht zu prüfen, ob im Falle der Freilassung weiterhin die Gefahr besteht, dass der Betroffene nach Freilassung seine Straftat fortsetzen, eine weitere Straftat begehen, bzw. weiterhin die öffentliche Sicherheit und Ordnung stören wird. Das Amtsgericht Rostock hat hierzu keine Feststellungen getroffen. Es begnügt sich durch Ankreuzen der vorgedruckten Textpassage mit dem Satz, die Ingewahrsamnahme des Betroffenen sei unerlässlich, um eine gegenwärtige Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung abzuwehren, wobei dieser Satz nicht erkennen lässt, ob er die Fortdauer der Ingewahrsamnahme meint. Auf welche tatsächlichen Anhaltspunkte sich diese Überzeugung stützt, ist nicht ausgeführt.

Feststellungen zum Fortbestehen der Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung zum Zeitpunkt der richterlichen Entscheidung sind in dem nach den Umständen des Einzelfalles möglichen Umfang erforderlich. Der Senat verkennt nicht, dass in dem Anhörungstermin der Richter nicht aufwändig Beweis erheben kann. Insbesondere kann er nicht die Polizeibeamten vernehmen, die weiterhin auf der Straße benötigt werden. Er ist auf den Akteninhalt und auf seine persönliche Überzeugung angewiesen. Ob ihm zuzumuten ist, ggf. eine Videoaufzeichnung in Augenschein zu nehmen, um sich selbst ein Bild davon zu machen, wie aggressiv sich der ihm vorgeführte Betroffene auf der Straße verhalten hat, kann dahin stehen. Jedenfalls ist es unerlässlich, dass er zu der Überzeugung gelangt, dass von dem Betroffenen weiterhin eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung ausgeht. Eine solche Prognose ist bei der richterlichen Entscheidungsfindung, namentlich bei freiheitsentziehenden Maßnahmen nicht ungewöhnlich. So hat der Richter bei Anordnung der Untersuchungshaft nach § 112 StPO auszuführen, aus welchen tatsächlichen Anhaltspunkten er Flucht- oder Verdunklungsgefahr ableitet. Bei Anordnung der Abschiebehaft gem. § 62 AufenthG ist zu begründen, welche tatsächlichen Umstände die Gefahr begründen, dass der Betroffene sich der Abschiebung entziehen wird. Vielfach indizieren bestimmte Verhaltensweisen die die Freiheitsentziehung rechtfertigende Prognose. Bei der richterlichen Entscheidung gem. § 56 Abs. 5 SOG kann der Rückgriff auf § 55 Abs. 1 Nr. 2 2. Halbsatz SOG M-V hilfreich sein, der Regelfälle aufführt, die die Annahme rechtfertigen, dass von dem Betroffenen eine fortdauernde Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung ausgehen wird. Als solche Anzeichen sind dort erwähnt die Ankündigung der Begehung der Tat oder die Aufforderung dazu, das Mitführen von Transparenten, Flugblättern oder sonstigen Gegenstände mit derartigen Aufforderungen, zudem das Mitführen von Waffen und Werkzeugen oder sonstigen Gegenständen, die zur Tatbegehung geeignet sind, und schließlich das Auffälligwerden des Störers in der Vergangenheit aus vergleichbarem Anlass.

Nach der Aktenlage lagen die Beweisanzeichen gem. § 55 Abs. 1 Nr. 2, 2. Halbsatz lit. a und b SOG M-V nicht vor. Angesichts des Datenbestandes der Polizeibehörde und der einfachen Übermittlungswege wäre durchaus in der Zeit nach Festnahme (11.30 Uhr) und Vorführung vor dem Richter (14.15 Uhr) abzuklären gewesen, ob der Betroffene in der Vergangenheit wegen Störung einer Demonstration oder wegen eines ähnlichen Anlasses aufgefallen ist (§ 55 Abs. 1 Nr. 2, 2. Halbsatz lit. c SOG M-V). Dahingehende Erkenntnisse wären geeignet gewesen, die Fortdauer der Ingewahrsamnahme zu rechtfertigen. Ohne solche Feststellungen kann jedoch allein aus dem Verhalten des Betroffenen am Vormittag des 01.05.2006 nicht geschlossen werden, dass er nach Freilassung um 14.25 Uhr wieder auf die Straße gegangen wäre, um weiterhin zu stören. Zu berücksichtigen ist, dass vielfach schon der Zeitablauf deeskalierend wirkt. Einen bislang nicht auffällig gewordenen, im Umgang mit Vollzugsmaßnahmen der Polizei unerfahrenen Bürger lassen die erkennungsdienstlichen Maßnahmen und ein kurzfristiger Freiheitsentzug von knapp drei Stunden in der Regel nicht unbeeindruckt und er wird bedacht sein, nicht erneut zu stören und sich der wiederholten Gefahr eines polizeilichen Eingreifens auszusetzen. Auch kann sich der Richter ohne Hinzuziehung eines Psychologen einen persönlichen Eindruck von dem ihm vorgeführten Betroffenen verschaffen, insbesondere seine Reaktion auf die vorangegangene Festnahme würdigen. Macht der Vorgeführte einen ruhigen Eindruck, so kann dies gegen die fortdauernde Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung sprechen, während umgekehrt aggressives oder uneinsichtiges Verhalten durchaus als Indiz für die Prognose taugt, dass er nach Entlassung erneut auf die Straße gehen wird, um zu stören. Die tatsächlichen Grundlagen seiner richterlichen Überzeugung hat der Richter in der Begründung seiner Entscheidung nachvollziehbar auszuführen. Die fortbestehende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung mit der Erwägung zu begründen, der Betroffene habe bei seiner Anhörung einen aggressiven und/oder uneinsichtigen Eindruck gemacht, ist ebenso rechtsfehlerfrei wie die Begründung, er sei ruhig aufgetreten und der vorangegangene kurzfristige Freiheitsentzug habe ihn beeindruckt. Mit einer solchen Überzeugungsbildung in der einen oder anderen Richtung ist der Richter nicht überfordert.

Da der Beschluss des Amtsgerichts Rostock vom 01.05.2006 keine Feststellungen enthält, die die Anordnung der Fortdauer der Ingewahrsamnahme rechtfertigen, ist die Entscheidung rechtswidrig.

2. Auch der Beschluss des Landgerichts Rostock vom 19.06.2006 lässt die Prüfung vermissen, ob am Nachmittag des 01.05.2006 die Fortdauer der Ingewahrsamnahme noch erforderlich war. Die Formulierung: "Die Ingewahrsamnahme war unerlässlich, da davon auszugehen war, ..." (jeweils Imperfekt) zeigt, dass das Landgericht nicht geprüft hat, ob zur Zeit der richterlichen Entscheidung am Nachmittag des 01.05.2006 für den erstinstanzlichen Richter erkennbar die Voraussetzungen für die Fortdauer der Ingewahrsamnahme gegegeben waren. Selbst wenn das Landgericht mit diesem Satz die richterliche Anordnung der Fortdauer der Ingewahrsamnahme gemeint haben sollte, fehlen jedenfalls Ausführungen dazu, aus welchem Grund diese geboten war.

Nachträgliche tatsächliche Feststellungen können nach Auffassung des Senats die Rechtswidrigkeit der richterlichen Anordnung der Fortdauer der Ingewahrsamnahme nicht rückwirkend beseitigen. Daher kann der Senat ohne Aufhebung und Zurückverweisung abschließend entscheiden.

IV.

Die Kostenentscheidung ergeht nach § 16 FreihEntzG.



Ende der Entscheidung

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