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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Rostock
Urteil verkündet am 23.02.2005
Aktenzeichen: 6 U 159/04
Rechtsgebiete: GmbHG, ZPO


Vorschriften:

GmbHG § 31
ZPO § 916 Abs. 1
ZPO § 917
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Oberlandesgericht Rostock URTEIL IM NAMEN DES VOLKES

Laut Protokoll verkündet am: 23.02.2005

6 U 159/04

In dem Arrestverfahren

hat der 6. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Rostock durch

den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht B., die Richterin am Oberlandesgericht B., den Richter am Amtsgericht M.,

aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 23.02.2005

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Die Berufung der Klägerin gegen das am 31.08.2004 verkündete Urteil des Landgerichts Rostock, Az.: 3 O 247/04, wird zurückgewiesen.

2. Die Kosten des Berufungsverfahrens werden der Klägerin auferlegt.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe:

I.

Die Arrestklägerin (nachfolgend Klägerin) hatte in der ersten Instanz die Anordnung eines dinglichen Arrestes in das Vermögen des Arrestbeklagten (nachfolgend Beklagter), ihres ehemaligen Geschäftsführers und Mitgesellschafters, wegen einer angeblichen Forderung i. H. v. 5.931,11 Euro begehrt. Nachdem das Landgericht zunächst mit Beschluss vom 12.07.2004 einen dem Antrag entsprechenden Arrestbefehl erlassen hatte, hat es diesen auf den Widerspruch des Beklagten mit am 31.08.2004 verkündeten Urteil, auf dessen Tatbestand und Entscheidungsgründe Bezug genommen wird, aufgehoben und den Antrag der Klägerin zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich die form- und fristgerecht eingelegte und rechtzeitig begründete Berufung der Klägerin, in der sie die zu Grunde liegende Forderung auf 4.178,56 Euro beschränkt.

Die Klägerin trägt vor, zu Unrecht habe das Landgericht das Bestehen eines Arrestanspruchs verneint. Es habe die Beweislastverteilung verkannt, denn nicht die Klägerin habe eine bestehende Unterbilanz zum 28.09.2001 nachzuweisen, sondern der Beklagte sei als damaliger Geschäftsführer der Klägerin verpflichtet gewesen, die Vermögensverhältnisse der Klägerin zu beobachten und zu prüfen. Die Anzeichen einer Krise der Klägerin am 28.09.2001 seien auf Grund der seit Juli 2001 nicht mehr abgeführten Sozialabgaben, der zahlreichen Gläubiger der Gesellschaft und der Undurchführbarkeit eines Insolvenzverfahrens wenige Monate später offensichtlich. Dass der Beklagte diese Krisenanzeichen gesehen habe, ergebe sich bereits aus dem für seine verkauften Geschäftsanteile verlangten Kaufpreis von 0,51 Euro. Eine Überschuldensbilanz könne die Klägerin nicht vorlegen, da ihre Geschäftsunterlagen nicht mehr vorhanden seien, wofür auch der Beklagte verantwortlich zeige.

Entgegen der Auffassung des Landgerichts liege auch ein Arrestgrund vor. Einerseits habe der Beklagte in einem gegen ihn gerichteten Strafverfahren vor dem Amtsgericht Rostock mit einer Verurteilung wegen Untreue, betrügerischem Bankrotts u.a. zu rechnen. Andererseits weigere er sich bis heute, der Klägerin Rechenschaft über zwei Barabhebungen (06.08.2001 und 08.08.2001) von ihrem Geschäftskonto i. H. v. insgesamt 300.000 DM abzugeben. Auf Grund dieser fortgesetzten Weigerung des Beklagten, an der Aufklärung der Geschäftsvorfälle aus der Zeit seiner Geschäftsführertätigkeit mitzuwirken, sei nach Ansicht der Klägerin zu besorgen, dass er ihren Zugriff sowie den Zugriff anderer geschädigter Gläubiger auf sein Privatvermögen weiter verhindern, erschweren bzw. vereiteln wolle.

Die Klägerin beantragt, unter Aufhebung des Urteils des Landgerichts Rostock, Az.: 3 O 247/04, wie folgt zu erkennen:

Wegen der Forderung der Klägerin gegen den Beklagten in Höhe von 4.178,56 Euro - Anspruch aus § 31 GmbHG wegen der Auszahlung dieses Betrages am 28.09.2001 an den Beklagten - wird der dingliche Arrest in das gesamte Vermögen des Beklagten angeordnet.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er verteidigt das Urteil des Landgerichts.

Wegen der Einzelheiten des beiderseitigen Parteivorbringens wird auf die zu den Akten gereichten Schriftsätze mit ihren Anlagen verwiesen.

