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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Schleswig
Beschluss verkündet am 02.11.2005
Aktenzeichen: 10 UF 155/05
Rechtsgebiete: BSZG


Vorschriften:

BSZG § 4a
Bei der Kürzung nach § 4a BSZG handelt es sich um eine Kürzung der jährlichen Bruttoversorgungsbezüge und nicht um Kürzung im Rahmen eines Abzugs für Sozialleistungen. Der geminderte Betrag ist daher beim Versorgungsausgleich als Bruttoversorgungsbetrag zu berücksichtigen.
Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht Beschluss

10 UF 155/05

In der Familiensache

hat der 2. Senat für Familiensachen des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts in Schleswig am 2. November 2005 beschlossen:

Tenor:

Auf die sofortige Beschwerde der weiteren Beteiligten zu 1) wird das Urteil des Amtsgerichts - Familiengericht - Kiel vom 27. Juli 2005 hinsichtlich der Folgesache Versorgungsausgleich geändert:

Zu Lasten der Versorgung des Antragsgegners bei der Wehrbereichsverwaltung West (Personalnr. xxx ) werden auf dem Versicherungskonto Nr. xxx der Antragstellerin bei der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte in Berlin Rentenanwartschaften von monatlich 87,00 €, bezogen auf den 29.02.2004 als Ende der Ehezeit, begründet.

Der Monatsbetrag der Rentenanwartschaften ist in Entgeltpunkte umzurechnen.

Hinsichtlich der Kostenentscheidung des ersten Rechtszuges verbleibt es bei der Kostenentscheidung des angefochtenen Urteils.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden gegeneinander aufgehoben.

Der Gegenstandswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 2.000,00 € festgesetzt.

Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

Gründe:

Das Familiengericht hat die am 16.02.1996 geschlossene Ehe der Parteien geschieden und die Folgesache Versorgungsausgleich geregelt.

Während der Ehezeit vom 01.2.1996 bis 29.02.2004 haben die Parteien folgende Versorgungsanwartschaften erworben:

 Antragsgegner 
lt. Auskunft der Wehrbereichsverwaltung West vom 20.04.2004 Versorgungsanwartschaften von monatlich564,77 €.
Bei der Berechnung ist der Versicherungsträger ausgegangen von einem zu berücksichtigenden monatlichen Ruhegehalt von2.712,39 €
zuzüglich Sonderzahlung nach dem BSZG, mit Minderung § 4 a BSZG = 24,02 €89,09 €
zusammen2.801,48 €.

Auf der Grundlage dieses Gesamtbetrages hat der Versicherungsträger sodann den Ehezeitanteil mit dem o.g. Betrag errechnet.

 Antragstellerin
lt. Auskunft des Landesbesoldungsamtes Schleswig-Holstein vom 01.07.2005 Versorgungsanwartschaften von monatlich390,78 €.

Das Familiengericht hat die Versorgungsanwartschaften des Antragsgegners bei der Wehrbereichsverwaltung West korrigiert auf monatlich 569,01 € mit der Begründung, die Verkürzung der jährlichen Sonderzahlung gemäß § 4 a BSZG sei bei der Berechnung des Versorgungsausgleiches nicht zu berücksichtigen, da nur die monatlichen Bruttoversorgungsleistungen einzubeziehen seien.

Sodann hat es eine Differenz der Versorgungsanwartschaften festgestellt von 178,23 € und den Ausgleich durch Quasi-Splitting nach § 1587 b Abs. 2 BGB in Höhe von monatlich 89,12 € durchgeführt.

Gegen diese Entscheidung wendet sich die weitere Beteiligte zu 1) mit der form- und fristgerecht eingelegten Beschwerde. Zur Begründung wird ausgeführt, der Rechtsauffassung des Familiengerichts könne nicht gefolgt werden. Bei dem Beitrag nach § 4 a BSZG handele es sich nicht um einen Beitrag zur gesetzlichen Pflegeversicherung. Es handele sich faktisch um einen Einbehalt der jährlichen Sonderzahlung, die zu einer Minderung der monatlichen Bruttoversorgungsleistung führe und daher im Rahmen des Versorgungsausgleichs zu berücksichtigen sei.

Die gemäß §§ 629 a Abs. 2, 621 e Abs. 1 ZPO zulässige Beschwerde hat Erfolg.

Der Senat schließt sich bei der streitigen Frage, ob es sich bei der nach § 4 a BSZG vorgenommenen Kürzung um eine Herabsetzung der Bruttobeiträge handelt oder um eine Minderung der Bruttobeiträge wegen Zahlung von Sozialleistungen, der Auffassung der Beschwerdeführerin an.

Soweit ersichtlich, hat der Bundesgerichtshof die genannte Frage nicht entschieden.

