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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Schleswig
Urteil verkündet am 24.01.2003
Aktenzeichen: 10 UF 209/01
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 1570
BGB § 1573 II

Entscheidung wurde am 25.11.2003 korrigiert: Vorschriften geändert, Stichworte und Leitsatz eingefügt
1. Ein "Karrieresprung", dessen Grundlagen erst nach der Trennung der Eheleute gelegt werden, ist nicht eheangelegt. Veränderungen nach der Trennung, die auf einer unerwarteten Entwicklung beruhen, sind unterhaltsrechtlich nicht zu berücksichtigen.

2. Zur Frage, wann eine Erwerbstätigkeit als überobligationsmäßig zu qualifizieren ist.


Tatbestand:

Die Klägerin verlangte von dem Beklagten nachehelichen Unterhalt, und zwar Elementar- und Altersvorsorgeunterhalt. Die Ehe der Parteien wurde im November 1998 rechtskräftig geschieden.

Im Februar 1996 trennten sich die Parteien. Zu Beginn des Jahres 1998 wurde bei der D Bank AG eine Arbeitsstelle "Fachkraft Problemkredite" im Bereich Kreditmanagement und Kreditsekretariat in F ausgeschrieben, worauf sich der Beklagte erfolgreich zum 1. Mai 1998 bewarb. Aus diesem Grunde stieg sein Bruttoeinkommen um mehr als ein Drittel. 1999 kehrte er nach erfolgreicher Bewerbung als Abteilungsleiter bei seinem früheren Arbeitgeber zurück.

Die Parteien stritten im Wesentlichen darum, ob bei dem Beklagten eine unerwartete Einkommenssteigerung nach einem "Karrieresprung" eingetreten ist.

Dies hat das Amtsgericht bei seiner angefochtenen Entscheidung verneint. Ferner hat es die Auffassung vertreten, dass das Einkommen der Klägerin als überobligatorisch zu bewerten sei und hat es deshalb bei der Unterhaltsberechnung um 20 % ermäßigt.

Gegen die Verurteilung zur Zahlung von nachehelichem Unterhalt wendet sich der Beklagte mit seiner Berufung und meint, bei ihm liege unerwartet ein "Karrieresprung" vor, sodass lediglich fiktiv seine Einkünfte als Gruppenleiter der D Bank ab Dezember 1999 fortzuschreiben seien. Darüber hinaus arbeite die Klägerin auch nicht überobligationsmäßig, da sie - unstreitig - schon während der Ehe der Parteien im bisherigen Umfang berufstätig war.

Die Berufung des Beklagten hatte zum Teil Erfolg.

Gründe:

Der Beklagte schuldet der Klägerin dem Grunde nach gemäß den §§ 1570 und 1573 Abs. 2 BGB nachehelichen Ehegattenunterhalt als Betreuungs- bzw. Aufstockungsunterhalt.

1. Bei der Unterhaltsberechnung ist von den Einkünften des Beklagten nach seiner bisherigen Tätigkeit als Gruppenleiter bei der D Bank (vormals Handelsbank) auszugehen. Zwar erhielt der Beklagte in dem hier streitgegenständlichen Zeitraum von Dezember 1999 bis heute wesentlich höhere Einkünfte, zuletzt als Abteilungsleiter der vorgenannten Bank. Diese Einkünfte sind jedoch bei der Bemessung des Unterhaltsbedarfs der Klägerin gemäß § 1578 BGB nicht zugrunde zu legen. Nach § 1578 Abs. 1 Satz 1 BGB bestimmt sich das Maß des Unterhalts nach den ehelichen Lebensverhältnissen, und zwar den Verhältnissen im Zeitpunkt der Rechtskraft der Scheidung (BGH NJW 1994, 935; NJW 1987, 1551). Nach der Zielsetzung des Gesetzgebers soll der berechtigte Ehegatte an dem Lebenszuschnitt beteiligt werden, wie er sich bis zu diesem Zeitpunkt der Ehe entwickelt hat (BT-Drucks 7/650 S. 136), da die Ehe auch während der Trennung bis zur rechtskräftigen Scheidung fortbesteht und die eheliche Lebensgemeinschaft grundsätzlich jederzeit wieder aufgenommen werden könnte, sodass die Ehegatten bis dahin auf der Grundlage ihrer Lebensverhältnisse miteinander verbunden sind. Daher prägen auch auf Dauer angelegte Einkommensveränderungen zwischen Trennung und Scheidung in der Regel die ehelichen Lebensverhältnisse, da die Ehegatten auch während der Trennung bis zur Rechtskraft der Scheidung an der Entwicklung der ehelichen Lebensverhältnisse grundsätzlich teilnehmen (BGH NJW 1999, 717). Dieser Grundsatz gilt jedoch nach der Rechtsprechung des BGH bei beruflichen Entwicklungen, insbesondere bei Veränderungen der Einkommensverhältnisse, nur in soweit, als die Veränderungen nicht auf einer unerwarteten, vom Normalverlauf erheblichen abweichenden Entwicklung der Einkommensverhältnisse seit der Trennung beruhen (BGH NJW 1982, 2063; 1984, 1685). Als Zeitpunkt für die Bemessung der ehelichen Lebensverhältnisse ist beim nachehelichen Unterhalt zwar die Rechtskraft der Scheidung maßgebend, die Frage, ob bei einer Einkommenssteigerung eine "normale" Entwicklung und damit ein prägendes Einkommen vorliegt, richtet sich aber bereits nach den Verhältnissen bei der Trennung. Denn prägend können nur Einkünfte sein, deren Wurzel im gemeinsamen Zusammenleben liegen (BGH NJW 1984, 292). Daher sind Veränderungen nach der Trennung dann nicht zu berücksichtigen, wenn sie auf einer unerwarteten Entwicklung beruhen. Unerwartet sind z. B. Einkommenssteigerungen nach einem "Karrieresprung" (Kalthoener/Büttner, Die Rechtsprechung zur Höhe des Unterhalts, 7. Aufl., Rn. 64 m.w.N.).

