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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Schleswig
Urteil verkündet am 16.06.2003
Aktenzeichen: 1 Ss 41/03
Rechtsgebiete: StGB


Vorschriften:

StGB § 244 I Nr. 1 a
1. Im Sinne von § 244 Abs. 1 Nr. 1 a StGB gefährlich ist ein Werkzeug, wenn es objektiv geeignet ist, erhebliche Verletzungen zu verursachen, und damit dem Täter bei Begehung des Diebstahls die jederzeitige Möglichkeit bietet, es - etwa in eine bedrängten Situation - als Gewalt- oder Drohungsmittel einzusetzen.

2. Einer vorherigen "Widmung" dahingehend, dass der Täter den Gegenstand generell - von der konkreten Tat losgelöst - zur Bedrohung oder Verletzung von Personen bestimmt hat, bedarf es deshalb auch bei solchen Gegenständen grundsätzlich nicht, die konstruktionsbedingt nicht zur Verletzung von Personen bestimmt sind, sondern jederzeit in sozialadäquater Weise von jedermann bei sich geführt werden können (wie z. B. ein Taschenmesser).

3. Eine eingrenzende subjektive Komponente erhält der Qualifikationstatbestand des § 244 Abs. 1 Nr. 1 a StGB vielmehr durch das Merkmal des "Beisichführens". Dieses setzt voraus, dass der Täter das gefährliche Werkzeug bewusst gebrauchsbereit bei sich hat. Hierbei reicht das allgemeine, noch auf keinen bestimmten Zweck gerichtete Bewusstsein aus, ein funktionsbereites Werkzeug zur Verfügung zu haben, das geeignet ist, erhebliche Verletzungen zu verursachen. Die Vorstellung des Täters muss sich also nicht von vornherein auf den Einsatz als Nötigungsmittel beziehen ; sie kann sich ebenso auf die Eignung als Mittel zur Wegnahme (Kuhfuss, Schraubendreher) richten.

4. Demnach sind die Voraussetzungen des § 244 Abs. 1 Nr. 1 a StGB nach den konkreten Tatumständen - dem situativen Kontext der Tat - zu bestimmen. Es ist Aufgabe des Tatrichters, ausreichende Feststellungen zum Vorstellungsbild des Täters zu treffen, wobei die Anforderungen an diese Feststellung umso niedriger sind, desto gefährlicher und für einen Einsatz als potentielles Nötigungsmittel geeigneter, sprich waffenähnlicher der jeweilige Gegenstand ist.


SCHLESWIG-HOLSTEINISCHES OBERLANDESGERICHT I. Strafsenat Im Namen des Volkes URTEIL

1 Ss 41/03

In der Strafsache

wegen Diebstahls u. a.

hat der I. Strafsenat des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts in Schleswig in der mündlichen Verhandlung vom 16. Juni 2003, an der teilgenommen haben:

...

für Recht erkannt:

Tenor:

Das angefochtene Urteil des Amtsgerichts Lübeck vom 13. Februar 2003 wird hinsichtlich der Tat zu II. 3 (Diebstahl eines DVD-Players) im Schuldspruch, wegen der insoweit verhängten Einzelstrafe sowie im Gesamtstrafenausspruch aufgehoben und zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Abteilung des Amtsgerichts Lübeck zurückverwiesen.

Tatbestand:

Das Amtsgericht - Schöffengericht - hat den Angeklagte wegen mehrerer Diebstähle, u.a eines DVD-Players im Wert von ca. 306 € aus einer Geschäftsauslage zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und neuen Monaten verurteilt verurteilt. Bei dem fraglichen Diebstahl hatte der Angeklagte das zum Stromnetz führende Kabel des an das Stromnetz angeschlossenen Geräts mit einem zuvor ebenfalls entwendeten Teppichmesser durchtrennt. Zur Beschaffenheit des Teppichmessers hat das Amtsgericht festgestellt: "Bei diesem vom Angeklagten mitgenommenen Teppichmesser handelt es sich um ein Gerät mit einer schwarzen Plastikummantelung. Mittels eines Schiebers kann die in einer Führung befindliche Klinge ausgefahren werden. Die Klinge hat eine Gesamtlänge von acht Zentimetern und ist nur einseitig geschliffen. Die Klinge ist in acht Segmente aufgeteilt, so dass die biegsame Klinge bei zu großem Druck oder Verkantung bricht. Zwischen dem ersten und zweiten Segment befindet sich eine Einbuchtung mit kupferfarbenen Anschmelzungen, die auf einen Stromfluss hindeuten." Das Amtsgericht hat sowohl den Charakter des Teppichmessers als einer Waffe als auch eines "anderen gefährlichen Werkzeugs "im Sinne des § 244 I Nr. 1 a StGB verneint.

