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Gericht: Oberlandesgericht Rostock
Beschluss verkündet am 23.10.2007
Aktenzeichen: 7 W 75/07
Rechtsgebiete: GKG
Vorschriften:
GKG § 45 Abs. 1 S. 3 |
2. Für den kostenrechtlichen Begriff des Gegenstandes i. S. v. § 45 Abs. 1 S. 3 GKG kommt es nicht auf den sogenannten zweigliedrigen Streitgegenstandsbegriff des Prozessrechts an. Derselbe Gegenstand i. S. v. § 45 Abs. 1 S. 3 GKG liegt vielmehr vor, wenn sich Haupt- und Hilfsansprüche einander ausschließen und damit notwendigerweise die Zuerkennung des einen Anspruchs mit der Aberkennung des anderen verbunden ist. Dies ist der Fall, wenn mit dem Hauptantrag Schadensersatz in Höhe des positiven Erfüllungsintressses und mit dem Hilfsantrag Ersatz des Vertrauensschadens und damit das negative Interesse begehrt wird.
Oberlandesgericht Rostock Beschluss
In dem Rechtsstreit
hat der Senat7. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Rostock am 23.10.2007 beschlossen:
Tenor:
1. Auf die Beschwerde der Klägerin wird der Streitwertbeschluss des Landgerichts Rostock im Urteil vom 03.11.2006 abgeändert und der Streitwert auf 12.826.249,00 EUR festgesetzt.
2. Die Beschwerde des Streithelfers der Klägerin gegen den Streitwertbeschluss des Landgerichts Rostock im Urteil vom 03.11.2006 wird zurückgewiesen.
3. Die Beschwerdeverfahren sind gerichtsgebührenfrei; außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.
Gründe:
I.
Die Klägerin begehrt von der Beklagten Schadensersatz nach einem gescheiterten Erbbaurechtsvertrag.
Mit ihrem Haupantrag hat sie Erstattung in Höhe ihres - positiven - Erfüllungsinteresses (entgangener Gewinn) und insofern Zahlung von 12.826.249 € begehrt. Ihr Hilfsantrag auf Zahlung von 4.164.914,83 EUR ist auf Ausgleich des negativen Interesses (Finanzierungs- und Vertragskosten sowie sonstige Aufwendungen) gerichtet gewesen.
Die Klägerin hat ihrem Streithelfer den Streit verkündet, da sie gegen ihn für den Fall des Unterliegens in diesem Rechtsstreit einen Anspruch auf Schadloshaltung hinsichtlich der Klageforderungen habe. Der Streithelfer ist dem Rechtsstreit auf Seiten der Klägerin beigetreten und hat sich den Anträgen der Klägerin angeschlossen.
Mit der angefochtenen Entscheidung hat das Landgericht die beiden Beträge aus dem Hauptantrag und dem Hilfsantrag addiert und die Summe als Streitwert festgesetzt.
Dagegen richten sich die Beschwerde der Klägerin vom 18.12.2006 und die ihres Streithelfers vom 17.08.2007.
Die Klägerin meint, der Streitwert sei auf 12.826.249,00 EUR herabzusetzen. Eine Addition des hilfsweise geltend gemachten Anspruchs mit dem Hauptanspruch finde gem. § 45 Abs. 1 Satz 3 GKG dann nicht statt, wenn diese Ansprüche denselben Gegenstand beträfen. Dann sei nur der Wert des höheren Anspruchs maßgebend. Davon sei hier auszugehen. Kostenrechtlich lägen nur dann verschiedene Gegenstände vor, wenn die mit dem Haupt- und Hilfsantrag geltend gemachten Ansprüche einander nicht ausschlössen, so dass die Zuerkennung des einen Anspruchs nicht notwendig die Aberkennung des anderen Anspruchs zur Folge habe. Derselbe Gegenstand liege daher vor, wenn sich die geltend gemachten Ansprüche gegenseitig ausschlössen. Dies sei hier der Fall, da das positive und negative Interesse nicht hätten gleichzeitig zuerkannt werden können und beide geltend gemachten Ansprüche nicht kumulativ bestehen könnten. Mit dem Anspruch auf positives Interesse werde eine hypothetische Erfüllung angenommen und letztendlich Schadensersatz wegen entgangenen Gewinns begehrt. Dagegen würden beim Schadensersatzanspruch, gerichtet auf das negative Interesse, letztendlich die nutzlosen Aufwendungen geltend gemacht, also gerade solche Positionen, welche bei dem auf das Erfüllungsinteresse gerichteten Schadensersatz nicht relevant seien.
Der Streithelfer der Klägerin begründet seine Beschwerde damit, dass das Landgericht nicht beachtet habe, dass das Interesse der Beteiligten am Rechtsstreit nicht identisch sei. Sein Interesse beschränke sich auf die Abwehr möglicher Regressansprüche, woran der Umstand, dass er sich den Anträgen der von ihm unterstützten Klägerin angeschlossen habe, nichts ändere.
Die Beklagte tritt der Beschwerde der Klägerin entgegen. Sie ist der Auffassung, die von der Klägerin geltend gemachten Ansprüche seien auf unterschiedliche Streitgegenstände gerichtet und hätten unabhängig voneinander zuerkannt werden können. Ihnen hätten voneinander unabhängige - behauptete - Lebenssachverhalte zu Grunde gelegen.
