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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Rostock
Beschluss verkündet am 17.10.2007
Aktenzeichen: 6 U 36/07
Rechtsgebiete: ZPO, GVG


Vorschriften:

ZPO § 42
ZPO § 48
GVG § 21e Abs. 3
GVG § 21f Abs. 2 Satz 1
1. Über die Besetzungsrüge zur nicht geschäftsplanmäßigen Besetzung hat - zur Wahrung rechtlichen Gehörs - in analoger Anwendung von §§ 42, 48 ZPO der zur Sachentscheidung berufene Spruchkörper zu entscheiden.

2. Die Verhinderung eines Vorsitzenden Richters am Oberlandesgericht durch Eintritt in eine Elternzeit führt dann nicht zu einer dauerhaften Verhinderung des Vorsitzenden i. S. von § 21f Abs. 2 Satz 1 GVG, wenn zeitgleich mit dem Eintritt von der Justizverwaltung ein Stellenbesetzungsverfahren eingeleitet wird. Dann ist für eine Übergangszeit von bis zu sechs Monaten eine vorübergehende Vertretung des in die Elternzeit getretenen Vorsitzenden möglich, ohne dass es der Zuweisung eines Vorsitzenden Richters durch das Präsidium des Gerichts nach § 21e Abs. 3 GVG bedarf.


Oberlandesgericht Rostock Beschluss

6 U 36/07

In dem Rechtsstreit

hat der 6. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Rostock am 17.10.2007 beschlossen:

Tenor:

I. Die Besetzungsrüge der Klägerin vom 10.08.2007 wird zurückgewiesen.

II. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

Gründe:

I.

Die Klägerin rügt die Besetzung des erkennenden 6. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Rostock.

Sie bringt vor, nach dem Geschäftsverteilungsplan 2007 sei der Vorsitzende des Senats, VorsRiOLG B, beurlaubt. Dauere die Beurlaubung über einen längeren Zeitraum an, läge nicht nur, wie in § 21f Abs. 2 GVG vorausgesetzt, ein Fall der vorübergehenden Verhinderung vor. Eine Beurlaubung von mehr als 6 Monaten wäre nämlich als ein Fall der dauernden Verhinderung anzusehen. Der Senat sei daher nicht ordnungsgemäß besetzt.

Der Senat hat der Klägerin - nach Einholung der entsprechenden Informationen bei der Präsidialverwaltung des Oberlandesgerichts - mitgeteilt, dass sich der VorsRiOLG B auf seinen Antrag gem. Bewilligung des Justizministeriums M-V seit dem 02.07.2007 in Elternzeit befindet. Daraufhin hat die Klägerin ergänzend vorgetragen, insofern habe es einer Änderung des Geschäftsverteilungsplans mit entsprechender Beschlussfassung des Präsidiums bedurft. Das habe die vorliegende, als dauernde Verhinderung (da voraussichtlich mehr als 6 Monate) zu wertende Elternzeit des ordentlichen Vorsitzenden gefordert. Die Position des Vorsitzenden sei seit nunmehr mehr als 3 Monaten vakant. Die Vakanz sei vorhersehbar gewesen, da der Antrag auf Elternzeit schon einige Monate vor Beginn der Elternzeit gestellt werde. Die Besetzung der Vorsitzendenstelle habe unverzüglich bzw. in angemessener Zeit zu erfolgen und dürfe nicht rechtswidrig verzögert werden. Nach Ansicht des BGH, des BVerwG, des BFH und des BSG sei es sachgerecht, "in allen Fällen und ungeachtet der mutmaßlichen Dauer der Vakanz zu verlangen, dass das Präsidium den frei gewordenen Vorsitz dem Vorsitzenden eines anderen Spruchkörpers überträgt" (BSG, Beschluss vom 29.11.2006, Az.: B 6 KA 34/06 B, = NJW 2007, 2717ff.). Nach Ansicht des BSG - und anderer oberster Bundesgerichte - sei eine mehr als dreimonatige Vakanz im Vorsitz nicht hinnehmbar, zwei Monate hingegen zulässig, wobei die Frist bei vorhersehbarem Ausscheiden kürzer zu bemessen sei als bei unvorhersehbarem Ausscheiden. Die zeitliche Grenze, in der ein Senat durch einen Vertreter im Sinne des § 21f Abs. 2 Satz 1 GVG geführt werden dürfe, sei daher nicht klar zu ziehen; sie reiche von 2 Monaten bei vorhersehbarem Ausscheiden bis zu maximal 6 Monaten.

