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Gericht: Oberlandesgericht Rostock
Beschluss verkündet am 10.07.2007
Aktenzeichen: 3 W 92/07
Rechtsgebiete: VersG, GG, SOG M-V
Vorschriften:
VersG § 27 Abs.1 Satz 2 | |
GG Art. 104 Abs. 2 Satz 2 | |
SOG M-V § 55 Abs. 1 Nr. 2 lit. a.) | |
SOG M-V § 55 Abs. 1 Nr. 2 lit. b.) | |
SOG M-V § 55 Abs. 1 Nr. 2 lit. c.) | |
SOG M-V § 56 Abs. 5 |
Die Polizei darf in ihrer Prognoseentscheidung unter Berücksichtigung der Gefährlichkeit der aufgefundenen Gegenstände auch das Ausmaß des drohenden Schadens einbeziehen. Die Polizei muss deshalb mit ihrem Eingriff nicht bis zur Vermischung zuwarten.
2. Aus dem Vorliegen eines Regelfalls des § 55 Abs. 1 Nr. 2 lit. a.) - c.) SOG M-V lässt sich nicht ohne weiteres auch ableiten, dass zu befürchten ist, der Betroffene werde im Falle seiner Freilassung die Straftat nunmehr begehen oder fortsetzen. Vielmehr kann auf diese Regelfälle nur insoweit zurückgegriffen werden, als der Richter im Rahmen seiner Entscheidung über die Erforderlichkeit der Fortdauer darin Anhaltspunkte für die Prognose finden kann. Diese Anhaltspunkte muss er aber mit den besonderen Umständen im konkreten Einzelfall verknüpfen und daraus eine Gefahrenschau entwickeln. Nur ausnahmsweise kann deshalb im Einzelfall schon das bloße Vorliegen des Regelfalls ausreichen, wenn sich bereits daraus die hinreichend sichere Gefahrenprognose ergibt. Ein solcher Ausnahmefall liegt hier aufgrund der besonderen Gefährlichkeit der aufgefundenen Gegenstände vor.
3. Verzögerungen der richterlichen Vorführung des Betroffenen wegen des Umfangs der Durchsuchung und Sicherstellung der bei ihm gefundenen erheblichen Anzahl von Gegenständen, die aufgrund ihrer Gefährlichkeit besonders umsichtig und damit zeitintensiv sicherzustellen waren, sind wie auch wegen der Erfassung dieser Gegenstände als Asservate, sachlich zwingend geboten i.S. von § 56 Abs. 5 SOG M-V und Art. 104 Abs. 2 Satz 2 GG. Eine richterliche Vorführung des Betroffenen erst 5 1/4 Stunden nach der Festnahme kann deshalb im Einzelfall noch unverzüglich sein.
Oberlandesgericht Rostock
Beschluss
In dem Freiheitsentziehungsverfahren
hat der 3. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Rostock am 10.07.2007 beschlossen:
Tenor:
Die weitere sofortige Beschwerde des Betroffenen gegen den Beschluss des Landgerichts Rostock vom 05.06.2007 wird auf seine Kosten zurückgewiesen.
Gegenstandswert der Beschwerde: bis 1.000,00 €.
Gründe:
I.
Der Betroffene erstrebt die Feststellung der Rechtswidrigkeit seiner Freiheitsentziehung.
