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Gericht: Oberlandesgericht Rostock
Beschluss verkündet am 07.08.2006
Aktenzeichen: 3 W 39/06
Rechtsgebiete: ZSEG, JVEG
Vorschriften:
ZSEG § 16 Abs. 2 | |
ZSEG § 3 Abs. 1 | |
JVEG § 24 |
2. Der Sachverständige ist nur weisungsgebundener Gehilfe des Gerichts bei der Auswertung ihm vorgegebener Tatsachen durch die aus seinem Fachwissen hergeleiteten Bewertungen, Schlussfolgerungen und Hypothesen. Dieser Weisungsgebundenheit entsprechend ist das Gericht verpflichtet, den Sachverständigen in den Grund, Inhalt und Zweck des Gutachterauftrags vollständig und unmissverständlich einzuweisen. Hält sich der Sachverständige an diese Weisungen, ist er für seine Leistungen voll zu entschädigen.
Oberlandesgericht Rostock
Beschluss
In dem Rechtsstreit
hat der 3. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Rostock am 07.08.2006 beschlossen:
Tenor:
Auf die Beschwerde des Sachverständigen Dr. U. K. wird der Beschluss des Landgerichts Rostock vom 07.09.2005 aufgehoben.
Der Sachverständige ist nach dem ZSEG zu entschädigen.
Zur Entscheidung über die Höhe der zu gewährenden Entschädigung wird die Sache an das Landgericht zurückverwiesen.
Das Beschwerdeverfahren ist gebührenfrei; Kosten werden nicht erstattet.
Gründe:
I.
Mit Beschluss vom 31.01.2003 ordnete das Landgericht Rostock an, durch Einholung eines schriftlichen Sachverständigengutachtens Beweis zu erheben über die Behauptungen des Klägers,
1. die am 03.07.2001, 30.07.2001 und am 15.08.2001 gelieferten Steine entsprächen in Form- und Farbgebung nicht dem Stein "Moabiter Werder"; bei den am 22.08.2001 gelieferten Formsteinen handele es sich nicht um die bestellte Fußsortierung Außenradius;
2. ein Stundenzeichnungssatz von 58,00 DM sei für einen Bauleiter, einen Polier, einen Baufacharbeiter und einen Bauhilfsarbeiter angemessen.
Am 11.04.2003 bestellte es Dr. rer. nat. U. K., G., zum Sachverständigen. Auf dessen Antrag setzte das Gericht mit Beschluss vom 18.12.2003 den Stundensatz auf 51,00 € zuzüglich 50 % fest.
In einem Ortstermin am 07.06.2004 erörtert das Gericht mit den Prozessbevollmächtigten der Parteien und dem Sachverständigen unter anderem, dass von jeder einzelnen Lieferung ca. 6-8 Steine untersucht werden sollen und insoweit davon auszugehen sei, dass die jeweiligen Steine als für die Lieferungen repräsentativ angesehen werden können. Desweiteren sollten aus dem Mauerwerk acht Steine zu Untersuchungszwecken entnommen werden. Erörtert wurde im weiteren, dass als Grundlage für die Beurteilung das Aussehen der Technikzentrale heranzuziehen sei, die zwei Jahre vor dem hier streitgegenständlichen Objekt - die Nervenklinik in Gehlsdorf - errichtet wurde.
Mit Schreiben vom 30.06.2004 schlug der Sachverständige vor, unter anderem eine Prüfung der Druckfestigkeit sowie weiterer Parameter der in Rede stehenden Verblendziegel durchzuführen. Mit einem weiteren Schreiben vom 12.08.2004 teilte er mit, für die weitere Bearbeitung Informationen bzw. Unterlagen über die exakte Datierung der einzelnen Lieferungen, Lieferscheine, Rechnungen von den Lieferungen nach dem 24.10.2001, ein detailliertes Leistungsverzeichnis und soweit vorhanden weitere detaillierte Angebots- bzw. Vertragstexte zu benötigen. Mit Beschluss vom 16.08.2004 wurde er angewiesen, seine gutachterliche Stellungnahme ohne Durchführung einer Druckfestigkeitsuntersuchung auf der Grundlage der ihm zur Zeit vorliegenden Unterlagen zu erstellen.
