Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Rostock
Urteil verkündet am 16.06.2004
Aktenzeichen: 6 U 148/01
Rechtsgebiete: EGZPO, ZPO, KStG


Vorschriften:

EGZPO § 26 Nr. 5
ZPO § 263
ZPO § 264 Nr. 2
ZPO § 296a a.F.
ZPO § 523
KStG § 8 Abs. 3 Satz 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Oberlandesgericht Rostock IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

6 U 148/01

Verkündet am: 16.06.2004

In dem Rechtsstreit

hat der 6. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Rostock durch

den Richter am Oberlandesgericht NameHanenkamp, die Richterin am Oberlandesgericht Bült und die Richterin am Landgericht Ewert

aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 26.05.2004

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Landgerichts Rostock vom 25.04.2001 - Az.: 4 O 353/99 - wird zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten der Berufung.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Klägerin wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung durch die Beklagte gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages abzuwenden, sofern diese nicht zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Beschwer:

bis 19.04.2004: 286.445,70 EUR (560.239,10 DM)

danach: 370.315,21 EUR (724.243,60 DM).

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Klägerin beansprucht von der Beklagten als Rechtsnachfolgerin des verstorbenen Steuerberaters B... Sch.... Schadensersatz aus Steuerberaterhaftung. Zur Begründung der Haftung stützt sich die Klägerin auf eine aus ihrer Sicht gegebene Fehlberatung über die steuerliche Anerkennung einer betrieblichen Pensionszusage für ihren ehemaligen Geschäftsführer H .. R....., der bei Erteilung der Zusage im Februar 1991 bereits 61 Jahre alt und seit 1961, d.h. einen erheblichen Zeitraum vor der Unternehmensprivatisierung, im klägerischen Betrieb beschäftigt gewesen ist. Nachdem die Klägerin in erster Instanz rund 1,2 Mio DM Schadensersatz verlangt hat und vollumfänglich unterlegen ist, begehrt sie in der Berufungsinstanz Schadensersatz in Höhe von 724.273,60 DM (370.315,21 EUR).

Für den unstreitigen Sachverhalt sowie das streitige Parteivorbringen erster Instanz nebst Anträgen wird auf den Tatbestand des landgerichtlichen Urteils Bezug genommen.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass der verstorbene Ehemann der Beklagten seine aus dem Steuerberatervertrag folgende Verpflichtung, die Klägerin zutreffend zu beraten, nicht verletzt habe. Das gewählte steuerliche Modell einer Pensionszusage für den ehemaligen Gesellschaftergeschäftsführer R......... der Klägerin sei aufgrund der Tatsache, dass Herr R...... lediglich Minderheitsgesellschafter der Klägerin gewesen sei, steuerlich anerkennungsfähig gewesen. Erst durch eine Entscheidung des Bundesfinanzhofes vom Januar 1996, durch die die bisherige Rechtsprechung zur Einordnung von Pensionszusagen als verdeckte Gewinnausschüttung auch auf den hier gegebenen Fall eines Minderheitsgesellschafters erstreckt worden sei, sei die Beratung objektiv unzutreffend geworden. Dies habe der Steuerberater indessen zum Zeitpunkt seiner Beratungsleistung im Jahre 1992 nicht erkennen können.

Im Übrigen stehe dem geltend gemachten Schadensersatzanspruch auch entgegen, dass ein Schaden nicht ausreichend substantiiert dargetan sei. Zu ersetzen seien solche Nachteile, zu deren Abwendung die verletzte Vertragspflicht übernommen worden sei. Aus diesem Grunde sei eine Differenzrechnung erforderlich. Vorliegend lasse sich der Schadensberechnung in der jeweiligen Gestalt ihrer sich wandelnden Begründung nicht entnehmen, welche konkreten steuerlichen Nachteile die Klägerin tatsächlich erlitten habe und welchen Alternativverhaltens sie sich bedient hätte. Insbesondere habe die Klägerin nicht substantiiert dargelegt, welches konkrete steuerliche Modell nach ihrer Ansicht bei pflichtgemäßem Verhalten des Steuerberaters gewählt worden wäre. Im Übrigen wird wegen des Inhalts der Begründung auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils Bezug genommen.