Die Klägerin meint, solle sich der Senat selbst als ordnungsgemäß besetzt ansehen, um in der gegenwärtigen Besetzung zu entscheiden, dürfe dies jedenfalls nicht im Beschlusswege nach § 522 Abs. 2 ZPO - wie angekündigt - geschehen. Denn solches würde den Rechtsschutz der Klägerin in - auch verfassungsrechtlich - nicht hinnehmbarer Weise beschneiden. Die sich zur Besetzung stellende Frage, ob im Falle der Elternzeit des Vorsitzenden der Geschäftsverteilungsplan förmlich geändert werden müsse, wie auch die Frage, in welchem Zeitraum die Vorsitzendenstelle bei vorhersehbarer Verhinderung neu zu besetzen, oder aber wenigstens der Vorsitz dem Vorsitzenden eines anderen Senats zu übertragen sei, sei von grundsätzlicher Bedeutung und werde von den obersten Bundesgerichten uneinheitlich entschieden, so dass eine weitere Entscheidung des Bundesgerichtshofs zur Rechtsfortbildung wie auch zu einer Vereinheitlichung der Rechtsprechung geboten sei.

II.

Die Besetzungsrüge ist zulässig (1.), aber unbegründet (2.).

1.

In den zur Besetzungsrüge vorgebrachten Gründen sind zwar keine Ausschlussgründe nach § 41 Nr. 1 bis Nr. 6 ZPO zu sehen (vgl. Zöller/Vollkommer, ZPO, 26. Aufl., § 41 Rn. 2) und auch keine solchen wegen der Besorgnis der Befangenheit (§ 42 ZPO) oder die der Selbstablehnung nach § 48 ZPO. Zu Fällen der - hier nach § 21f GVG - nicht ordnungsgemäßen Besetzung des Gerichts wird deshalb auch die Auffassung vertreten, dass ihre Geltendmachung nach §§ 538 Abs. 2 Nr. 1, 547 Nr. 1, 576 Abs. 3, 579 Abs. 1 Nr. 1 ZPO - also in der Berufungs-, Revisions- oder Rechtsbeschwerdeinstanz - zu erfolgen habe (vgl. Zöller/Vollkommer, a.a.O.), womit eine Behandlung der Rüge durch das erkennende Gericht selbst (hier den Senat) ausgeschlossen wäre. Dem ist aus Sicht des Senates aber schon deshalb nicht zu folgen, weil die Rüge der nicht ordnungs- und geschäftsplanmäßigen Besetzung unmittelbar vor dem Senat angebracht worden ist und eine Nichtbehandlung dieser Rüge - bzw. eine Überlassung dieser Entscheidung an den Bundesgerichtshof bzw. das Bundesverfassungsgericht - einer Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör gleichkäme. § 321a ZPO als eigenständiger Rechtsbehelf zur Geltendmachung von Gehörsverletzungen gegenüber dem Ausgangsgericht (vgl. Zöller/Vollkommer, a.a.O., § 321a Rn. 2), hat jedoch gerade zum Gegenstand, entsprechend der allgemeinen Justizgewährungsgarantie zu sichern, dass im Hinblick auf die Wahrung rechtlichen Gehörs, gleich in welcher Instanz, fachgerichtlicher Rechtsschutz durch förmliche, in der "geschriebenen" Rechtsordnung geregelte Rechtsbehelfe gewährleistet sein muss (vgl. Zöller/Vollkommer, a.a.O., § 321a Rn. 1 m.w.N.; BVerfG 107, 339ff.). Das gebietet es, die Rüge zur nicht geschäftsplanmäßigen Besetzung entsprechend §§ 42, 48 ZPO zu behandeln (im Ergebnis ebenso Stein/Jonas/Bork, ZPO, 21. Aufl., Vor § 41 Rn. 1), also eine Entscheidung über diese Besetzungsrüge noch innerhalb der Instanz, durch den zur Entscheidung berufenen Spruchkörper herbeizuführen.

Die Rüge ist zulässig im Sinne von § 44 ZPO vor dem Senat angebracht worden; der Senat entscheidet über die Besetzungsrüge in der Besetzung, die nach dem Ausscheiden des VorsRiOLG B in die Elternzeit nach dem Geschäftsverteilungsplan des Oberlandesgerichts Rostock (RiOLG Dr. t V [als stellvertretender Vorsitzender], Ri'inOLG B [als Beisitzende], RiOLG T [1. Vertreter aus dem 1. Zivilsenat als Vertretungssenat des 6. Zivilsenats] als Beisitzender) unter Berücksichtigung der krankheitsbedingten Verhinderung von RiOLG H (weiterer stellvertretender Vorsitzender) und Ri'inOLG Prof. Dr. H (Verhinderung durch ihre vorrangige Tätigkeit als Universitätsprofessorin) verbleibt (§ 45 ZPO).