Die gegen diese materiellrechtliche Beurteilung gerichtete Revision der Staatsanwaltschaft führte hinsichtlich des Diebstahls des DVD-Players zur Aufhebung des Schuldspruchs und zur Zurückverweisung zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an eine andere Abteilung des Amtsgerichts.

Gründe:

I.

Das Amtsgericht - Schöffengericht - Lübeck hat den Angeklagten wegen Diebstahls in zwei Fällen, Diebstahls im besonders schweren Fall in zwei Fällen, Diebstahls geringwertiger Sachen in zwei Fällen und versuchter Nötigung "unter Einbeziehung des Urteils des Amtsgerichts Lübeck vom 30. Oktober 2002 - 66 Ds (250/02) - unter gleichzeitiger Auflösung der dort erkannten Gesamtfreiheitsstrafe und der jeweiligen" Einzelstrafen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und neun Monaten verurteilt. Unter II. 3. hat das Amtsgericht folgende Feststellungen getroffen:

"Im Anschluss daran begab sich der Angeklagte, immer noch auf der Suche nach stehlenswerten Sachen, zu dem Ladengeschäft der Firma Quelle in Lübeck, Breite Straße. Er wollte dort ein Gerät entwenden, das sich besonders gut zu Geld machen ließ. Er entschied sich für einen in der Auslage ausgestellten DVD-Player im Werte von ca. 306,-- €. Da dieses Gerät mit einem Kabel an das Stromnetz angeschlossen war, zog er das zuvor entwendete Teppichmesser aus seiner Kleidung und schnitt das Kabel durch, nahm den DVD-Player und verließ das Geschäft, ohne das mitgenommene Gerät zu bezahlen. Das Durchschneiden des Stromkabels bewirkte einen Kurzschluss, wie die durch die am Teppichmesser anlässlich des richterlichen Augenscheins festgestellten Schmelzspuren zeigen. Nach dem Verlassen des Geschäfts wurde der Angeklagte von einem Detektiv angesprochen, und nachdem er den DVD-Player zurückgegeben hatte bis zum Eintreffen der Polizei festgehalten.

Bei der Durchsuchung des Angeklagten wurde der von ihm entwendete Parfumartikel und das Teppichmesser sichergestellt."

Zur Beschaffenheit des mitgeführten Teppichmessers hat das Amtsgericht in dem vorangegangenen Fall folgendes festgestellt:

"Bei diesem vom Angeklagten mitgenommenen Teppichmesser handelt es sich um ein Gerät mit einer schwarzen Plastikummantelung. Mittels eines Schiebers kann die in einer Führung befindliche Klinge ausgefahren werden. Die Klinge hat eine Gesamtlänge von acht Zentimetern und ist nur einseitig geschliffen. Die Klinge ist in acht Segmente aufgeteilt, so dass die biegsame Klinge bei zu großem Druck oder Verkantung bricht. Zwischen dem ersten und zweiten Segment befindet sich eine Einbuchtung mit kupferfarbenen Anschmelzungen, die auf einen Stromfluss hindeuten."

Wegen dieser Tat hat das Amtsgericht den Angeklagten wegen Diebstahls gemäß § 242 StGB verurteilt und dies wie folgt begründet:

"Durch dieses Verhalten hat sich der Angeklagte eines Diebstahls gemäß § 242 StGB und nicht eines Diebstahls mit Waffen gemäß § 244 I Nr. 1 a StGB schuldig gemacht.

Der Angeklagte hat zwar bei Tatbegehung ein Teppichmesser bei sich geführt, jedoch handelt es sich bei dem Teppichmesser nicht um eine Waffe im Sinne der Vorschrift des § 244 I Nr. 1 a StGB. Der Begriff der Waffe ist in dieser Vorschrift im technischen Sinne zu verstehen. Damit scheiden Äxte, Sensen, Schlachtermesser, Schweizer Offiziermesser und auch Teppichmesser wie im vorliegenden Fall aus (herrschende Meinung vgl. hierzu Kommentierung im Tröndle/Fischer, Strafgesetzbuch und Nebengesetze, 50. Auflage, § 244 An. 3).

