Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Rostock
Beschluss verkündet am 07.09.2006
Aktenzeichen: 8 W 42/06
Rechtsgebiete: ZPO, RpflG, BRAGO


Vorschriften:

ZPO § 91 Abs. 1
ZPO § 91 Abs. 1 S. 1
ZPO § 91 Abs. 2
ZPO § 91 Abs. 2 Satz 1, 2. Halbsatz
ZPO § 104 Abs. 3
ZPO § 572 Abs. 3
RpflG § 11 Abs. 1
BRAGO § 28
Die Auswahl eines auswärtigen Anwaltes kann notwendig sein, wenn es an einem vergleichbaren Spezialanwalt am Wohn- oder Geschäftssitz bzw. am Prozessgericht mangelt. Das ist nur selten der Fall und setzt einen erheblichen Begründungsaufwand der betroffenen Partei voraus. Allein die Behauptung der Partei, ihre Prozessbevollmächtigten seien im Arzthaftungsrecht spezialisiert, reicht dafür nicht aus.
Oberlandesgericht Rostock Beschluss

8 W 42/06

In dem Rechtsstreit

hat der 8. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Rostock am 07.09.2006 beschlossen:

Tenor:

Auf die sofortige Beschwerde des Beklagten vom 23.11.2005 wird der Beschluss der 3. Zivilkammer des Landgerichtes Neubrandenburg vom 13.10.2004 (Az.: 3 O 158/98) aufgehoben.

Gemäß § 572 Abs. 3 ZPO werden die weiteren erforderlichen Anordnungen dem Landgericht übertragen.

Gründe:

I.

Nach einer vergleichsweisen Beendigung des Rechtsstreits vor dem Oberlandesgericht Rostock ersuchte die Klägerin mit Schriftsätzen vom 04.12.2003 und 14.05.2004 die Festsetzung der Prozesskosten. In ihrem Antrag begehrte die Klägerin neben der Kosten für einen Unterbevollmächtigten auch die Fahrtkosten und das Abwesenheitsgeld für ihren Prozessbevollmächtigten. Zur Begründung trug sie vor, die Beauftragung einer in Rostock ansässigen Kanzlei sei erforderlich gewesen, weil diese auf Arzthaftungsrecht spezialisiert sei. Der Einsatz des Unterbevollmächtigten Rechtsanwalt R. am 14.10.1998 sei erforderlich gewesen, weil der Hauptbevollmächtigte, Rechtsanwalt Q., kurzfristig erkrankt sei. Die Rechtspflegerin beim Landgericht Neubrandenburg wies die geforderten Reisekosten sowie die Kosten des Unterbevollmächtigten zunächst mit Beschluss vom 10.12.2004 zurück. Auf die dagegen erhobene Beschwerde der Klägerin änderte das Landgericht die Kostenentscheidung mit Beschluss vom 13.10.2004 antragsgemäß ab.

Hiergegen wendet sich der Beklagte mit seiner sofortigen Beschwerde vom 23.11.2005.

II.

Die gemäß § 11 Abs. 1 RpflG i. V. m. § 104 Abs. 3 ZPO zulässige sofortige Beschwerde ist begründet.

Zu Unrecht hat die Rechtspflegerin beim Landgericht Neubrandenburg die Kosten eines Unterbevollmächtigten sowie Reisekosten des Hauptbevollmächtigten in der ersten Instanz und nach Zurückweisung an das Landgericht Neubrandenburg in voller Höhe für erstattungsfähig erkannt. Diese Kosten waren zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung nicht notwendig im Sinne des § 91 Abs. 1 ZPO.

1.

Die Klägerin kann die in Ansatz gebrachten Kosten eines Unterbevollmächtigten nebst Reisekosten für die Teilnahme an der mündlichen Verhandlung vom 14.10.1998 nicht erstattet verlangen.

