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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Schleswig
Beschluss verkündet am 11.03.2008
Aktenzeichen: 10 UF 64/06
Rechtsgebiete: BeratungshilfeG, VV RVG


Vorschriften:

BeratungshilfeG § 9
VV RVG Vorbemerkung 3 Abs. 4
VV RVG Nr. 2300
VV RVG Nr. 2503
VV RVG Nr. 2603
Eine hälftige Anrechung der Geschäftsgebühr für die Beratungshilfe nach Nr. 2503 VV RVG auf den gegen den Gegner gerichteten prozessualen Kostenerstattungsanspruch der Partei, die Beratungshilfe in Anspruch genommen hat, findet nicht statt.
15 WF 356/07 10 UF 64/06

Beschluss

In der Familiensache (Kostenfestsetzungsverfahren)

hat der 5. Senat für Familiensachen des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts in Schleswig durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht, am 11. März 2007 beschlossen:

Tenor:

Auf die sofortige Beschwerde der Klägerin gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss des Amtsgerichts- Familiengericht - Mölln vom 23. Oktober 2007 wird der Beschluss wie folgt geändert:

Auf Grund des Urteils des Amtsgerichts Mölln vom 07. März 2006 und des Beschlusses des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts in Schleswig vom 27. September 2006 (Az.: 10 UF 64/06) werden die von dem Beklagten an die Klägerin zu erstattenden Kosten auf 655,95 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 17.10.2006 festgesetzt.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens nach einem Beschwerdewert von 338,55 € trägt der Beklagte.

Gründe:

I.

Die Parteien haben sich vor dem Amtsgericht - Familiengericht - Mölln um Trennungsunterhalt gestritten. Der Klägerin ist Prozesskostenhilfe für die Geltendmachung von laufendem Trennungsunterhalt und für einen Unterhaltsrückstand in Höhe von insgesamt 4.668,00 € bewilligt und ihre Prozessbevollmächtigte beigeordnet worden. Die Prozessbevollmächtigte der Klägerin hatte diese bereits außergerichtlich bei der Geltendmachung von Trennungsunterhalt vertreten und hierfür Beratungshilfegebühren erhalten.

Gegen das erstinstanzliche Urteil des Amtsgerichts Mölln hat die Klägerin Berufung eingelegt. Die Parteien haben sich in zweiter Instanz vor dem Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgericht verglichen und die Kostenentscheidung dem Senat nach § 91a ZPO überlassen. Mit Beschluss vom 27.09.2006 hat der Familiensenat entschieden, dass die Kosten des Rechtstreits in beiden Instanzen mit Ausnahme der Kosten des am 25.08.2006 protokollierten Vergleichs dem Beklagten auferlegt und die Kosten des Vergleichs gegeneinander aufgehoben werden.

Die Prozessbevollmächtigte der Klägerin hat aus der Staatskasse für die erstinstanzliche Vertretung insgesamt Gebühren und Auslagen in Höhe von 672,80 € erhalten. Hierbei berücksichtigt ist ein Abzug in Höhe von 35 € für die hälftige Geschäftsgebühr für Beratungshilfe. Den Betrag von 672,80 € hat das Amtsgericht Mölln dem Beklagten mit Kostenrechnung vom 30.10.2006 in Rechnung gestellt.

Mit Kostenfestsetzungsantrag vom 16.10.2006 beantragt die Klägerin gemäß § 104 ZPO die Wahlanwaltsvergütung für die erstinstanzliche Vertretung gegen den Beklagten festzusetzen, soweit diese die Zahlungen der Landeskasse übersteigt. In dem Kostenfestsetzungsantrag macht die Klägerin nach einem Streitwert von 8568 € eine 1,3 Verfahrensgebühr für den ersten Rechtszug in Höhe von 583,70 € und eine 1,2 Terminsgebühr für den ersten Rechtszug in Höhe von 538,80 € sowie eine Auslagenpauschale in Höhe von 20,00 € geltend, insgesamt 1.142,50 €. Zuzüglich 16 % Mehrwertsteuer und abzüglich der Kostenerstattung seitens der Landeskasse über 672,80 €, verbleiben 652,50 €. Auf Nachfrage des Rechtspflegers hat die Prozessbevollmächtigte der Klägerin mitgeteilt, dass für ihre außergerichtliche Tätigkeit eine 1,3 Geschäftsgebühr auf einen Gegenstandswert in Höhe von 8.568,00 € über 583,70 € zuzüglich Auslagen und Mehrwertsteuer entstanden sei, sie diese Geschäftsgebühr aber nicht gegenüber der Klägerin abgerechnet habe.

