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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Schleswig
Urteil verkündet am 05.02.2004
Aktenzeichen: 11 U 108/02
Rechtsgebiete: BGB, ZPO


Vorschriften:

BGB § 276
ZPO § 323
ZPO § 765 a
1. Es stellt eine anwaltliche Falschberatung dar, wenn in Auslegung eines Unterhaltszahlungen in bestimmter Höhe "unabänderbar bis zum 30.11.1996" festlegenden Vergleichs der Anwalt dem Unterhaltspflichtigen für den Zeitraum nach dem 30.11.1996 von der Erhebung einer Äbänderungsklage wegen verringerter Leistungsfähigkeit abrät. Durch einen derartigen Vergleich soll nämlich nur die Abänderbarkeit der Unterhaltsansprüche bis zum 30.11.1996 ausgeschlossen werden, im übrigen aber auch für die Zukunft ein Unterhaltstitel geschaffen werden.

2. Zum Fortfall der Kausalität der anwaltlichen Falschberatung für einen ersatzfähigen Schaden bei Möglichkeit der rückwirkenden Erhebung einer Abänderungsklage.

3. Anwaltsgebühren stehen dem Anwalt auch bei Schlechterfüllung des Anwaltsvertrages zu, sofern nicht die Anwaltsleistung grob fehlerhaft oder unbrauchbar ist.

4. Eine ersichtlich unbrauchbare Anwaltsleistung liegt im Falle der Stellung eines Vollstreckungsschutzantrages nach § 765 a ZPO vor, sofern der Schuldner bereits nach anderen Bestimmungen hinreichend geschützt werden kann und deshalb eine Anwendung dieser eng auszulegenden Ausnahmevorschrift nicht in Betracht kommt.


Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht Urteil Im Namen des Volkes

In dem Rechtsstreit

hat der 11. Zivilsenat des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 13. Januar 2004 für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung der Beklagten wird das am 14. Juni 2002 verkündete Urteil der Einzelrichterin der 3. Zivilkammer des Landgerichts Flensburg geändert und wie folgt neu gefasst:

Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an den Kläger 360,60 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz der Europäischen Zentralbrank seit dem 28. Dezember 2000 zu zahlen.

Im übrigen wird die Klage abgewiesen und die Berufung zurückgewiesen.

Von den Kosten des Rechtsstreits I. Instanz tragen die Beklagten als Gesamtschuldner 5 %, der Kläger 95 %. Von den Kosten des Rechtsstreits II. Instanz tragen die Beklagten als Gesamtschuldner 8 %, der Kläger 92 %.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Streitwert für das Berufungsverfahren beträgt 4.256,02 €.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt Schadensersatz wegen anwaltlicher Pflichtverletzungen und verlangt von den Beklagten überdies Rückzahlung eines geleisteten Anwaltshonorars. Er wirft den Beklagten insbesondere vor, sie hätten durch den bei ihnen damals angestellten Rechtsanwalt N. einen im Rahmen einer familienrechtlichen Auseinandersetzung mit seiner damaligen Ehefrau am 21. November 1995 abgeschlossenen Vergleich falsch ausgelegt und ihm deshalb einen falschen anwaltlichen Ratschlag gegeben. Der Vergleich enthielt in Ziff. 3 die Formulierung:

"Der Vater zahlt unabänderbar bis zum 30.11.1996 für die Kinder monatlich je 450 DM Unterhalt.

Die Mutter bezieht das gesetzliche Kindergeld.

Für die Zeit ab Dezember 1996 enthält der Vergleich kein Präjudiz für die Berechnung des Unterhalts."

Rechtsanwalt N. war der Auffassung, dass der Kläger nach dem 30.11.1996 keinen Unterhalt aus dem Vergleich schulde und deshalb trotz verringerter Leistungsfähigkeit keine Abänderungsklage erheben müsse, was sodann auch unterblieb. Das Landgericht hat dem Schadensersatzbegehren zum Teil stattgegeben. Die Berufung der Beklagten hatte überwiegend Erfolg.

Gründe:

I.