Das bei sich geführte Teppichmesser ist auch nicht als "anderes gefährliches Werkzeug" anzusehen. Den Begriff hat der Gesetzgeber des sechsten Gesetzes zur Reform des Strafrechtes als Oberbegriff aus § 224 I Nr. 2 StGB übernommen und diesen sowohl in § 224 a I Nr. 1 a (richtig: § 224 I Nr. 1 a; Anm. d. Sen.) wie auch in § 250 I Nr. 1 a und II StGB übernommen. Diese Verwendung, die in der Literatur (vgl. hierzu Tröndle/Fischer, Strafgesetzbuch und Nebengesetze, 50. Auflage, § 244 Anm. 6) als unbedachter, systematischer verfehlter Rückgriff auf § 224 I Nr. 2 StGB bezeichnet wird, führt zu Auslegungsproblemen, die bisher noch keiner befriedigenden Lösung zugeführt wurden. Auch die höchstrichterliche Rechtsprechung (3. Strafsenat in NStZ 99, 301 f) hat die Anknüpfung an § 224 StGB als untauglich angesehen und neigt der Auffassung zu, dass § 244 I Nr. 1 a StGB neben der objektiv abstrakten gefährlichen Beschaffenheit des Gegenstandes auch noch eine generelle, von der konkreten Tat losgelöste Bestimmung des Gegenstandes zur gefährlichen Verwendung seitens des Täters hinzukommen muss.

Folgt man dieser Ansicht so wie das erkennende Gericht, wird man nach den in der Literatur entwickelten Kriterien von anderen gefährlichen Werkzeugen im Sinne des § 244 a I Nr. 1 a StGB (richtig: § 224 I Nr. 1 a; Anm. d. Sen.) nur sprechen können, wenn es sich um Gegenstände handelt, die zu potenziellen Verletzungszwecken eingesetzt werden (so Hörnle Jura 98, Seite 172), die nach Art und Beschaffenheit einen gefährlichen Einsatz nahe legen (so Otto in Grundkurs Strafrecht 2, 41/52), deren Eignung zur Zufügung erheblicher Verletzungen ohne Weiteres ersichtlich ist (so Dencker in Juristische Rundschau 99, 36), die zur Herbeiführung erheblicher Verletzungen generell geeignet sind (so Günther im Systematischen Kommentar zum Strafgesetzbuch, Anm. 11 zu § 250 StGB), deren Art einen bestimmten gefährlichen Einsatz nahe legt (so Kindhäuser in Strafrecht Besonderer Teil 2, 1. Teilband, 4/4), die in der konkreten Tatsituation keine andere Funktion erfüllen können als zu Verletzungszwecken eingesetzt zu werden (so Schlothauer/Sättle im Strafverteidiger 1998, 503), deren Zweckentfremdung zu Körperverletzungszwecken als nahe liegend erscheint (so Hoyer im Systematischen Kommentar zum Strafgesetzbuch § 244 Anm. 11), die aufgrund ihres besonderen Risikopotenzials nicht für jedermann frei verfügbar sind (so Lesch in Goltdammers Archiv 99, 375 ff), die erfahrungsgemäß in Bedrängungssituation zu Verletzungszwecken eingesetzt werden (so Schroth in Neue Juristische Wochenschrift 98, 2864) und deren typische bestimmungsgemäße Anwendungsart gefährlich ist und daher die "Waffenähnlichkeit" aufweist (so Mitsch in Zeitschrift für die gesamte Strafrechtswissenschaft Bd. 111, 79).

Das vom Angeklagten bei sich geführte und kurz zuvor entwendete Gerät erfüllt diese Voraussetzungen nicht. Es ist ein Spezialgerät zum Zuschneiden von Teppichböden. Die Klinge ist nur einseitig geschliffen, flexibel, und bricht bei Druck und Verkantungen. Auch seine Eignung als Stichinstrument ist nicht gegeben, da es sich aufgrund der Form nicht dazu eignet, tiefe Schnitzverletzungen zu verursachen. Auch tiefe Schnitte sind mit diesem Gerät nicht möglich, da die Klinge bei starker Belastung bricht. Das Teppichmesser ist auch kein Gegenstand, der nach seiner Art und Beschaffenheit einen gefährlichen Einsatz nahe legt oder sich zum Einsatz von potenziellen Verletzungszwecken besonders eignet.

