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Gericht: Oberlandesgericht Schleswig
Urteil verkündet am 18.08.2000
Aktenzeichen: 1 U 164/99
Rechtsgebiete: ZPO
Vorschriften:
ZPO § 176 | |
ZPO § 927 | |
ZPO § 939 II |
SchlHOLG, 1. ZS, Urteil vom 18. August 2000, - 1 U 164/99 -,
Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht Im Namen des Volkes Urteil
Verkündet am: 18. August 2000
als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle
In dem Rechtsstreit
vertreten durch den Geschäftsführer
Verfügungsbeklagte und Berufungsklägerin,
- Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte
gegen
vertreten durch den Vorstandsvorsitzenden
Verfügungsklägerin und Berufungsbeklagte,
- Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte
hat der 1. Zivilsenat des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts in Schleswig auf die mündliche Verhandlung vom 11. August 2000 durch den Vorsitzenden am Oberlandesgericht und die Richter am Oberlandesgericht und
für Recht erkannt:
Tenor:
Auf die Berufung der Verfügungsbeklagten wird das am 10. August 1999 verkündete Urteil des Einzelrichters der 2. Zivilkammer des Landgerichts Flensburg geändert.
Der Antrag der Verfügungsklägerin vom 28. Juli 1999 auf Erlass einer einstweiligen Verfügung wird zurückgewiesen.
Die Verfügungsklägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Entscheidungsgründe
I.
Durch das angefochtene Urteil, auf das wegen aller Einzelheiten Bezug genommen wird, hat das Landgericht die beantragte Unterlassungsverfügung erlassen mit der Begründung, der Verfügungsklägerin stehe gemäß §§ 935 f. ZPO, §§ 1004, 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit §§ 185 f StGB ein Anspruch auf Unterlassung der im Urteilstenor angegebenen Äußerungen zu, da hierdurch die Ehre der Verfügungsklägerin verletzt sei.
Hiergegen richtet sich die zulässige Berufung der Verfügungsbeklagten. Sie macht geltend, dass die einstweilige Verfügung schon deshalb aufzuheben sei, weil die Vollziehungsfrist nicht eingehalten worden sei. Im Übrigen seien ihre Äußerungen im Internet von dem Grundrecht der Meinungsfreiheit (Artikel 5 Abs. 1 GG) gedeckt.
II.
Die gegen die Verfügungsbeklagte ergangene Urteilsverfügung ist ohne Rücksicht auf die materielle Richtigkeit unter Änderung des angefochtenen Urteils und unter Zurückweisung des auf ihren Erlass gerichteten Antrages aufzuheben, weil die Verfügungsklägerin die Urteilsverfügung nicht innerhalb der Monatsfrist des § 929 Abs. 2 ZPO vollzogen hat (§ 927 ZPO). Der dahin erhobene Einwand der Verfügungsbeklagten ist im Rechtsmittelverfahren zulässig (vgl. OLG Hamm NJW-RR 1986, 1232; Zöller, ZPO, 21. Aufl., § 927 RdNr. 2 m. w. N.).
1. Mit dem am 10. August 1999 verkündeten Urteil ist gegen die Verfügungsbeklagte eine einstweilige Verfügung erlassen worden, wobei sie in diesem Verfahren anwaltlich vertreten war. Das Urteil ist den Prozessbevollmächtigten der Verfügungsbeklagten von Amts wegen am 17. August 1999 zugestellt worden. Die Verfügungsklägerin hat dagegen keine Zustellung an die Prozessbevollmächtigten oder an den Korrespondenzanwalt der Verfügungsbeklagten in Berlin veranlasst. Sie hat vielmehr die Urteilsverfügung an die Verfügungsbeklagte persönlich am 30. August 1999 zustellen lassen.
2. Danach ist die Vollziehungsfrist des § 929 Abs. 2 ZPO, die auch für Urteilsverfügungen gilt, nicht gewahrt. Die von Amts wegen erfolgte Zustellung am 17. August 1999 kann nicht als derart ausreichende Vollziehung des angefochtenen Urteils angesehen werden (BGH GRUR 1993, 415; Zöller, a. a. O., § 929 RdNr. 12 m. w. N.). Erforderlich ist vielmehr eine Vollziehungshandlung im Sinne des § 929 Abs. 2 ZPO, wobei diese entweder in einer wirksamen Parteizustellung oder in einer anderen Handlung, die den Vollziehungswillen der Verfügungsklägerin rechtsförmlich zum Ausdruck bringt, bestehen kann (Zöller, a. a. O., § 929 RdNr. 12).