Das Landgericht hat der Streitwertbeschwerde der Klägerin mit Beschluss vom 21.03.2007 nicht abgeholfen. Es hat ausgeführt, § 45 Abs. 1 Satz 3 GKG sei nicht anwendbar, da Hauptanspruch und Hilfsanspruch zwei unterschiedliche Streitgegenstände beträfen. Anzuwenden sei insofern der sogenannte zweigliedrige Streitgegenstandsbegriff, wonach sich der Streitgegenstand aus dem Antrag und dem vorgetragenen Lebenssachverhalt ergebe. Hier handele es sich sowohl um zwei, ausdrücklich im Eventualverhältnis stehende, Leistungsanträge und im Übrigen auch um unterschiedliche Lebenssachverhalte.
Der Streitwertbeschwerde des Streithelfers der Klägerin hat das Landgericht mit Beschluss vom 28.08.2007 nicht abgeholfen. Es sei nicht der Auffassung zu folgen, nach der ein ggf. geringeres Interesse des Streithelfers Einfluss auf den festzusetzenden Wert habe, wenn er sich den Anträgen der von ihm unterstützten Partei anschließe. Jedenfalls habe er nicht dargelegt, dass sein Interesse geringer sei als das der Klägerin.
II.
1.
Die Beschwerde der Klägerin ist gem. § 68 Abs. 1 GKG zulässig und auch in der Sache begründet.
Eine Zusammenrechnung des von der Klägerin hilfsweise geltend gemachten Anspruches mit dem Hauptanspruch gem. § 45 Abs. 1 Satz 2 GKG hat nicht zu erfolgen. Vielmehr kommt es gem. § 45 Abs. 1 Satz 3 GKG nur auf den Wert des höheren Anspruches - hier des geltend gemachten Hauptanspruches - an, da beide Ansprüche denselben Gegenstand im Sinne dieser Vorschrift betreffen.
Für die Beantwortung der Frage, ob derselbe Gegenstand im Sinne von § 45 Abs. 1 Satz 3 GKG betroffen ist, kommt es - entgegen der Auffassung des Landgerichts - nach einhelliger Ansicht nicht auf den sogenannten zweigliedrigen Streitgegenstandsbegriff des Prozessrechts an, nach dem der Streitgegenstand anhand des Klageantrages und des zur Begründung vorgetragenen Lebenssachverhaltes zu bestimmen ist. Dieser ist vielmehr mit dem kostenrechtlichen Begriff des Gegenstandes gem. § 45 Abs. 1 Satz 3 GKG nicht identisch. Dies ergibt sich schon daraus, dass Haupt- und Hilfsantrag sich jedenfalls in einem der beiden Punkte - Antrag oder Sachverhalt - unterscheiden und daher immer unterschiedliche Streitgegenstände nach der vorgenannten Definition anzunehmen sind. Maßgebend für die Streitwertberechnung ist allein das im jeweiligen Klagebegehren zum Ausdruck kommende Interesse. Wenn sich das dem Haupt- und Hilfsantrag zu Grunde liegende klägerische Interesse - wirtschaftlich betrachtet - auf denselben Gegenstand richtet, scheidet eine Zusammenrechnung aus. Dies ist dann der Fall, wenn Haupt- und Hilfsansprüche einander ausschließen und damit notwendigerweise die Zuerkennung des einen Anspruches mit der Aberkennung des anderen verbunden ist. Eine Wertaddition ist demgegenüber dort vorzunehmen, wo durch das Nebeneinander von Haupt- und Hilfsanspruch eine wirtschaftliche Werthäufung entsteht (vgl. zu allem BGH, Beschl. v. 27.02.2003, III ZR 115/02, MDR 2003, 716 zu § 19 Abs. 1 S. 3 GKG a. F.; Zöller/Herget, 26. Aufl., § 3 Rn. 16 "Eventual- und Hauptantrag" m.w.N.; Schneider/Herget, Streitwertkommentar, 12. Aufl., Rn. 2845, 2846 m.w.N.; Anders/Gehle/Kunze, Streitwertlexikon, 4. Aufl., "Echte Hilfsanträge" Rn. 7 m.w.N.).
Unter Beachtung dieser Grundsätze ist vorliegend von demselben Gegenstand im Sinne von § 45 Abs. 1 Satz 3 GKG auszugehen, da eine gleichzeitige Zuerkennung des mit dem Hauptantrag geltend gemachten Schadensersatzes in Höhe des positiven Erfüllungsinteresses und des mit dem Hilfsantrag verlangten Ersatzes des Vertrauensschadens und damit des negativen Interesses nicht in Betracht kommt. Auf die diesbezüglichen Ausführungen der Klägerin in ihrer Beschwerde kann ergänzend Bezug genommen werden.
2.
Die zulässige Beschwerde des Streithelfers der Klägerin ist - soweit sie darüber hinaus geht - unbegründet.
In Literatur und Rechtsprechung ist umstritten, ob der Streitwert für eine Nebenintervention jedenfalls dann, wenn - wie hier - sich der Nebenintervenient den Anträgen der von ihm unterstützten Partei anschließt, derselbe wie der des Rechtsstreits ist, oder ob dafür stets das - ggf. geringere - Interesse des Nebenintervenienten maßgebend ist (vgl. zum Streitstand: OLG Hamm, Beschl. v. 16.01.2007, 27 W 86/06, OLGR 2007, 607; Zöller/Herget, a.a.O. Rn. 16 "Nebenintervention").
Der Senat muss vorliegend nicht entscheiden, welche Auffassung letztlich der Vorzug zu geben ist. Jedenfalls kann weder dem Vorbringen der Klägerin noch dem des Streithelfers der Klägerin entnommen werden, dass aus deren Sicht ein Regress des Streithelfers im Umfang der klägerischen Forderungen nicht in Betracht kommt bzw. in signifikanter Höhe dahinter zurückbleibt. Darauf hat bereits das Landgericht im Nichtabhilfebeschluss vom 28.08.2007 zutreffend hingewiesen.
3.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 68 Abs. 3 GKG.
Ende der Entscheidung
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