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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Schleswig
Beschluss verkündet am 16.07.2008
Aktenzeichen: 10 UF 22/08
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 1360
BGB § 1587 c Nr. 3
Voraussetzung für einen Ausschluss des Versorgungsausgleichs gemäß § 1587 c Nr. 3 BGB ist eine Unterhaltspflichtverletzung von einigem Gewicht, zu der die Folge dieses Ausschlusses nicht unangemessen ist. Dazu müssen über die Nichterfüllung der Unterhaltspflicht hinaus weitere objektive Merkmale vorliegen, die dem pflichtwidrigen Verhalten ein besonderes Gewicht geben. Das kann etwa bei einer gröblichen Unterhaltspflichtverletzung der Fall sein, wenn der Ausgleichspflichtige dadurch in ernsthafte Schwierigkeiten bei der Beschaffung des Lebensbedarfs geraten ist.
10 UF 22/08

Beschluss

In der Familiensache

hat der 2. Senat für Familiensachen des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts in Schleswig auf die mündliche Verhandlung vom 11. Juli 2008 am 16. Juli 2008 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht , den Richter am Oberlandesgericht und den Richter am Oberlandesgericht Dr. beschlossen:

Tenor:

Auf die sofortige Beschwerde der Antragsgegnerin wird das Urteil des Amtsgerichts - Familiengericht - Eutin vom 11. Dezember 2007 hinsichtlich der Entscheidung zum Versorgungsausgleich abgeändert.

Der Versorgungsausgleich zwischen den Parteien wird ausgeschlossen.

Die Gerichtskosten werden geteilt.

Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

Der Gegenstandswert wird auf 1.000,00 € festgesetzt.

Gründe:

I

Die Parteien streiten um die Durchführung des Versorgungsausgleichs. Die Antragsgegnerin ist am 13. Februar 1966 geboren, der Antragsteller am 6. Oktober 1940. Aus der am 22. Dezember 1998 geschlossenen Ehe ist die am 02. Dezember 1998 geborene Tochter A hervorgegangen, die von der Antragsgegnerin betreut wird. Die Antragsgegnerin ist weiter Mutter einer aus einer vorangegangenen Ehe stammenden Tochter, die sie ebenfalls betreut.

Der Antragsteller hat vor und während der Ehe, auch nach seiner Verrentung, als Kapitän im Ausland gearbeitet. Er bezieht seit dem 6. Oktober 2005 eine Rente bei der Deutschen Rentenversicherung Knappschaft-Bahn-See in Höhe von 93,37 €. Während der Ehe hat der Antragsteller keine Versorgungsanwartschaften erworben. Die Antragsgegnerin hat in der Ehezeit Anwartschaften bei der Deutschen Rentenversicherung Bund in Höhe von monatlich 148,03 € erworben.

Das Familiengericht hat die Ehe der Parteien geschieden und den Versorgungsausgleich dahingehend durchgeführt, dass vom Konto der Antragsgegnerin bei der Deutschen Rentenversicherung Bund monatliche Anwartschaften in Höhe von 74,02 € auf das Rentenkonto des Antragstellers bei der Deutschen Rentenversicherung Knappschaft-Bahn-See übertragen werden.

Hiergegen wendet sich die Antragsgegnerin mit der Beschwerde. Sie macht geltend, dem Antragsteller sei eine grobe Unterhaltspflichtverletzung vorzuwerfen. Der Versorgungsausgleich sei deshalb auszuschließen. Er sei in der Lage gewesen, zum Familienunterhalt beizutragen, da er ein Jahreseinkommen von jedenfalls 51.300,00 US-Dollar jährlich gehabt habe. Er habe die Familie finanziell aber nicht unterstützt. Sie sei deshalb in ernsthafte Schwierigkeiten bei der Sicherstellung des Lebensbedarfs geraten. Nur durch eigene Mehrfachbelastung, durch alleinige Haushaltsführung und durch Arbeit und Umschulungsmaßnahmen, zum Teil unter Inanspruchnahme von Sozialleistungen, habe sie den Lebensbedarf sichern können. Sie habe zeitweise auch Leistungen nach dem SGB II beantragen müssen.

Die Antragsgegnerin beantragt,

das Urteil des Amtsgerichts - Familiengericht - Eutin vom 11. Dezember 2007, Az.: 41 F 90/06 hinsichtlich des Punktes II aufzuheben und die Durchführung des Versorgungsausgleichs auszuschließen.