2.

Die Besetzungsrüge ist unbegründet, denn der Senat ist bei Ergehen dieser Entscheidung durch den stellvertretenden Vorsitzenden (und die weiter mitwirkenden Beisitzer) allgemein wie im Besonderen auch im Vorsitz ordnungsgemäß besetzt. Die demgegenüber seitens der Klägerin (im Wesentlichen) geübte Berufung auf die Entscheidung des BSG (NJW 2007, 2717) trägt im vorliegenden Fall nicht.

a)

Nach § 21f Abs. 2 Satz 1 GVG führt bei Verhinderung des Vorsitzenden den Vorsitz das vom Präsidium bestimmte Mitglied des Spruchkörpers, hier mithin RiOLG Dr. t V.

Eine solche Verhinderung liegt derzeit - aufgrund der seit dem 02.07.2007 angetretenen und noch fortdauernden Elternzeit des VorsRiOLG B und der zeitgleich ausgeschriebenen drei Stellen zur Besetzung der Stelle einer Vorsitzenden Richterin bzw. eines Vorsitzenden Richters am Oberlandesgericht - in entsprechender Anwendung der genannten Vorschrift vor.

aa)

Die Vertretung nach § 21f Abs. 2 GVG setzt allerdings einen Fall der vorübergehenden Verhinderung voraus. § 21f GVG hat zum Ziel, dass den Vorsitz in dem Spruchkörper ein besonders qualifizierter Richter innehat, der den vielfältigen und verantwortungsreichen Aufgaben dieses Amtes gerecht zu werden vermag (vgl. BGHZ 37, 210, 212; 88, 1, 8; BGH, NJW 1985, 2337). Das zwingt dazu, die Vorschrift des § 21f Abs. 2 GVG eng auszulegen und eine Vertretung des ordentlichen Vorsitzenden nur in Fällen vorübergehender Verhinderung zuzulassen (BGH, NJW 1974, 1572, 1573; NJW 1985, 2337). Ein Verhinderungsfall ist vor allem dann gegeben, wenn der Vorsitzende durch Krankheit, eine anderweitige dienstliche Tätigkeit oder einen übermäßigen Geschäftsanfall zeitweilig an der Wahrnehmung der Geschäfte als Vorsitzender gehindert ist (vgl. BVerwG, NJW 2001, 3493-3495). Bei dauernder Verhinderung muss ein (neuer) ständiger Vorsitzender bestellt werden, der den statusmäßigen Anforderungen des § 21f Abs. 1 GVG entspricht (vgl. Zöller/Gummer, a.a.O., § 21f Rn. 5; BGH, NJW 1985, 2337; 1986, 1326).

aaa)

Der Wegfall eines Richters, sein Ausscheiden aus dem Gericht infolge Todes, Dienstunfähigkeit, Erreichens der Altersgrenze oder Versetzung in ein anderes Amt bewirkt keine vorübergehende, sondern eine endgültige Verhinderung. Ungeachtet dessen wird eine solche Vakanz im Vorsitz mit der vorübergehenden Verhinderung gleichgestellt, weil derartige Ausfälle im Vorsitz praktisch unvermeidbar sind (vgl. BVerwG, NJW 2001, 3493-3495). Da es sich bei einer solchen Vakanz tatsächlich aber um eine dauernde Verhinderung des Vorsitzenden handelt, kann dieser an sich normwidrige Zustand bis zur Bestellung eines neuen Vorsitzenden Richters nur für eine kurze Übergangszeit hingenommen werden. Jede vermeidbare und die übliche Dauer echter Vertretungsfälle überschreitende Verzögerung der (vorübergehenden) Übertragung des Vorsitzes an einen anderen, bereits bestellten Vorsitzenden Richter entzieht der Vertretungsregelung die Grundlage (vgl. BVerwG, a.a.O., m.w.N.). Eine entsprechende Verzögerung erfordert umgehende Maßnahmen der Gerichtsverwaltung und des Präsidiums nach § 21e Abs. 3 GVG und erlaubt eine entsprechende Anwendung des § 21f Abs. 2 GVG nur insoweit, also eine vorübergehende Vertretung des ausgeschiedenen Vorsitzenden für den Fortgang der Gerichtstätigkeit unerlässlich erscheint. Eine sachfremde, mit der Personalauswahl nicht unvermeidlich verbundene Verzögerung der Wiederbesetzung der Planstelle entzieht der Vertretungsregelung nach § 21f Abs. 2 GVG die Rechtsgrundlage, so dass der Spruchkörper nicht ordnungsgemäß besetzt ist (vgl. BGH, NJW 1985, 2337, 2338).