Der Kläger begehrt Schadensersatz wegen anwaltlicher Pflichtverletzungen und verlangt von den Beklagten überdies Rückzahlung eines geleisteten Anwaltshonorars. Er wirft den Beklagten vor, sie hätten durch einen bei ihnen damals angestellten Rechtsanwalt den im Rahmen einer familienrechtlichen Auseinandersetzung mit seiner damaligen Ehefrau am 21. November 1995 abgeschlossenen Vergleich zu Ziffer 3, wie er im Tatbestand des erstinstanzlichen Urteils wiedergegeben ist, falsch ausgelegt und ihm deshalb einen falschen anwaltlichen Ratschlag gegeben.

Hinsichtlich des erstinstanzlichen Vorbringens und der erstinstanzlichen Anträge wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils Bezug genommen.

Das Landgericht hat der Klage teilweise stattgegeben. Hiergegen wendet sich die fristgerecht eingereichte und begründete Berufung der Beklagten.

Das Landgericht hat einen Schaden des Klägers zunächst darin gesehen, dass er mangels Erhebung einer Abänderungsklage für den Zeitraum von Juni 1998 bis Juli 2000 auf der Grundlage des Vergleiches monatlich 450,00 DM zahlen müsse, während seine tatsächliche Leistungsfähigkeit wegen seines stark gesunkenen Einkommens (Berufsunfähigkeits- bzw. Erwerbsunfähigkeitsrente) wesentlich geringer gewesen wäre. Infolgedessen müsse der Kläger seinem Sohn H. noch (bislang nicht geleistete) 3.895,42 € Unterhalt für diesen Zeitraum zahlen, den er im Falle der Erhebung einer Abänderungsklage nicht hätte zahlen müssen. Ausschlaggebend für die Annahme eines durch die Beklagten verursachten Schadens sei der Umstand, dass der Kläger nachträglich für den fraglichen Zeitraum Juni 1998 bis Juli 2000 Abänderung nach § 323 ZPO nicht mehr verlangen könne, weil er dieses Abänderungsbegehren nicht rechtzeitig ab Juni 1998 in einer den Anforderungen des Verzuges entsprechenden Weise seinem Sohn gegenüber geltend gemacht habe. Das Landgericht ist dabei einer älteren Entscheidung des OLG Karlsruhe (FamRZ 1983, 1156 f) gefolgt.

Die Beklagten hätten dem Kläger im übrigen auch ein erhaltenes Honorar von 360,60 € zu erstatten. Die Beklagten hätten im Mai 1998 für den Kläger fehlerhaft einen Antrag auf Vollstreckungsschutz bezüglich des Scheidungsfolgenvergleiches gemäß § 765 a ZPO - auch hinsichtlich drohender Vollstreckung der Kinder wegen offenen Unterhaltes für die Vergangenheit in Höhe von 11.700 DM - gestellt (Az.: 15 M 989/98 AG Niebüll). Dieser Antrag sei von Anfang an ohne Aussicht auf Erfolg, diese Tätigkeit der Beklagten für den Kläger deshalb nutzlos gewesen.

Die Beklagten greifen dieses Urteil wie folgt an:

Die Erstrichterin habe sich auf eine Mindermeinung des OLG Karlsruhe gestützt, der der Bundesgerichtshof (BGH) in seinem Urteil vom 11. April 1990 (FamRZ 1990, 990 = NJW 1990, 3274) deutlich entgegengetreten sei. Der BGH habe nämlich ausgeführt, einer rückwirkenden Abänderung der notariellen Urkunde stehe ein Vertrauensschutz des Unterhaltsgläubigers nicht entgegen, weil dem Vertrauensschutz eines Titelgläubigers gegenüber einem Anspruch auf Rückzahlung überzahlten Unterhaltes durch die Regelung des § 818 Abs. 3 BGB - Einrede des Wegfalls der Bereicherung - ausreichend Rechnung getragen würde. Auf der Grundlage dieser Rechtssprechung sei hier ein Schaden nicht entstanden.

Der Antrag nach § 765 a ZPO sei nicht von vornherein aussichtslos gewesen und es sei sinnvoll gewesen, es mit einem derartigen Antrag zumindest zu versuchen, weshalb das Honorar nicht zurückgezahlt werden müsse.

Die Beklagten beantragen,

das angefochtene Urteil zu ändern und die Klage im zuerkannten Umfang abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Kläger macht geltend, einer rückwirkenden Abänderung des Vergleiches stehe jedenfalls der Einwand der Verwirkung entgegen. Es gelte zu verhindern, dass Parteien für die Vergangenheit die für die Unterhaltsbemessung maßgeblichen Tatsachen darlegen und ihre wirtschaftlichen Dispositionen entsprechend neu ordnen müssten.