Der Antragsteller beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Der Antragsteller macht geltend, die nicht sozialversicherungspflichtige Tätigkeit auf Schiffen im Ausland habe den gemeinsamen Vorstellungen der Ehegatten während des Zusammenseins entsprochen. Hierin läge kein Grund zum Ausschluss des Versorgungsausgleichs. Es sei auch nicht Sinn des Versorgungsausgleichsverfahrens, die einvernehmliche Gestaltung der ehelichen Lebensverhältnisse von der Eheschließung bis zur Trennung noch einmal aufzurollen. Ob er während der Ehe leistungsfähig gewesen sei, sei nicht von Bedeutung. Er sei während der Ehe nicht barunterhaltspflichtig gewesen. Die Einkünfte bei den ausländischen Reedereien seien reine Bruttoeinkünfte, wovon die inländische Krankenversicherung bezahlt werden müsse. Sie koste derzeit noch über 700,00 € monatlich. Angesparte Beträge auf einem Depot seien nicht mehr vorhanden, weil er davon entsprechend seinen Vorsorgevorstellungen seit Renteneintritt habe leben müssen. Das Haus sei seine zweite Stütze, vor allem dann, wenn es abbezahlt sei. Er habe ab April 2006 Kindesunterhalt gezahlt und Ehegattenunterhalt etwas später. Es könne wegen der Unterhaltsverletzung zwischen der Trennung und dem Ende der Ehezeit in wenigen Monaten keine gröbliche Verletzung vorliegen. Zudem berührten etwaige Verletzungen der Unterhaltsverpflichtungen nach Trennung § 1587 c Nr. 3 BGB nicht mehr.

Er habe keinerlei Versorgungsgarantien geben können, da er nur unregelmäßig im Ausland tätig gewesen sei. Die Antragsgegnerin könne nicht im Nachhinein die Gestaltung der ehelichen Lebensverhältnisse wieder aufrollen und diese als Argument gegen die Durchführung des Versorgungsausgleichs ins Feld führen. Sie habe Zeit noch eigene, nicht mit ihm zu teilende Rentenanwartschaften aufzubauen.

II.

Die gemäß §§ 629 Abs. 2, 621 e ZPO statthafte sofortige Beschwerde gegen die Entscheidung zum Versorgungsausgleich hat Erfolg.

1. Das Familiengericht hat den Versorgungsausgleich zutreffend berechnet. Die Differenz der Anwartschaften der Parteien beträgt 148,03 €.

Hiervon die Hälfte sind 74,02 €.

2. Der Versorgungsausgleich ist aber gemäß § 1587 c Nr. 3 BGB auszuschließen, weil der Antragsteller während der Ehe längere Zeit hindurch seine Pflicht, gemäß § 1360 BGB zum Familienunterhalt beizutragen, gröblich verletzt hat.

Voraussetzung ist eine Unterhaltspflichtverletzung von einigem Gewicht, zu der die Folge des Ausschlusses des Versorgungsausgleichs nicht unangemessen ist. Dazu müssen über die Nichterfüllung der Unterhaltspflicht hinaus weitere objektive Merkmale vorliegen, die dem pflichtwidrigen Verhalten ein besonderes Gewicht geben, so wenn ein Unterhaltsberechtigter dadurch in ernsthafte Schwierigkeiten bei der Sicherstellung seines Lebensbedarfs geraten ist (vgl. Palandt/Brudermüller, 67. Aufl., § 1587 c Rn. 47).

a) Der Antragsteller hat seine Verpflichtung aus § 1360 BGB, zum Familienunterhalt beizutragen, verletzt. Er hat während der Ehe zwar teilweise zum Unterhalt der Familie beigetragen. Er hat auch nach dem Vorbringen der Antragsgegnerin das in seinem Eigentum stehende Familienheim finanziert. Die monatlichen Belastungen betragen allein für die Bedienung der Kredite rund 580,00 €. Soweit die Antragsgegnerin vorträgt, es seien für das Haus auch Rechnungen aufgelaufen, ist für den Senat nicht zu ersehen, in welcher Höhe und über welche Zeiträume die Forderungen nicht bedient worden sind. Nähere Umstände trägt die Antragsgegnerin hierzu nicht vor.

