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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Rostock
Beschluss verkündet am 05.06.2009
Aktenzeichen: 3 W 47/09
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 2078 Abs. 2
BGB § 2229 Abs. 4
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Oberlandesgericht Rostock Beschluss

3 W 47/09

In der Nachlasssache

der am 16. September 1920 in I. geborenen, zuletzt in G. wohnhaft gewesenen G.S., geb. B., verstorben am 11.07.2006 (Sterbeurkunde G. Nr. xxx/2006)

hat der 3. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Rostock am 05.06.2009 beschlossen:

Tenor:

1. Die weitere Beschwerde der Verfahrenbeteiligten gegen den Beschluss des Landgerichts Stralsund vom 07.04.2009 wird zurückgewiesen.

2. Die Verfahrensbeteiligte hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

3. Der Gegenstandswert für das Verfahren der weiteren Beschwerde wird auf 23.304,00 EUR festgesetzt.

Gründe:

Die zulässige weitere Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg.

1.

Inzwischen erfüllt die weitere Beschwerde die gesetzlich vorgeschriebenen Formerfordernisse. Die Verfahrensbeteiligte hat die weitere Beschwerde durch Erklärung zu Protokoll der Geschäftsstelle des Oberlandesgericht am 02.06.2009 begründet (§ 29 Abs. 1 Satz 1, Abs. 4 i.V.m. § 21 Abs. 2 FGG). Der Senat sieht hierin keine neue Beschwerde, sondern die Nachholung der Form.

2.

Die Beschwerde ist unbegründet, denn die angefochtene Entscheidung des Landgerichts beruht nicht auf einer Verletzung des Rechts (§§ 27 FGG, 546 ZPO).

a.

Die Frage, ob die Voraussetzungen der Testierunfähigkeit nach § 2229 Abs. 4 BGB gegeben sind, ist im Wesentlichen tatsächlicher Natur. Das Oberlandesgericht hat insoweit die Feststellung des Landgerichts, die Erblasserin sei bei Errichtung des Testaments testierunfähig gewesen, nur daraufhin zu überprüfen, ob das Landgericht Verfahrensvorschriften verletzt, den maßgeblichen Sachverhalt ausreichend erforscht (§ 12 FGG, § 2358 BGB), bei der Erörterung des Beweisstoffes alle wesentlichen Umstände berücksichtigt (§ 25 FGG) und hierbei nicht gegen gesetzliche Beweisregeln, Denkgesetze und feststehende Erfahrungssätze verstoßen hat, ferner ob die Beweisanforderungen vernachlässigt oder überspannt worden sind. Das Rechtsbeschwerdegericht hat ferner zu prüfen, ob der Tatrichter von einem zutreffenden Begriff der Testierfähigkeit ausgegangen ist.

Rechtsfehler in diesem Sinne sind weder nach Lage der Akten ersichtlich noch wurden sie von der Verfahrensbeteiligten aufgezeigt.

aa.

Soweit die Verfahrensbeteiligte am 02.06.2009 Neues vorgebracht und Unterlagen eingereicht hat, durfte das Oberlandesgericht dies aus prozessualen Gründen nicht berücksichtigen. Ihre Behauptung, die Erblasserin sei am 26.06.2001 "durch die Lebensumstände in der ehemaligen DDR unzurechnungsfähig", was sie aus einem Telefonat vom selbigen Tage schlussfolgere, wäre aber auch für sich genommen nicht ausreichend, um Zweifel an der Wirksamkeit des Testamentes zu hegen.

bb.

Die Vorinstanzen haben den für die Frage der Testierfähigkeit des Erblassers maßgeblichen Sachverhalt im erforderlichen Umfang ermittelt.

Die Instanzgerichte haben ihre Pflicht zur Amtsermittlung (§§ 2358 Abs. 1 BGB, 12, 15 FGG) nicht verletzt. Für sie gab es keinen Anlass weitere Ermittlungen, etwa durch die Beiziehung von Akten oder ärztlichen Befunden oder die Einvernahme von Zeugen, anzustellen. Für die Einholung eines Sachverständigengutachtens gibt es keine ausreichenden Anknüpfungstatsachen. Das Landgericht hat sich mit den Einwänden der Verfahrensbeteiligten eingehend auseinandergesetzt und seine Auffassung ausreichend dargelegt.

cc.

