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Gericht: Oberlandesgericht Schleswig
Beschluss verkündet am 07.01.2009
Aktenzeichen: 10 UF 77/08
Rechtsgebiete: BGB
Vorschriften:
BGB § 1587 c | |
BGB § 1587 o |
10 UF 77/08
Verkündet am: 07. Januar 2009
Beschluss
In dem Familiensache
hat der 2. Senat für Familiensachen des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts in Schleswig auf die mündliche Verhandlung vom 5. Dezember 2008 beschlossen:
Tenor:
Das Urteil des Amtsgerichts - Familiengericht - Kiel vom 8. Mai 2008 wird hinsichtlich des Ausspruchs zum Versorgungsausgleich abgeändert.
Die Vereinbarung der Parteien zum Versorgungsausgleich vom 29. September 2006 wird familiengerichtlich genehmigt.
Ein Versorgungsausgleich findet nicht statt.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden gegeneinander aufgehoben.
Der Gegenstandswert wird auf 1.000,00 € festgesetzt.
Gründe:
I.
Die Parteien streiten in einer Ehescheidungsfolgesache darüber, ob der Versorgungsausgleich durchzuführen ist.
Die Parteien schlossen am 23. Juli 1999 die Ehe. Der Antragsteller ist am 30. Mai 1970 geboren, die Antragsgegnerin am 29. Januar 1976. Aus der Ehe der Parteien ist das Kind Noel Etienne, geb. 28. November 2001, hervorgegangen. Die Parteien trennten sich am 1. Februar 2006.
Die Antragsgegnerin ist von Beruf Polizeibeamtin. Sie war während der Ehezeit stets zumindest teilzeitbeschäftigt. Seit dem 1. September 2003 arbeitete sie in Vollzeit. Ihr Einkommen beträgt monatlich 2.319,49 €.
Der Antragsteller war bis 1999 Zeitsoldat. Danach war er als Versicherungsvertreter tätig. Seit April 2006 ist er bei dem Unternehmen ... angestellt mit einem Einkommen von monatlich netto 1.310,89 €. Der Antragsteller ist Vater einer am 8. Mai 2003 geborenen Tochter. Mit der Kindesmutter unterhielt er von 2001 bis 2004 ein Verhältnis.
Die Antragsgegnerin hat während der Ehezeit monatliche Versorgungsanwartschaften bei dem Landesbesoldungsamt in Höhe von 322,47 € erworben, der Antragsteller bei der Deutschen Rentenversicherung Bund in Höhe von monatlich 23,09 €.
Die Parteien schlossen am 29. September 2006 eine notarielle Scheidungsfolgevereinbarung (Notar ... aus ..., Urkundenrolle Nr. 229/2006). Darin vereinbarten sie Gütertrennung. Für die Zeit nach der Scheidung der Ehe verzichteten sie gegenseitig auf Unterhalt. Unter Buchstabe d des Vertrages heißt es:
"Wir schließen hiermit gemäß § 1408 Abs. 2 Satz 1 BGB gegenseitig den Versorgungsausgleich nach den Bestimmungen der §§ 1587 ff. BGB aus.
Diesen Verzicht nehmen wir hiermit gegenseitig an.
Über die rechtliche und wirtschaftliche Tragweite des Ausschlusses des Versorgungsausgleichs wurden wir vom Notar ausführlich belehrt.
Weiterhin wurden wir darüber belehrt, dass der Ausschluss des Versorgungsausgleichs unwirksam ist, wenn innerhalb eines Jahres ab wirksamem Vertragsschluss Antrag auf Scheidung der Ehe gestellt wird.
In diesem Fall soll jedoch die vorstehende Vereinbarung als eine solche nach § 1587 o BGB gelten. Über die dann erforderliche Genehmigung des Familiengerichts sind wir unterrichtet. Sollte der Ausschluss des Versorgungsausgleichs unwirksam sein, weil einer der Ehepartner einen Scheidungsantrag innerhalb der Jahresfrist des § 1408 BGB stellt und auch durch das Familiengericht nach § 1587 o BGB nicht genehmigt werden, so wird die Wirksamkeit der übrigen Vereinbarungen dieses Vertrages hiervon ausdrücklich nicht berührt."