Am 04.06.2007 gegen 12.15 Uhr wurde der Betroffene im Rahmen einer Vorkontrolle anläßlich einer Demonstration zum G 8-Gipfel zur Personen- und Fahrzeugkontrolle auf der Reriker Chaussee in Kröpelin von der Polizei angehalten. In seinem KFZ mit dem amtlichen Kennzeichen ..., stellte die Polizei bei der Durchsuchung insgesamt 31 Gegenstände sicher, u.a. eine Schweißermaske, einen Flammenwerfer, eine Flasche Butangas, eine Flasche Spiritus, einen Benzinkanister mit 3,5 l, zwei Kanister mit je 15 l Diesel, 29 Flaschen Pflanzenöl, Sprayflaschen mit CS- Reizgas, eine Harpune, einen Klappspaten, ein Schlachterbeil, zwei Handgelenk- und zwei Knieschützer sowie ein Nachtsichtgerät. Um 15.30 Uhr wurde der Betroffene in die Sammelstelle der Polizei (GESA) nach Rostock verbracht. Dort traf er um 17.10 Uhr ein. Nach Bild- und Datenaufnahme des Betroffenen wurde ihm um 17.44 Uhr eine Zelle zugewiesen. Anschließend wurden die Asservate von 18.10 Uhr bis 18.53 Uhr erfasst und die Sache um 19.25 Uhr dem Sachbearbeiter zugewiesen.
Nach richterlicher Anhörung von 20.45 Uhr bis 21.30 Uhr ordnete das Amtsgericht Rostock mit Beschluss vom 04.06.2007 die Fortdauer des amtlichen Gewahrsams längstens bis zum 08.06.2007 um 21.00 Uhr sowie die sofortige Wirksamkeit dieser Entscheidung an. In der amtsgerichtlichen Anhörung hat der Betroffene zur Sache ausgeführt, der von der Polizei sichergestellte Flammenwerfer sei eine Lötlampe, die zum Anwärmen des Motors diene. Er sei auf einem politischen Seminar in Wolfsburg auf dem Rückweg aus Doberan gewesen und habe über Feldwege fahren wollen. Das Beil diene für Feuerholz, der Melder sei zur Eigensicherung notwendig. Das Amtsgericht hielt die polizeiliche Ingewahrsamnahme für rechtmäßig, weil im Fahrzeug des Betroffenen zahlreiche Gegenstände vorgefunden worden seien, die zur Tatbegehung im Zusammenhang mit Tumultdelikten anläßlich des G 8-Gipfels dienen konnten, und die Anordnung der Gewahrsamsfortdauer für erforderlich. Die Erklärungen des Betroffenen zu seiner Anwesenheit und seinem Weg hätten nicht zu überzeugen vermocht. Daran ändere nichts, dass die Gegenstände auch bestimmungsgemäß verwandt werden könnten.
Gegen diesen Beschluss legte der Betroffene sofortige Beschwerde ein. In der Beschwerdebegründung trägt er vor, die diversen Gegenstände, die sich bei ihm im Auto befanden, hätten sich dort im Laufe der Zeit "angesammelt". Er benötige sie sowohl für den Betrieb des Fahrzeugs als auch zum Campen und Fischen. Er sei in die Gegend von Rostock gereist, um sich selbst ein Bild von der Lage zu machen und habe nicht vorgehabt, an irgendwelchen Protestaktionen teilzunehmen. Letztlich rügt er eine Verletzung von Art. 104 Abs. 2 Satz 2 GG. Er habe sich 4 Stunden in polizeilichem Gewahrsam befinden müssen, bevor er zur Gefangenensammelstelle gebracht worden sei. Sodann habe er noch einmal 3 1/2 Stunden warten müssen, um dem Richter vorgeführt zu werden. Sein Anwaltsgespräch, das im amtsgerichtlichen Protokoll als Verzögerung der Anhörung festgestellt worden sei, habe lediglich zu einer Verzögerung von zehn Minuten geführt.
Das Landgericht Rostock wies die Beschwerde mit dem angefochtenen Beschluss nach Anhörung des Betroffenen zurück. Zur Begründung führt es aus, die Ingewahrsamnahme des Betroffenen durch die Polizei sei rechtmäßig gewesen. Bei entsprechender Vermischung könnten die gefundenen Gegenstände hochexplosiv bzw. zumindest als Brandmittel wirken und zur Herstellung als Molotowcocktail oder Ähnlichem dienen. Eine Vermischung brauche noch nicht erfolgt sein, da Indizien dafür sprächen, dass der Betroffene nicht als ein unbedarfte Urlauber einzustufen sei. Auch soweit der Betroffene zu jedem Gegenstand für sich eine harmlose Erklärung abgegeben habe, sei in der Gesamtschau von einer Gefahr auszugehen. Bei der Qualität dieser Gefahrenlage habe es keiner weiteren Vorbereitungshandlungen bedurft. Die unmittelbar bevorstehende Gefahr hänge auch von seiner Folge für die öffentliche Sicherheit ab. Im Übrigen verweist der Senat auf die Beschlussgründe des Landgerichts.