Der Senat ist aber davon überzeugt, dass der Antragsteller auch darüberhinaus in der Lage war, zum Familienunterhalt beizutragen. Schon nach den (vorsichtigen) Schätzungen der Antragsgegnerin betrug sein Einkommen mindestens brutto 2.375,00 €. Hiervon abzuziehen sind die Krankenversicherungskosten mit 700,00 €. Weiter sind die Hausfinanzierungskosten mit 580,00 € abzuziehen. Es verbleiben dann 1.095,00 €. Abzuziehen sind hiervon zwar weiter Verpflegungs- und Reisekosten sowie mögliche Kosten der Unterkunft in Kairo, dies allerdings nur in den Monaten, in denen der Antragsteller nicht zuhause gelebt hat. Zudem fallen auf See keine Verpflegungskosten an. Es verbleiben dann Beträge, die zum Unterhalt hätten beigetragen werden können.

Ob die Schätzungen der Antragsgegnerin zu den Einkünften des Antragstellers aus seiner Kapitänstätigkeit zutreffen, ist offen. Dem Antragsteller ist durch den Senat aufgegeben worden, hierzu detailliert vorzutragen. Dies ist unterblieben. Der Senat muss deshalb davon ausgehen, dass mindestens die von der Antragsgegnerin genannten Beträge zur Verfügung standen.

Dass nach der Trennung Barunterhalt gezahlt worden ist, ändert an der Verletzung der Verpflichtung, schon während der Ehe zum Familienunterhalt beizutragen, nichts.

b) Eine gröbliche Unterhaltspflichtverletzung liegt dann vor, wenn der Ausgleichspflichtige durch das Ausbleiben der Beiträge des Ausgleichsberechtigten in ernsthafte Schwierigkeiten bei der Beschaffung des Lebensbedarfs geraten ist (vgl. BGH FamRZ 1986, 658; OLG Schleswig FamRZ 1999, 865). Erforderlich ist dabei auch, dass die Pflichtverletzung über längere Zeit erfolgen muss. Der Antragsteller hat sich bis auf die Wohnungsgestellung zu keiner Zeit am Familienunterhalt beteiligt. Ein fehlender Beitrag zum Familienunterhalt während der gesamten Ehedauer erreicht das Zeiterfordernis. Dass die Antragsgegnerin nicht die ganze Ehezeit über auf öffentliche Unterstützung angewiesen war, weil sie auch selbst gearbeitet und Mittel der Arbeitsförderung dadurch erhalten hat, dass sie an Umschulungsmaßnahmen teilnahm, ist unerheblich. Die Pflichtverletzung ist auch dann gröblich, wenn die ernsthaften finanziellen Schwierigkeiten letztlich durch Einsatz des Verpflichteten verhindert worden sind (vgl. BGH FamRZ 1986, 658).

Der Umstand, dass zeitweise sogar Arbeitslosengeld II in Anspruch genommen werden musste, spricht deutlich für eine gröbliche Unterhaltsverletzung. Die Antragsgegnerin teilt zwar hierzu keine genauen Zeiten mit. Nach dem in der Auskunft der Deutschen Rentenversicherung Bund vom 30.August 2007 mitgeteilten Versicherungsverlauf bezog sie aber im Zeitraum vom 01. April 2005 bis zum 31. Dezember 2005 für insgesamt 8 Monate Arbeitslosengeld II.

Der Antragsteller kann sich auch nicht darauf berufen, er sei ohnehin seit Oktober 2005 Rentner und habe gar nicht arbeiten müssen. Dann hätte er im Rahmen seiner Unterhaltsverpflichtung jedenfalls die Kinderbetreuung übernehmen können, um so der Antragsgegnerin eine Erwerbstätigkeit zu ermöglichen.

Der Umstand, dass der Antragsteller das in seinem Eigentum stehende Familienheim mit monatlichen Raten finanziert hat, wirkt sich auch deshalb nicht zu seinen Gunsten aus, weil er dadurch neben dem Beitrag zum Familienunterhalt in erster Linie Altersvorsorge betrieben hat. Die Vermögensvorteile durch die Finanzierung bleiben ihm deshalb weiterhin erhalten.

3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 13 a FGG.

Die Festsetzung des Gegenstandswerts ergibt sich aus § 49 Nr. 1 b GKG.

Ende der Entscheidung

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