Mit Kostenfestsetzungsbeschluss vom 23.10.2007 hat der Rechtspfleger des Amtsgerichts von den zur Erstattung angemeldeten Kosten 338,55 € abgesetzt und die zu erstattenden Kosten in Höhe von 317,40 € festgesetzt (313,95 € zuzüglich 3,45 € verauslagter Zustellkosten). Er hat dabei nur eine 0,65 Verfahrensgebühr zugebilligt. Zur Begründung hat er ausgeführt, dass die Geschäftsgebühr in Höhe von 583,70 € gemäß Vorbemerkung 3 Abs. 4 VV RVG zur Hälfte, und zwar in Höhe von 291,85 €, auf die Verfahrensgebühr anzurechnen sei und die Umsatzsteuer sich entsprechend reduziere.

Dagegen wendet sich die Klägerin mit der form- und fristgerecht eingelegten sofortigen Beschwerde. Sie macht geltend, dass sie die außergerichtliche Geschäftsgebühr gegenüber dem Beklagten nicht geltend gemacht habe und die Geschäftsgebühr von diesem auch nicht erstattet worden sei. Ein Abzug der hälftigen Geschäftsgebühr von der entstandenen Verfahrensgebühr würde dem Beklagten eine ungerechtfertigte Kostenersparnis geben und für die Klägerin eine Kostenlast bedeuten. Eine Anrechnung der Geschäftsgebühr im Kostenfestsetzungsverfahren sei nur dann gerechtfertigt, wenn die Geschäftsgebühr unstreitig sei, was etwa dann anzunehmen sei, wenn die Geschäftsgebühr als materiell- rechtlicher Schadensersatzanspruch in voller Höhe tituliert oder unstreitig außergerichtlich gezahlt worden sei. Dies sei nicht hier nicht der Fall.

Der Rechtspfleger hat der Beschwerde nicht abgeholfen.

II.

Die sofortige Beschwerde der Klägerin ist gemäß §§ 11 Abs. 1 RPflG, 104 Abs. 3 S. 1, 567 Abs. 1 ZPO zulässig.

Die Beschwerde hat in der Sache Erfolg. Für die Klägerin sind weitere Kosten in Höhe von 291,85 € zuzüglich anteiliger Mehrwertsteuer in Höhe von 16 % über 46,70 €, insgesamt weitere 338,55 € festzusetzen, sodass sich insgesamt ein Kostenerstattungsanspruch gegen den Beklagten in Höhe von 655,95 € ergibt (652,50 € zuzüglich 3,45 € verauslagter Zustellkosten).

Die hälftige Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 VV RVG ist nicht auf die Verfahrensgebühr für das gerichtliche Verfahren im Rahmen des prozessualen Kostenerstattungsanspruches anzurechnen, weil die Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 des Vergütungsverzeichnisses zum RVG (VV RVG) im Innenverhältnis der Prozessbevollmächtigten zur Klägerin nicht entstanden ist. Die Prozessbevollmächtigte der Klägerin hatte das außergerichtliche Tätigwerden im Rahmen der Beratungshilfe abgerechnet. Nach Teil 2 Abschnitt 5 Vorbemerkung 2.5 VV RVG entstehen im Rahmen der Beratungshilfe Gebühren ausschließlich nach dem Abschnitt 5. Im Rahmen der Beratungshilfe sieht Nr. 2503 VV RVG eine Geschäftsgebühr in Höhe von 70,00 € vor.

