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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Rostock
Beschluss verkündet am 17.08.2007
Aktenzeichen: 6 U 58/07
Rechtsgebiete: ZPO, BGB


Vorschriften:

ZPO § 85 Abs. 2
ZPO § 233
ZPO § 236
ZPO § 236 Abs. 2
ZPO § 276 Abs. 2
ZPO § 520 Abs. 2
ZPO § 522 Abs. 1
BGB § 276 Abs. 2
Ein Grund zur Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand (§ 233 ZPO) - gegen die versäumte Frist zur Begründung der Berufung - liegt regelmäßig nicht in einer plötzlich auftretenden Erkrankung des Prozeßbevollmächtigten und ebensowenig in einer unvorhersehbaren Computerstörung, wenn es an Vortrag zu Art und Behebung des Defekts fehlt.
Oberlandesgericht Rostock Beschluss

6 U 58/07

In dem Rechtsstreit

hat der 6. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Rostock am 17. August 2007 beschlossen:

Tenor:

1. Der Antrag des Beklagten und Berufungsklägers, ihm gegen die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, wird zurückgewiesen.

2. Die Berufung des Beklagten und Berufungsklägers gegen das am 01.03.2007 verkündete Urteil des Landgerichts Schwerin - Az.: 4 O 86/06 - wird auf seine Kosten als unzulässig verworfen.

3. Streitwert des Berufungsverfahrens: bis 25.000,00 €.

Gründe:

I.

Die Klägerin begehrt von dem Beklagten Rückzahlung von Vertragsabschlussprovisionen für Versicherungsverträge. Mit Versäumnisurteil vom 27.02.2006 hat das Landgericht den Beklagten verurteilt, an die Klägerin 24.449,08 € nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz hieraus seit 31.01.2006 zu zahlen. Auf den form- und fristgerecht eingelegten Einspruch des Beklagten und nach Klagerweiterung hat das Landgericht in dem am 01.03.2007 verkündeten Urteil das Versäumnisurteil vom 27.02.2006 mit der Maßgabe aufrechterhalten, dass der Beklagte verurteilt wird, an die Klägerin 24.449,08 € nebst 8 %-Punkten über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 31.01.2006 zu zahlen und dass sich seine vorläufige Vollstreckbarkeit nach diesem Urteil richte. Darüber hinaus hat es den Beklagten verurteilt, an die Klägerin weitere 339,77 € zzgl. Zinsen i. H. v. 8 %-Punkten seit dem 25.08.2006 an die Klägerin zu zahlen.

Der Beklagte hat gegen das seinem Prozessbevollmächtigten am 09.03.2007 zugestellte Urteil vom 01.03.2007 Berufung eingelegt, die am 10.04.2007 (Dienstag nach Ostern) beim Berufungsgericht eingegangen ist. Mit Schriftsatz vom 07.05.2007 hat der Prozessbevollmächtigte des Beklagten Fristverlängerung für die Einreichung der Berufungsbegründung um 6 Wochen beantragt. Dem Beklagten wurde ein Monat Fristverlängerung gewährt. Mit weiterem Fristverlängerungsantrag, der am 07.06.2007 beim Berufungsgericht einging, begehrte der Beklagte eine Fristverlängerung um weitere zwei Wochen. Zuvor hatte die Klägerin ihre Zustimmung zu einer weiteren Fristverlängerung erteilt. Dem Beklagten wurde eine weitere Fristverlängerung bis zum 25.06.2007 gewährt. Mit dem am 28.06.2007 per Fax beim Berufungsgericht eingegangenen Schriftsatz hat der Beklagte seine Berufung begründet und zugleich einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Berufungsbegründungsfrist gestellt. Zur Begründung des Wiedereinsetzungsantrages hat der Beklagte vorgetragen, sein Prozessbevollmächtigter sei vom 22.06.2007 bis 27.06.2007 an einer Magen-Darm-Infektion erkrankt und arbeitsunfähig gewesen, so dass eine Schriftsatzfertigung nicht möglich gewesen sei. Darüber hinaus sei in der Kanzlei seines Prozessbevollmächtigten " - wohl durch einen Blitzschlag - " seit dem Wochenende 24.06./25.06.2007 die Bürotechnik und Bürotelekommunikation bis zum 27.06.2007 ausgefallen.

In der Sache begehrt der Beklagte, das Urteil aufzuheben und in vollem Umfang durch das Berufungsgericht überprüfen zu lassen.

Die Klägerin hat beantragt, den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand und die Berufung zurückzuweisen. Die vom Beklagten vorgetragenen Wiedereinsetzungsgründe würden mit Nichtwissen bestritten. Es fehle an einer Glaubhaftmachung der Gründe. Darüber hinaus seien die vorgetragenen Gründe nicht geeignet, eine Wiedereinsetzung zu rechtfertigen.

II.

1. Das form- und fristgerecht eingereichte Wiedereinsetzungsgesuch des Beklagten ist zulässig, in der Sache hat es jedoch keinen Erfolg.

a)

Nach §§ 233, 236 ZPO kommt eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Berufungsbegründungsfrist nur in Betracht, wenn die Partei darlegt und glaubhaft macht, dass sie ohne ihr Verschulden verhindert war, die versäumte Frist einzuhalten.