bbb)

Bei der Prüfung der Besetzungsrüge ist allerdings auf die jeweiligen Umstände der Stellenbesetzung abzustellen (so schon RGSt 62, 273, 274; RG JW 1930, 2793 Nr. 26). Dabei muss je nach Lage des Falles eine Übergangszeit von mehreren Monaten in Kauf genommen werden (vgl. BGHSt 8, 17, 14, 11, BGHZ 16, 254; BGH, NJW 1985, 2337, 2338; BVerfG, NJW 1965, 1223).

aaaa)

Grundsätzlich ist dabei zwischen der Wiederbesetzung einer frei gewordenen Planstelle durch die Justizverwaltung und der Zuweisung des Vorsitzes des Spruchkörpers an einen Vorsitzenden Richter durch das Präsidium des Gerichts nach § 21e Abs. 3 GVG zu unterscheiden. Während eine Wiederbesetzung durch die Justizverwaltung in aller Regel mit einer Ausschreibung der Stelle, Treffen der Auswahlentscheidung, Mitteilung der Entscheidung an die unterlegenen Bewerber unter Einräumung einer ausreichenden Rechtsschutzfrist, und unter Umständen der Beteiligung von Mitwirkungsgremien wie Richterwahlausschüssen und Präsidialräten verbunden ist und damit ein halbes Jahr oder länger in Anspruch nehmen kann, besteht für die Neuverteilung der Geschäfte durch das Gerichtspräsidium eine schnellere Handlungsmöglichkeit und Handlungspflicht (BVerwG 2001, 3493-3495).

bbbb)

Welcher Zeitraum bis zur Zuweisung des vakanten Kammervorsitzes an einen Vorsitzenden Richter durch das Gerichtspräsidium hingenommen werden kann, hängt maßgeblich von dem Grund der Vakanz ab (vgl. BVerwG, a.a.O.). Das BSG (NJW 2007, 2717ff. m.w.N.) - und mit ihm andere (zitierte) oberste Bundesgerichte (entsprechend die Berufung der Klägerin) - hat neuerlich entschieden, dass jedenfalls ein Richter, der dem Gericht nicht mehr angehört - wie im Falle des endgültigen Ausscheidens eines Vorsitzenden aus dem Spruchkörper in Folge des Erreichens der Altersgrenze von 65 Jahren -, nach Ablauf von mehr als 6 Monaten durch das "vom Präsidium bestimmte Mitglied des Spruchkörpers" i.S. des § 21f Abs. 2 Satz 1 GVG nicht mehr ordnungsgemäß vertreten werden kann, sondern es dann einer Entscheidung des Präsidiums zur Bestellung eines Vorsitzenden mit dem Vorsitz im Senat bedarf (vgl. NJW 2007, 2717, 2718).

bb)

Ob dieser Fall eines endgültigen Ausscheidens des Vorsitzenden aus Ruhestands- oder vergleichbaren Gründen mit dem Ausscheiden eines Vorsitzenden aus Gründen einer Elternzeit, die nicht mit dem Wegfall der Planstelle - und damit keiner echten Vakanz - verbunden ist, zudem von vornherein zeitlich (auf 2 Jahre) begrenzt wird (vgl. § 3 Abs. 1 EltZLVO M-V vom 22.02.2002, GVOBl. S. 134, geänd. durch 1. Änd.LVO v. 17.01.2006 [GVOBl. S. 35]), außerdem spätestens sechs Wochen vor Beginn beantragt werden muss (§ 3 Abs. 1 EltZLVO M-V) und überdies den jederzeitigen Abbruch (mit Zustimmung des Dienstherrn) (vgl. § 4 Abs. 1 EltZLVO M-V) und somit die (vorzeitige) Rückkehr in den richterlichen Dienst erlaubt, gleichgesetzt werden kann, erscheint fraglich, bedarf aber hier keiner abschließenden Entscheidung.

aaa)