Die am 08.06.2007 beim Oberlandesgericht eingegangene sofortige weitere Beschwerde hat der Betroffene nur mit der Rüge der Verletzung formellen und materiellen Rechts begründet. Eine weitere Begründung hat er einem gesonderten Schriftsatz vorbehalten, der umgehend bei Gericht eingehen sollte. Ein solcher liegt dem Senat nicht vor.
Die weitere Beteiligte hat nicht zur Sache Stellung genommen.
II.
Die sofortige weitere Beschwerde ist trotz der Freilassung des Betroffenen nach Ablauf des angeordneten Gewahrsams zulässig. Wird mit einer gerichtlichen Entscheidung tiefgreifend in ein Grundrecht eingegriffen, so gebietet der aus Art. 19 Abs. 4 GG abgeleitete effektive Rechtsschutz auch nach Beendigung der freiheitsentziehenden Maßnahme vor Erschöpfung des Rechtsmittelweges, dem Betroffenen die Möglichkeit zu geben, den Grundrechtseingriff auf seine Rechtmäßigkeit hin überprüfen zu lassen (BVerfG NJW 2002, 206).
III.
Die Beschwerde ist jedoch nicht begründet. Gegenstand des Rechtsmittels des Betroffenen ist zunächst die landgerichtliche Entscheidung. Diese überprüft zum Einen materiellrechtlich die amtsrichterliche Anordnung der Fortdauer der Ingewahrsamnahme zum Zeitpunkt der erstinstanzlichen Entscheidung (1.). Weiterhin hat das Landgericht als eigene Tatsacheninstanz festzustellen, dass die Voraussetzungen einer Fortsetzung des Gewahrsams auch weiterhin vorliegen (2.). Letztlich hat das Landgericht zudem Feststellungen über die Einhaltung von Verfahrensgrundrechten, hier insbesondere von Art. 104 Abs. 2 GG zu treffen (3.). Gemäß §§ 3 Satz 2 FEVG, 27 FGG ist der Senat darauf beschränkt, die angegriffene Entscheidung daraufhin zu überprüfen, ob sie auf einer Rechtsverletzung beruht. Dies ist nicht der Fall.
1. Das Landgericht hat im Ergebnis zu Recht die sofortige Beschwerde als unbegründet zurückgewiesen.
Zwar hat das Landgericht bei seiner Überprüfung nicht ausdrücklich auf den Zeitpunkt der amtsgerichtlichen Entscheidung abgestellt. Es hat seiner Entscheidung jedoch den bei der Durchsuchung und amtsrichterlichen Anhörung festgestellten Sachverhalt zugrundegelegt. Andere nachträgliche tatsächliche Feststellungen, die nach Auffassung des Senats weder die Rechswidrigkeit der richterlichen Anordnung der Fortdauer der Ingewahrsamnahme rückwirkend beseitigen noch feststellen können, tragen die Entscheidung hierzu nicht.