Ein entsprechender "Karrieresprung" ist bei dem Beklagten eingetreten. So hat sein Arbeitgeber mit Schreiben vom 12. September 2002, Bl. 339 d. A., auf der Grundlage seines beruflichen Werdeganges bescheingt, dass sein Arbeitgeberwechsel ab Mai 1998 einen vom üblichen Karriereverlauf im Bankensektor abweichender Karrieresprung darstellt. Dies wird letztlich auch dadurch bestätigt, dass der Beklagte nach dem Realschulabschluss eine Berufsausbildung zum Bankkaufmann absolvierte, die er mit der Note "befriedigend" abgeschlossen hat. Insoweit ist die berufliche Entwicklung des Beklagten unter Zugrundelegung einer Einkommenssteigerung von mehr als 1/3 als "unerwartet" zu bezeichnen.

Auch nach dem Vorbringen der Klägerin ist dieser "Karrieresprung" nicht schon während der intakten Ehe angelegt worden, da entsprechende berufliche Veränderungen des Beklagten sich in dieser Zeit zerschlugen und tatsächlich erst nach Trennung der Parteien eingetreten sind.

Deshalb sind bei der Unterhaltsberechnung im Gegensatz zur Auffassung des Amtsgerichts nicht die tatsächlich erzielten Einkünfte des Beklagten ab Dezember 1999 bei der Unterhaltsberechnung zugrunde zu legen, sondern es ist vielmehr fiktiv mit seinen fortzuschreibenden Einkünften als Gruppenleiter der D Bank ab Dezember 1999 zu rechnen. Daher sind die Einwände der Klägerin zu den tatsächlichen Einkünften des Beklagten für die Entscheidung des Rechtsstreits unerheblich.

2. Abweichend von der Entscheidung des Amtsgerichts beruhen die Einkünfte der Klägerin nicht auf einer unzumutbaren Tätigkeit und sind somit auch nicht als überobligationsmäßig zu bewerten.

Zwar bewirkt die gemeinschaftliche Verantwortung der Eltern für ihre Kinder, dass bei deren Betreuung regelmäßig erst gearbeitet werden muss, wenn die Kinder ein bestimmtes Alter erreicht haben. Nach ständiger Rechtsprechung des Senats beginnt dieses Alter erst ab dem 10./11. Lebensjahr (Beendigung der Grundschulzeit). Andererseits ist aber zu beachten, dass in vielen Fällen beide Eheleute während des Zusammenlebens berufstätig sind, obwohl sie kleine Kinder haben. Zum Teil erfolgt dies aus Not, weil der Ehepartner zur Finanzierung des gemeinsamen Haushalts zu wenig verdient, zum Teil beruht dies aber auch auf persönlichen Vorstellungen der Eheleute über die Gestaltung ihrer Ehegemeinschaft und damit aus freien Stücken. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist das aus der Erwerbstätigkeit erzielte Einkommen nur im ersten Fall überobligatorisch, während im zweiten Fall es als nachhaltig und dauerhaft zu bezeichnen ist, da es aus einer zumutbaren Tätigkeit stammt (BGH FamRZ 1998, 1501, 1502). Konkrete Anhaltspunkte, dass die während der Ehezeit ab 1. April 1990 aufgenommene Berufstätigkeit der Klägerin (Teilzeit mit einer wöchentlichen Arbeitszeit von 28,9 Stunden, Bl. 83 d. A.) aus einer wirtschaftlichen Not der Eheleute aufgenommen wurde, liegen nicht vor. Insoweit geht der Senat davon aus, dass die Erwerbstätigkeit der Klägerin aus freien Stücken aufgenommen wurde und deshalb nicht als überobligatorisch anzusehen ist. Hierfür spricht auch die Tatsache, dass es den Parteien vor der Trennung bzw. der Klägerin nach der Trennung ohne weiteres gelungen ist, die gemeinsamen Kinder durch die Großeltern mütterlicherseits zu betreuen. Darüber hinaus arbeitet die Klägerin auch nach der Trennung weiterhin - wie zuvor - nur teilschichtig, nämlich mit 30 Wochenstunden (Bl. 292 d. A.).

Ende der Entscheidung

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