Der Angeklagte hat daher, als er den Diebstahls des DVD-Players beging, keinen Diebstahls im Sinne des § 244 I Nr. 1 a StGB begangen."

Wegen dieser Tat hat das Amtsgericht auf eine Einzelstrafe von fünf Monaten Freiheitsstrafe erkannt. Dabei ist es von einem Strafrahmen von Geldstrafe oder Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren ausgegangen.

Gegen diese rechtliche Bewertung richtet sich die Revision der Staatsanwaltschaft mit der Rüge der Verletzung materiellen Rechts. Sie ist der Ansicht, der Angeklagte sei wegen Diebstahls mit Waffen gemäß § 244 Abs. 1 Nr. 1 a StGB zu bestrafen. Zur Begründung führt die Staatsanwaltschaft aus, durch das 6. StrRG sei der Begriff der "Schusswaffe" in § 244 StGB a. F. durch das Begriffspaar "Waffe oder anderes gefährliches Werkzeug" ersetzt worden. Aus Wortlaut und Entstehungsgeschichte der genannten Norm sei zu schließen, dass Waffen oder gefährliche Werkzeuge im Sinne des § 244 Abs. 1 Nr. 1 a StGB nur solche Gegenstände sein könnten, die objektiv gefährlich, d. h. geeignet seien, erhebliche Verletzungen zu verursachen. Zwar sei ein Teppichmesser keine Waffe im technischen Sinne, sei aber als "anderes gefährliches Werkzeug" zu qualifizieren. Nach dem Willen des Gesetzgebers des 6. StrRG solle für eine Auslegung dieses Begriffs auf die Auslegung des § 223 a Abs. 1 StGB a. F. entwickelten Grundsätze zurückgegriffen werden, wonach ein gefährliches Werkzeug im Sinne des § 224 Abs. 1 Nr. 2 StGB ein Gegenstand sei, der nach seiner objektiven Beschaffenheit und der Art seiner Benutzung im Einzelfall geeignet sei, erhebliche Körperverletzungen zuzufügen. Die hierzu bislang vorliegende höchstrichterliche Rechtsprechung bezüglich § 250 StGB betreffe allerdings nur Fälle, in denen das gefährliche Werkzeug auch tatsächlich verwendet worden sei. Der Rückgriff auf die Rechtsprechung zu § 223 a Abs. 1 StGB a. F. bzw. § 224 Abs. 1 Nr. 2 StGB sei aber verfehlt und systematisch widersprüchlich, da § 224 Abs. 1 Nr. 2 StGB einen "mittels" des gefährlichen Werkzeugs verursachten Verletzungserfolg voraussetze, während es bei dem in § 244 Abs. 1 Nr. 1 a StGB genannten Tatbestandsmerkmal des "gefährlichen Werkzeugs" weder auf eine konkret gefährliche Verwendung noch auf eine entsprechende Verwendungsabsicht ankomme. Es könne deshalb nicht auf die konkrete Art seiner Verwendung zurückgegriffen werden. Die Abgrenzung des gefährlichen Werkzeugs von den sonstigen Werkzeugen müsse an Hand objektiver Kriterien erfolgen. Einen Verwendungsvorbehalt wie § 244 Abs. 1 Nr. 1 b StGB enthalte § 244 Abs. 1 Nr. 1 a StGB nicht.

Unter Anlegung eines objektiven Maßstabes überzeuge die Argumentation des Amtsgerichts nicht. Das vom Angeklagten mitgeführte Teppichmesser sei objektiv geeignet, erhebliche Verletzungen herbeizuführen und verfüge damit über eine generelle, den Waffen entsprechende Gefährlichkeit, ohne dass es dabei auf die Zweckbestimmung zur Verletzung ankomme. Auch der Bundesgerichtshof habe bereits in einem konkreten Fall ein Teppichmesser als "gefährliches Werkzeug" angesehen und dabei weiter ausgeführt, dass dessen Einordnung als gefährliches Werkzeug auch nicht entgegenstehe, dass die Klinge noch eingefahren gewesen sei, da ein Tatmittel auch dann gefährlich im Sinne dieser Vorschrift sei, wenn es nur eines kurzen Handgriffs bedürfe, um seine Eignung, erhebliche Verletzungen zuzufügen, herbeizuführen (BGH NStZ-RR 2201, 41).