Hinsichtlich der Einzelheiten des zweitinstanzlichen Vorbringens wird auf die im Berufungsverfahren gewechselten Schriftsätze ergänzend Bezug genommen.

II.

Die zulässige Berufung hat zum überwiegenden Teil Erfolg. Soweit das Landgericht die Beklagten verurteilt hat, an den Sohn des Klägers 3.895,42€ zu zahlen, war die Entscheidung zu ändern und die Klage abzuweisen.

Allerdings hat der bei den Beklagten damals angestellte Rechtsanwalt Dr. N., dessen Verhalten sie sich zurechnen lassen müssen, den Vergleich fehlerhaft dahin ausgelegt, dass aufgrund dieses Titels nach dem 30. November 1996 keine Unterhaltsansprüche mehr gefordert und durchgesetzt werden könnten, weshalb nicht der Kläger als Unterhaltsschuldner Abänderungsklage zu erheben habe, sondern sich vielmehr seine Kinder einen (neuen) Unterhaltstitel verschaffen müssten. Sinn und Zweck eines solchen Vergleiches ist es aber, für die Zukunft einen Titel zu schaffen. Der Vergleich will bei sachgerechter Auslegung deshalb die Unterhaltsansprüche nicht lediglich bis zum 30. November 1996 regeln, sondern vielmehr allein die Möglichkeit der Abänderung vor dem 30. November 1996 ausschließen. Mit dem Schlusssatz der Ziffer 3 des Vergleiches ist zudem geregelt, dass im Falle eines Abänderungsverlangens nach dem 30. November 1996 die Berechnungsgrundlagen nicht bindend sein sollen, aufgrund derer in dem Vergleich ein Unterhaltsbetrag von 450,00 DM vereinbart war. Gerade weil der Vergleich mit dem Begriff "unabänderbar" die Möglichkeit der Abänderung erst ab dem 30. November 1996 eröffnet, wird im Umkehrschluss deutlich, dass eine solche Abänderung erforderlich sein sollte, wenn der Kläger nicht verpflichtet bleiben wollte, weiterhin monatlich 450,00 DM je Kind zu zahlen. Die Auslegung der Beklagten bzw. des bei ihnen angestellten Anwaltes, wonach Unterhaltsansprüche in dem Vergleich nur bis zum 30. November 1996 tituliert worden seien, findet deshalb in dem Text des Vergleiches und auch vom Sinn und Zweck der Vereinbarung her keine Grundlage. Sonstige Anhaltspunkte, aus denen sich eine solche Auslegung rechtfertigen könnte, hat auch der Rechtsanwalt Dr. N. in seinem ebenfalls im Tatbestand des Urteils zitierten Schreiben vom 10. Juni 1998 nicht angeben können. Danach ist von einem Auslegungsfehler auszugehen, weshalb das Landgericht zutreffend eine den Beklagten zuzurechnende Pflichtverletzung angenommen hat.

Diese Pflichtverletzung ist aber nicht schadensursächlich geworden. Tatsächlich hat der Beklagte auch an seinen Sohn H. Unterhalt nur in Höhe seiner von ihm im vorliegenden Verfahren angegebenen Leistungsfähigkeit gezahlt. War er darüber hinaus im Zeitraum Juni 1998 bis Juli 2000 nicht leistungsfähig, kann er auch für die Vergangenheit Abänderung des im Vergleich vereinbarten Unterhaltsbetrages verlangen. Der gegenteiligen Auffassung des OLG Karlsruhe, auf die sich das Landgericht gestützt hat, folgt der Senat nicht.