Mit ihrer hiergegen gerichteten Berufung macht die Klägerin geltend, dass die für den beherrschenden Gesellschaftergeschäftsführer einer GmbH geltende Rechtsprechung zum Zeitpunkt der Erteilung der Pensionszusage auch auf den nicht beherrschenden Gesellschaftergeschäftsführer anwendbar gewesen sei. Dies gelte jedenfalls insoweit, als keine steuerlich wirksame Pensionszusage habe erteilt werden können, wenn der Gesellschaftergeschäftsführer - wie im vorliegenden Fall - zu diesem Zeitpunkt bereits das 60. Lebensjahr vollendet habe. Insoweit stelle die Entscheidung des Bundesfinanzhofs vom 24.01.1996 entgegen der Auffassung des Landgerichts keine Verschärfung der Rechtslage dar. Aus diesem Grunde habe auch das Finanzgericht Mecklenburg-Vorpommern in dem von der Klägerin gegen die Finanzverwaltung geführten Rechtsstreit mit Urteil vom 21.06.2000 klargestellt, dass der Grundsatz des Vertrauensschutzes hinsichtlich der Altersgrenze von 60 Jahren nicht eingreife. Der verstorbene Ehemann der Beklagten habe daher die ihn treffende Pflicht, die Klägerin im Zusammenhang mit der Erteilung der Pensionszusage für Herrn R....... ordnungsgemäß zu beraten, schuldhaft verletzt. Dies gelte umso mehr, als der Steuerberater nach gefestigter Rechtsprechung seine Beratung nach dem sichersten Weg für den Mandanten auszurichten habe.

In diesem Zusammenhang behauptet die Klägerin, den Steuerberater Sch....... um sinnvolle Vorschläge zur Steuerersparnis gebeten zu haben.

Vor diesem Hintergrund habe auch schon zu Beginn der neunziger Jahre Anlass für den verstorbenen Steuerberater Sch..... bestanden, auf mögliche Probleme bei der Anerkennung der Pensionsrückstellungen für den Geschäftsführer R...... hinzuweisen und das vorgeschlagene Steuersparmodell der Pensionszusagen gegebenenfalls rechtzeitig mit dem zuständigen Finanzamt abzuklären. Bei einem entsprechenden rechtzeitigen Hinweis hätte die Klägerin sich für ein anderes Steuersparmodell - etwa durch den Bau einer Gewerbeimmobilie in R......... oder durch eine Gehaltsaufstockung des Geschäftsführers R......... entschieden.

Unzutreffend sei auch die Auffassung des Landgerichts, dass die Klägerin den entstandenen Schaden nicht hinreichend dargelegt habe. Eine Differenzrechnung mit einem alternativen Steuermodell sei nicht erforderlich. Vielmehr habe die Klägerin von der Möglichkeit Gebrauch gemacht, ihren Schaden konkret zu berechnen.

Ihren Schaden beziffert die Klägerin in einer Gesamthöhe von 724.273,60 DM (370.315,21 EUR) bestehend aus den folgenden Positionen:

- Geleistete Pensionszahlungen an den ehemaligen Geschäftsführer R......... in Höhe von 364.281,00 DM.

- Verspätungszuschläge (Verzugszinsen) für die verspätete Entrichtung der Steuern:

a) Verspätungszuschläge auf nachzuentrichtende Körperschaftssteuer für die an R........ ausgezahlten Pensionsleistungen in Höhe von 39.289,00 DM

b) Verspätungszuschläge auf die Rückstellungen in Höhe von 128.554,00 DM.

- Kosten für die erfolglose Durchführung des Verfahrens vor dem Finanzgericht M/V in Höhe von 28.165,10 DM.

- Steuermehrbelastung für die an R. als verdeckte Gewinnausschüttungen (vGA) gezahlten Pensionen in Höhe von 87.881,00 DM.

- Zinsschaden als entgangenen Gewinn in Höhe von 78.832,32 DM aufgrund Berechnung des Wirtschaftsprüfers H.

