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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Rostock
Beschluss verkündet am 16.12.2004
Aktenzeichen: 8 W 137/04
Rechtsgebiete: ZPO, RpflG, GKG


Vorschriften:

ZPO § 269 Abs. 3 S. 2
ZPO § 104 Abs. 3
ZPO § 567 Abs. 1 Nr. 1
ZPO § 568
ZPO § 569
ZPO § 571 Satz 1
ZPO § 91 Abs. 1 Satz 1
RpflG § 11 Abs. 1
GKG a.F. § 14
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Oberlandesgericht Rostock Beschluss

Geschäftsnummer 8 W 137/04

In dem Kostenfestsetzungsverfahren

hat der 8. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Rostock durch

den Richter am Oberlandesgericht L. als Einzelrichter

am 06.12.2004 beschlossen:

Tenor:

Auf die sofortige Beschwerde der Beklagten zu 2.) und 3.) wird der Kostenfestsetzungsbeschluss der 7. Zivilkammer des Landgerichts Schwerin vom 24.11.2003, Az: 7 O 55/03 dahin geändert, dass die von der Klägerin an die Beklagten zu 2.) und 3.) zu erstattenden Kosten der 1. Instanz auf 3.697,08 € (in Worten: Dreitausendsechshundertsiebenundneunzig 08/100) nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 19.08.2003 festgesetzt werden.

Die Klägerin hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens nach einem Beschwerdewert von 2.820,35 € zu tragen.

Gründe:

I.

Die Klägerin hat behauptet, ihr Opel Omega habe im Rahmen einer Probefahrt am 22.02.2002 einen Totalschaden erlitten. Der Fahrer habe verkehrsbedingt vor einer roten Ampel gehalten und der Beklagten zu 1) sei anschließend aus Unachtsamkeit mit dem bei der Beklagten zu 3) versicherten und bei der Beklagten zu 2) angemieteten VW Transporter hinten aufgefahren. Den Gesamtschaden hat die Klägerin mit 13.010,17 EUR beziffert. Die Beklagte zu 3) holte ihrerseits unter dem 15. 7. 2002 ein Sachverständigengutachten ein, das zu dem Ergebnis kommt, dass zwar von einer Kollision der Fahrzeuge ausgegangen werden könne, aber nicht sämtliche Frontschäden am Opel Omega kompatibel seien, Vorschädigungen des Opel Omega außerhalb der dokumentierten Kollisionsstelle zu unterstellen seien und Parallelen zu anderen regulierten Schadensfällen bestünden. Nach der Übersendung der Klageerwiderung nebst Gutachten hat die Klägerin ihre Klage zurückgenommen. Ihr sind die Kosten gemäß § 269 Abs. 3 S. 2 ZPO auferlegt worden.

Der Rechtspfleger hat die Kosten des vorprozessual eingeholten Sachverständigengutachtens gegen die Klägerin nicht festgesetzt. Mit ihrer sofortigen Beschwerde haben die Beklagten zu 2) und 3) vorgetragen, bei den Kosten des Gutachtens handele es sich um Kosten der zweckentsprechenden Rechtsverfolgung. Das Landgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen und diese dem Oberlandesgericht Rostock zur Entscheidung vorgelegt.

II.

Die gem. § 11 Abs. 1 RpflG i. V. m. §§ 104 Abs. 3, 567 Abs. 1 Nr. 1, 568, 569, 571 Satz 1 ZPO zulässige sofortige Beschwerde hat auch in der Sache Erfolg. Zu Unrecht hat das Landgericht die Kosten des vorgerichtlich tätig gewesenen Sachverständigen D. nicht als erstattungsfähige Prozesskosten behandelt.

Grundsätzlich sind Gutachten, die nach einer Schadensmeldung von einer Versicherung eingeholt werden, nicht erstattungsfähig, da diese in der Regel nur zur Beurteilung der eigenen Einstandspflicht dienen, welche die Versicherung jedoch in eigener Verantwortung zu prüfen hat. Derartige Kosten sind daher im Allgemeinen nicht als notwendig im Sinne von § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO anzusehen. Vielmehr obliegt es im Zivilprozess nicht den Parteien, Beweis zu erheben und insbesondere Gutachten einzuholen, sondern ihre Aufgabe erschöpft sich darin, entsprechende Tatsachen im Prozess vorzutragen.

