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Gericht: Oberlandesgericht Rostock
Urteil verkündet am 31.08.2006
Aktenzeichen: 7 U 2/06
Rechtsgebiete: BGB, VOB/B
Vorschriften:
BGB § 767 Abs. 1 S. 3 | |
BGB § 770 | |
BGB § 771 | |
VOB/B § 12 Nr. 4 | |
VOB/B § 12 Nr. 4 Abs. 1 |
Oberlandesgericht Rostock IM NAMEN DES VOLKES URTEIL
Verkündet am: 31.08.2006
In dem Rechtsstreit
hat der 7. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Rostock durch
den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht ............., die Richterin am Oberlandesgericht............., den Richter am Amtsgericht.........................
aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 17.08.2006
für Recht erkannt:
Tenor:
Auf die Berufung der Beklagten zu 2. wird das Urteil des Landgerichts Stralsund vom 29.10.2004 wie folgt abgeändert:
Die Klage gegen die Beklagte zu 2. wird insgesamt abgewiesen.
Die Gerichtskosten tragen die Klägerin zu 75 % und die Beklagte zu 1. zu 25 %. Die Klägerin hat die außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 2. zu tragen. Im Übrigen werden außergerichtliche Kosten nicht erstattet.
Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Klägerin.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Streitwert für das Berufungsverfahren: bis zu 13.000,00 EUR
Gründe:
I.
Die Klägerin nimmt die Beklagte zu 2. aus einer Gewährleistungsbürgschaft in Anspruch.
Die Klägerin beauftragte die Beklagte zu 1. mit Generalunternehmerverträgen vom 23.12.1996 mit der schlüsselfertigen Erstellung zweier Bauvorhaben zu einem Gesamtpauschalpreis von netto 1.355.000,00 DM (Bauvorhaben ................ ) und netto 625.000,00 DM (Bauvorhaben .......................) jeweils ohne die entsprechenden Außenanlagen. Die Verträge sahen jeweils für die fünfjährige Gewährleistungsfrist eine Barsicherheit von 5 % des Pauschalfestpreises ohne Mehrwertsteuer vor und die Möglichkeit der Ablösung durch eine auf fünf Jahre befristete selbstschuldnerische Gewährleistungsbürgschaft auf erstes schriftliches Anfordern. Vereinbart war des Weiteren eine förmliche Abnahme.
Unter dem 26.01.1998 gab die Beklagte zu 2. eine schriftliche Bürgschaftserklärung ab, die folgenden Inhalt hatte:
"Bürgschaftsurkunde Nr.: 140/900/411255786
KDNR: 226640282
I. Hauptverbindlichkeit:
Vorgenannter Auftragnehmer und Auftraggeber ............................ haben einen Vertrag am 23.12.1996 ......................................., Anschl. Öffentl. Ab wasseranl.; Spritzstreifen abgeschlossen. Darin wurde eine Sicherheitsleistung vereinbart für
1. Art: Gewährleistung gem. VOB, Teil B § 13 für bereits fertiggestellte und ohne Beanstandungen und Auflagen abgenommene Arbeiten
2. Summe DM 159.446,85 (null/null/eins/fünf/neun/vier/vier/sechs)
II. Bürgschaftserklärung:
Die unterzeichnende Gesellschaft übernimmt für den unter I. genannten Auftragnehmer - unter der Voraussetzung, dass er gegenüber dem dort genannten Auftraggeber zur Erbringung einer Werkleistung verpflichtet ist - im Rahmen vorstehender Angaben die selbstschuldnerische Bürgschaft zugunsten des Auftraggebers. Sie verzichtet auf die Einrede der Vorausklage gem. § 771 BGB und die Einrede der Anfechtung und Aufrechnung gem. § 770 BGB. Diese Bürgschaft tritt erst in Kraft, wenn der Sicherheitseinbehalt beim Auftragnehmer eingegangen ist.