Die Staatsanwaltschaft hat beantragt, wie erkannt zu entscheiden.

Der Angeklagte hat beantragt, die Revision der Staatsanwaltschaft als unbegründet zu verwerfen. Die Ausführungen des Amtsgerichts hielten in jeder Hinsicht einer Überprüfung stand. Entgegen der Ansicht der Staatsanwaltschaft sei nicht nur auf die objektive Gefährlichkeit des gefährlichen Werkzeugs im Sinne des § 244 Abs. 1 Nr. 1 a StGB abzustellen, sondern auch auf die Gebrauchsabsicht des Täters. Es bestehe entgegen der Ansicht der Staatsanwaltschaft auch kein Stufenverhältnis zwischen den §§ 244 Abs. 1 Nr. 1 a und Nr. 1 b StGB. Die Ansicht der Staatsanwaltschaft, dass die Auslegung zu § 223 a Abs. 1 StGB a. F. bzw. § 224 Abs. 1 Nr. 2 StGB zur Begriffsbestimmung in § 244 Abs. 1 Nr. 1 a StGB nicht herangezogen werden könne, sei verfehlt und fände keinen Widerhall in den Gesetzesmaterialien. Auch die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs stütze die Ansicht der Staatsanwaltschaft nicht. Ein Abstellen allein auf die objektive Beschaffenheit des Gegenstandes würde zu einer uferlosen Ausweitung des Anwendungsbereichs der Vorschrift führen.

II.

Die gemäß § 335 Abs. 1 StPO statthafte Revision der Staatsanwaltschaft ist zulässig und dringt auch in der Sache durch.

1. Der Senat geht davon aus, dass die Staatsanwaltschaft ihre Revision, auch wenn sie dies nicht ausdrücklich erklärt hat, auf den Fall II. 3. der Urteilsgründe des angefochtenen Urteils, also den Diebstahls eines DVD-Players, beschränkt hat. Dies ist daraus zu folgern, dass die Staatsanwaltschaft die Fehlerhaftigkeit des Urteils nur in diesem Punkt rügt und auch nur insoweit eine Aufhebung des Urteils beantragt hat. Zwar hat die Staatsanwaltschaft die Verletzung materiellen Rechts einleitend in allgemeiner Form gerügt. Revisionsbegründung und Revisionsanträge lassen aber eindeutig darauf schließen, dass mit der Revision nur die Verurteilung hinsichtlich Fall II. 3. angegriffen werden soll.

2. Das Amtsgericht hat rechtsfehlerhaft das Vorliegen eines Diebstahls mit Waffen gemäß § 244 Abs. 1 Nr. 1 a StGB verneint, indem es das Teppichmesser nicht als gefährliches Werkzeug angesehen hat.

a. Zu Recht hat das Amtsgericht darauf hingewiesen, dass der Begriff des "anderen gefährlichen Werkzeugs" bei § 244 Abs. 1 Nr. 1 a StGB zu Auslegungsproblemen führt, die bisher noch keiner befriedigenden Lösung zugeführt wurden. So hat der Bundesgerichtshof die Frage, ob ein Taschenmesser ein gefährliches Werkzeug im Sinne des § 244 Abs. 1 Nr. 1 a StGB ist, anlässlich eines Vorlagebeschlusses des Oberlandesgerichts Braunschweig offengelassen (BGH NStZ-RR 2003, 12). Auch die Rechtsprechung der Strafsenate des Bundesgerichtshofs sind uneinheitlich, was dessen 2. Strafsenat zu einem Vorlagebeschluss an den Großen Senat für Strafsachen veranlasst hat (BGH NJW 2002, 2889 - zum Begriff des "anderen gefährlichen Werkzeugs" in § 250 Abs. 2 Nr. 1 StGB). Die darauf ergangene Entscheidung des Großen Senats (BGH NJW 2003, 1677) hat indes auch keine Klärung herbei geführt, weil er das der Vorlage zu Grunde liegende Tatmittel, eine Schreckschusspistole, als Waffe angesehen hat und nicht als gefährliches Werkzeug wie der vorlegende Senat.

