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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Rostock
Urteil verkündet am 10.10.2008
Aktenzeichen: 5 U 173/08
Rechtsgebiete: InsO, BGB


Vorschriften:

InsO § 55 Abs. 1 Nr. 3
InsO §§ 208 ff.
InsO § 209 Abs. 1
InsO § 209 Abs. 1 Nr. 2
InsO § 210
BGB § 812 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Oberlandesgericht Rostock IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

5 U 173/08

Laut Verkündungsprotokoll Verkündet am: 10.10.2008

In dem Rechtsstreit

hat der 5. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Rostock auf die mündliche Verhandlung vom 26.09.2008

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung der Kläger wird das am 10.01.2008 verkündete Urteil des Landgerichtes Stralsund teilweise - unter Zurückweisung des Rechtsmittels im Übrigen - geändert und neu gefasst:

Es wird festgestellt, dass der Rechtsstreit in der Hauptsache erledigt ist. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits werden dem Beklagten auferlegt.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gegenstandswert des Rechtsstreits: bis zum 30.08.2007 18.900,- EUR, danach bis 3.000,- EUR.

Gründe:

I.

Die Kläger schlossen mit dem Beklagten den Grundstückskaufvertrag vom 27.04.2006. Der Beklagte hatte mit Schreiben vom 24.01.2006 gegenüber dem Amtsgericht Stralsund/Insolvenzabteilung Masseunzulänglichkeit gem. den §§ 208 ff. InsO angezeigt. Hierauf wurde im notariellen Kaufvertrag ausdrücklich hingewiesen. Der Kaufpreis von 18.900,- EUR sollte vertragsgemäß auf ein Notaranderkonto gezahlt werden. Stattdessen überwiesen die Kläger den Kaufpreis am 09.05.2006 auf ein im Notarvertrag angegebenes Konto des Beklagten unter der Angabe des Verwendungsgrundes "Massekostenbeteiligung". Die Kläger versuchten vergeblich, die Zahlung rückgängig zu machen. Sie zahlten den Kaufpreis am 22.05.2006 erneut und diesmal auf das Notaranderkonto. Die Kläger forderten den Beklagten zur Rückzahlung des überzahlten Betrages auf und dieser teilte mit, dass eine Rücküberweisung wegen der Masseunzulänglichkeit nicht in Betracht komme.

Nach Klageerhebung wurde die Masseunzulänglichkeit im August 2007 beseitigt und der Beklagte zahlte am 23.08.2007 18.900,- EUR an die Kläger zurück. Die Kläger haben erstinstanzlich hinsichtlich der Hauptforderung die Erledigung der Hauptsache erklärt. Der Beklagte schloss sich dem nicht an, sondern beantragte Abweisung der Klage.

Zu den Einzelheiten des erstinstanzlichen Sach- u. Streitstandes nimmt der Senat Bezug auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils, mit dem das Landgericht die Klage abwies. Zur Begründung führte der Einzelrichter aus, die Klage auf Feststellung der Erledigung sei unbegründet, weil die Leistungsklage zum Zeitpunkt der Erhebung mangels Rechtsschutzbedürfnisses unzulässig gewesen sei.

Hiergegen richtet sich die Berufung der Kläger, mit der sie den Feststellungsantrag weiterverfolgen sowie kapitalisierte Zinsen und vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten geltend machen. Zur Begründung wiederholen sie im Wesentlichen ihren erstinstanzlichen Vortrag und meinen, bei dem Rückzahlungsanspruch handele es sich nicht um eine Masseverbindlichkeit i. S. d. § 55 Abs. 1 Nr. 3 InsO. Der Beklagte habe ohne weiteres erkennen können, dass es sich um eine fehlerhafte Überweisung durch die Kläger gehandelt habe und die Gutschrift nicht der Insolvenzschuldnerin zugute kommen sollte. Aus Vertrauensgesichtspunkten habe der Beklagte keinen Anspruch darauf, den fehlerhaft überwiesenen Betrag als der Masse zugehörig zu betrachten (§ 242 BGB). Der Beklagte sei wegen der sich aus dem Kaufvertrag ergebenden Treuepflichten gehalten gewesen, den Betrag umgehend zu separieren und an die Kläger zu erstatten. Deswegen sei die Leistungsklage zum Zeitpunkt der Klageerhebung zulässig gewesen. Die Zahlung des Betrages von 18.900,- EUR am 24.08.2007 habe zur Erledigung der Hauptsache geführt und es bestehe ein Anspruch auf entsprechende Feststellung. Der Zinsanspruch resultiere aus Verzug. Wegen der Erfüllungsverweigerung hätten die Kläger auch Anspruch auf Erstattung der außergerichtlich entstandenen nicht anrechenbaren Rechtsanwaltsgebühren.

Die Kläger beantragen,

das Urteil des Landgerichtes Stralsund vom 10. Januar 2008 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, an die Kläger als Gesamtgläubiger Zinsen i. H. v. EUR 1.689,24 sowie außergerichtliche Rechtsanwaltskosten i. H. v. EUR 492,54 zu zahlen und darüber hinaus festzustellen, dass der Rechtsstreit mit der Zahlung der Hauptforderung i. H. v. EUR 18.900,- am 24. August 2007 in der Hauptsache erledigt wurde.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er verteidigt das angefochtene Urteil unter Wiederholung und Vertiefung seines erstinstanzlichen Vortrages.