Im Falle der Verurteilung zu künftig fällig werdenden wiederkehrenden Leistungen kann eine Abänderung allerdings nach § 323 Abs. 3 ZPO nur für die Zeit nach Erhebung der Klage verlangt werden, soweit die übrigen Voraussetzungen vorliegen. Dem Wortlaut von § 323 Abs. 4 ZPO folgend wäre dieser Absatz 3 auch auf die Abänderung des hier vorliegenden Schuldtitels nach § 794 Abs. 1 Nr. 1 ZPO - gerichtlicher Vergleich - anzuwenden. Seit der Grundsatzentscheidung des Großen Senats für Zivilsachen des BGH vom 04. Oktober 1982 (FamRZ 1983, 22) ist aber anerkannt, dass die Einschränkung des § 323 Abs. 3 ZPO auf die in § 323 Abs. 4 ZPO genannten Schuldtitel und mithin also auch auf den gerichtlichen Vergleich keine Anwendung findet und dort eine Abänderung für die Vergangenheit möglich ist. Der Vergleich kommt nämlich allein aufgrund des Parteiwillens zustande. Er erwächst nicht in Rechtskraft. Deshalb passen hier die sich aus dem Prozessrecht ergebenden Einschränkungen für die Abänderung von Urteilen nicht. Für diese Auslegung der genannten Vorschrift spricht auch der Umstand, dass auf diese Weise gerichtliche und außergerichtliche Vergleiche gleich behandelt werden (vgl. auch Münchner Kommentar zur ZPO/Gottwald, 2. Aufl. 2000, § 323 Rdnr. 104 und Musielak, ZPO, 3. Aufl. 2002, § 323 Rdnr. 48).

In der älteren Rechtsprechung ist aber trotz der genannten Entscheidung des Großen Senates argumentiert worden, es müsse auch in solchen Fällen ein gewisser Vertrauensschutz des Unterhaltsgläubigers realisiert werden. Denn umgekehrt werde auch der Unterhaltsschuldner durch die Bestimmungen der §§ 1613 Abs. 1 und 1585 b Abs. 2 BGB davor geschützt, ohne Vorwarnung (Inverzugsetzung oder Rechtshängigkeit) auf rückständigen Unterhalt in Anspruch genommen zu werden. So hat insbesondere das OLG Karlsruhe (in FamRZ 1983, 1156 f.) entschieden, dass jedenfalls aus materiell-rechtlichen Gründen eine Abänderung von Prozessvergleichen nicht schrankenlos mehrere Jahre in die Vergangenheit hinein beansprucht werden könne. Der Unterhaltsberechtigte müsse davor geschützt werden, im Nachhinein überraschend einen Unterhaltstitel mit der Abänderungsklage ohne Vorwarnung zu verlieren. Dieser Titel sei doch eine für ihn als sicher zu erachtende Grundlage seiner Dispositionen gewesen. Deswegen könne eine rückwirkende Änderung erst ab dem Zeitpunkt verlangt werden, wo das Abänderungsbegehren in einer den Anforderungen des Verzuges entsprechenden Weise gestellt worden sei. Dem haben sich in der Folgezeit auch andere Gerichte insbesondere für den Fall angeschlossen, dass der Unterhaltsschuldner die rückwirkende Abänderung begehren und dann Rückforderung zuviel geleisteten Unterhaltes geltend machen wollte (etwa OLG Düsseldorf, FamRZ 1985, 86, 87).

Der BGH ist dieser deutlichen Einschränkung seiner Rechtsprechung in zwei Entscheidungen (FamRZ 1989, 850 und NJW 1990, 3274 ff.) entgegengetreten. In Auseinandersetzung mit der Gegenmeinung des OLG Karlsruhe und auch des OLG Düsseldorf hat er ausgeführt, einer rückwirkenden Abänderung stehe ein Vertrauensschutz des Titelgläubigers nicht entgegen, weil diesem Vertrauensschutz durch die gesetzliche Regelung in § 818 Abs. 3 BGB hinreichend Rechnung getragen würde. Eine darüber hinausgehende Einschränkung dahin, dass eine Abänderung erst ab Rechtshängigkeit oder ab Verzug des Gläubigers mit einem Verzicht auf seine Rechte aus dem Titel verlangt werden könne, finde im Gesetz keine Stütze. Der BGH hat (in FamRZ 1989, 850) ausdrücklich dargelegt, die Gegenmeinung würde gerade dann zu unbilligen Ergebnissen führen, wenn der Unterhaltsschuldner für die fraglichen vergangenen Zeiträume, die nunmehr Gegenstand der Abänderungsklage seien, noch keinen Unterhalt gezahlt habe. Nach der Gegenmeinung müsse er dann nämlich die Vollstreckung für vergangene Zeiträume hinnehmen, ohne die Möglichkeit zu haben, das Bestehen eines Unterhaltsanspruchs für diese Zeiten noch überprüfen zu lassen.

