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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Schleswig
Urteil verkündet am 18.05.2001
Aktenzeichen: 10 UF 163/00
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 1610
Jeder Unterhaltsanspruch eines Kindes wird durch sein "Kindsein" geprägt und nicht durch Teilhabe am Luxus.

SchlHOLG, 2. FamS, Urteil vom 18. Mai 2001, - 10 UF 163/00 -


Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht Urteil Im Namen des Volkes

10 UF 163/00

3 F 92/99 AG Ratzeburg

Verkündet am: 18. Mai 2001

als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle

In der Familiensache

hat der 2. Senat für Familiensachen des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts in Schleswig auf die mündliche Verhandlung vom 06. April 2001 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht, den Richter am Oberlandesgericht und die Richterin am Oberlandesgericht für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung des Beklagten wird das am 02. August 2000 verkündete Schluss-Urteil des Amtsgerichts - Familiengerichts - Ratzeburg geändert.

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens beider Instanzen trägt der Kläger.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand und Entscheidungsgründe

I.

Der Kläger ist der derzeit 17-jährige Sohn des Beklagten, der bei seiner Mutter lebt. Die Trennung der Eltern erfolgte bereits im Jahre 1988.

Zur Zeit der Trennung lebte der Kläger mit seinen Eltern in W.. Die Einkommens- und Vermögensverhältnisse seiner Eltern fielen zur damaligen Zeit nicht aus dem Rahmen. Die Familie lebte zunächst in einem Zweifamilienhaus und zog dann in der Folgezeit in ein neu errichtetes freistehendes Einfamilienhaus um. Die Lebensverhältnisse waren seinerzeit, wohl auch im Hinblick auf den Hausbau, nicht aufwendig, teure Sportarten o. ä. wurden nicht betrieben, mit Ausnahme einer Flugreise nach Spanien wurden auch keine Urlaubsreisen unternommen. Erst nach der Trennung der Parteien stiegen die Einkünfte des Beklagten in einem Umfange an, das sie jenseits des Höchstsatzes der Düsseldorfer Tabelle liegen.

Der Kläger geht noch zur Schule. Er begehrt im Wege der Stufenklage vom Beklagten, der sich mit gerichtlichem Vergleich vom 22. Februar 1991, Az. 10 F 46/90 Amtsgericht W., zur Zahlung eines monatlichen Unterhalts von 750,00 DM abzüglich des hälftigen Kindergeldes verpflichtet hatte, weitergehenden Unterhalt. Nach Auskunftserteilung begehrt der Kläger nunmehr monatlich 1.330,00 DM. Diesen liegt ein geltend gemachter Bedarf von 2.200,00 DM zugrunde, von dem er zwei Drittel gegenüber dem Beklagten geltend macht.

Das Familiengericht hat der Klage stattgegeben. Dagegen wendet sich der Beklagte mit seiner Berufung.

Er hat in der Zeit ab April 1999 jeweils monatliche 845,00 DM gezahlt und hat sich durch Urkunde des Jugendamtes der Stadt W. vom 23. März 2000 (Urkundenrolle 17/2000) verpflichtet, einen monatlichen Unterhalt von 190 % des Regelbedarfs ab 01. April 2000, abzüglich des hälftigen Kindergeldes, zu zahlen.

II.

Die Berufung hat Erfolg.

Der Kläger hat einen höheren Unterhaltsanspruch gegenüber dem Beklagten, als dieser bereits mit vollstreckbarer Urkunde des Jugendamtes der Stadt W. vom 23. April 2000 (Urkundenrolle 17/2000) anerkannt hat und der dem Höchstsatz der Düsseldorfer Tabelle entspricht, nicht dargelegt, auch wenn die Einkünfte des Beklagten deutlich über dem Betrag von 8.000,00 DM liegen, der dem Höchstsatz der Düsseldorfer Tabelle zugrunde liegt. Denn eine systematische Fortschreibung der Düsseldorfer Tabelle bei höheren Einkünften ist nach fast einhelliger Meinung in Rechtsprechung und Literatur, die auch der Senat vertritt, nicht zulässig. Zwar bestimmt sich gemäß § 1610 BGB das Maß des zu gewährenden Unterhalts nach der Lebensstellung des Bedürftigen, die sich wiederum nach der Lebensstellung seiner Eltern richtet, und zwar nach den Einkommensverhältnissen des barunterhaltspflichtigen, nicht sorgeberechtigten Elternteils (BGH FamRZ 1983, 473, 474). Der jeweils "angemessene Unterhalt" ist dann der Düsseldorfer Tabelle zu entnehmen, die darin ausgewiesenen Richtsätze sind Erfahrungswerte, die den Lebensbedarf des Kindes typisieren (BGH FamRZ 1983, 678; 1984, 374, 375). Diese Typisierung lässt sich aber oberhalb der obersten Einkommensgruppe nicht in der Form fortführen, dass entsprechend standardisiert weitergerechnet wird. So verweist die Düsseldorfer Tabelle ausdrücklich auf die "Umstände des Falles". Dies führt fast übereinstimmend in Rechtsprechung und Literatur dazu, dass allenfalls eine - maßvolle - Erhöhung infrage kommt. Denn jeder Unterhaltsanspruch eines Kindes ist im Wesentlichen durch sein "Kindsein" geprägt, es hat zwar einen Anspruch auf gute Lebensbedingungen, jedoch keinen Anspruch auf eine Teilhabe am Luxus (BGH FamRZ 1983, 473).