Am 15.12.2004 erstattete der Sachverständige sein schriftliches Gutachten, welches er in der mündlichen Verhandlung vom 26.05.2005 erläuterte.
Seine Aufwendungen rechnete er am 15.12.2004 über 4.739,47 € sowie am 31.05.2005 über weitere 1.154,01 € ab.
Mit Beschluss vom 07.05.2005 setzte das Landgericht Rostock die Vergütung des Sachverständigen auf 0,00 € fest. Begründend führte es aus, dass das Gutachten auf Grund grob fahrlässig herbeigeführter inhaltlicher Mängel unbrauchbar sei. Der hiergegen gerichteten Beschwerde des Sachverständigen half das Landgericht nicht ab.
II.
1. Die Beschwerde des Sachverständigen gegen die Versagung seiner Vergütung ist gem. § 16 Abs. 2 ZSEG zulässig. Gem. § 24 des seit dem 01.07.2004 geltenden JVEG ist das ZSEG für vor diesem Datum erteilte Aufträge anzuwenden. Die Auftragserteilung erfolgte vorliegend im April 2003.
2. Die Beschwerde des Sachverständigen ist begründet. Er hat Anspruch auf Entschädigung seiner Leistungen nach dem ZSEG.
2.1. Nach § 3 Abs. 1 ZSEG sind Sachverständige für ihre Leistung zu entschädigen. Ob dies auch dann gilt, wenn sein Gutachten wegen verschuldeter inhaltlicher Mängel unverwertbar ist, ist im Gesetz nicht geregelt. Allerdings würde es gegen den auch für öffentlich- rechtliche Rechtsbeziehungen geltenden Grundsatz von Treu und Glauben verstoßen, einen Sachverständigen zu entschädigen, der durch eine vorsätzliche Pflichtverletzung die Unverwertbarkeit seines Gutachtens herbeigeführt hat. Andererseits ist es mit den Belangen einer geordneten Rechtspflege unvereinbar, dem Sachverständigen in allen Fällen, in denen ihm wegen einer Verursachung der Unverwertbarkeit seines Gutachtens ein Schuldvorwurf gemacht werden kann, den Entschädigungsanspruch zu versagen. Dies hätte zur Folge, dass er bereits bei einer durch eine leichte Fahrlässigkeit herbeigeführten Unverwertbarkeit seinen Entschädigungsanspruch verlieren würde. Das ist mit seiner Stellung als Gehilfe des Richters bei der Urteilsfindung, auf die er wegen seiner besonderen Sachkunde wesentlichen Einfluss nehmen kann, unvereinbar. Für das Funktionieren der Tätigkeit des gerichtlichen Sachverständigen im gerichtlichen Verfahren ist dessen innere Unabhängigkeit von besonderer Bedeutung. Zu deren Erhaltung hat es der Bundesgerichtshof für notwendig angesehen, eine Haftung des Sachverständigen auf Schadensersatz gegenüber einem Verfahrensbeteiligten wegen eines fahrlässig unrichtig erstatteten Gutachtens auszuschließen (BGH, MDR, 1974, 300). Diese Erwägungen rechtfertigen es, dem Sachverständigen auch in solchen Fällen den Entschädigungsanspruch zu erhalten, in denen er die Unverwertbarkeit seines Gutachtens nur durch leichte Fahrlässigkeit verursacht hat (BGH, MDR, 1976, 575).
2.2. Das Landgericht hält das Gutachten des Sachverständigen mit der Begründung für unbrauchbar, die gutachterlichen Schlussfolgerungen stünden in keinem erkennbaren Zusammenhang mit den durchgeführten aufwendigen Untersuchungen. Der Sachverständige habe die Zusammensetzung der Steine labortechnisch untersuchen lassen, ohne zuvor festzustellen, welche Beschaffenheit ein Stein "Moabiter Werder" haben müsse. Erkundigungen beim Hersteller hinsichtlich des üblichen Solls habe der Sachverständige unterlassen. Das Gericht wirft dem Sachverständigen vor, die Unbrauchbarkeit seines Gutachtens grob fahrlässig herbeigeführt zu haben. Der Kläger habe bereits im Schriftsatz vom 09.03.2005 darauf hingewiesen, dass der Gutachter nicht mitgeteilt habe, welche Eigenschaften der Stein "Moabiter Werder" aufweisen müsse. Dieser Schriftsatz, der ihm zur Vorbereitung der Anhörung übersandt worden sei, hätte dem Sachverständigen Anlass geben müssen, zumindest anlässlich seiner mündlichen Anhörung sein Gutachten so zu erläutern, dass die entscheidenden Anknüpfungstatsachen erkennbar würden.