Gegen die Begründung des Landgerichts, die die erstinstanzliche Entscheidung stützt, ist aus Rechtsgründen nichts zu erinnern. Die amtsrichterliche Entscheidung gemäß § 56 Abs. 5 SOG M-V erfasst zum einen die Überprüfung der Rechtmäßigkeit des vorangegangenen polizeilichen Zugriffs (a.) und hat auch und insbesondere über die Erforderlichkeit der Fortdauer des Gewahrsams zu befinden. Dies erfordert die Prüfung, ob im Zeitpunkt seiner Entscheidung die Fortdauer der Freiheitsentziehung zur Abwehr der fortbestehenden Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung geboten ist (b.).
a) Hierbei hat sich der Richter zunächst damit auseinanderzusetzen, ob die Polizeibeamten den Betroffenen zu Recht in Gewahrsam genommen haben. War die Ingewahrsamnahme bereits rechtswidrig, so lässt sich ihre Fortdauer allenfalls dann rechtfertigen, wenn neue Erkenntnisse hinzukommen.
Bei der Beurteilung der Rechtmäßig- oder Rechtswidrigkeit der polizeilichen Ingewahrsamnahme ist auf die Situation unmittelbar vor dem Zugriff abzustellen. Für die Annahme einer polizeilichen Gefahr genügt es, dass bei objektiver Sicht zur Zeit des polizeilichen Einschreitens die Tatsachen auf eine drohende Gefahr hindeuten, ohne dass sofort eindeutig Klarheit geschaffen werden kann (BGH, Beschl. vom 27.10.1988 - III ZR 256/87, BGHR Verwaltungsrecht, Allg. Grundsätze, Polizeirecht 1; OLG Hamm, Urt. v. 07.06.1978 - IV A 330/77, NJW 1980, 138). Spätere Erkenntnisse nach eingehender Beweisaufnahme sind nicht zu berücksichtigen, da diese den vollziehenden Polizeibeamten vor Ort nicht zur Verfügung standen.
Die auf eine polizeiliche Gefahr deutenden Tatsachen waren vorliegend gegeben. Die Ingewahrsamnahme des Betroffenen war unerlässlich, um die unmittelbar bevorstehende Begehung einer Straftat zu verhindern (§ 55 Abs. 1 Nr. 2 SOG M-V). Es muss eine akute Bedrohung der öffentlichen Sicherheit vorliegen. Angesichts der Intensität des Eingriffs ist es erforderlich, dass im konkreten Fall nachvollziehbare Tatsachen vorliegen, die zu der Gewißheit führen, dass der Schaden sofort oder in allernächster Zeit eintritt. Der bloße "Eindruck" reicht nicht aus (Rachor in: Lisken/Denninger, Handbuch des Polizeirechts, 4. Aufl., F, Rn. 570; vgl. auch Marschner/Volkhart, Freiheitsentziehung und Unterbringung, 4. Aufl., E, Rn. 50). Der Gefahrenmaßstab der Unmittelbarkeit des § 55 Abs. 1 Nr. 2 SOG M-V unterscheidet sich nicht von einer gegenwärtigen Gefahr (vgl. Heyen, Allgemeines Polizei- und Ordnungsrecht, in: Manssen, Staats- und Verwaltungsrecht für Mecklenburg-Vorpommern, S. 255). Die gegenwärtige Gefahr ist in § 3 Abs. 3 Nr. 3 SOG M-V als eine Sachlage, bei der das die öffentliche Sicherheit oder Ordnung schädigende Ereignis bereits eingetreten ist (Störung) oder unmittelbar oder in allernächster Zeit mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit bevorsteht, legal definiert (vgl. auch BVerfGE 115, 320, 363 zu § 31 PolG NW 1990). Das bedeutet, dass ein Schaden für Rechtsgüter in unmittelbarer Zukunft, in allernächster Zeit zu erwarten ist, wenn nicht in die Entwicklung eingegriffen wird (LVerfG M-V, LKV 2000, 345, 349 "großer Lauschangriff").