Denn selbst für den - weiterreichenden - Fall eines endgültigen Ausscheidens eines Vorsitzenden aus dem Spruchkörper besteht - wie das BSG hervorgehoben hat (vgl. NJW 2007, 2717, 2718) - Einigkeit in der höchstrichterlichen Rechtsprechung darüber, dass - wie bereits ausgeführt - die entsprechende Anwendung des § 21f Abs. 2 Satz 1 GVG geboten ist. BSG, BGH, BVerwG und BFH gehen selbst unter dieser Voraussetzung (einer echten Vakanz) - entgegen der Zitierweise der Klägerin - davon aus, dass zeitlich eng begrenzte Vakanzen im Vorsitz nicht gänzlich vermieden werden können und es nicht sachgerecht wäre, in allen Fällen und ungeachtet der mutmaßlichen Dauer der Vakanz zu verlangen, dass das Präsidium den frei gewordenen Vorsitz dem Vorsitzenden eines anderen Spruchkörpers zusätzlich überträgt, was nach § 21 e Abs. 1 Satz 4 GVG möglich ist (vgl. BSG, a.a.O. m.H.a. die Rspr. der anderen obersten Bundesgerichte). Denn eine solche Forderung müsste - wie das BSG ausgeführt hat - in manchen Fällen gar nicht zu einer sachgemäßen und den Zielen des GVG entsprechenden Besetzung des Spruchkörpers führen, insbesondere dann nicht, wenn sich ein Spruchkörper mit Rechtsgebieten zu befassen hat, mit denen bei dem Gericht keiner der übrigen Vorsitzenden Richter so vertraut ist, dass er ohne ins Gewicht fallende Einarbeitungszeit die Funktion des Vorsitzenden auch in dem weiteren Senat zu erfüllen vermöchte. Die Bestellung eines Übergangsvorsitzenden, der sich in die betreffende Rechtsmaterie erst einarbeiten muss, zudem für eine möglicherweise voraussehbar nur kurze Zeitspanne, würde in einem solchen Fall keinen merkbaren Gewinn für die Rechtsprechung des Spruchkörpers bieten, weil die Übergangszeit bereits verstrichen sein würde, bevor er nach Einarbeitung den von ihm erwarteten richtungsweisenden Einfluss auf die Rechtsprechung des Spruchkörpers ausüben und in der seinem Amt entsprechenden Weise durch seine besondere Erfahrung und Qualifikation für die Rechtsprechung des Spruchkörpers bürgen könnte (vgl. BSG, a.a.O., BFHE 190, 47, 53f.; BGHZ 20, 355; Zöller/Gummer, a.a.O., § 21e GVG Rn. 39d).

§ 21f Abs. 2 Satz 1 GVG ist daher nach dem Ausscheiden eines Vorsitzenden vielmehr auch dann für eine Übergangszeit entsprechend anwendbar, wenn das Ausscheiden zu einem Zeitpunkt vorhersehbar war, der es den zuständigen Organgen ermöglicht hätte, rechtzeitig einen für die Wiederbesetzung dieser Position geeigneten Vorsitzenden Richter zu berufen (vgl. BSG, a.a.O.). Ungeachtet der Verpflichtung der staatlichen Stellen, im Rahmen ihrer Zuständigkeit für eine zügige Besetzung frei werdender Vorsitzender-Stellen zu sorgen, kann es dabei aus unterschiedlichen und vor allem nicht ohne weiteres aufklärbaren und als vermeidbar oder unvermeidbar zu bewertenden Gründen zu Verzögerungen bei der Wiederbesetzung einer frei werdenden Stelle kommen (vgl. BSG, a.a.O., m.w.N.). Dem folgt auch der Senat. Den Zeitraum, wie lange das Präsidium im Falle einer nicht nahtlosen Besetzung der Stelle des Vorsitzenden mit einer Entscheidung (über die Nachbesetzung nach § 21 e Abs. 1 Satz 4 GVG) zuwarten darf, hat das BSG in der höchstrichterlichen Rechtsprechung als nicht geklärt geachtet und auch für den dort anstehenden Fall nicht abschließend entschieden, sondern für so lange hinnehmbar erachtet, wie dadurch keine wesentlich gewichtigere Beeinträchtigung der bei ordnungsgemäßer Besetzung des Spruchkörpers zu erwartenden Arbeitsweise zu erwarten ist, als bei einem längeren Urlaub oder einer länger dauernden Krankheit des Vorsitzenden (vgl. BSG, a.a.O., m.w.N.).

bbb)