Rechtsprechung und Literatur haben sich in der Folgezeit dieser Auffassung des BGH weitgehend angeschlossen (OLG Hamburg FamRZ 1993, 1453, 1456; OLG Düsseldorf FamRZ 1995, 742, 743; Mertens, FamRZ 1994, 601 ff. - mit ausführlicher Begründung -; Musielak, a. a. O., § 323 Rdnr. 49). Der Vertrauensschutz des Unterhaltsgläubigers in Bezug auf die für die Vergangenheit bereits erhaltenen Unterhaltszahlungen sei durch § 818 Abs. 3 BGB ausreichend sichergestellt, weil er in aller Regel keine verschärfte Haftung nach den §§ 818 Abs. 4, 819 oder 820 BGB zu befürchten habe. Hinsichtlich des Rückforderungsbegehrens des Unterhaltsschuldners liege keine Regelungslücke vor und sei eine Analogie zu den Ausnahmevorschriften der §§ 1585 b, 1613 BGB nicht angebracht, weil diese Rückforderungsansprüche sich nicht als familienrechtliche Ansprüche darstellen würden, sondern reine Bereicherungsansprüche seien. Ausdrücklich wird darauf hingewiesen, dass sich nur schwer zu rechtfertigende Ergebnisse ergeben würden, wenn man die Gegenmeinung auf Fälle anwenden würde, in denen der Unterhaltsschuldner in der Vergangenheit trotz eines entsprechenden Titels tatsächlich keinen Unterhalt geleistet, den Unterhaltsgläubiger aber auch nicht ausdrücklich zum Verzicht aufgefordert habe. Die Analogie zu den §§ 1585 b, 1613 BGB würde hier dazu führen, dass der Unterhaltsschuldner sich bei einer erst jetzt einsetzenden Vollstreckung des Unterhaltsgläubigers aus dem Unterhaltstitel für die Vergangenheit nicht mehr auf die Rechtsgrundlosigkeit berufen könnte, obwohl beim Unterhaltsgläubiger in diesen Fällen kaum ein schutzwürdiges Vertrauen vorliegen dürfte (Mertens, FamRZ 1994, 601, 604 im Anschluss an BGH FamRZ 1989, 850).

Der Senat folgt dieser Argumentation. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass die Situation des Unterhaltsgläubigers, der rückständigen Unterhalt verlangt, obwohl er nach der materiell-rechtlichen Lage keinen Unterhaltsanspruch mehr hat, von der Interessenlage her nicht vergleichbar ist mit der Situation des Unterhaltsschuldners, der erstmals auf rückständigen Unterhalt in Anspruch genommen wird (vgl. auch OLG Düsseldorf FamRZ 1995, 742, 743). Es ist deshalb nicht zwingend und nicht gerechtfertigt, den Schutz, der dem Unterhaltsschuldner nach dem Gesetz zuteil wird, auch auf die Forderung des Unterhaltsgläubigers auszudehnen.

Im vorliegenden Fall spricht bereits einiges dafür, dass der Kläger von seinen Kindern Abänderung rechtzeitig bei Veränderung seiner finanziellen Verhältnisse in einer den Anforderungen des Verzugs entsprechenden Weise verlangt und damit auch den Anforderungen der älteren Rechtsprechung genügt hat, auf die sich das Landgericht stützt. Denn mit Anwaltsschreiben vom 24. Februar 1998 hat er seinen unterhaltsberechtigten Kindern ausdrücklich bekanntgegeben, dass er nunmehr nur noch eine Berufsunfähigkeitsrente in Höhe von 1.080,19 DM erziele und zudem im Winterhalbjahr auch kein Hinzuverdienst als geringfügig Beschäftigter möglich sei. Die Unterhaltsberechtigten werden in diesem Anwaltsschreiben zur Vermeidung einer Abänderungsklage ausdrücklich aufgefordert, eine Verzichtserklärung im Hinblick auf den Vergleich abzugeben. Damit waren die Kinder aber über die Änderung der finanziellen Verhältnisse informiert. Tatsächlich soll dem Kläger in der Folgezeit ein Hinzuverdienst nicht möglich gewesen sein, solches hat er in dem fraglichen Schreiben auch nicht sicher in Aussicht gestellt. Er hat auch in den Folgejahren nur noch entsprechend seiner geringeren Leistungsfähigkeit gezahlt.