Die Testierfähigkeit ist ein Unterfall der Geschäftsfähigkeit, gleichwohl aber unabhängig von ihr geregelt. Nach § 2229 Abs. 4 BGB kann ein Testament nicht errichten, wer wegen krankhafter Störung der Geistestätigkeit, wegen Geistesschwäche oder wegen Bewusstseinsstörung nicht in der Lage ist, die Bedeutung einer von ihm abgegebenen Willenserklärung einzusehen und nach dieser Einsicht zu handeln. Testierunfähig ist derjenige, dessen Erwägungen und Willensentschlüsse nicht mehr auf einer dem allgemeinen Verkehrsverständnis entsprechenden Würdigung der Außendinge und der Lebensverhältnisse beruhen, sondern durch krankhaftes Empfinden oder krankhafte Vorstellungen und Gedanken derart beeinflusst werden, dass sie tatsächlich nicht mehr frei sind, sondern vielmehr von diesen krankhaften Einwirkungen beherrscht werden. Diese Unfreiheit der Erwägungen und der Willensbildungen braucht nicht darin zutage zu treten, dass der Erblasser sich keine Vorstellung von der Tatsache der Errichtung eines Testaments und von dessen Inhalt oder von der Tragweite seiner letzten Anordnungen, insbesondere von ihrer Auswirkung auf die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse der Betroffenen zu machen vermag, sie kann sich vielmehr darauf beschränken, die Motive für die Errichtung einer letztwilligen Verfügung entscheidend zu beeinflussen. Testierunfähig ist daher auch derjenige, der nicht in der Lage ist, sich über die für und gegen seine letztwillige Verfügung sprechenden Gründe ein klares, von krankhaften Einflüssen nicht gestörtes Urteil zu bilden und nach diesem Urteil frei von Einflüssen etwaiger interessierter Dritter zu handeln (st. Rspr.: vgl. BGH FamRZ 1958, 127/128; BayObLGZ 1962, 219/ 223f.; 2004, 237/240 f.). Dabei geht es nicht darum, den Inhalt der letztwilligen Verfügung auf seine Angemessenheit zu beurteilen.

Es ist weder ein Sachverhalt ersichtlich noch von der Verfahrensbeteiligten dargetan, der unter Beachtung der vorgenannten Grundsätze nahe legt, die Erblasserin sei testierunfähig gewesen.

b.

Die letztwillige Verfügung ist auch nicht infolge einer Anfechtung als unwirksam anzusehen.

aa.

Die Anfechtung der letztwilligen Verfügung vom 26.06.2001 ist form- (§ 2081 Abs. 1 BGB) und fristgerecht (§ 2082 Abs. 1, Abs. 2 BGB) erfolgt. Die Verfahrensbeteiligte ist auch zur Anfechtung berechtigt, da sie im Falle der Aufhebung der vorgenannten Verfügung aufgrund der letztwilligen Verfügung als Miterbin anzusehen wäre.

bb.

Gemäß § 2078 Abs. 2 BGB kann eine letztwillige Verfügung angefochten werden, soweit der Erblasser zu der Verfügung durch die irrige Annahme oder Erwartung des Eintritts oder Nichteintritts eines Umstandes bestimmt worden ist. Dass die Erblasserin zum Zeitpunkt der Errichtung des Testaments einem Motivirrtum erlegen gewesen sein könnte, ist weder ersichtlich noch dargetan.

3.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 131 KostO. Die Anordnung einer Kostenerstattung gemäß § 13a Abs. 1 Satz 2 FGG ist nicht veranlasst. Der Geschäftswert des Verfahrens der weiteren Beschwerde entspricht dem vom Landgericht für das Beschwerdeverfahren festgesetzten Wert und wird auf 23.304,00 Euro festgesetzt (§ 31 Abs. 1 Satz 1, § 131 Abs. 2, § 30 KostO).

Ende der Entscheidung

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