Die Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 VV RVG ist auch nicht im Außenverhältnis der Klägerin zu dem Beklagten gemäß § 9 Beratungshilfegesetz als entstanden anzusehen. Nach § 9 Beratungshilfegesetz hat der Gegner dann, wenn er verpflichtet ist, dem Rechtssuchenden die Kosten der Wahrnehmung seiner Rechte zu ersetzen, die gesetzliche Vergütung für die Tätigkeit des Rechtsanwalts zu zahlen. Die Prozessbevollmächtigte der Klägerin hat von dem Beklagten nicht im Rahmen des § 9 Beratungshilfegesetz die Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 VV RVG als "gesetzliche Vergütung" für das außergerichtliche Tätigwerden erstattet bekommen. Damit ist keine Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 VV RVG im Rahmen eines materiell-rechtlichen Kostenerstattungsanspruches als entstanden anzusehen.

Die hälftige Geschäftsgebühr für die Beratungshilfe nach Nr. 2503 VV RVG in Höhe von 35,00 € ist nicht auf den prozessualen Kostenerstattungsanspruch der Klägerin gegen den Beklagten anzurechnen.

Eine Anrechnung erfolgt nicht nach Teil 3 Vorbemerkung 3 Abs. 4 VV RVG. Teil 3 Vorbemerkung 3 Abs. 4 VV RVG sieht vor, dass, soweit wegen desselben Verfahrensgegenstands eine Geschäftsgebühr nach den Nrn. 2300 bis 2303 VV RVG entstanden ist, diese Gebühr zur Hälfte, jedoch höchstens mit einem Gebührensatz von 0,75 auf die Verfahrensgebühr des gerichtlichen Verfahrens anzurechnen ist. Nach dem Wortlaut gehört die Geschäftsgebühr nach Nr. 2503 VV RVG nicht zu den anzurechnenden Gebühren. Aus diesem Grund ist im vorliegenden Fall die rechtliche Frage, ob und in welchem Umfang die Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 VV RVG nicht nur im Innenverhältnis zwischen Mandant und Auftraggeber zu einer Anrechnung auf die gerichtliche Verfahrensgebühr kommt, sondern die Anrechnung auch im Außenverhältnis auf den prozessualen Kostenerstattungsanspruch vorzunehmen ist, nicht entscheidungserheblich. Diese Frage ist in Rechtsprechung und Literatur streitig. Eine Entscheidung des Bundesgerichtshofes zu den diesbezüglich bei ihm anhängigen Rechtsbeschwerden steht noch aus.

Eine hälftige Anrechnung der Geschäftsgebühr für die Beratungshilfe auf den prozessualen Kostenerstattungsanspruch erfolgt auch nicht nach der Regelung in Nr. 2603 Abs. 2 Satz 1 VV RVG. Nr. 2603 Abs. 2 Satz 1 VV RVG sieht vor, dass die Geschäftsgebühr für die Beratungshilfe auf die Gebühren für ein anschließendes gerichtliches oder behördliches Verfahren zur Hälfte anzurechnen ist. Die Regelung präzisiert nicht, auf welche Gebühr eine Anrechnung erfolgen soll, ob beispielsweise auf die Verfahrensgebühr für das gerichtliche Verfahren oder die Terminsgebühr. Die Vorschrift betrifft lediglich das Innenverhältnis zwischen Rechtsanwalt und Mandant und den Vergütungsanspruch des Rechtsanwalts gegen die Staatskasse gemäß §§ 44, 45 RVG, nicht aber den materiell-rechtlichen und den prozessualen Kostenerstattungsanspruch des Mandanten gegen den Gegner im außergerichtlichen Streit oder im Prozess. Dies ergibt sich zum einen aus der Vorbemerkung 2.5 in Teil 2 Abschnitt 5 des VV RVG, in der es heißt: "Im Rahmen der Beratungshilfe entstehen Gebühren ausschließlich nach diesem Abschnitt." Der Gegner als dritte Person ist an dem Dreierverhältnis Mandant, Rechtsanwalt und Staatskasse bei Gewährung von Beratungshilfe nicht beteiligt, so dass den diesbezüglichen Regelungen "im Rahmen der Beratungshilfe" grundsätzlich keine Außenwirkung zukommt.