II.

Die Berufung ist unbegründet.

Zu Recht und mit zutreffender Begründung hat das Landgericht den zunächst angeordneten Arrest vom 12.07.2004 aufgehoben und den Antrag auf Erlass des begehrten dinglichen Arrests zurückgewiesen.

1. Nach § 916 Abs. 1 ZPO findet der Arrest zur Sicherung der Zwangsvollstreckung in das bewegliche oder unbewegliche Vermögen wegen einer Geldforderung oder wegen eines Anspruchs statt, der in eine Geldforderung übergehen kann.

Es kann offen bleiben, ob die Klägerin einen solchen Arrestanspruch - die Forderung, deren Vollstreckung für den Fall ihrer späteren Titulierung gesichert werden soll - hinreichend dargetan hat. Hieran bestehen bereits erhebliche Zweifel. Denn das unsubstantiierte und nicht glaubhaft gemachte Vorbringen der Klägerin füllt keine der von ihr vorgetragenen Anspruchsgrundlagen aus. Dies gilt auch unter Berücksichtigung des neuen (und nach § 531 Abs. 2 ZPO verspäteten) Vortrages im Schriftsatz vom 18.02.2005.

2. Jedenfalls fehlt es an einem Arrestgrund.

Gemäß § 917 Abs. 1 ZPO findet der dingliche Arrest statt, wenn zu besorgen ist, dass ohne dessen Verhängung die Vollstreckung eines Urteils wegen einer Geldforderung vereitelt oder wesentlich erschwert werden würde. Es muss die Verschlechterung der Vermögenslage des Schuldners drohen. Diese Voraussetzungen liegen nicht vor.

a) Allein die nach Ansicht der Klägerin zu erwartende strafrechtliche Verurteilung des Beklagten wegen Untreue, Bankrotts u.ä. vermag einen Arrestgrund im Sinne von § 917 ZPO nicht zu begründen.

Hierbei kann dahinstehen, ob die Klägerin - woran der Senat zweifelt - überhaupt Tatsachen vorgetragen und glaubhaft gemacht hat, welche den Tatbestand eines vermögensbezogenen Straftatbestandes ausfüllen könnten. Denn in einem laufenden Strafverfahren gilt zugunsten des Angeklagten die Unschuldsvermutung. Darüber hinaus folgt aus einem in der Vergangenheit liegenden etwaigen strafbaren Handeln allein noch keine - erforderliche - Wiederholungsgefahr für die Zukunft. Nach heute überwiegender Ansicht (OLGR Frankfurt/Main 2001, 71.f; OLG Köln MDR 2000, 49 f.; OLG Düsseldorf NJW-RR 1999, 1592; OLG Koblenz NJW-RR 2002, 575 f.; vgl. auch Münchner Kommentar/Heinze, ZPO, 2. Aufl., § 917 Rn. 6; Thomas/Putzo/Reichold, ZPO, 26. Aufl., § 917 Rn. 1, jeweils m.w.N.) genügt eine gegen das Vermögen des Gläubigers gerichtete Straftat des Schuldners nicht, um einen Arrestgrund darzutun. Vielmehr muss hinzukommen, dass der Schuldner durch zusätzliche weitere Maßnahmen den Anspruch des Gläubigers gefährdet hat und deshalb konkret gemäß § 917 Abs. 1 ZPO zu befürchten ist, dass die spätere Vollstreckung vereitelt oder erschwert wird. Auch der Senat vertritt diese Auffassung. Denn es gibt keinen Erfahrungssatz, dass ein Schuldner, der durch kriminelle Handlungen den Gläubiger geschädigt hat, nach deren Aufdeckung versuchen wird, die ihm wegen der Schadensersatzforderung drohende Vollstreckung in sein Vermögen zu vereiteln oder wesentlich zu erschweren (so auch OLG Köln MDR 2000, 49 f.). Mit der aufgedeckten Straftat ist für den Schuldner grundsätzlich eine neue Situation entstanden, nach der im Regelfall nicht davon auszugehen ist, dass sich seine kriminelle Energie nun auch darauf richtet, eine Vollstreckung des Gläubigers wegen dessen Ersatzforderung in sein Vermögen zu vereiteln oder wesentlich zu erschweren. Es sind daher im Rahmen einer zu treffenden Einzelfallentscheidung stets konkrete Anhaltspunkte für die Besorgnis erforderlich, der Schuldner werde in Fortsetzung seines unredlichen Verhaltens auch sein Vermögen dem drohenden Zugriff des Gläubigers entziehen (vgl. auch BGH WM 1983, 614). Solche Anhaltspunkte können sich zwar ausnahmsweise schon aus der Art und den Umständen der Straftat ergeben. Es ist jedoch nicht vorgetragen oder sonst ersichtlich, dass sich die Besorgnis der Vollstreckungsvereitelung bzw. -erschwerung schon aus der Art, der Anzahl oder der Intensität der angeblichen kriminellen Handlungen des Beklagten als des damaligen Mitgeschäftsführers der Klägerin herleiten lässt. Die ihm vorgeworfenen strafbaren Handlungen unter dem Deckmantel der GmbH und der angebliche unredliche Entzug von Geldern sind für sich genommen nicht ohne weiteres geeignet, die ernsthafte Befürchtung zu rechtfertigen, der Beklagte werde nunmehr auch alles daran setzen, sein noch vorhandenes Vermögen dem drohenden Zugriff der Klägerin zu entziehen. Ein entsprechender Ausnahmefall liegt mithin nicht vor.