Die Klägerin beantragt,

die Beklagte unter Abänderung des Urteils des Landgerichts Rostock zum Az.: 4 O 353/99 zu verurteilen, an sie 724.273,60 DM (370.315,21 EUR) nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 01.02.1999 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte verteidigt die angegriffene Entscheidung mit Sach- und Rechtsausführungen. Dem verstorbenen Steuerberater Sch......... könne kein Beratungsfehler wegen eines fehlenden Hinweises auf eine etwaige steuerrechtliche Bedenklichkeit der dem Geschäftsführer R. Anfang 1991 gewährten Pensionszusage angelastet werden. Insbesondere sei nicht zutreffend, dass auch für nicht beherrschende Gesellschaftergeschäftsführer bereits eine absolute Altersgrenze von 60 Jahren hinsichtlich der Erteilung von Pensionszusagen seit 1990 gegolten habe. Die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofes (BFH) sei insoweit noch offen und einzelfallorientiert gewesen und erlaube insbesondere Ausnahmen in Fällen, in denen es sonst zu Lücken in der Altersversorgung der betroffenen Geschäftsführer käme. Dies gelte gerade im Hinblick auf die Besonderheiten im Beitrittsgebiet.

In diesem Zusammenhang bestreitet die Beklagte einen speziellen Auftrag der Klägerin an ihren verstorbenen Ehemann zur Erarbeitung von Steuersparmöglichkeiten und weist darauf hin, dass die Jahresabschlüsse vielmehr periodisch beauftragt und erstellt worden seien.

Darüber hinaus fehle es an einer haftungsbegründenden Kausalität, weil der ehemalige Geschäftsführer R........ entgegen der vereinbarten Regelung zur Altersrente vorzeitig ausgeschieden sei.

Schließlich bestreitet die Beklagte die einzelnen beanspruchten Schadenspositionen nach Grund und Höhe.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung der Klägerin ist zulässig, hat aber in der Sache keinen Erfolg.

I.

Das Rechtsmittel der Klägerin ist zulässig, insbesondere form- und fristgemäß begründet. Es unterfällt nach § 26 Nr.5 EGZPO altem Berufungsrecht. Die mit Schriftsätzen vom 17.06.2004 (Bl. 394 d. A.) und 19.04.2004 (Bl. 478 d. A.) vorgenommenen Klageerhöhungen stellen nach §§ 523 a. F. ZPO, 264 Nr. 2 ZPO zulässige Klageerweiterungen und keine zustimmungspflichtigen Klageänderungen nach § 263 ZPO dar (vgl. Zöller/Gummer, 22. Aufl., § 528 Rn. 11, § 523 ZPO a. F. Rn. 8).

II.

Das Landgericht verneint zu Recht eine zum Schadensersatz verpflichtende Haftung des verstorbenen Steuerberaters B...... Sch...... aus positiver Vertragsverletzung des Steuerberatervertrages bereits dem Grunde nach wegen unterbliebener Hinweise auf eine steuerrechtliche Bedenklichkeit bzw. die Möglichkeit einer mangelnden steuerrechtlichen Anerkennung der dem Geschäftsführer R....... im Februar 1991 zugesagten Pension sowie der diesbezüglich vorgenommenen Pensionsrückstellungen (1.).

Eine hierauf bezogene Falschberatung hat die Klägerin gemessen an den in der steuerrechtlichen Rechtsprechung und Literatur vertretenen Kriterien (a.) unter Berücksichtigung der besonderen Situation ihres ehemaligen Geschäftsführers R......., der noch unter DDR-Rechtsverhältnissen seit 1961 und seit der Wende nach der Unternehmensprivatisierung als sogenannter nicht beherrschender Gesellschafter-Geschäftsführer ununterbrochen im klägerischen Betrieb in leitender Funktion tätig war (b.), nicht dargetan.

Die Frage, ob die Klägerin den klagegegenständlichen Schaden nachvollziehbar dargelegt hat, kann wegen des fehlenden Haftungsgrundes grundsätzlich unbeantwortet bleiben, erscheint aber zweifelhaft (2.).

1.

Dem Steuerberater Sch....... kann keine Verletzung seiner aus dem Beratervertrag folgenden Pflichten dahingehend vorgeworfen werden , dass er vor der Erteilung einer Pensionszusage unter steuerrechtlichen Aspekten ausdrücklich hätte warnen oder hiervon hätte abraten müssen.

a.