aa. Nach inzwischen wohl einhelliger Ansicht wird jedenfalls der Rückgriff auf die zu § 223 a Abs. 1 StGB a. F. bzw. § 224 Abs. 1 Nr. 2 StGB entwickelten Grundsätze, d. h. ein Abstellen auf die objektive Beschaffenheit und die Art der Verwendung im konkreten Fall als verfehlt und systemwidrig angesehen(vgl. Nachweise bei BGH NJW 2002, 2889, 2890); der BGH hat sich dieses Rückgriffs in den Fällen bedient, in denen der Täter das gefährliche Werkzeug auch tatsächlich verwendete (vgl. weitere Nachweise bei BGH NJW a.a.O.). Die grundsätzliche Untauglichkeit des Rückgriffs auf die Körperverletzungsvorschriften ergibt sich schon daraus, dass § 224 Abs. 1 Nr. 2 StGB einen "mittels" des gefährlichen Werkzeugs verursachten Verletzungserfolg voraussetzt, während § 244 Abs. 1 Nr. 1 a StGB nur auf ein "Beisichführen" abstellt. Während also bei § 224 StGB das gefährliche Werkzeug das Tatmittel ist, um den eigentlichen tatbestandlichen Erfolg - die Verletzung - herbeizuführen, ist das gefährliche Werkzeug bei § 244 Abs. 1 Nr. 1 a StGB nicht notwendiges Instrument der eigentlichen Tathandlung zur Herbeiführung des tatbestandlichen Erfolges, also weder unmittelbares Instrument zur Wegnahme, noch notwendigerweise Nötigungsmittel.

bb. Im Sinne von § 244 Abs. 1 Nr. 1 a StGB gefährlich ist nach Ansicht des Senats ein Werkzeug, wenn es objektiv geeignet ist, erhebliche Verletzungen zu verursachen, und damit dem Täter bei Begehung des Diebstahls die jederzeitige Möglichkeit bietet, es - etwa bei Gelangen in eine bedrängte Situation - entsprechend als Gewalt- oder Drohungsmittel einzusetzen.

Dass das Vorliegen eines gefährlichen Werkzeugs nach objektiven Kriterien zu bestimmen ist, ergibt sich schon aus dem Wortlaut des § 244 Abs. 1 Nr. 1 a StGB, der keine subjektiven Merkmale in Bezug auf das Werkzeug und seine Gefährlichkeit nennt. Auch die Systematik der Vorschrift, wonach das "gefährliche Werkzeug" als Oberbegriff neben den Begriff der "Waffe" gestellt ist (Tröndle/Fischer, StGB, 51. Aufl., § 244 Rn. 6), spricht dagegen, die Definition des "gefährlichen Werkzeugs" an zusätzliche subjektive Merkmale zu knüpfen. Für den Begriff der "Waffe" wird - soweit für den Senat erkennbar - ein subjektives Abgrenzungskriterium wie ein "Verwendungsvorbehalt" oder eine "konkrete Gebrauchsabsicht" (vgl. zu beidem BGH aaO) nicht verlangt. Mithin wäre es verfehlt, für den Oberbegriff des gefährlichen Werkzeugs ein subjektives Abgrenzungskriterium zu fordern, dies aber für den speziellen Fall der Waffe für verzichtbar zu erachten. Auch der systematische Zusammenhang mit § 244 Abs. 1 Nr. 1 b StGB spricht gegen ein Abstellen auf eine Verwendungsabsicht oder ähnliche subjektive Merkmale, weil diese Tatbestandsalternative ausdrücklich eine finale Verknüpfung zwischen dem Tatmittel und einer Nötigungsabsicht im Hinblick auf erwarteten Widerstand herstellt; bei § 244 Abs. 1 Nr. 1 a StGB ist dies gerade nicht der Fall.