Der Ehescheidungsantrag des Antragstellers ist bei dem Familiengericht am 12. September 2007 eingegangen und der Antragsgegnerin am 17. September 2007 zugestellt worden.
Das Familiengericht hat die Ehe der Parteien geschieden und den Versorgungsausgleich dahingehend durchgeführt, dass zulasten der Versorgung der Antragsgegnerin bei dem Landesbesoldungsamt Schleswig-Holstein auf dem Versicherungskonto des Antragstellers bei der Deutschen Rentenversicherung Bund Rentenanwartschaften von monatlich 149,69 € bezogen auf den 31. August 2007 begründet worden sind.
Hiergegen wendet sich die Antragsgegnerin mit der sofortigen Beschwerde. Sie macht geltend, das Familiengericht habe übersehen, dass die Parteien in dem notariellen Vertrag auch eine Vereinbarung nach § 1587 o BGB über den Ausschluss des Versorgungsausgleichs getroffen hätten. Die erforderliche Genehmigung des Familiengerichtes habe erteilt werden müssen. Der nach Art und Für angemessene Ausgleich sei durchgeführt worden durch die Güterrechtsregelung. Durch die vereinbarte Gütertrennung habe sie den Antragsteller von den Verbindlichkeiten für das gemeinsame Haus befreit.
Der Antragsteller habe Zeit, durch eigene Berufstätigkeit eine ausreichende Altersversorgung aufzubauen. Ferner habe er 2004 drei Lebensversicherungen gehabt. Im Rahmen der Gesamtabwägung sei zu berücksichtigen, dass der Antragsteller seine Tätigkeit als selbständiger Handelsvertreter bei einer Lebensversicherung wegen einer Trunkenheitsfahrt verloren habe und damit als Außendienstmitarbeiter nicht mehr verwendbar gewesen sei. Ferner sei wegen des nichtehelichen Verhältnisses des Antragstellers der Versorgungsausgleich nach § 1587 c BGB ausgeschlossen. Schließlich beruhten ihre Versorgungsanwartschaften teilweise auf überobligatorischer Tätigkeit. Wegen der Betreuung des gemeinsamen Kindes sei sie nicht in dem Umfang zu einer Berufstätigkeit verpflichtet gewesen, wie sie tatsächlich berufstätig gewesen sei.
Sie beantragt,
das angefochtene Urteil zu ändern und den Versorgungsausgleich auszuschließen.
Der Antragsteller beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Er macht geltend, dass der notarielle Vertrag nicht ausgewogen sei. Er habe in geringem Umfang Beiträge in Lebensversicherungen eingezahlt. Er habe zum Familienunterhalt beigetragen, indem er die Einkünfte aus seiner selbstständigen Tätigkeit dem gemeinsamen Lebensunterhalt zugeführt habe. Außerdem habe er sich um die Betreuung des gemeinsamen Kindes gekümmert. Die Lebensversicherungsverträge habe er gekündigt, da er die Beiträge hierfür nicht mehr habe leisten können. Hierüber sei die Antragsgegnerin informiert gewesen. Er habe die Tätigkeit für die Versicherung nicht verloren, weil er betrunken gewesen sei und den Führerschein verloren habe. Er habe das Arbeitsverhältnis beendet, da Zusagen durch die Versicherung nicht eingehalten worden seien und er keine ausreichenden Provisionszahlungen erhalten habe. Die außereheliche Beziehung habe nicht zu finanziellen Nachteilen für die Ehe und die Lebensführung der Parteien geführt. Er habe keine Unterhaltszahlungen für die Mutter seines Kindes oder das Kind erbracht.
II.
Die nach §§ 629 a Abs. 2, 621 Abs. 1 ZPO statthafte sofortige Beschwerde ist begründet. Das Familiengericht hat zwar zutreffend eine Ausgleichspflicht der Antragsgegnerin in Höhe von 149,69 € errechnet. Die Differenz der Anwartschaften beträgt 299,38 €. Hiervon die Hälfte sind 149,69 €.