Unter Berücksichtigung dieses in der höchstrichterlichen Rechtsprechung entwickelten Maßstabes hat das BSG - in Übereinstimmung mit den Literaturstimmen (vgl. Zöller/Gummer, a.a.O. § 21e GVG Rn. 39d) - einen Zeitraum von bis zu 6 Monaten in der Vakanz - eines endgültig aus dem Dienst ausgeschiedenen Vorsitzenden - für noch hinnehmbar erachtet, damit den Anforderungen an eine ordnungsgemäße - GVG-gemäße - Besetzung genügt ist (vgl. BSG, a.a.O., m.w.N.).

b)

Eingedenk dieser in der Rspr. des BSG - wie auch der anderer (nicht abweichenden) obersten Bundesgerichte - begründeten Maßstäbe, entspricht die derzeitige Besetzung des Senats gemäß dem Geschäftsverteilungsplan des Oberlandesgerichts Rostock (im Vorsitz wie auch ansonsten) der Rechtslage.

aa)

Selbst wenn die Beurlaubung zum Zwecke der Elternzeit - wie vorliegend - dem endgültigen Ausscheiden eines Vorsitzenden infolge des Erreichens der Pensionsaltersgrenze gleichzusetzen wäre, was dem Senat - wie ausgeführt - fraglich erscheint, aber hier keiner näheren Befassung bedarf, oder wenn von einer Gleichstellung von Elternzeit und Abordnung ausgegangen werden müsste, die nach Ablauf von mehr als 6 Monaten als dauernde Verhinderung anzusehen ist (vgl. Zöller/Gummer, a.a.O., § 21e GVG Rn. 39c), verbliebe dem Präsidium des Oberlandesgerichts angesichts der ab dem 02.07.2007 angetretenen Elternzeit ein Zeitraum bis zum 02.01.2008, also dem Zeitpunkt, zu dem ohnehin der Geschäftsverteilungsplan für das nächste Geschäftsjahr zu beschließen sein wird, um gegebenenfalls eine Entscheidung zur Besetzung im Vorsitz durch den Vorsitzenden eines anderen Senats (§ 21 e Abs. 1 Satz 4 GVG) zu treffen. Zu einer solchen Entscheidung hat sich das Präsidium - wie dem Senat bekannt ist - schon jetzt eingestellt und positioniert, indem durch Präsidiumsbeschluss vom 26.09.2007 die Besetzung der Stelle des Vorsitzenden des 3. Zivilsenats, dessen Stelle mit seinem Ausscheiden (wegen Erreichens der Altersgrenze) zum 31.05.2007 am 01.06.2007 vakant geworden ist, dem (ordentlichen) Vorsitzenden des 8. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Rostock übertragen wurde. Zur Besetzung des 6. Zivilsenats ist es - im Umstand der darum geführten Aussprache im Präsidium - (vorerst) verblieben, weil "gegenwärtig kein Handlungsbedarf" erkannt wurde. Entsprechend dieser Beschlusslage ist die Besetzung des 6. Zivilsenats auch unter Berücksichtigung des Vorbringens der Klägerin unter Beachtung der höchstrichterlichen Rechtsprechung zu beurteilen.

bb)

Mitentscheidend tritt nämlich hinzu, dass im Amtsblatt MV 2007, Heft 27, Bl. 303, drei Stellen zur Besetzung einer/eines Vorsitzenden Richter(in)s am Oberlandesgericht ausgeschrieben worden sind. Die damit beabsichtigte Besetzung von Vorsitzendenstellen ist dem Senat konkret nicht bekannt (oder durch die Präsidialverwaltung mitgeteilt worden). Nach dem derzeit für den Senat zu überblickenden Sachstand ist zum 01.06.2007 die Stelle des Vorsitzenden im 3. Zivilsenat und seit dem 01.10.2007 die Stelle des Vorsitzenden im 1. Strafsenat neu zu besetzen (infolge des Ausscheidens aus Altersgründen). Zum 01.01.2008 könnte sich die Frage des Ausscheidens des Vorsitzenden des 1. Zivilsenats sowie des Vorsitzenden des 1. Familiensenats stellen. Nach den von der Präsidialverwaltung des Oberlandesgerichts geäußerten Vorstellungen ist im Übrigen die "Einsparung" bzw. Streichung eines der vorhandenen Zivilsenate beabsichtigt. Unter Berücksichtigung dieser Stellenausschreibungen für die Stellen von Vorsitzenden Richtern(innen) am Oberlandesgericht und der ggf. neu zu besetzenden Stellen, kann nicht ausgeschlossen werden, dass Fragen zur geschäftsplanmäßigen Besetzung des 6. Zivilsenats, die sich ohnehin erst am dem 02.01.2008 stellen, zu diesem Zeitpunkt durch eine entsprechende Besetzung beantwortet sein werden; ggf. werden sie zu der Zeit neu zu stellen und zu entscheiden sein. Vorerst erkennt der Senat jedenfalls für die vorgebrachte Besetzungsrüge keinerlei Raum.