Eine maßvolle Erhöhung des Unterhaltsbedarfs ist im Hinblick darauf auch nur dann vertretbar, wenn der Unterhaltsberechtigte den höheren Bedarf hinreichend konkret darlegt (BGH MDR 2000, 275, 276; OLG Celle OLGR 1994, 57, 58; ähnlich auch OLG Bamberg, OLGR 2000, 38). Für die Darlegung ist darauf abzustellen, ob Bedürfnisse vorhanden sind, die ggf. mit besonderem Kostenaufwand verbunden sind und auf die das Kind im Hinblick auf die Trennung der Eltern nicht verzichten soll. Denn dem Kind soll der Lebensstil erhalten bleiben, den es auch während intakter Ehe gehabt hat. Nicht ausreichend ist deshalb die Darstellung von den "normalen" Bedürfnissen, die einem Unterhaltsberechtigten aus guten wirtschaftlichen Verhältnissen, z. B. aus der obersten Gruppe der Düsseldorfer Tabelle, entsprechen, ohne dass besonders kostspielige Hobbys o. ä., die nicht aus Zeiten intakter Ehe stammen, ersichtlich sind. Denn die Düsseldorfer Tabelle, deren Anwendung auf den Kindesunterhalt unumstritten ist, geht davon aus, dass die Bedürfnisse eines Kindes mit den Unterhaltsbeträgen zu decken sind. Zweifel daran hat der Senat nicht, auch wenn der Kläger in seiner erstinstanzlich eingereichten Aufstellung seine allgemeinen Bedürfnisse deutlich höher einschätzt.

Besondere Bedürfnisse, die eine Erhöhung des Tabellenbetrages rechtfertigen und noch während intakter Ehe geprägt wurden, hat der Kläger aber nicht dargelegt. Seine eingereichte Aufstellung spiegelt die Bedürfnisse eines 17-jährigen durchschnittlichen Oberschülers wider, von denen auch die Düsseldorfer Tabelle ausgeht. Er betreibt weder besonders teure Sportarten noch ist sein Bedarf beispielsweise durch teuren zusätzlichen Unterricht - etwa Musikunterricht - erhöht. Sie umfasst keine Bedürfnisse, die nicht auch ein unterhaltsberechtigtes Kind bei Einkünften des Unterhaltsverpflichteten von knapp unter 8.000,00 DM hätte und die deshalb jedenfalls mit dem Höchstsatz der Düsseldorfer Tabelle zu befriedigen sind. Ein ggf. einmalig entstehender erhöhter Bedarf wie z. B. bei einem nicht länger voraussehbaren oder sehr teuren Schüleraustausch o. ä. wäre ggf. ohnehin ein geltend zu machender Sonderbedarf.

Insoweit ist auch zu berücksichtigen, dass der Kläger mit seinen Eltern zusammen noch nicht in Verhältnissen gelebt hat, die einen Unterhaltsanspruch jenseits den Beträgen der Düsseldorfer Tabelle gerechtfertigt hätten und die seine Bedürfnisse entsprechend geprägt hätten. Die Einkünfte des Beklagten sind erst nach Trennung so gestiegen, dass sie über den Sätzen der Düsseldorfer Tabelle liegen.

Nach alledem besteht für die Zeit ab 01. April 1999 ein höherer Unterhaltsanspruch des Klägers als 845,00 DM, den der Beklagte ab diesem Zeitraum zahlt, nicht. Im Hinblick darauf ist auch kein Raum für die Abänderung der Urkunde des Jugendamtes der Stadt W. vom 23. März 2000, in der der Beklagte sich zur Zahlung eines Unterhalts von 190 % des jeweiligen Regelbetrages ab 01. April 2000 verpflichtet hat, zumal der Beklagte auch seitdem einen Unterhaltsbetrag freiwillig zahlt, der geringfügig über dem titulierten Betrag liegt.

Die Nebenentscheidungen folgen aus den §§ 91, 708 Nr. 10, 713 ZPO.



Ende der Entscheidung

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