Der Versorgungsausgleich ist aber nicht durchzuführen, weil die Parteien gemäß § 1587 o BGB eine Vereinbarung über den Ausschluss des Versorgungsausgleichs getroffen haben und diese Vereinbarung zu genehmigen ist.
1. Der Versorgungsausgleich ist nicht schon durch die notarielle Vereinbarung der Parteien gemäß § 1408 Abs. 1 BGB ausgeschlossen. Die notarielle Vereinbarung der Parteien vom 29.September 2006 über den Ausschluss des Versorgungsausgleiches ist gemäß § 1408 Abs. 2 S. 2 BGB unwirksam geworden, weil der Antragsteller innerhalb eines Jahres nach Vertragsschluss den Antrag auf Scheidung gestellt hat. Die Zustellung des Scheidungsantrages ist am 17. September 2007 und somit vor Ablauf eines Jahres nach Vertragsschluss erfolgt.
2. Die Vereinbarung ist aber nach § 1587 o Abs. 2 Satz 4 BGB zu genehmigen.
Nach dieser Vorschrift können die Ehegatten im Zusammenhang mit der Scheidung eine Vereinbarung über den Ausgleich von Versorgungsanwartschaften treffen. Die Vereinbarung bedarf der familiengerichtlichen Genehmigung, die nur versagt werden soll, wenn unter Einbeziehung der Unterhaltsregelung und der Vermögensauseinandersetzung offensichtlich die vereinbarte Leistung nicht zu einer dem Ziel des Ausgleichs entsprechenden Sicherung des Berechtigten geeignet ist oder zu keinem nach Art und Höhe angemessenen Ausgleich unter den Ehegatten führt.
Die Antragsgegnerin hat danach einen Rechtsanspruch auf die Genehmigung, soweit die gesetzlichen Versagungsgründe und der Schutzzweck der Norm nicht eingreifen (vgl. BGH FamRZ 1982, 471).
a) Die Genehmigung ist nicht schon deshalb zu versagen, weil die Parteien einen kompensationslosen Verzicht auf den Versorgungsausgleich vereinbart haben. Grundsätzlich ist der kompensationslose Verzicht auf den Versorgungsausgleich nach dem gesetzlichen Wortlaut nicht genehmigungsfähig. Da § 1587 o Abs. 2 Satz 4 BGB aber keine abschließende Regelung der Genehmigungsvoraussetzung enthält, können ausnahmsweise auch Regelungen des Versorgungsausgleichs genehmigt werden, die andere Fallgestaltungen betreffen. Dabei kommt es nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs darauf an, ob der Zweck des Genehmigungserfordernisses eingreift, der darin besteht, den Ehegatten mit den geringeren Versorgungsanwartschaften vor einer Übervorteilung zu schützen. Dementsprechend ist von Bedeutung, ob es der Durchführung des Versorgungsausgleichs nicht bedarf, um für den verzichtenden Ehegatten den Grundstock einer eigenständigen Versorgung für das Alter und für den Fall der Erwerbsunfähigkeit zu legen, oder ob ein Ehegatte auf ihm an sich zustehende Versorgungsanrechte im Hinblick auf Umstände verzichtet, die im Rahmen der Härteregelung des § 1587 c BGB zu berücksichtigen sind (vgl. BGH NJW 1997, 1768).