Pflichten und Aufgaben des Steuerberaters richten sich nach Inhalt und Umfang des erteilten Mandats (BGHZ 128,361). Er hat im Rahmen des erteilten Auftrages die steuerlichen Interessen seines Mandanten umfassend wahrzunehmen (BGH NJW 1998, 1221) und muss den für seinen Mandanten sichersten Weg wählen (BGH NJW-RR 1992, 1112). Er hat über alle auftretenden steuerlichen Fragen zu belehren und auf Möglichkeiten der Steuerersparnis hinzuweisen und im Grundsatz ähnlich wie ein Rechtsanwalt jede unrichtige Beurteilung einer steuerlichen Frage zu vertreten. Dabei ist die Kenntnis der einschlägigen Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs wichtig, ohne dass der Steuerberater jedoch für nicht voraussehbare Änderungen der Rechtsprechung im Steuerrecht einzustehen hätte (OLG Koblenz NJW-RR 1993, 714). In der Praxis orientiert sich die Rechtsanwendung in Steuersachen durch Angehörige steuerberatender Berufe an Verwaltungsvorschriften und an der Rechtsprechung. Obwohl Verwaltungsvorschriften rechtlich nur an die Behörden gerichtet sind und Urteile Rechtskraft nur gegenüber den Verfahrenbeteiligten erlangen, bilden Verwaltungsvorschriften und Urteile faktisch eine Vertrauensbasis für die Steuerpflichtigen und ihre Berater. Dies gilt vor allem für BFH-Urteile, wobei nach der Rechtsprechung des BFH auch eine rechtliche Rückwirkung rechtsverschärfender Entscheidungen befürwortet wird, was das steuerrechtliche Schrifttum ganz überwiegend ablehnt (Tipke/Lang, Steuerrecht, 16. Aufl. 1998, Rn. 181, 182).

aa.

Im Fall von Pensionszusagen an Gesellschaftergeschäftsführer -bei beherrschenden Gesellschaftergeschäftsführern noch mehr als bei nicht beherrschenden Gesellschaftergeschäftsführern- besteht die Gefahr, dass diese sowie die darauf bezogenen Pensionsrückstellungen aus steuerlicher Sicht eine verdeckte Gewinnausschüttung darstellen können, die gem. § 8 Abs. 3 Satz 2 Körperschaftssteuergesetz (KStG) das Einkommen der verpflichteten Gesellschaft nicht mindern darf und dementsprechend nicht steuermindernd abgesetzt werden kann. In dieser Weise haben die zuständigen Finanzbehörden sowie das Finanzgericht M-V die Pensionszusage für den ehemaligen Geschäftsführer der Klägerin bewertet.

Für die steuerrechtliche Beurteilung der streitigen Frage der Pensionszusagen genügt es nach Auffassung des Senats nicht, allein die Auffassung des zuständigen Finanzamts sowie des Finanzgerichts heranzuziehen, sondern es sind die allgemein gültigen rechtlichen Maßstäbe anzuwenden, welche in der steuerrechtlichen Rechtsprechung und im Schrifttum vertreten werden:

bb.

Voraussetzung für die steuerliche Anerkennung einer Pensionszusage ist deren sogenannte Erdienbarkeit durch den begünstigten Gesellschafter (Gosch, Richter am Bundesfinanzhof, "Neuere Rechtsprechung des Bundesfinanzhofes zu Sonderzusagen der betrieblichen Altersversorgung", BB 1996, 1689,1693; Cramer, "Ist die Üblichkeit ein Kriterium für Pensionszusagen?", BB 1996, 2239). Zur steuerlichen Anerkennung muss die Pensionszusage dem sogenannten Fremdvergleich standhalten, d.h., dass die Pensionsverpflichtung nicht ausschließlich durch das Dienstverhältnis zwischen der Gesellschaft und dem Begünstigten, sondern zumindest u. a. durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst sein muss. Das ist anzunehmen, wenn die Gesellschaft einem gesellschaftsfremden Geschäftsführer unter ansonsten vergleichbaren Umständen keine entsprechende Zusage erteilt hätte. Maßstab für den hiernach anzustellenden Fremdvergleich ist das Handeln eines sachgerecht handelnden Geschäftsleiters, der gem. § 43 Abs. 1 des Gesetzes betreffend die Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbHG) die Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmannes anwendet (BFH BStBl II. 1999,316, BFH GmbHR 2002, 1145).

cc.

Im Fall eines nicht beherrschenden Gesellschaftergeschäftsführers hat das Finanzgericht M-V im Prozess der Klägerin die Erdienbarkeit der Pension davon abhängig gemacht, dass sie einem nicht beherrschenden Gesellschaftergeschäftsführer kurz vor Vollendung seines 60. Lebensjahres versprochen werden muss, der zuvor seit mehr als zwölf Jahren im Betrieb tätig gewesen sein muss und wenn sichergestellt ist, dass ihm im Betrieb eine aktive Tätigkeit von mehr als drei Jahren verbleibt (unter Hinweis auf BFH, Urteil vom 24.01.1996, BStBl. II 1997, 440).