Dieser Beurteilung schließt sich der Senat nicht an.
a) Es ist nicht festzustellen, dass das Gutachten des Sachverständigen insgesamt unbrauchbar ist. Dass und weshalb es zum zweiten Teil der ersten Beweisfrage und zum zweiten Beweisthema unverwertbar sein soll, führt das Landgericht nicht aus.
b) Dem Sachverständigen ist auch nicht vorzuwerfen, die Unverwertbarkeit seines Gutachtens zur ersten Beweisfrage grob fahrlässig verursacht zu haben.
Nicht gerechtfertigt ist bereits der Vorwurf, der Sachverständige habe die Zusammensetzung der Steine labortechnisch untersuchen lassen, ohne zuvor festzustellen, welche Beschaffenheit ein Stein "Moabiter Werder" haben müsse. Aufgabe des Sachverständigen war es, die gelieferten Steine in Form- und Farbgebung mit dem Stein "Moabiter Werder" zu vergleichen. Untersuchungen zur Beschaffenheit der Steine, die u. a. auch eine Beurteilung der stofflichen Zusammensetzung und Druckfestigkeit der Steine erfordert hätte, waren nicht verlangt. Folglich bezogen sich die labortechnischen Untersuchungen des Sachverständigen auch nur auf die Form- und Farbgebung sowie auf die Oberflächentextur.
Der Sachverständige musste auch nicht Erkundigungen darüber einholen, welchen Soll hinsichtlich Form- und Farbgebung der Hersteller unter dem Begriff "Moabiter Werder" oder "Sahara geflammt" versteht. Ihm wurde beim Ortstermin am 07.06.2004 vorgegeben, als Grundlage für die Beurteilung der Frage, ob die zu untersuchenden Steine in Form- und Farbgebung dem Stein "Moabiter Werder" entsprechen, das Aussehen der Technikzentrale heranzuziehen. Im Hinblick auf diese Anweisung, der er gefolgt ist, war es dem Sachverständigen verwehrt, eine andere Untersuchungsgrundlage, wie z.B. das vom Hersteller definierte Soll, als Vergleichsmaßstab zu verwenden. Zudem hatte der Kläger bereits in seiner Klageschrift ausgeführt, dass an dem Vergleichsobjekt, der Technikzentrale, der Stein "Moabiter Werder" verwandt worden war.
Auch nach Übersendung des Schriftsatzes des Klägers vom 09.03.2005 zur Vorbereitung seiner Anhörung in der mündlichen Verhandlung vom 26.05.2005 war der Sachverständige nicht gehalten, sich beim Hersteller nach dem "üblichen Soll" der Steine "Moabiter Werder" zu erkundigen. Er ist nur weisungsgebundener Gehilfe des Gerichts bei der Auswertung ihm vorgegebener Tatsachen durch die aus seinem Fachwissen hergeleiteten Bewertungen, Schlussfolgerungen und Hypothesen. Dieser Weisungsgebundenheit entsprechend ist das Gericht verpflichtet, den Sachverständigen in den Grund, Inhalt und Zweck des Gutachterauftrags vollständig und unmissverständlich einzuweisen (vgl. Zöller/Greger, ZPO, 25. Aufl., § 404 a, Rn. 1). Mit dem Vergleichsobjekt Technikzentrale hat es dem Sachverständigen das Soll vorgegeben, welches als Grundlage für die Beurteilung der Beweisfrage, ob die gelieferten Steine der Form- und Farbgebung dem Stein "Moabiter Werder" entsprechen, dienen sollte. Sah das Gericht in dem Schriftsatz des Klägers vom 09.03.2005 Veranlassung, nunmehr von einer anderen Sollbestimmung - hier die des Herstellers - auszugehen, hätte es den Sachverständigen darauf hinweisen müssen.
III.
Zur Festsetzung der Höhe der Entschädigung des Sachverständigen wird die Sache an das Landgericht zurückverwiesen.
IV.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 16 Abs. 5 ZSEG.
Ende der Entscheidung
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