b) Auch wenn der Antragsteller ein weiteres Erwerbsleben von fast 30 Jahren vor sich hat, ist zweifelhaft, ob er noch ausreichend Anwartschaften erwerben kann, um nicht auf den ungekürzten Versorgungsausgleich angewiesen zu sein. Nach der Auskunft der Deutschen Rentenversicherung Bund vom 31. Oktober 2007 hat der Antragsteller insgesamt in seinem Erwerbsleben 8,2993 Entgeltpunkte erworben. Bei einem aktuellen Rentenwert von 26,56 hat er damit bislang Versorgungsanwartschaften in Höhe von 220,43 € angesammelt. Um eine Alterversorgung von derzeit 900,00 € in Höhe des unterhaltsrechtlichen kleinen Selbstbehalts zu erzielen müsste der Antragsteller folgende Einkünfte erwirtschaften:
bisherige Anwartschaften | 220,43 |
offener Rest zu 900,00 € | 679,57 |
erforderliche Entgeltpunkte | 25,58 |
erforderliche Beiträge (Faktor 5986,716) | 153.177,56 |
erforderliches Bruttoeinkommen bei einem Beitragssatz von 19,9 % | 769.736,48, |
monatlich bei 27 Jahren Erwerbstätigkei | t 2.376,00 |
Tatsächlich beträgt das Bruttoeinkommen des Antragstellers derzeit rund 1.700,00 €. Er wird auf den Versorgungsausgleich deshalb nur dann nicht angewiesen sein, wenn sein Erwerbseinkommen zukünftig steigt. c) Zulässig ist ein Verzicht aber auch dann, wenn und soweit der Versorgungsausgleich ohnehin ausgeschlossen wäre, weil nach § 1587 c BGB Ausschließungsgründe vorliegen. Dabei können auch persönliche Billigkeitserwägungen der Ehegatten beachtlich sein, wenn sie unterhalb der Schwelle des Ausschlusstatbestandes des § 1587 c BGB liegen.
Gründe, die danach einen Ausschluss des Versorgungsausgleichs nach § 1587 c BGB rechtfertigen können, liegen vor. Nach § 1587 c Nr. 1 BGB findet ein Versorgungsausgleich nicht statt, soweit die Inanspruchnahme des Verpflichteten unter Berücksichtigung der beiderseitigen Verhältnisse, insbesondere des beiderseitigen Vermögenserwerbs während der Ehe oder im Zusammenhang mit der Scheidung grob unbillig wäre.
Der Ausschluss des Versorgungsausgleichs ist für sich gesehen noch nicht gerechtfertigt, weil der Antragsteller eine ausreichende Altersvorsorge unterlassen hat. Die von einem Selbstständigen unterlassene Altersvorsorge rechtfertigt nur dann den Ausschluss, wenn das Unterlassen als illoyal und grob leichtfertig zu bewerten ist, vgl. Palandt/Brudermüller, § 1587 c Rn. 23, 68. Aufl.). Dass es seitens des Antragstellers grob leichtfertig und illoyal war, nicht in bestehende Lebensversicherungsverträge einzuzahlen, kann der Senat nicht feststellen. Dazu wäre erforderlich, dass der Antragsteller überhaupt in der Lage war, aus seinen Einkünften eine ausreichende Altersvorsorge zu bilden. Dies ist indessen nicht ersichtlich.
Als einseitiges Fehlverhalten, das im Rahmen des § 1587 c BGB zu berücksichtigen ist, liegt aber die Aufrechterhaltung des außerehelichen Verhältnisses vor, aus dem die am 08. Mai 2003 geborene Tochter stammt. Ein derartiges eheliches Fehlverhalten kann dabei auch berücksichtigt werden, wenn es sich nicht wirtschaftlich ausgewirkt hat. Zwar ist für sich allein der Vorwurf des Ehebruchs nicht ausreichend. Das außereheliche Verhältnis hat der Antragsteller indessen über die Jahre 2001 bis 2004 aufrechterhalten, damit über einen Großteil der Ehezeit. Auch der Umstand, dass aus der Beziehung eine Tochter hervorgegangen ist, gibt der ehewidrigen Beziehung besonderes Gewicht.
Selbst wenn dies für einen Ausschluss des Versorgungsausgleichs wegen grober Unbilligkeit für sich gesehen nicht ausgereicht hätte, ist der entschädigungslose Verzicht gleichwohl möglich. Denn in solchen Fällen ist der Zweck des § 1587 o BGB, den Berechtigten vor Übervorteilung zu schützen, in der Regel nicht betroffen, die Entscheidung des verzichtenden Ehegatten ist vielmehr zu respektieren (vgl. BGH FamRZ 1982, 688).
2. Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 13 a FGG, 131 a KostO.
Die Festsetzung des Geschäftswerts ergibt sich aus § 99 Abs. 3 Nr. 1 KostO.
Ende der Entscheidung
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