II.

Die zulässige Berufung der Kläger hat im Wesentlichen Erfolg.

a.)

Der Feststellungsantrag ist begründet. Bei einseitiger Erledigungserklärung des Klägers - wie hier - ist zu prüfen, ob die Klage zulässig und begründet war.

Bei Klageerhebung war die Klage unzulässig. Bei der klägerischen Forderung handelte es sich um eine Neumasseverbindlichkeit. Auch bei diesen Verbindlichkeiten gilt nach der Rechtsprechung des BGH (BGHZ 154, 358; 167, 178) das Vollstreckungsverbot des § 210 InsO, da die Kosten des Insolvenzverfahrens absoluten Vorrang (auch vor den neuen Masseverbindlichkeiten) haben. Der neue Massegläubiger kann auf entsprechende Einwendung des Insolvenzverwalters nur eine Feststellungsklage erheben. Nach Ansicht des Bundesgerichtshofes spricht § 209 Abs. 1 InsO dafür, auch bei einem neuen Massegläubiger eine Leistungsklage gegen die Masse nicht zuzulassen, wenn durch die Vollstreckung des Leistungsurteils der Vorrang der Kosten gefährdet ist. So lag es ursprünglich bei Klageerhebung. Allerdings wurde die Masse im Laufe des Rechtsstreits reich, die Masseunzulänglichkeit wurde beseitigt. Danach glich der Beklagte die Klageforderung aus. Zunächst hat er sich zu Recht entsprechend der Rechtsprechung des BGH darauf berufen können, dass die Klage unzulässig war (BGHZ 167, 178).

Bei der Zulässigkeits- und Begründetheitsprüfung ist jedoch auf den Zeitpunkt des erledigenden Ereignisses - hier der Zahlung des Klagebetrages - abzustellen (Zöller/Vollkommer, ZPO, 26. Aufl., Rdn. 44 zu § 91 a; BGH NJW 92, 2236). Im August 2007 war die Masseunzulänglichkeit unstreitig beseitigt, so dass das Vollstreckungsverbot des § 210 InsO nicht mehr galt. Der Klage fehlte damit das Rechtsschutzbedürfnis nicht mehr, sie war zulässig und gem. § 812 Abs. 1 BGB begründet. Es lag eine Masseforderung gem. § 209 Abs. 1 Nr. 2 InsO vor, die der Beklagte zu erfüllen hatte. Damit hätte dem Feststellungsantrag stattgegeben werden müssen.

b.)

Der Antrag der Kläger auf Zahlung von Verzugszinsen ist unbegründet. Solange Masseunzulänglichkeit bestand, war der Beklagte nicht zur Auskehr der zur Masse gelangten Beträge verpflichtet. Damit bestand kein Verzug.

c.)

Auch ein Anspruch der Kläger auf Zahlung von Anwaltskosten besteht nicht, da kein Verzug bestand.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO. Es ist es nicht unbillig, den Beklagten mit den Kosten des Rechtsstreits zu belasten, denn er hätte dies durch entsprechende Prozesserklärung, nämlich ein sofortiges Anerkenntnis gem. § 93 ZPO, vermeiden können. Nach einhelliger Ansicht (vgl. etwa BGH MDR 2004, 896) kann die beklagte Partei bei einer zunächst unschlüssigen Klage nach Behebung dieses Mangels noch sofort anerkennen. Entsprechend liegt es bei einer zunächst unzulässigen Klage. Wird diese im Laufe des Rechtsstreits zulässig und begründet, kann der Beklagte noch sofort anerkennen, so dass die Klägerseite gem. § 93 ZPO die Kosten zu tragen hat. Dieses sofortige Anerkenntnis gab der Beklagte jedoch nicht ab, vielmehr beantragte er Klageabweisung.

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergeht gem. §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.

Anlass zur Zulassung der Revision bestand nicht.

Der Senat musste den Gegenstandswert herabsetzen. Der vom Landgericht festgesetzte Wert von 18.900,00 € ist nicht mehr maßgebend. Bei einseitiger Erledigungserklärung des Klägers und Klageabweisungsantrag des Beklagten bemisst sich der Streitwert nach überwiegender Ansicht, der sich der Senat anschliesst, ab Erledigungserklärung nach den bis dahin entstandenen Gerichts- und Parteikosten (vgl. Zöller/Herget, ZPO, 26. Aufl., Rdn. 16 zu § 3 unter "einseitige Erledigungserklärung" m. w. N.; BGH MDR 2006, 109 = NJW-RR 2005, 1728; OLG Rostock MDR 93, 1019; OLG Karlsruhe MDR 94, 217). Die bis zur Erledigungserklärung angefallenen Kosten übersteigen nicht 3.000,- EUR.

Zinsen und Kosten bleiben gem. § 4 ZPO unberücksichtigt.

Ende der Entscheidung

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