Die Polizei durfte aus der Gefährlichkeit und Menge der bei der Durchsuchung aufgefundenen Gegenstände, die nach Vermischung geeignet sind, bei Demonstrationenen als Brandsätze verwendet zu werden, darauf schließen, dass der Betroffene sie bei einer Straftat im Rahmen von Demonstrationen gegen den G 8- Gipfel einsetzen werde und bei deren Benutzung Leib und Leben von Menschen und Sachwerte verletzt werden. Dabei durfte sie sich insbesondere auf die Beweisanzeichen im Sinne von § 55 Abs. 1 Nr. 2 b SOG M-V stützen und einschätzen, dass die Vielzahl der verschiedenen brennbaren Flüssigkeiten, insbesondere Butangas, Spiritus, Pflanzenöl und Rapsöl erfahrungsgemäß bei Taten im Zusammenhang von Ausschreitungen bei Demonstrationen verwendet werden. Weiter durfte sie berücksichtigen, dass es gerade am Wochenende zuvor, am 02.06.2007, anlässlich einer Demonstration zum G 8- Gipfel im Stadtgebiet Rostock zu massiven Ausschreitungen gekommen war, bei denen Fahrzeuge und Fensterscheiben zerstört und die Rostocker Innenstadt verwüstet worden war, wie auch aus den Medien allgemein bekannt ist. Gerade wegen dieser eskalierten Ausschreitungen hat das Bundesverfassungsgericht die auf die Durchführung des für den 07.06.2007 angemeldeten "Sternmarsches" auf Heiligendamm, als Tagungsort des G 8-Gipfels, zielenden Eilanträge zurückgewiesen (BVerfG, Beschl. v. 06.06.2007 - 1 BvR 1423/07 -). In ihre Prognoseentscheidung durfte die Polizei überdies unter Berücksichtigung der Gefährlichkeit der aufgefundenen Gegenstände auch das Ausmaß des drohenden Schadens einbeziehen (vgl. Rachor in: Lisken/Denninger, Handbuch des Polizeirechts, 4. Aufl., F Rn. 570, E Rn. 59 f.).
Zudem durfte sie bei der Gefahrenschau mitberücksichtigen, dass es sich bei den Gegenständen versammlungsrechtlich um Waffen im nichttechnischen Sinne, also Gegenstände, die ihrer Art nach zur Verletzung von Personen oder Beschädigung von Sachen geeignet und bestimmt sind (§ 2 Abs. 3 Satz 1 VersG) sowie um Schutzwaffen als passive Bewaffnung (§ 17a VersG) handelt. Schon das Mitführen der o.g. Waffen im nichttechnischen Sinne, wie vorliegend die Menge und Vielzahl der brennbaren Flüssigkeiten, auf dem Weg zu einer öffentlichen Versammlung erfüllt den Straftatbestand des § 27 Abs. 1 Satz 2 VersG. Die Ingewahrsamnahme konnte deshalb zutreffend gemäß § 55 Abs. 1 Ziff. 2 SOG M-V bereits zur Verhinderung der Fortsetzung einer Straftat (2. Alt.) erfolgen, denn es war bereits eine Störung der öffentlichen Sicherheit eingetreten, da ein Strafgesetz verletzt wurde. Auf eine Gefahrenprognose, hier die Frage, ob die Begehung einer Straftat unmittelbar bevorsteht (1. Alt.) kommt es deshalb nicht an.
Da der Betroffene in Kröpelin bei Rostock in dem Gebiet angetroffen wurde, in dem - wie allgemein bekannt ist - verschiedene Demonstrationen zum G 8-Gipfel im Zeitraum bis zum 08.06.20007 geplant wurden, durfte die Polizei unter Berücksichtigung der aufgefundenen Gegenstände zudem einschätzen, dass der Betroffene zu einer Demonstration gegen den G 8-Gipfel fahren wollte. Dass diese Einschätzung der Polizei auch zutreffend war, zeigt die Einlassung des Betroffenen in der Anhörung vor dem Landgericht, in der er - wie sich aus dem angegriffenen Beschluss ergibt - erklärt hat, er sei dorthin gefahren, weil er sich den G 8-Gipfel näher habe anschauen wollen.