Im Hinblick auf die Altersgrenze von 60 Jahren hat das Finanzgericht M-V die steuerliche Anerkennung für den im Zeitpunkt der Zusage bereits 61 Jahre alten ehemaligen Geschäftsführer der Klägerin R....... versagt.

b.

Ob diese Wertung zutrifft, kann dahingestellt bleiben. Jedenfalls ist dem Steuerberater Sch....... keine schuldhafte Fehleinschätzung der steuerlichen Anerkennungsmöglichkeit der Pensionszusage vorzuwerfen, die zu seiner Haftung führen würde. Das Landgericht stellt in diesem Zusammenhang zutreffend heraus, dass der Steuerberater Sch...... lediglich eine der steuerlichen Rechtsprechung und Verwaltungspraxis im Frühjahr 1991 entsprechende Beratung schuldete. Es gelangt ferner zu dem richtigen Ergebnis (Seite 13 des Urteils), dass die Pensionszusage bei einem nicht beherrschenden Gesellschaftergeschäftsführer 1991 steuerrechtlich anerkennungsfähig war, wenn im vorgesehenen Zeitpunkt des Eintritts in den Ruhestand der Beginn der Betriebszugehörigkeit mindestens zwölf Jahre zurücklag und die Zusage für mindestens drei Jahre Bestand hatte - unter Vernachlässigung der gegebenen Überschreitung der Altersgrenze von 60 Jahren durch den Geschäftsführer R........., der im Februar 1991 bereits 61 Jahre alt war.

Der Altersgrenze kommt nur untergeordnete Bedeutung zu. Sie ist - unabhängig von der Frage einer rückwirkenden Ausdehnung der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofes über Pensionszusagen für den beherrschenden Gesellschaftergeschäftsführer auch auf nicht beherrschende Gesellschaftergeschäftsführer mit Urteil vom 24.01.1996 - für den zu beurteilenden Fall der Pensionszusage an den ehemaligen Geschäftsführer der Klägerin R......... nicht entscheidend.

Denn wendet man die vorstehend unter a. aufgezeigten Beurteilungskriterien über die steuerliche Anerkennung von Sonderzusagen der betrieblichen Altersversorgung auf die konkrete Situation des ehemaligen Geschäftsführers der Klägerin R....... im Februar 1991 an, so ergab sich kein zwingender Anlass für den Steuerberater Sch......, allein aufgrund des Alters des H. R....... im Zeitpunkt der Pensionszusage dringend von dieser Zusage abzuraten oder auf das Risiko einer Nichtabsetzbarkeit der Pensionsrückstellungen hinzuweisen.

Dies gilt insbesondere, da der Steuerberater Sch...... nicht gesondert und vorrangig mit der Erarbeitung von Möglichkeiten der Steuerersparnis beauftragt war, sondern mit der umfassenden Wahrnehmung der Interessen der Klägerin einschließlich der Erstellung der Jahresabschlüsse bis Anfang 1996. Dabei hatte er auch das erklärte Ziel der Klägerin umzusetzten, dem langjährigen Betriebsleiter R....... eine angemessene Altersversorgung zukommen zu lassen. In diesem Rahmen oblag ihm allein die aus dem Dauermandat abgeleitete Pflicht zur Belehrung über steuerlich bedeutsame Fragen und zum Hinweis auf Möglichkeiten der Steuerersparnis. aa.