..." Die Beklagte zu 1. übersandte diese Bürgschaftserklärung mit Schreiben vom 27.01.1998 an die Klägerin. Der seinerzeitige Bevollmächtigte der Klägerin erklärte schriftlich ebenfalls unter dem 27.01.1998 den Vorbehalt für mehrere Mängel der Bauvorhaben. Die Mängelvorbehalte bezogen sich auch auf die Erstellung der jeweiligen Außenanlagen, die nicht Gegenstand der genannten Generalunternehmerverträge waren. Das Wort "Abnahme" findet keine Erwähnung. Abschließend heißt es in dem Schreiben:
"Die Parteien treffen des Weiteren folgende Vereinbarung:
Auf sämtliche Zahlungen werden 2 % Skonto gewährt. Die Zahlung des Abschlags in Höhe von DM 300.000,00 erfolgt entsprechend der in der Anlage beigefügten Berechnung Blatt 1 und 2. ... Des Weiteren vereinbaren die Parteien im Wege der außergerichtlichen Beilegung der Frage der Geltendmachung der Vertragsstrafe für alle oben bezeichneten Bauvorhaben eine Vertragsstrafe in Höhe von DM 95.000,00. Diese Vertragsstrafe wird intern verrechnet auf die Rechnungen das Bauvorhaben ............ betreffend. Die ....... GmbH versichert, dass sie unverzüglich für die Zeit der Gewährleistung Gewährleistungsbürgschaften vorlegen wird. Die Vertragsstrafe in Höhe von DM 95.000,00 wird sodann nach Vorlage der Bürgschaften von dem Sicherheitseinbehalt, der durch Bürgschaften abgelöst wird, abgezogen. Sollte die ........ GmbH binnen 4 Wochen keine Gewährleistungsbürgschaften vorgelegt haben, erklärt sie, dass sie spätestens am 01.03.1998 DM 95.000,00 an die ...........gesellschaft zurückzahlt."
Die Beklagte zu 1. unterzeichnete dieses Schreiben.
Wegen des erstinstanzlichen Vorbringens im Weiteren wird auf das Urteil des Landgerichts vom 29.10.2004 verwiesen. Das Landgericht hat unter Klageabweisung im Übrigen die Beklagten als Gesamtschuldner zur Zahlung von Mängelbeseitigungskosten i. H. v. 9.000,00 EUR nebst Zinsen und zur Beseitigung einzelner aufgeführter Mängel verurteilt.
Die Beklagte zu 2. hat Berufung eingelegt, mit der sie ihr erstinstanzliches Ziel der Klageabweisung weiter verfolgt. Zur Begründung führt sie aus, dass es an einer förmlichen Abnahme fehle und dass der Sicherheitseinbehalt nicht an die Beklagte zu 1. ausgezahlt worden sei.
Die Klägerin verteidigt das angegriffene Urteil.
Der Senat hat die Klägerin mit Verfügung vom 27.07.2004 auf Bedenken hinsichtlich der Schlüssigkeit der Klage hingewiesen. Die Klägerin hat hierzu schriftsätzlich Stellung genommen.
II.
Die zulässige Berufung der Beklagten zu 2. ist erfolgreich. Die Klägerin hat nicht schlüssig dargetan, dass ihr Ansprüche aus der Gewährleistungsbürgschaft vom 26.01.1998 zustehen. Dies gilt unabhängig davon, ob die Klägerin überhaupt berechtigt ist, Ansprüche aus der Bürgschaft geltend zu machen, die nach der Bürgschaftsurkunde die ......... GmbH als Auftraggeberin ausweist.
1.
Der Senat kann dahinstehen lassen, ob der Inanspruchnahme aus der Bürgschaft schon entgegensteht, dass die Sicherungsabreden in den streitgegenständlichen Generalunternehmerverträgen unwirksam sind, weil es sich um allgemeine Geschäftsbedingungen der Klägerin handelt und weil eine Bürgschaft auf erstes Anfordern verlangt wird (vgl. hierzu u. a. OLG Düsseldorf, Urt. v. 01.09.2005, 5 U 91/04; Hildebrandt, IBR 2006, S. 443 m. w. N.) oder ob diese Unwirksamkeit durch die unter dem 27.01.1998 dokumentierte Vereinbarung zwischen der Klägerin und der Beklagten zu 1. auch zu Lasten der Beklagten zu 2. geheilt worden ist.
2.
Denn es fehlt an einer förmlichen Abnahme gem. § 12 Nr. 4 VOB/B.
Der Bürgschaftsvertrag macht die Einstandspflicht von einer förmlichen Abnahme im Sinne der jeweils geltenden VOB/B abhängig. Dies ergibt sich hinreichend deutlich daraus, dass die Bürgschaftsurkunde ausdrücklich auf die Verträge vom 23.12.1996 Bezug nimmt und von einer Sicherheitsleistung für bereits fertiggestellte und ohne Beanstandungen und Auflagen abgenommene Arbeiten die Rede ist.