cc)

Ob im vorliegenden Streitfall bei Eintritt der bezeichneten 6-Monats-Frist anders zu entscheiden wäre, ist zur Zeit dieser Entscheidung irrelevant und nicht übersehbar. Eine solche Entscheidung kann zudem angesichts des laufenden Besetzungsverfahrens, seines Ausgangs und einer ggf. dann, weil nicht mehr in der Verantwortung der Justizverwaltung stehenden, und deshalb neu beginnenden Frist zur ordnungsgemäßen Besetzung - bei einer Entscheidung im Besetzungsverfahren und einer dagegen gerichteten Konkurrentenstreitklage -, nicht beurteilt und prognostiziert werden; sie bedürfte der erneuten Prüfung unter Berücksichtigung der tatsächlichen Umstände und der sich daraus ergebenden rechtlichen Fragestellungen zur gegebenen Zeit.

dd)

Soweit aus anderen obergerichtlichen (vgl. etwa OLG Celle, StV 1993, 66-68) oder höchstrichterlichen (vgl. BVerwG, NJW 2001, 3493-3495) Judikaten gefolgert werden könnte, das Präsidium habe schon in zuvorliegender Zeit - nämlich äußersten etwa 3 Monate nach Eintritt der Verhinderung - über die Wiederbesetzung einer Vorsitzendenstelle (am Oberlandesgericht) zu entscheiden, trifft diese Rechtsprechung nicht den hier vorliegenden Fall. Der Entscheidung des Oberlandesgerichts Celle lag zugrunde, dass der Vorsitzende einer Strafkammer am Landgericht für die Dauer von insgesamt 16 Monaten zur Hilfe beim Aufbau der Justiz in den neuen Bundesländern abgeordnet worden war; die Vorsitzendenstelle der Kammer war vakant gelassen worden. Das Bundesverwaltungsgericht, das ohnehin - wie ausgeführt - keine vergleichbar dezidierte Meinung geäußert, sondern angenommen hat, der Zeitraum bis zur Zuweisung einer vakanten Vorsitzendenstelle an einen Vorsitzenden Richter durch das Gerichtspräsidium hänge maßgeblich vom Grund der Vakanz und den Umständen des Einzelfalles ab (vgl. NJW 2001, 3493-3495), hatte über die Frage einer ordnungsgemäßen Besetzung einer Kammer am Bundesdisziplinargericht zu urteilen, bei der nach einer durch Ableben frei gewordenden Vorsitzendenstellen von deren Nachbesetzung im Hinblick auf eine vom Gesetzgeber beschlossene Auflösung des Gerichts abgesehen worden war.

Beide Fallkonstellationen unterscheiden sich von dem hier zu beurteilenden Sachverhalt ganz wesentlich dadurch, dass in den genannten Fällen für die frei gewordenen Vorsitzendenstellen gar keine Nachbesetzung vorgesehen und demgemäß auch keine Stellenausschreibung eingeleitet und betrieben worden war. Es musste mithin in jenen Fällen von einer dauernden Verhinderung des Vorsitzenden - auch über 6 Monate hinaus - ausgegangen werden, und in einem solchen Fall kann, wie angenommen, dann auch eine frühere Entscheidung des Präsidiums zu einer Besetzung durch den Vorsitzenden eines anderen Senats erwartet werden, da ohnehin - mangels Fehlens einer Planung zur Nachbesetzung - schon vorzeitiger feststeht, dass eine Änderung der Sachlage zur Führung des Spruchkörpers durch einen ordentlichen Vorsitzenden nicht zu erwarten steht. Hiervon kann indes unter Beachtung der am Oberlandesgericht Rostock ausgeschriebenen drei Vorsitzendenstellen indes gerade nicht ausgegangen werden.

ee)