Zur Zeit der Privatisierung des ehemals staatlichen Betriebes der Klägerin nach der Wende und der damit einhergehenden Notwendigkeit des Abschlusses eines Geschäftsführeranstellungsvertrages für H...... R...... als ehemaliger Betriebsdirektor des VEB B. N. sowie der Gewährleistung einer angemessenen Altersversorgung gab es noch keine verbindlichen gesetzlichen oder durch die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofes ausgebildeten Vorgaben für die steuerrechtliche Beurteilung. Maßgabe für das unter 1. a. bb. dargestellte Beurteilungskriterium des sogenannten Fremdvergleiches muss aber stets die Einzelfallbezogenheit sein. Der Bundesfinanzhof hat in der beklagtenseits zitierten Entscheidung vom 24.04.2004 (GmbHR 2002, 1145) sogar im Fall eines zur Zeit der Altersruhegeldzusage 56 Jahre alten beherrschenden Gesellschaftergeschäftsführers eines Betriebes im Beitrittsgebiet auf das Erfordernis eines zehnjährigen Erdienungszeitraumes verzichtet, um die Sicherstellung einer angemessenen Altersvorsorge nicht zu gefährden. Der Bundesfinanzhof führt in dieser Entscheidung wörtlich aus:

"... Der Senat hat wiederholt entschieden, dass der anzustellende Fremdvergleich immer auf den konkreten Einzelfall bezogen sein muss und dass die hierfür entwickelten allgemeinen Kriterien keine unabdingbaren Tatbestandsmerkmale sind, sondern nur indizielle Bedeutung haben (BFH BStBl II. 1999, 35; BFH BStBl II. 1998, 573). Dies gilt auch im Hinblick auf den Erdienungszeitraum (...). Die insoweit geltenden Fristen hat der Senat aus den gesetzlichen Vorschriften zur Unverfallbarkeit von Pensionsansprüchen aus einem Arbeitsverhältnis abgeleitet (BFH BStBl II. 1995, 419, 421), also aus Normen, die weder die Besteuerung betreffen noch im Verhältnis zwischen einer Kapitalgesellschaft und ihrem Gesellschafter-Geschäftsführer unmittelbar gelten (BFH-NV 1998, 1530). Für die steuerrechtliche Beurteilung fehlt in diesem Punkt eine eindeutige gesetzliche Vorgabe, weshalb die einschlägigen Fristen nicht im Sinne allgemein gültiger zwingender Voraussetzungen verstanden werden dürfen, die unabdingbar wären. Das widerspräche den vom Bundesverfassungsgericht gemachten Vorgaben zur Würdigung entsprechender Indizienmerkmale (vgl. Bundesverfassungsgericht BStBl II. 1996, 34, BFH BStBl II. 1999, 35, BStBl II. 2000, 504). Ist aufgrund der Gegebenheiten des Einzelfalles anderweitig sichergestellt, dass mit der Zusage die künftige Arbeitsleistung des Geschäftsführers abgegolten werden soll, ist dies deshalb auch dann anzunehmen, wenn der besagte Zeitraum von zehn Jahren gerechnet vom Zeitpunkt der Zusage an bis zur Pensionierung nicht erreicht wird (...). So liegen die Dinge im Streitfall. Das FG konnte ohne Rechtsfehler davon ausgehen, dass G. wegen der Besonderheiten des Wirtschaftssystems in der DDR in den Jahren vor 1990 keine angemessene eigene Altersversorgung aufbauen konnte, dass seine Tätigkeit andererseits für den Betrieb der Klägerin von essentieller Bedeutung war und dass unter diesen Umständen ein ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsleiter auch einem gesellschaftsfremden Geschäftsführer eine vergleichbare Pensionszusage erteilt hätte. Diese Würdigung ist vor allem deshalb nicht zu beanstanden, weil die im Streitfall gegebene Situation derjenigen ähnelt, in der es um die Schließung einer Lücke in der Altersversorgung des Geschäftsführers geht; für einen solchen Fall hat der Senat schon in der Vergangenheit ein Abweichen von dem normalen Erdienungszeitraum für möglich erachtet (BFH BStBl II. 1995, 419, 421). Es ist deshalb konsequent, diesen Gedanken auf die hier zu beurteilende Konstellation zu übertragen (vgl. auch Höfer/Eichholz, Der Betrieb 1995, 1246, 1247). ..."

bb.

Diese Grundsätze sind ohne weiteres auf den Geschäftsführer der Klägerin R......... zu übertragen, der über 30 Jahre für den klägerischen Betrieb in leitender Position tätig gewesen ist. Die Klägerin hat ein ausdrückliches Interesse an der Versorgung ihres langjährigen Leiters R........ überdies in dem Beschluss vom 17.12.1992 bekundet (Bl. 29 d. A.). Darin heißt es wörtlich:

"Für die zugesagte Pensionszusage für Herrn R..... gilt ebenfalls folgende Begründung:

Im Hinblick auf persönliche Beziehungen von Herrn R..... zu namhaften Auftraggebern und in der Erwartung, dass Herr R. nach Ausscheiden aus der Gesellschaft die Verbindungen auch weiterhin pflegt, ist die Pensionszusage erteilt worden. Insbesondere wurde berücksichtigt, dass nach DDR-Recht eine Zusage zu einem früheren Zeitpunkt nicht möglich war."

cc.