§ 12 Nr. 4 Abs. 1 VOB/B verlangt, dass der Befund für die Abnahme in einer gemeinsamen Verhandlung schriftlich niedergelegt wird. Ausnahmsweise kann eine förmliche Abnahme in Abwesenheit des Auftragnehmers - d. h. hier der Beklagten zu 1. - erfolgen, wenn ein Abnahmetermin vereinbart war und der Auftragnehmer rechtzeitig eingeladen war.
Die Klägerin hat die Voraussetzungen für eine Abnahme im vorgenannten Sinne nicht dargelegt. Der schriftlichen Vereinbarung vom 27.01.1998 kann eine förmliche Abnahme nicht entnommen werden. Es ist in dieser Vereinbarung von einer Vielzahl von Mängeln die Rede, denen durchaus ein erhebliches Gewicht zukommt. Der Senat verkennt zwar nicht, dass auch eine Abnahme unter Vorbehalt von Mängeln als eine Abnahme gewertet werden kann (vgl. u.a. Ingenstau/Korbion/Oppler, 15. Aufl., § 12 VOB/B Rdn. 11 m.w.N.). Jedoch wird nicht zweifelsfrei deutlich, dass der Auftraggeber abnehmen oder die Abnahme wegen Mängeln verweigern will (vgl. zu diesem Erfordernis u.a. Ingenstau/Korbion/Oppler, a.a.O., § 12 Nr. 4 VOB/B Rdn. 13 m.w.N.). Das Wort "Abnahme" findet keine Erwähnung. Vielmehr spricht der Umstand, dass in der abschließenden Vereinbarung von einer noch zu leistenden Abschlagszahlung die Rede ist, gegen eine Abnahme, weil in diesem Falle eine Abschlagszahlung nicht mehr ohne Weiteres Sinn macht.
Die Klägerin hat keine sonstigen Begleitumstände vorgetragen, die eine förmliche Abnahme belegen könnten. In der Klageschrift heißt es lapidar, am 20.01.1998 sei eine Abnahme durch den betreuenden Architekten der Klägerin, Herrn .............., erfolgt. Im Schriftsatz vom 02.06.2003 führt die Klägerin wie folgt aus (vgl. Bl. 195 d. A.):
"Erst nachdem die Mängel beseitigt wurden, wurde die Vereinbarung gem. Anlage K3 (= die o. g. Vereinbarung vom 27.01.1998) geschlossen. Die in diesem Schreiben erklärten Vorbehalte erfolgten nur vorsorglich. Die Geschäftsführerin der Klägerin war sich nicht sicher, ob die Leistungen mangelfrei sind. Der Vertreter des .............., Herr .........., erklärte, dass ein Mangel nicht vorliegt. Das Protokoll der förmlichen Abnahme ist mithin die Anlage K3, Vereinbarung vom 27.01.1998/28.01.1998."
Dahingestellt bleiben kann, dass die vom Landgericht gehörten Zeugen eine Abnahme nicht haben bestätigen können. Die Klägerin kann nicht geltend machen, sie habe mit der Beklagten zu 1. die Abrede über eine förmliche Abnahme modifiziert. Eine solche Modifizierung muss die Beklagte zu 2. nicht gegen sich gelten lassen. Es ist zwar richtig, dass Werkvertragsparteien eine vereinbarte förmliche Abnahme des Werkes übereinstimmend abbedingen können (vgl. u. a. KG, Urt. v. 04.04.2006, 7 U 247/05, OLGR 2006, 565 m. w. N.). Die Bürgschaftserklärung kann aber bei der gebotenen Berücksichtigung der schutzwürdigen Belange des Bürgen nicht dahin verstanden werden, dass es den Parteien der Hauptschuld überlassen sein sollte, die Modalitäten der Abnahme nachträglich anders als in dem der Bürgschaft zugrunde gelegten Werkvertrag zu regeln, mit der Wirkung, dass die Bürgschaft von vornherein auch im Falle einer auf diese Weise vereinbarten Abnahme gelten sollte. Gegen einen solchen Willen der Bürgschaftsparteien spricht schon die gesetzliche Regelung des § 767 Abs. 1 S. 3 BGB, nach der durch ein Rechtsgeschäft, das der Hauptschuldner nach der Übernahme der Bürgschaft vornimmt, die Verpflichtung des Bürgen nicht erweitert wird. Eine mit dem Bürgen nicht abgestimmte Abbedingung des Erfordernisses einer förmlichen Abnahme hätte für die Hauptschuld zur Folge, dass die Wirkungen der Abnahme sich schon an eine konkludente Abnahme knüpfen könnten. Dabei handelt es sich nicht um eine unwesentliche Änderung, die hinzunehmen einem Bürgen zumutbar wäre. Vielmehr würde der Bürge die vereinbarte klare und überschaubare Eingrenzung seiner Verpflichtung einbüßen und ihm würde ein Streit darüber aufgenötigt werden, ob gegen die Werkleistung Vorbehalte bestehen. Eine solche Verschlechterung seiner Vertragsposition muss ein Bürge nicht hinnehmen (vgl. hierzu OLG Hamburg, Urt. v. 04.05.1990, 1 U 130/89, NJW-RR 1991, 1304). Gerade der vorliegende fall zeigt die Bedeutung und die Sinnhaftigkeit einer förmlichen Abnahme und der für sie notwendigen Förmlichkeiten.