Die fehlende Außenwirkung ergibt sich aus Sinn und Zweck der Beratungshilfe sowie dem weiteren Regelungszusammenhang. Die Zahlung der Beratungshilfe durch die Staatskasse soll - wie bei der Gewährung von Prozesskostenhilfe - nicht den Gegner entlasten, sondern als besondere Leistung der Sozialhilfe es der bedürftigen Partei ermöglichen, ihre Rechte wahrzunehmen. So sieht § 9 Satz 1 Beratungshilfegesetz für den Fall der Beratungshilfe vor, dass der Gegner, wenn er verpflichtet ist, dem Rechtssuchenden die Kosten der Wahrnehmung seiner Rechte zu ersetzen, die gesetzliche Vergütung für die Tätigkeit des Rechtsanwalts zu zahlen hat. § 9 Satz 2 Beratungshilfegesetz regelt dann anschließend einen Übergang des Anspruches auf den Rechtsanwalt, weil der Rechtssuchende im Innenverhältnis zu seinem Anwalt nicht die "gesetzliche Vergütung" schuldet, sondern nur Gebühren nach Teil 2 Abschnitt 5 "Beratungshilfe" des VV RVG anfallen. Mit gesetzlicher Vergütung ist die Wahlanwaltsvergütung nach § 13 ff. RVG gemeint. Entsprechende Regelungen finden sich im Rahmen der Prozesskostenhilfe. So soll die Gewährung der Prozesskostenhilfe für eine Partei ebenfalls nicht den Gegner entlasten. § 126 Abs. 1 ZPO sieht vor, dass ein im Rahmen der Prozesskostenhilfe beigeordneter Rechtsanwalt berechtigt ist, seine Gebühren und Auslagen von dem in die Prozesskosten verurteilten Gegner im eigenen Namen beizutreiben, soweit nicht bereits aufgrund von gezahlten Vergütungen der Staatskasse die Ansprüche auf die Staatskasse nach § 59 Abs. 1 RVG übergegangen sind. Insoweit kann der Rechtsanwalt im eigenen Namen die Differenz zwischen der Wahlanwaltsvergütung und der Vergütung im Rahmen der Prozesskostenhilfe vom unterlegenen Gegner erstattet verlangen. Daneben kann die Partei auch im eigenen Namen nach § 104 ZPO vom unterlegenen Gegner die Wahlanwaltsvergütung verlangen, muss diese dann aber an ihren Anwalt auskehren.

Soll aber die Beratungshilfe dem Gegner der bedürftigen Partei nicht zugute kommen, verbietet sich eine hälftige Anrechnung der Geschäftsgebühr für die Beratungshilfe auf den prozessualen Kostenerstattungsanspruch der Partei. Denn dann würde dem Gegner die Sozialleistung des Staates hälftig zugute kommen. Der Gegner würde bei einem außergerichtlichen Tätigwerden des Rechtsanwalts im Rahmen der Beratungshilfe besser dastehen, als wenn ein Anwalt im Rahmen der Beratungshilfe nicht außergerichtlich aufgetreten wäre, sondern gleich der Prozessauftrag erteilt worden wäre. Bei Anrechnung der hälftigen Geschäftsgebühr auf den prozessualen Erstattungsanspruch würde dem Gegner die hälftige Sozialleistung zukommen, obwohl er nicht bedürftig ist und auch nicht die außergerichtliche Wahlanwaltsvergütung nach § 9 Beratungshilfegesetz im Rahmen eines materiell-rechtlichen Kostenerstattungsanspruches bezahlt hat. Nur dann, wenn die Wahlanwaltsvergütung nach § 9 Beratungshilfegesetz vom Gegner gezahlt wird, stellt sich die Frage einer Anrechenbarkeit der außergerichtlichen Geschäftsgebühr nach Teil 3 Vorbemerkung 3 Abs. 4 VV RVG. Eine Zahlung der Wahlanwaltsvergütung durch den Beklagten ist aber vorliegend nicht erfolgt.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO.

Ende der Entscheidung

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