Dass die Altergrenze von 60 Jahren im Zeitpunkt der Pensionszusage kein absolutes Rechtmäßigkeitskriterium für die steuerliche Anerkennung darstellen soll, wird darüber hinaus auch vom allgemeinen steuerrechtlichen Schrifttum ohne Berücksichtigung der in der ehemaligen DDR geltenden besonderen Verhältnisse befürwortet (vgl. etwa Gosch, Richter am Bundesfinanzhof, a.a.O., BB 1996, 1694, der die Verquickung von Alter des Begünstigten und Zeitpunkt des Versorgungsfalls als "nicht unbedingt glücklich" und "den Realitäten der Wirtschaft nicht gerecht" ansieht; ferner Cramer, a. a. O., BB 1996, 2242, der die Begrenzung einer Pensionszusage auf das Alter von 60 Jahren als "umstritten" einstuft und dem Richterrecht zur Erdienbarkeit nur temporären Bestand zuerkennt).

Danach kann dem Steuerberater Sch....... aufgrund einer Gesamtwertung der vorgenannten Beurteilungskriterien unter Berücksichtigung der besonderen Notwendigkeit der Gewährleistung einer angemessenen Altersversorgung, die nach dem ersichtlichen Willen der Klägerin Priorität haben sollte, kein haftungsbegründendes Fehlverhalten angelastet werden.

Daran ändern auch die Ausführungen der Klägerin in ihrem nicht nachgelassenen Schriftsatz vom 08.06.2004 nichts. Darin enthaltener neuer Tatsachenvortrag darf nach §§ 523, 296a ZPO a.F. nicht berücksichtigt werden. Anlass zur Wiedereröffnung der mündlichen Entscheidung bietet der Inhalt des Schriftsatzes nicht.

Die Rechtsausführungen und Rechtsprechungshinweise führen zu keiner abweichenden Bewertung der Haftung, da sie nicht den besonderen Gegebenheiten der Beurteilung von Erdienbarkeitsvoraussetzungen im Rahmen der Unternehmensprivatisierung im Beitrittsgebiet zur Wendezeit Rechnung tragen. Die im vorgenannten Schriftsatz zitierte Rechtsprechung betrifft zudem ausschließlich Fälle beherrschender Gesellschaftergeschäftsführer.

2.

Nachdem bereits keine haftungsbegründende Verletzung einer Steuerberaterpflicht festgestellt werden konnte, erübrigen sich im Grundsatz Ausführungen zum Schaden. Der Senat weist dennoch vorsorglich darauf hin, dass er die Bedenken des Landgerichts gegen eine substantiierte Darlegung des Schadens und insbesondere auch die Bedenken gegen eine haftungsausfüllende Kausalität (S. 13 des Urteils) teilt. Es ist nicht ersichtlich, inwieweit durch die klägerseits behauptete rechtzeitige Entscheidung für ein anderes Steuersparmodell - etwa den Bau einer Gewerbeimmobilie in R........ oder durch eine Gehaltserhöhung für den ehemaligen Geschäftsführer R........ - Steuern in der Größenordnung des behaupteten Schadens hätten eingespart werden können. Die in der Berufungsinstanz mit Schriftsatz vom 19.04.2004 vorgenommenen Klagerhöhungen um behauptete Schadenspositionen einer Steuermehrbelastung in Höhe von 87.881,00 DM sowie eines nicht näher definierten Zinsschadens in Höhe von 78.832,32 DM sind überdies nicht ansatzweise nachvollziehbar dargelegt.

III.

1.

Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen hinsichtlich der Kosten aus § 97 Abs. 1 ZPO und hinsichtlich der vorläufigen Vollstreckbarkeit aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

2.

Der Wert der Beschwer wird zum 19.04.2004 auf 286.445,70 EUR (560.239,10 DM), danach auf 370.315,21 EUR (724.273,60 DM) festgesetzt (§ 546 Abs. 2 ZPO a.F.).

Ende der Entscheidung

Zurück