3.
Des Weiteren ist eine Inanspruchnahme aus der Bürgschaft deshalb ungerechtfertigt, weil nicht dargetan ist, dass die Voraussetzung
"Diese Bürgschaft tritt erst in Kraft, wenn der Sicherheitseinbehalt beim Auftragnehmer eingegangen ist."
erfüllt ist.
Es handelt sich bei der genannten Voraussetzung um eine aufschiebende Bedingung (vgl. u. a. OLG Frankfurt, Urt. v. 11.01.2006, 19 U 50/05, BauR 2006, S. 735). Den Eintritt dieser Bedingung hat die Klägerin nicht dargetan. Unstreitig hat sie den Sicherheitseinbehalt nicht an die Beklagte zu 1. bar ausgezahlt bzw. an sie überwiesen. Sie kann sich auch nicht darauf berufen, sie habe einen Betrag i. H. v . 95.000,00 DM mit einem Vertragsstrafenanspruch entsprechend einer Vereinbarung mit der Beklagen zu 1. verrechnet.
Der Senat braucht die Frage nicht zu beantworten, ob die o. g. Bedingung dahin ausgelegt werden kann, dass auch eine solche Verrechnung ausreicht, die Bedingung als erfüllt anzusehen. Grundsätzlich ist eine Barsicherheit bar auszuzahlen, wenn die Bürgschaft als zum Austausch gestellte und geeignete Sicherheit entgegengenommen worden ist (vgl. BGH, Urt. v. 03.07.1997, VII ZR 115/95, NJW 1997, 2958). Eine Ausnahme von diesem Grundsatz ließe sich aus der Überlegung herleiten, bei einer unstreitigen Gegenforderung sei eine Barauszahlung eine überflüssige Förmelei.
Auf die Beantwortung der Frage kommt es nicht an, weil jedenfalls nicht ausreichend dargetan ist, dass der Sicherheitseinbehalt in voller Höhe der Beklagten zu 1. gutgeschrieben worden ist. Ausweislich der Bürgschaftsurkunde beläuft sich der Sicherheitseinbehalt auf 159.446,85 DM. Es ist nicht auszuschließen, dass er nicht nur die nach den Generalunternehmerverträgen vom 23.12.1996 festgelegten Sicherheitseinbehalte von insgesamt 99.900,00 DM (5 % von 1.335.000,00 und 625.000,00 DM) umfasst, sondern auch Sicherheitseinbehalte für die Verträge betreffend die Leistungen für Anschlüsse an die öffentlichen Abwasseranlagen und die Außenanlagen, die nicht von den o. g. Generalunternehmerverträgen umfasst waren. Die Klägerin hat die sich hieraus ergebenden Zweifel und Unklarheiten nicht aufklären können (vgl. Terminsprotokoll vom 17.08.2006).
III.
Die Nebenentscheidungen folgen aus §§ 97 Abs. 1, 269 Abs. 1, 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO. Die erstinstanzliche Kostenentscheidung ist gemäß §§ 91, 92, 100 ZPO zu korrigieren gewesen.
Die Revision ist nicht zuzulassen, da die entsprechenden Voraussetzungen nicht vorliegen.
Ende der Entscheidung
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