Ob ein Verschulden einer Partei oder ihres Vertreters (welches ihr zurechenbar ist, vgl. § 85 Abs. 2 ZPO) vorliegt, ist nach dem objektiv-abstrakten Maßstab des § 276 Abs. 2 BGB zu beurteilen. Maßgeblich ist danach die Sorgfalt einer ordentlichen Prozesspartei (vgl. Zöller/Greger, ZPO, 26. Auflage, § 233 Rn. 12). Dementsprechend ist hinsichtlich des nach § 85 Abs. 2 ZPO zuzurechnenden anwaltlichen Verschuldens regelmäßig die übliche, also die standesbedingt strenge Sorgfalt vorauszusetzen. Von daher ist eine Fristversäumung i.d.R. verschuldet, wenn sie für einen pflichtbewussten Anwalt abwendbar gewesen wäre (vgl. BGH, NJW 1985, 1710; Zöller/Greger, a.a.O., § 233 ZPO Rn. 13 m.w.N.). Hierbei ist das Verschulden verfahrensbezogen zu prüfen, also unter Berücksichtigung der Umstände des jeweiligen Falles. Von daher leitet sich im Allgemeinen her, dass die Ausnutzung einer Frist bis zum letzten Tage hohe Anforderungen an das zur Fristwahrung Erforderliche und damit an den Sorgfaltsmaßstab des § 276 Abs. 2 BGB stellt (vgl. OLG Naumburg, OLGR 1998, 351; Zöller/Greger, a.a.O., § 233 ZPO Rn. 14; Beschluss des Senats vom 19.03.2004 - 6 U 178/03 -, veröffentlicht in: OLGR Rostock 2005, 101 ff. = NJOZ 2005, 3697).

Gemäß § 236 Abs. 2 ZPO muss der Antrag die Angabe der die Wiedereinsetzung begründenden Tatsachen enthalten, d. h. die Umstände, die für die Frage von Bedeutung sind, auf welche Weise und durch wessen Verschulden es zur Versäumung der Frist gekommen ist, müssen (soweit möglich; BGH, NJW-RR 99, 428/9) durch eine geschlossene aus sich heraus verständliche Schilderung der tatsächlichen Abläufe dargelegt werden (BGH, VersR 86, 994; 2006, 567 m.w.N.).

b)

An diesem Maßstab gemessen reicht der Vortrag des Beklagten nicht aus, um von einem unverschuldeten Fristversäumnis auszugehen, denn der Prozessbevollmächtigte einer Partei muss alles ihm Zumutbare tun und veranlassen, damit die Frist zur Einlegung oder Begründung eines Rechtsmittels gewahrt wird.

aa)

Im Falle einer plötzlich auftretenden, die Einhaltung einer Berufungsbegründungsfrist hindernden Erkrankung hat er dafür Sorge zu tragen, dass ein Vertreter vorhanden ist oder dass sich das Personal an einen solchen wenden kann (vgl. BGH VersR 1982, S. 802 ff.). Für den Fall, dass die Krankheit von Anfang an so schwer sein sollte, dass die zur Fristwahrung erforderliche Einschaltung eines Vertreters durch den erkrankten Rechtsanwalt selbst oder eine Anordnung an das Büropersonal betreffend die Unterrichtung seines Vertreters nicht möglich oder zumutbar sein sollte, muss der Rechtsanwalt seine Kanzlei allgemein anweisen, zwecks Erledigung fristgebundener Geschäfte, um eine Vertretung durch einen Anwaltskollegen bemüht zu sein (vgl. BGH, a.a.O.; Zöller/Greger, a.a.O., § 233 Rdn. 23, Stichwort: "Krankheit" m.w.N.). Der Beklagte hat nicht vorgetragen, dass sein Prozessbevollmächtigter nach Auftreten der Magen-Darm-Infektion sein Büropersonal angewiesen hat, sich an einen bestimmten Rechtsanwalt zu wenden oder sonst für einen Vertreter zu sorgen, der entweder die Berufungsbegründung innerhalb der laufenden Frist fertigen und bei Gericht einreichen oder einen weiteren Fristverlängerungsantrag gemäß § 520 Abs. 2 ZPO - ggf. nach vorheriger Einholung der Zustimmung der Klägerin - stellen sollte. Er hat auch nicht vorgebracht und es ist auch sonst nicht ersichtlich, dass eine solche Anordnung dem Prozessbevollmächtigten nach Beginn der Erkrankung nicht mehr möglich gewesen wäre. Aber selbst wenn der Krankheitsverlauf eine derartige Anordnung ausgeschlossen haben sollte, fehlt es an der ausreichenden Darlegung einer allgemeinen Anweisung für den Fall einer plötzlichen Erkrankung an das Büropersonal.

bb)

Soweit der Beklagte als weiteren Wiedereinsetzungsgrund eine unvorhersehbare und unvermeidbare Computerstörung bzw. Störung der Bürotelekommunikation anführt, fehlt es an der näheren Darlegung zur Art des Defekts und seiner Behebung (vgl. dazu BGH, NJW 2004, 2525; Zöller/Greger, a.a.O., § 233 Rdn. 23, Stichwort: "Computerstörung"). Die Formulierung " - wohl durch einen Blitzschlag - ", legt die Vermutung nahe, dass der Prozessbevollmächtigte des Beklagten dazu gar keine verlässlichen Untersuchungen angestellt hat. Vortrag zur Behebung des Defekts fehlt völlig.

2. Die Berufung des Beklagten gegen das am 01.03.2007 verkündete Urteil des Landgerichts Schwerin, Az.: 4 O 86/06, ist gemäß § 522 Abs. 1 ZPO als unzulässig zu verwerfen, weil das Rechtsmittel nicht innerhalb der bis zum 25.06.2007 verlängerten Frist begründet worden ist. Ein entsprechender Hinweis ist dem Prozessbevollmächtigten des Beklagten am 29.06.2007 zugestellt worden.

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO; die Festsetzung des Streitwertes beruht auf den §§ 47, 48 GKG, §§ 3, 6 ZPO.

Ende der Entscheidung

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