Die Kosten eines unterbevollmächtigten Rechtsanwaltes, der anstelle des Hauptbevollmächtigen die Vertretung in der mündlichen Verhandlung übernommen hat, sind nur dann erstattungsfähig, wenn sie notwendig im Sinne des § 91 Abs. 1 S. 1 ZPO sind. Davon ist auszugehen, soweit durch die Tätigkeit des Unterbevollmächtigten erstattungsfähige Reisekosten des Hauptbevollmächtigten am Wohn- oder Geschäftssitz der Partei, nämlich Tage- und Abwesenheitsgeld sowie Fahrtkosten nach § 28 BRAGO, erspart werden. Dabei räumt die obergerichtliche Rechtsprechung regelmäßig eine geringfügige Überschreitung in Höhe von 1/10 der erstattungsfähigen Kosten des Hauptbevollmächtigten ein (vgl. BGH, Beschluss vom 16.10.2002, Az.: VIII ZB 30/02, MDR 2003, 233, 236). An diesen Voraussetzungen fehlt es hier. Ausweislich des klägerischen Kostenfestsetzungsantrages werden neben den gesonderten Gebühren des Unterbevollmächtigten dessen Reisekosten aus R.-W. geltend gemacht, die ihrem Umfang nach die begehrten Reisekosten des Hauptbevollmächtigten überschreiten. Die Klägerin kann sich auch nicht mit Erfolg darauf berufen, die Einschaltung des Unterbevollmächtigten sei deshalb erforderlich gewesen, weil der sachbearbeitende Rechtsanwalt Q. den Termin krankheitsbedingt kurzfristig nicht habe wahrnehmen können. Dieses Argument verfängt schon deshalb nicht, weil ausweislich der Sitzungsprotokolle Rechtsanwalt Q. an keinem der vor dem Landgericht Neubrandenburg stattgefundenen vier Verhandlungstermine teilgenommen hat. Vielmehr wurde er stets durch andere Prozessbevollmächtigte - am 13.01.1999 durch Rechtsanwalt A., am 05.09.2001 durch die Rechtsanwälte B. und W. und am 19.06.2002 durch Frau Rechtsanwältin M. - vertreten. Schon deshalb vermag nicht einzuleuchten, warum eine Vertretung nicht auch am 14.10.1998 möglich gewesen wäre. Dabei wird die Klägerin zu berücksichtigen haben, dass es Aufgabe der Anwaltskanzlei ist, kurzfristige Ausfälle durch eine interne Vertretung zu kompensieren. Im Verhinderungsfall hätte dann noch immer die Möglichkeit bestanden, die krankheitsbedingte Verlegung des Termins zu beantragen. Dies wäre im Hinblick auf die mündliche Verhandlung vom 10.10.1998 auch deshalb unproblematisch gewesen, weil es sich um den ersten Termin in der Sache überhaupt gehandelt und besondere prozessleitende Verfügungen nicht getroffen waren.

2.

Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Ersatz von Reisekosten ihres in Rostock ansässigen Prozessbevollmächtigten. Bei diesen Kosten handelt sich nicht um erstattungsfähige Kosten im Sinne des § 91 Abs. 1, Abs. 2 ZPO, weil sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung nicht erforderlich waren. Vielmehr beschränken sich die erstattungsfähigen Kosten auf die fiktiven Reisekosten eines in Neustrelitz ansässigen Rechtsanwaltes.

Zur Rechtsverfolgung notwendig im Sinne des § 91 Absatz 2 Satz 1, 2. Halbsatz ZPO ist die Zuziehung eines am oder in der Nähe des Wohn- oder Geschäftsortes der auswärtigen Partei ansässigen Rechtsanwaltes (vgl. BGH, Beschluss vom 16.10.2002, Az.: VIII ZB 30/02, MDR 2002, 233; Beschluss vom 18.12.2003, Az.: I ZB 21/03; Beschluss vom 11.03.2004, Az.: VII ZB 27/03, MDR 2004, 838-839; OLG Rostock, Beschluss vom 18.03.2003, Az.: 8 W 58/03). Die verständige und wirtschaftlich vernünftige Partei wird in der Regel einen am oder in der Nähe ihres Wohn- oder Geschäftsortes ansässigen Rechtsanwalt aufsuchen, um mit diesem ein persönliches mündliches Gespräch zu führen und dessen Rat in Anspruch zu nehmen. Entstehen dem Prozessbevollmächtigten dann Reisekosten zum Prozessgericht, so sind diese in vollem Umfang erstattungsfähig. Weicht der Rechtssuchende von diesem Grundsatz ab und bedient sich eines auswärtigen Anwaltes an einem dritten Ort, der also weder am Prozessgericht noch an seinem Wohn- oder Geschäftssitz niedergelassen ist, beschränkt sich die Kostenerstattung grundsätzlich auf die fiktiven Reisekosten eines am Wohn- oder Geschäftsort ansässigen Rechtsanwaltes. Ein vollständiger Kostenersatz kommt nur dann in Betracht, wenn besondere sachliche Gründe vorliegen, die dem Interesse des Rechtssuchenden an einem effektiven Rechtsschutz ein stärkeres Gewicht verleihen und hierdurch das schutzwürdige Interesse des Gegners an einer kostengünstigen Prozessführung zurücktreten lassen. Solche besonderen Gründe liegen nicht schon dann vor, weil der Prozessbevollmächtigte bereits vorprozessual tätig geworden ist oder ständig mit dem Mandanten zusammenarbeitet (vgl. BGH, Beschluss vom 12.12.2002, Az.: I ZB 29/02, NJW 2003, 901-903). Die Auswahl eines auswärtigen Anwaltes kann allerdings dann notwendig sein, wenn es an einem vergleichbaren Spezialanwalt am Wohn- oder Geschäftssitz bzw. am Prozessgericht mangelt. Das ist nur selten der Fall und setzt einen erheblichen Begründungsaufwand der betroffenen Partei voraus. Allein die Behauptung der Klägerin, ihre Prozessbevollmächtigten seien im Arzthaftungsrecht spezialisiert, reicht dafür jedenfalls nicht aus.

3.

Der Senat überträgt gemäß § 572 Abs. 3 ZPO die weiteren Anordnungen, also den entsprechend der Rechtsauffassung des Senats neu durchzuführenden Kostenausgleich, dem Rechtspfleger beim Landgericht Neubrandenburg. Auch die Kostenentscheidung bleibt dem Erstgericht überlassen, weil der Ausgang des Verfahrens und damit das Maß des Obsiegens und Unterliegens noch offen ist.

Ende der Entscheidung

Zurück