Einer vorherigen "Widmung" dahingehend, dass der Täter den Gegenstand generell - von der konkreten Tat losgelöst - zur Bedrohung oder Verletzung von Personen bestimmt hat (so der 3. Senat des BGH in BGH NStZ 1999, 301, 302; OLG Braunschweig NJW 2002, 1735) bedarf es deshalb auch bei solchen Gegenständen nicht, die konstruktionsbedingt nicht zur Verletzung von Personen bestimmt sind, sondern jederzeit in sozialadäquater Weise von jedermann bei sich geführt werden können (wie z. B. ein Taschenmesser); auch in diesen Fällen besteht - sofern das Werkzeug objektiv gefährlich ist - die jederzeitige abstrakte Möglichkeit und Gefahr, dass der Täter sich situationsbedingt spontan, und ohne dies vorher ausdrücklich ins Kalkül gezogen zu haben, des Werkzeugs bedient.

Es besteht auch kein Erfordernis, etwa um eine Ausuferung der Anwendbarkeit des § 244 Abs. 1 Nr. 1 a StGB zu vermeiden (so OLG Braunschweig NJW 2002, 1735), das Merkmal des "gefährlichen Werkzeugs" auf der objektiven Tatbestandsebene einschränkend dahingehend auszulegen, dass Täter, die ein objektiv gefährliches Werkzeug mit sich führen, ohne es von vornherein als Gewalt- oder Drohmittel vorzusehen, gegenüber den Tätern zu privilegieren sind, die ein solches Werkzeug gezielt als Nötigungsinstrument mit führen, es nur nicht verwenden; dies gilt für Alltagsgegenstände (Taschenmesser) ebenso wie für denkbares Berufswerkzeug (Teppichmesser, Schraubendreher) oder Diebstahlswerkzeug (Kuhfuß). Die abstrakt-potentiellen Gefährlichkeit dieser Gegenstände ist in allen Fällen gleich. Zudem stellt sich die Frage, sollten für die Definition des gefährlichen Werkzeugs einerseits Waffen als speziellere Tatgegenstände und andererseits ausschließlich zur Wegnahme dienende sowie per se "unverdächtige", weil sozialadäquate Gegenstände ausgeschieden werden, welche Gegenstände unter den Begriff des "gefährlichen Werkzeugs" überhaupt noch zu subsumieren wären.

cc. Eine eingrenzende subjektive Komponente erhält der Qualifikationstatbestand des § 244 Abs. 1 Nr. 1 a StGB vielmehr durch das Merkmal des "Beisichführens", das nämlich voraussetzt, dass der Täter das gefährliche Werkzeug bewusst gebrauchsbereit bei sich hat (BGH NStZ-RR 2003, 12; NStZ-RR 1997, 50).

Hierbei reicht das allgemeine, noch auf keinen bestimmten Zweck gerichtete Bewusstsein aus, ein funktionsbereites Werkzeug zur Verfügung zu haben, das geeignet ist, erhebliche Verletzungen zu verursachen. Die Vorstellung des Täters muss sich also nicht von vornherein auf den Einsatz als Nötigungsmittel beziehen ; sie kann sich ebenso auf die Eignung als Mittel zur Wegnahme (Kuhfuss, Schraubendreher) richten (so auch OLG Hamm StV 2001, 352 für ein Butterfly-Messer als Aufbrech-Werkzeug). Dieses folgt aus der gebotenen und vom Gesetzgeber gewollten Abgrenzung zu § 244 Abs. 1 Nr. 1 b StGB, der für die dortigen Tatwerkzeuge und -mittel ausdrücklich eine Zweckbestimmung als Nötigungsmittel vorsieht.

Wenn der Täter, wie hier, ein objektiv gefährliches Werkzeug zur Wegnahme verwendet, begibt er sich in eine Situation, die mit dem Risiko der Entdeckung oder Bedrohung verbunden ist, und in der sich die potentielle Doppelfunktion des Werkzeugs als Wegnahme- und Nötigungsmittel realisieren kann. Dieser objektiven Situation muss auch sein Vorstellungsbild von der Gefährlichkeit und der Gebrauchsbereitschaft des Werkzeugs entsprechen. Er muss jedenfalls das Bewusstsein haben, dass es im Falle eines wenn auch nicht von vorneherein für möglich gehaltenen oder sogar höchst unerwünschten Einsatzes gegen Menschen erhebliche Verletzungen verursachen kann.