Aus Rechtsgründen ist auch nicht zu beanstanden, dass die Polizei zum Zeitpunkt der Vornahme der Ingewahrsamnahme aufgrund der oben beschriebenen Gefährlichkeit deren Unerlässlichkeit bejaht hat.
b) Erfolgte die Ingewahrsamnahme rechtmäßig, hat der Richter weiter festzustellen, ob die Voraussetzungen des § 55 Abs. 1 Nr. 2 SOG M-V weiterhin gegeben sind, d. h. die Fortdauer der Ingewahrsamnahme zur Beseitigung der Störung bzw. Abwehr einer Straftat unerlässlich ist. Denn die Rechtmäßigkeit der vorangegangenen Ingewahrsamnahme durch die Polizeibeamten allein indiziert nicht schon die Rechtmäßigkeit der richterlich angeordneten Fortdauer der Ingewahrsamnahme. Vielmehr hat das Amtsgericht zu prüfen, ob im Falle der Freilassung weiterhin die Gefahr besteht, dass der Betroffene seine Straftat fortsetzen bzw. eine weitere Straftat begehen wird. Feststellungen zum Fortbestehen der Störung oder gegenwärtigen Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung zum Zeitpunkt der richterlichen Entscheidung sind in dem nach den Umständen des Einzelfalles möglichen Umfang erforderlich. Der Senat verkennt nicht, dass in dem Anhörungstermin der Richter nicht aufwändig Beweis erheben kann. Insbesondere kann er nicht die Polizeibeamten vernehmen, die weiterhin auf der Straße benötigt werden; kann er jedoch auf deren schriftlich niedergelegten Zeugenangaben zurück greifen. Er ist im Weiteren vor allem auf den Akteninhalt und auf seine persönliche Überzeugung angewiesen. Es ist aber unerlässlich, dass der Richter zu der Überzeugung gelangt, dass von dem Betroffenen weiterhin eine solche Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung ausgeht. Eine solche Prognose ist bei der richterlichen Entscheidungsfindung, namentlich bei freiheitsentziehenden Maßnahmen nicht ungewöhnlich. So hat der Richter bei Anordnung der Untersuchungshaft nach § 112 StPO auszuführen, aus welchen tatsächlichen Anhaltspunkten er Flucht- oder Verdunkelungsgefahr ableitet. Bei Anordnung der Abschiebehaft gem. § 62 AufenthG ist zu begründen, welche tatsächlichen Umstände die Gefahr begründen, dass der Betroffene sich der Abschiebung entziehen wird. Vielfach indizieren bestimmte Verhaltensweisen die die Freiheitsentziehung rechtfertigende Prognose.
Bei der richterlichen Entscheidung gem. § 56 Abs. 5 SOG M-V über die Erforderlichkeit der Fortdauer des Gewahrsams reicht es grundsätzlich nicht aus, dass einer der Regelfälle des § 55 Abs. 1 Nr. 2 2. Halbsatz lit. a.) -c.) SOG M-V erfüllt ist, da diese als Beweisanzeichen sich auf die Erfüllung der tatbestandlichen Voraussetzungen der Ingewahrsamsnahme selbst beziehen, also dass der Betroffene eine solche zu verhindernde Straftat begehen wird. Daraus lässt sich nicht ohne weiteres ableiten, dass zu befürchten ist, der Betroffene werde im Falle seiner Freilassung die Straftat nunmehr begehen oder fortsetzen. Vielmehr kann auf diese Regelfälle nur insoweit zurückgegriffen werden, als der Richter im Rahmen seiner Entscheidung über die Erforderlichkeit der Fortdauer darin Anhaltspunkte für die Prognose finden kann. Diese Anhaltspunkte muss er aber mit den besonderen Umständen im konkreten Einzelfall verknüpfen und daraus eine Gefahrenschau entwickeln. Nur ausnahmsweise kann deshalb im Einzelfall schon das bloße Vorliegen des Regelfalls ausreichen, wenn sich bereits daraus die hinreichend sichere Gefahrenprognose ergibt.