Im Rahmen der Rechtsprechung der Oberlandesgerichte bestehen hinsichtlich der genannten Frage verschiedene Rechtsauffassungen. Nach Auffassung des OLG Nürnberg, OLG-Report 2005, 462, ist die Verkürzung der jährlichen Sonderzahlung gemäß § 4 a BSZG bei der Berechnung des Versorgungsausgleiches grundsätzlich nicht zu berücksichtigen. Nach Auffassung des OLG Nürnberg wird gemäß § 4 a BSZG die Übernahme des vollen Beitragssatzes zur Pflegeversicherung für Rentnerinnen und Rentner auf die Versorgungsempfängerinnen und Versorgungsempfänger wirkungsgleich übertragen, indem die zusätzlichen monatlichen Beitragsanteile (je 0,85 %) des laufenden Kalenderjahres einmalig im Dezember von der jährlichen Sonderzahlung einbehalten werden. In dieser Regelung liege somit keine allgemeine Kürzung der Versorgungsbezüge oder der Sonderzuwendung, sondern eine vereinfachte Abrechnung erhöhter Zahlungen an die Pflegeversicherung. Diese Zahlungen seien nach gesicherter Rechtsprechung des BGH (FamRZ 1994, 560 f.) nicht zu berücksichtigen, da im Rahmen des Versorgungsausgleiches die Bruttobezüge und nicht die Nettobezüge maßgebend seien.

Der Auffassung des OLG Nürnberg folgt auch der 5. Familiensenat des OLG Schleswig mit Beschluss vom 14.03.2005 (15 UF 204/04) sowie der 1. Familiensenat mit Beschluss vom 27.9.2005 ( 8 UF 217/05)

Demgegenüber vertreten das OLG Köln mit Beschluss vom 05.04.2005 (26 UF 31/05), das OLG Oldenburg mit Beschluss vom 11.04.2005 (14 UF 27/05), das OLG Koblenz mit Beschluss vom 21.04.2005 (13 UF 156/05) sowie der 5. Familiensenat des OLG Schleswig mit Beschluss vom 18.05.2005 (15 UF 58/05) die Auffassung, dass es sich bei der Kürzung nach § 4 a BSZG um eine Kürzung der jährlichen Versorgungsbezüge im Rahmen der Bruttobezüge und nicht um eine Kürzung im Rahmen eines Abzuges für Sozialleistungen handele.

Der Senat schließt sich der zuletzt genannten Auffassung an.

Nach Auffassung des Senates handelt es sich bei dem Betrag nach § 4 a BSZG nicht um einen Beitrag zur gesetzlichen Pflegeversicherung. Es handelt sich nicht um einen Kranken- und Pflegeversicherungsbeitrag, den ein in der gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung freiwillig (oder als pflichtversicherter Bezieher von Hinterbliebenenversorgung) versicherter Versorgungsempfänger nach den dafür einschlägigen Vorschriften des SGB V zu entrichten hat. Bei den genannten Versorgungsempfängern werden Beiträge zur Kranken - oder Pflegeversicherung nicht von der Bruttobetrag der zahlenden Versorgung abgezogen und ein Nettobetrag ausgezahlt im Gegensatz zu Empfängern von Renten aus einer gesetzlichen Rentenversicherung.

Die Reduzierung der Versorgungsbezüge nach § 4a BSZG führt zu einer entsprechenden Entlastung des Bundeshaushalts, aus dem auch die Versorgungsausgaben und Beihilfen zu den Pflegekosten der Versorgungsempfänger des Bundes geleistet werden. Nach Auffassung des Senates handelt es sich hierbei - wie bei den Herabsetzungen der Versorgungsbezüge nach dem Versorgungsänderungsgesetz 2001 (BGBl. I S. 3926) um eine weitere Haushaltskonsolidierungsmaßnahme, die den Bundeshaushalt insgesamt entlasten soll, ohne dass eine Zweckbestimmung der eingesparten Mittel zu Gunsten der Pflegekosten besteht. Es handelt sich in der Sache um eine weitere Reduzierung der jährlichen Sonderzahlung nach dem Gesetz über die Gewährung einer jährlichen Sonderzuwendung, zuletzt geändert durch Artikel 18 des Gesetzes vom 10.09.2003 (BGBl. I S. 1798). Es handelt sich bei dieser Kürzung nicht um einen Beitrag des jeweiligen Versorgungsträgers, zahlbar an eine Pflegeversicherung, sondern um eine Minderung seiner gesamten Bruttobezüge.

Somit ist nach der Entscheidung BGH FamRZ 1994, 560, dieser geminderte Betrag als Bruttoversorgungsbetrag im Rahmen des Versorgungsausgleiches zu berücksichtigen.

Zu berücksichtigen sind somit folgende Versorgungsanwartschaften:

 Antragsgegner wie oben564,77 €
Antragstellerin wie oben390,78 €
Differenz173,99 €
hälftiger nach § 1587 b Abs. 2 BGB auszugleichender Betrag87,00 €.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 93 a ZPO.

Die Rechtsbeschwerde ist zuzulassen.

Der Bundesgerichtshof hat - soweit ersichtlich - diese Frage noch nicht entschieden Der Beschluss vom 20.7.2005, FamRZ 2005, 1529 hat die hier relevante Frage nicht angesprochen. Es bestehen unterschiedliche Auffassungen von Oberlandesgerichten, sodass die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert, § 574 Abs. 2 Ziff. 2 ZPO.



Ende der Entscheidung

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