b) Der Senat vermag einen Arrestgrund auch nicht darin zu sehen, dass der Beklagte der Klägerin bislang keine Auskunft über die von ihrem Geschäftskonto am 06.08.2001 und am 08.08.2001 entnommenen Barbeträge i. H. v. insgesamt 300.000 DM erteilt hat. Hierbei kann dahinstehen, ob die Klägerin den Beklagten ausdrücklich zu einer entsprechenden Auskunft aufgefordert hat. Denn entgegen der Auffassung der Klägerin liegt allein in diesem Schweigen keine bis heute andauernde Untreuehandlung zu ihren Lasten [aa)-cc)]. Die bislang nicht erteilte Auskunft bildet auch keinen konkreten Anhaltspunkt für die Besorgnis, der Beklagte wolle sein Vermögen dem drohenden Zugriff der Klägerin entziehen [dd)].

aa) Die Klägerin behauptet nicht, dass der Beklagte die abgehobenen Geldbeträge veruntreut habe. Sie bringt vielmehr vor, dass nach den Auskünften des Herrn L. mit diesem Geld an die Klägerin gerichtete Rechnungen in bar bezahlt worden sein sollen und wünscht hierüber aufgeklärt zu werden.

bb) Die Klägerin trägt auch nicht vor, dass es der Beklagte gewesen sei, der dieses Geld von ihrem Geschäftskonto abgehoben hat. Nach dem von ihr zur Akte gereichten - nicht rechtskräftigem - Strafbefehl und ihrem übrigen Vorbringen war neben dem Beklagten auch Herr L. bis zum 04.10.2001 Geschäftsführer der Klägerin. Es kann daher nicht ausgeschlossen werden, dass jener das Geld abhob und dies, ebenso wie die Verwendung des Geldes, dem Beklagten nicht bekannt war.

cc) In den beiden vorgenannten Punkten unterscheidet sich der Rechtsstreit von dem durch die Klägerin zitierten, der Entscheidung des Bundesgerichtshofes vom 17.03.1987 (NJW 1987, S. 2008 ff.) zu Grunde liegenden Sachverhalt. Denn dort waren dem Beklagten durch den Kläger ausdrücklich Untreuehandlungen vorgeworfen worden, die mangels substantiierten Bestreitens des Beklagen als unstreitig anzusehen waren. Auch bestand dort kein Zweifel, dass der Beklagte alle Vorgänge kannte oder kennen musste (BGH a.a.O.).

dd) Da somit die Klägerin dem Beklagten weder ein in den Barabhebungen vom 06.08.2001 und 08.08.2001 liegendes unredliches Verhalten vorwirft, noch behauptet, er selbst habe die Geschäftsunterlagen der Klägerin beseitigt, kann eine bislang nicht erteilte Auskunft des Beklagten auch keinen konkreten Anhaltspunkt für die Besorgnis bilden, er wolle sein Vermögen dem drohenden Zugriff der Klägerin entziehen. Insbesondere kann der Senat aus den vorstehenden Erwägungen heraus nicht lediglich die Möglichkeit ernsthaft in Betracht ziehen, die in bar abgehobenen Gelder seien nicht vertragsgemäß verwendet worden.

c) Darüber hinaus hat die Klägerin auch nicht vorgetragen, dass eine Verschlechterung der privaten Vermögenslage des Beklagten droht. Ihr Vorbringen richtet sich nur auf ihr eigenes, angeblich verringertes Geschäftsvermögen. Sie trägt jedoch nicht vor, dass der Beklagte sein Privatvermögen etwa sichern oder fortschaffen wolle. Solche Darlegungen wären aber für die Annahme eines Arrestgrundes erforderlich gewesen.

III.

1. Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus den §§ 97 Abs. 1, 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.

2. Die Revision ist nicht statthaft, § 542 Abs. 2 Satz 1 ZPO.



Ende der Entscheidung

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