Ein solcher Ausnahmefall liegt hier aufgrund der besonderen Gefährlichkeit der aufgefundenen Gegenstände vor. Diese Voraussetzungen hat der Amtsrichter zutreffend begründet. Zwar hat er hinsichtlich der Begründung der Fortdauer zunächst auf den im Beschlussmuster vorgedruckten Text abgestellt, der allein nicht ausreichen würde, weil der Richter eigene Feststellungen über die fortdauernde Gefahr zu treffen und die tatsächlichen Grundlagen seiner richterlichen Überzeugung in der Begründung seiner Entscheidung nachvollziehbar auszuführen hat (Senatsbeschl. vom 16.04.2007 - 3 W 119/06 -). Vorliegend hat der Richter im Protokoll jedoch handschriftlich weiter niedergelegt, dass ihn die Erklärungen des Betroffenen nicht zu überzeugen vermögen. Damit hat der Richter hinreichend zu verstehen gegeben, dass er den Betroffenen für uneinsichtig hält. Dem hat sich das Landgericht mit ausführlicher Begründung angeschlossen, auf die Bezug genommen wird und gegen die aus Rechtsgründen nichts zu erinnern ist.
2. Zutreffend hat das Landgericht als Tatsacheninstanz festgestellt, dass die Voraussetzungen für die Fortsetzung des Gewahrsams vorlagen. Es hat seine Überzeugung insbesondere auf die vorgefundenen Gegenstände und deren Gefahr auslösende Wirkung gestützt. Aus der Anhörung des Betroffenen ist das Landgericht zu der richtigen Überzeugung gelangt, dass seine Erklärungen zu jedem Gegenstand nicht glaubhaft seien. Auch gegen die Auffassung der Kammer, dass der Betroffene jederzeit die Gegenstände wieder neu erwerben könnte und die Einschätzung des Betroffenen als risikobereit und taktisch denkende Person, die sich nicht so schnell von ihrem Vorhaben abhalten lasse, bestehen keine rechtlichen Bedenken.
3. Mit seinem Einwand, es liege ein Verstoß gegen das Unverzüglichkeitsgebot des Art. 104 Abs. 2 GG vor, dringt der Betroffene nicht durch. Gemäß § 56 Abs. 5 Satz 1 SOG M-V, der Art. 104 Abs. 2 GG einfachrechtlich umsetzt, ist bei einer polizeilichen Ingewahrsamnahme unverzüglich eine richterliche Entscheidung über die Zulässigkeit und Fortdauer des Gewahrsams herbeizuführen. Dies geschah im vorliegenden Fall. Das Landgericht hat die Unverzüglichkeit der Vorführung vor dem Amtsrichter angenommen, auch wenn zwischen der Festnahme des Betroffenen und seiner ersten richterlichen Anhörung 5 1/4 Stunden gelegen haben. Hierzu hat das Landgericht in seiner Begründung ausgeführt, dass der Transport des Fahrzeuges organisiert, die 31 Gegenstände aufgelistet und an einen sicheren Ort verbracht werden mussten. Zudem hat es der Polizei Zeit für eine eigenständige Bewertung, ob ein Antrag nach dem SOG M-V zu stellen sei, eingeräumt.