Nicht zu erkennen ist schließlich, dass eine Entscheidung des Präsidiums nach § 21e Abs. 1 Satz 4 GVG zur Besetzung des Senats im Vorsitz durch einen Vorsitzenden Richter eines anderen Senats überhaupt die vorausgesetzten und erwarteten sachgerechten Folgen zeitigen könnte. Bei den beim Oberlandesgericht Rostock eingerichteten Zivilsenaten handelt es sich durchgängig um sogen. "Fachsenate", denen zur geschäftsplanmäßigen Entscheidung bestimmte Sachgebiete aus dem Bereich des Zivilsenats zugewiesen sind. So ist dem 6. Zivilsenat u.a. die Zuständigkeit für das Gesellschaftsrecht, das Kaufrecht, das Makler- und Versicherungsvertragsrecht u.a.m. übertragen. Eine Entscheidung des Präsidiums im jetzigen Zeitpunkt, den Vorsitz des Senats an einen Vorsitzenden Richter eines anderen Senats zu übertragen, ließe - aus den angeführten Gründen - angesichts des zu erwartenden Abschlusses des laufenden Stellenbesetzungsverfahrens zum Jahresende 2007 - also für einen Zeitraum von 2 1/2 Monaten - und einer sich dann stellenden Frage einer Neubesetzung der Vorsitzendenstelle im 6. Zivilsenat, oder einer stattdessen anfallenden Entscheidung des Präsidiums nach § 21e Abs. 1 Satz 4 GVG, nicht erwarten, dass die mit § 21f GVG bezweckten Ziele der Führung eines Senates beim Oberlandesgericht durch einen Vorsitzenden Richter sachlich adäquater als in einer Besetzung des Spruchkörpers in der derzeitigen Besetzung zu erfüllen wären.

3.

Weiter ist nicht der Auffassung der Klägerin beizutreten, der Senat sei an einer Entscheidung über die Besetzungsrüge im - vorgesehenen - Verfahren nach § 522 Abs. 2 ZPO gehindert, weil diese grundsätzliche Bedeutung habe oder eine Entscheidung des Revisionsgerichts zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung geboten sei.

a)

Grundsätzlich hat eine Entscheidung zur Besetzungsrüge in dem Verfahren zu erfolgen, das von Rechts wegen zur Verfügung steht. Erweist sich - wie bisher in diesem Fall angenommen - die Berufung als aussichtlos, so ist nach § 522 Abs. 2 ZPO bei Vorliegen der materiellen und prozessualen Voraussetzungen durch Beschluss zu entscheiden; der Erlass des Beschlusses (statt eines Urteils nach mündlicher Verhandlung) steht nicht im Belieben des Berufungsgerichts (vgl. Thomas/Putzo/Reichold, ZPO, 28. Aufl., § 522 Rn. 13; OLG Köln, MDR 2003, 1435; OLG Koblenz, NJW 2100, 2103).

Zutreffend ist zwar, wie die Klägerin moniert, dass der Beschluss nicht anfechtbar (§ 522 Abs. 3 ZPO) ist, und deshalb (grundsätzlich) keiner Überprüfung durch die Revisionsinstanz des Bundesgerichtshofs unterliegt. Das lässt eine von der Klägerin angenommene und befürchtete fehlende verfassungsrechtliche Überprüfung der geschäftsplanmäßigen Besetzung des Senats indes nicht besorgen. Denn zeigt sich der Rechtsweg mit der Entscheidung des Senats als erschöpft, so ist damit zugleich die Möglichkeit der Verfassungsbeschwerde (der Klägerin) gegen dieses Judikat zum Bundesverfassungsgericht gegeben, ohne dass es zuvor einer Entscheidung des Bundesgerichtshofs bedürfte.

b)

Eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs erscheint auch nicht wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Sache oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung geboten. Die Frage, ob die vorliegend zu beurteilende Verhinderung infolge Elternzeit, zu einer dauerhaften Verhinderung des Vorsitzenden i.S. von § 21 f Abs. 2 Satz 1 GVG führt, kann jedenfalls nicht anders oder günstiger (für den Rügeführer) behandelt werden, als die Entscheidung bei einem endgültigen Ausscheiden aus dem Dienst (Altersruhestand). Zu dieser Frage ist aber gesichert und entschieden, dass - zumal bei einer Stellenausschreibung zur Neubesetzung (wie vorliegend) - vor Ablauf von 6 Monaten der Rüge zur nicht ordnungs- und geschäftsplanmäßigen Besetzung kein Erfolg beschieden sein kann.

Somit ist die Besetzungsrüge zurückzuweisen und der Senat ist (im Anschluss) an einer Sachentscheidung - nach § 522 Abs. 2 ZPO - nicht gehindert.

III.

Die Rechtsbeschwerde (vgl. Zöller/Vollkommer, a.a.O., § 46 Rn. 14a) wird zugelassen.

Ende der Entscheidung

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