Die Kosten eines vor dem Rechtsstreit eingeholten Privatgutachtens sind lediglich dann ausnahmsweise erstattungsfähig, wenn eine ausreichende Klagegrundlage bzw. sachgerechte Verteidigung nur durch einen Sachverständigen geschaffen werden kann. Das Gutachten ist in diesem Fall zur Rechtsverfolgung bzw. Rechtsverteidigung erforderlich, da die Sachkunde der Partei selbst nicht ausreicht (vgl. Herget in: Zöller, ZPO, 23. Auflage, § 91 Rdn. 21 Stichwort Privatgutachen [m.w.N.]). Es handelt sich in diesem Fall um notwendige Kosten im Sinne des § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO, da eine verständige und wirtschaftlich vernünftige Partei die kostenauslösende Maßnahme aus ex-ante-Sicht als sachdienlich ansehen durfte.

Letzteres ist hier zu bejahen. Die Versicherung hatte vorliegend den naheliegenden Verdacht eines unlauteren Zusammenwirkens zwischen dem Fahrer des klägerischen Fahrzeugs und den anderen Unfallbeteiligten. In derartigen Fällen muss der Versicherer, der eine Regulierung ablehnt, in aller Regel mit einer Klage rechnen, da die Gegenseite die möglich Beweisnot der Versicherung ausnutzen möchte. Dies gilt umso mehr, wenn der geschilderte Unfallhergang scheinbar ganz eindeutig für ein Alleinverschulden des Versicherungs-nehmers bzw. Mitversicherten spricht. Folglich musste die Beklagte zu 3) - wie auch später tatsächlich geschehen - mit einer Klage rechnen. Sie war daher gehalten, ihren Manipulationsverdacht durch Einholung eines Privatgutachtens zu erhärten und damit zugleich die noch vorhandenen Beweise zu sichern. In einem derartigen Ausnahmefall, insbesondere wenn durch ein solches Gutachten prozessentscheidene Ergebnisse zugunsten des Versicherers zu Tage gefördert worden sind, ist die Prozessbezogenheit der für das Gutachten verauslagten Kosten zu bejahen. Im hiesigen Fall kam der Gutachter zu dem den Manipulationsverdacht bestätigenden Ergebnis, dass zwar von einer Kollision der Fahrzeuge ausgegangen werden konnte, aber nicht sämtliche Frontschäden am Opel Omega kompatibel sind, Vorschädigungen des Opel Omega außerhalb der dokumentierten Kollisionsstelle zu unterstellen sind und Parallelen zu anderen regulierten Schadensfällen bestehen. Für die Prozesserheblichkeit des Gutachtens spricht weiter, dass die Klägerin die Klage im Anschluss an die Übersendung der Klageerwiderung, der das Gutachten beigefügt war, ohne weitere Erklärung zurückgenommen hat. Unerheblich ist in diesem Zusammenhang, ob die Täuschungsabsicht möglicherweise ausschließlich bei dem Fahrer und nicht bei der Klägerin vorlag. Selbst in dieser von der Klägerin vorgebrachten Variante darf [eine] Versicherung - wie jede Partei - die zur vollen Wahrnehmung ihrer Belange erforderlichen Schritte unternehmen, d.h. hier auch ein Privatgutachten einholen.

Ebenfalls nicht stichhaltig ist der Einwand der Klägerin, der zeitliche Ablauf spreche gegen die Prozessbezogenheit. In der vorliegenden Situation war eine gerichtliche Auseinandersetzung absehbar und die Beklagte durfte zur Sicherung ihrer Beweissituation im späteren Rechtsstreit ein Privatgutachten einholen. Im übrigen hätte es ansonsten ein zur alsbaldigen Klage entschlossener Versicherungsbetrüger in der Hand, durch zwischenzeitliches Zuwarten dem Privatgutachten des Versicherers die Prozessbezogenheit zu nehmen (vgl. OLG Koblenz, NJW-RR 2004, 286).

Die Einwendung zur Höhe der Kosten hat der Senat anhand des Prozessstoffes und des Inhaltes des Gutachtens geprüft und für nicht durchgreifend erachtet. Der Zeitaufwand ist vertretbar, der berechnete Stundensatz üblich. Der Zusammenhang des Gutachtens mit der eingereichten Rechnung ergibt sich aus den übereinstimmenden Eigen- und Fremdaktenzeichen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO.

Die Festsetzung des Beschwerdewertes auf einer entsprechenden Anwendung von § 14 GKG a. F., § 71 Abs. 1 GKG n. F. Die Rechtsbeschwerde war nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 574 Abs. 2 ZPO nicht vorliegen.



Ende der Entscheidung

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