Das hält im Ergebnis der rechtlichen Nachprüfung stand. Unverzüglichkeit ist so zu verstehen, dass die richterliche Entscheidung - wovon das Landgericht zutreffend ausgeht - ohne jede Verzögerung, die sich nicht aus sachlichen Gründen rechtfertigen lässt, herbeigeführt werden muss (BVerfG NVwZ 2006, 579, 580; BVerfGE 105, 239, 249). Die Verzögerung muss bei Anlegung eines objektiven Maßstabes sachlich zwingend geboten sein (vgl. Jarass/Pieroth, GG, 6. Aufl., Art. 104, Rn. 21). Sachliche Gründe können insoweit etwa sein die Länge des Weges vom Ort der Ingewahrsamnahme bis zur Protokollierungsstelle, das Verhalten der Betroffenen selbst oder aber Verzögerungen, die sich infolge von Massenfestnahmen aus organisatorischen Gründen ergeben (so VG Gera, Beschluss vom 03.07.2004 - 1 K 1071/00). Die Voraussetzungen der Unverzüglichkeit sind hier eingehalten worden. Der Senat verkennt dabei nicht, dass grundsätzlich für das Einschalten des Richters tagsüber eine Zeit von zwei bis drei Stunden ausreichend sein sollte (vgl. Jarass/Pieroth, GG, a.a.O., Rn. 21; Marschner/Volkhart, Freiheitsentziehung und Unterbringung, 4. Aufl., E Rn. 56). Vorliegend beruhte die Verzögerung jedoch auf dem Umfang der Durchsuchung und Sicherstellung der beim Betroffenen gefundenen erheblichen Anzahl von Gegenständen, wie das Landgericht zutreffend ausgeführt hat. Diese waren aufgrund ihrer Gefährlichkeit besonders umsichtig und damit zeitintensiv sicherzustellen. Nachdem der Betroffene bereits um 12.15 Uhr angehalten worden war, bedurfte es zunächst einiger Zeit, um die Fahrzeugkontrolle durchzuführen. Da dabei unbekannte Flüssigkeiten festgestellt wurden, ist nicht zu beanstanden, dass diese zunächst zu prüfen, zu sichern und zu lagern waren. Sodann wurde der Betroffene um 15.30 Uhr festgenommen und von Kröpelin nach Rostock zur polizeilichen Sammelstelle (GESA) verbracht, wo er um 17.10 Uhr eintraf. Der weitere Zeitablauf bis 19.25 Uhr ist aus dem in der Akte befindlichen Ablaufplan, auf den das Landgericht hinsichtlich der Asservate Bezug genommen hat, ersichtlich und kann deshalb vom Senat zugrunde gelegt werden. Die umfangreichen Datenaufnahmen und Asservatenerfassungen waren zur Vorbereitung der richterlichen Anhörung erforderlich und nicht etwa aufschiebbar. Dagegen, dass nach Abschluss dieser Maßnahmen bis zum Beginn der richterlichen Anhörung noch etwa 1 Stunde und 20 Minuten verstrich, ist schon deshalb nichts einzuwenden, da auch der Amtsrichter sich vor der Anhörung noch über den Sachverhalt anhand der Akte hinreichend informieren muss. Auf die vom Amtsrichter im Protokoll angegebene Verzögerung durch das anwaltliche Beratungsgespräch kommt es nicht an.
Nach der ersten richterlichen Anordnung der Fortdauer der Gewahrsamnahme gilt dieses strikte Unverzüglichkeitsgebot nach Auffassung des Senats nicht für das weitere Verfahren (vgl. Senatsbeschl. vom 07.06.2007 - 3 W 83/07 -). Zwar sind Beschwerden gegen Freiheitsentziehungsmaßnahmen im Rahmen des gerichtlichen Geschäftsganges vorrangig und eilig zu behandeln. Dies bedeutet aber nicht, dass eine Entscheidung des Beschwerdegerichtes unverzüglich im Sinne von Art. 104 GG herbeizuführen ist. Vielmehr ist auch hierbei auf den Geschäftsgang des betreffenden Gerichts Rücksicht zu nehmen. Der Betroffene hat noch in der Anhörung vor dem Amtsgericht Rechtsmittel eingelegt und eine Begründung angekündigt. Eine Solche ging am 05.06.2007 um 13.00 Uhr ein. Das Landgericht hat den Betroffenen am gleichen Tag, dem 05.06.2007, um 16.00 Uhr angehört.
Eine verzögerliche Behandlung des Verfahrens kann dem Landgericht nicht vorgeworfen werden.
IV. Die Kostenentscheidung ergeht nach § 14 FreihEntzG.
Ende der Entscheidung
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