Die Verfügungsklägerin hat das Urteil vom 10. August 1999 weder im Wege einer wirksamen Parteizustellung vorgenommen noch hat sie sonstige förmliche Vollziehungshandlungen ergriffen.
Die von der Verfügungsklägerin zu veranlassende Zustellung war an die Flensburger Prozessbevollmächtigten der Antragsgegnerin zu richten (§ 176 ZPO). Das ist nicht geschehen. Die Zustellung ist vielmehr an die Verfügungsbeklagte persönlich erfolgt. In der Zustellung an die Partei selbst statt an den Prozessbevollmächtigten der Verfügungsbeklagten liegt ein Verstoß gegen eine zwingende Zustellungsvorschrift (vgl. OLG Frankfurt WRP 2000 411; OLG Düsseldorf NJW-RR 1999, 795; OLGR Naumburg 1997, 341; OLG Hamm GRUR 1991, 638; OLG Celle, GRUR 1989, 541; Schuschke/Walter, Vollstreckung und vorläufiger Rechtsschutz, 2. Auflage, § 929 RdNr. 29).
Die Unwirksamkeit dieses Vollziehungsversuchs bedeutet rechtlich, dass er keinerlei Rechtswirkungen erzeugt hat. Zwar hat die Klägerin ihren Durchsetzungswillen mit Bezug auf das schon seit Erlass des angefochtenen Urteils wirksame Verbot bestätigt, jedoch ist dies nicht in richtiger Form geschehen. Die Verletzung einer zwingenden Vorschrift über die Zustellung darf wegen deren grundlegender Bedeutung für die Rechtssicherheit auch im Zivilprozeß nicht mit wertenden Billigkeitsüberlegungen überspielt werden, durch die fehlerhafte Zustellung sei der Zweck des Vollziehungsgebot erreicht werden. Erst recht verbietet es sich, es als "leere Förmelei" abzutun, wenn an die Nichtbeachtung zwingender Formvorschriften Rechtsfolgen geknüpft werden (OLG Celle, GRUR 1989, 541).
Der Zustellungsmangel ist auch nicht gemäß § 187 Abs. 1 ZPO geheilt worden. Eine von der Verfügungsklägerin veranlaßte Parteizustellung noch innerhalb der Vollziehungsfrist an die Prozessbevollmächtigten oder auch an die Korrespondenzanwälte der Verfügungsbeklagten in Berlin ist nicht erfolgt. Es steht zudem nicht fest, dass die Prozessbevollmächtigten oder der Korrespondenzanwalt der Verfügungsbeklagten von dem Inhalt der am 30. August 1999 der Verfügungsbeklagten selbst zugestellten Schriftstücke innerhalb der Vollziehungsfrist, die mit Ablauf des 10. September 1999 endete, Kenntnis erhalten haben.
Da die Verfügungsklägerin auch nicht eine andere Handlung vorgenommen hat, die ihren Vollziehungswillen rechtsförmlich zum Ausdruck brachte, ist die Zustellung innerhalb der Vollziehungsfrist nicht als erfolgt anzusehen. Die einstweilige Verfügung ist somit ohne Rücksicht auf ihre materielle Begründetheit aufzuheben (OLG Schleswig, NJW 1972, 1056).
Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO. Auch für die Kostenentscheidung kommt es nicht darauf an, ob der Antrag auf Erlaß einer einstweiligen Verfügung ursprünglich begründet war, denn nunmehr ist der Antrag jedenfalls zurückzuweisen, weil die - im summarischen Verfahren angenommene - Eilbedürftigkeit wegen des Verstreichenlassens der Vollziehungsfrist widerlegt ist (OLG Schleswig, NJW 1972, 1056, 1057). Die Kosten des gesamten Verfahrens trägt in einem solchen Falle der Gläubiger, d. h. hier die Verfügungsklägerin (vgl. Stein/Jonas, ZPO, 21. Aufl., § 939 Rd Nr. 19).
Da gegen das Urteil gemäß § 545 Abs. 2 ZPO keine Revision statthaft ist, ist kein Ausspruch der vorläufigen Vollstreckbarkeit veranlasst (Stein/Jonas, a. a. O., § 708 Rd Nr. 11). Dasselbe gilt für die Festsetzung einer Beschwer nach § 546 Abs. 2 ZPO.
Ende der Entscheidung
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