Demnach sind die Voraussetzungen des § 244 Abs. 1 Nr. 1 a StGB nach den konkreten Tatumständen - dem situativen Kontext der Tat - zu bestimmen (so im Ergebnis Kindhäuser, Anm. zu OLG Hamm StV 2001, 352, 353). Es ist Aufgabe des Tatrichters, ausreichende Feststellungen zum Vorstellungsbild des Täters zu treffen, wobei die Anforderungen an diese Feststellung umso niedriger sind, desto gefährlicher und für einen Einsatz als potentielles Nötigungsmittel geeigneter, sprich waffenähnlicher der jeweilige Gegenstand ist ( vgl. hierzu auch BGH NStZ RR 1997, 50 ). Umgekehrt ist es bei Alltags- und Berufsgegenständen, deren Beisichführen als sozialadäquat zu bewerten wäre, wenn der Täter nicht gerade eine Straftat beginge, und die deshalb den Schluss nahe legen, dass dem Täter die Verfügbarkeit dieses Gegenstandes während der Begehung des Diebstahls gar nicht bewusst war. Hier sind die Anforderungen an die Feststellungen zum Vorstellungsbild des Täters umso höher, desto weniger der bestimmungsgemäße Gebrauch des Gegenstandes eine Zweckentfremdung als potentielles Nötigungsmittel nahe legt.

b. Das von dem Angeklagten bei der vorangegangenen Tat entwendete Teppichmesser ist ein gefährliches Werkzeug im Sinne des § 244 Abs. 1 Nr. 1 a StGB. Die Bewertung des Amtsgerichts geht insofern fehl, als es ein Teppichmesser für objektiv ungefährlich hält, weil eine denkbare Körperverletzungshandlung mit einer übermäßigen Belastung oder Verkantung und damit mit einem Bruch der Klinge einhergehen muss. Dies überzeugt nicht. Dem steht die natürliche Lebensanschauung gegenüber, dass ein Teppichmesser - was schon aus seinem bestimmungsmäßigen Zweck folgt, Teppichböden zu schneiden - ausgesprochen spitz und scharf ist und deshalb bei auch nur einigermaßen normaler Schnittführung geeignet ist, Muskel-, Fett- oder Bindegewebe, Sehnen oder Blutgefäße ohne allzu großen Kraftaufwand zu durchtrennen. Auch der einseitige Schliff der Klinge ist insofern kein tauglicher Aspekt, einem Teppichmesser seine objektiven Eignung, erhebliche Verletzungen zu verursachen, abzusprechen. Dementsprechend hat der Bundesgerichtshof ohne nähere Begründung ein Teppichmesser als gefährliches Werkzeug qualifiziert (BGH NStZ-RR 2001, 41) und hat auch der Gesetzgeber ein Tapetenmesser - das technisch einem Teppichmesser sehr ähnlich sein dürfte - als Beispiel für ein gefährliches Werkzeug in Betracht gezogen (BT-Drucks. 13/9064, S. 18).

Ob der Angeklagte das Teppichmesser auch im Sinne der oben dargestellten Grundsätze bei sich geführt, es also bewusst gebrauchsbereit bei sich gehabt hat, kann der Senat nicht beurteilen; dazu fehlen ausreichende Feststellungen.

Für ein bewusstes Beisichführen bezogen auf die Wegnahmehandlung spricht, dass der Angeklagte das Werkzeug zwar nicht bereits ursprünglich in diesem Sinne eingesteckt, schließlich aber zur Wegnahme des DVD-Spielers eingesetzt hat.

Damit war dem Angeklagten der Besitz und die Einsatzmöglichkeit des Messers bewusst. Keine weiter gehenden Feststellungen hat das Amtsgericht hingegen - aus seiner Sicht folgerichtig - zum Vorstellungsbild des Angeklagten bezogen auf die potenzielle Doppelfunktion des Teppichmessers als Nötigungsmittel und dessen Gefährlichkeit im Falle einer Konfrontation getroffen.

Da der Mangel des Urteils allein in einer fehlerhaften rechtlichen Bewertung liegt, können die dazu gehörigen Feststellungen bestehen bleiben. Eine andere Abteilung des Amtsgerichts hat unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung des Senats neu über diesen Fall zu entscheiden und ergänzende Feststellungen zum Vorstellungsbild des Angeklagten zu treffen. Bei Anwendung des erhöhtem Strafrahmen des § 244 Abs. 1 Nr. 1 a StGB werden eine neue Einsatzstrafe und eine neue Gesamtstrafe zu bilden sein.

Ende der Entscheidung

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