Es liegt nach allem aber jedenfalls keine Situation vor, in der sich die Unterhaltsgläubiger (nämlich die Kinder des Klägers) auf den Bestand ihres Unterhaltsanspruches gemäß dem Vergleich eingestellt haben und einstellen konnten. Sie müssen zudem nicht vor der Rückforderung erhaltenen Unterhalts für die Vergangenheit geschützt werden. Die Kinder wussten vielmehr ab Frühjahr 1998, dass ihr Vater nur noch eine Rente bezog und sie wussten auch, dass er deshalb nur noch geringere Unterhaltsbeiträge zahlte. Dann aber kann es dem Kläger nicht verwehrt sein, für die Vergangenheit Abänderung zu verlangen und damit zu verhindern, dass er entgegen der materiellen Rechtslage und entgegen seiner fehlenden Leistungsfähigkeit für die Vergangenheit noch Unterhalt zahlen muss, den er bisher nicht erbracht hat. Gerade für diese Konstellation gibt es nach Auffassung des Senats keinen Anlass, von der Auffassung des Bundesgerichtshofs in den genannten beiden Entscheidungen aus den Jahren 1989/1990 abzuweichen. Danach aber steht hier der rückwirkenden Abänderung des Vergleichs ein Vertrauensschutz nicht entgegen.

Mit dieser Rechtsprechung ist auch nicht vereinbar, den allgemeinen Gesichtspunkt der Verwirkung aus § 242 BGB durchgreifen zu lassen, wie dies die Berufungserwiderung anführt. Schon der für eine Verwirkung erforderliche Zeitablauf ist nicht gegeben, denn es geht hier nicht um bereits längere Jahre zurückliegende Unterhaltszeiträume. Vor allem fehlt es aber an dem weiter erforderlichen Vertrauenstatbestand deshalb, weil der Sohn des Klägers die titulierten Ansprüche für den hier fraglichen Zeitraum Mitte 1998 bis Mitte 2000 nicht zur Grundlage seiner Dispositionen machen konnte und gemacht hat. Denn tatsächlich hat der Kläger nicht über seine Leistungsfähigkeit hinaus gezahlt und war dem Sohn auch bekannt, dass dieser inzwischen als Rentner nur noch über deutlich geringere finanzielle Mittel verfügte.

Ist aber eine Abänderung noch möglich - soweit (was offen bleiben kann) die Leistungsfähigkeit des Klägers für den fraglichen vergangenen Zeitraum tatsächlich nicht gegeben war -, dann hat sich die anwaltliche Pflichtverletzung nicht schadensursächlich ausgewirkt. Die Möglichkeit einer erfolgreichen Abänderungsklage betreffend den Zeitraum Juni 1998 bis Juli 2000 scheitert jedenfalls nicht aus dem Grunde, dass der seinerzeit bei den Beklagten angestellte Anwalt dem Kläger Mitte 1998 geraten hat, keine Abänderungsklage zu erheben, sondern abzuwarten, ob sich die Kinder einen neuen Unterhaltstitel gegen ihn besorgen würden.

Das Landgericht hat die Beklagten allerdings zu Recht verurteilt, Schadensersatz wegen anwaltlicher Pflichtverletzung in Höhe des erhaltenen Honorars für die Vertretung im Rahmen des Vollstreckungsschutzantrags nach § 765 a ZPO zu leisten.

Im Grundsatz stehen dem Anwalt zwar selbst dann die Anwaltsgebühren zu, wenn eine Schlechterfüllung des Anwaltsvertrages vorliegt. Etwas anderes gilt jedoch für den Fall, dass die Leistung grob fehlerhaft und unbrauchbar ist (Senat, Urteil vom 23.12.2003, 11 U 53/02; OLG Koblenz NJW-RR 2003, 274 f.; Borgmann/Haug, Anwaltshaftung, 3. Aufl. 1995, Rdnr. 105 ff.; Rinsche, Die Haftung des Rechtsanwalts und des Notars, 6. Aufl. 1998, Rdnr. I 253). Im vorliegenden Fall war aber der von den Beklagten anhängig gemachte Vollstreckungsschutzantrag nach § 765 a ZPO eine ersichtlich unbrauchbare anwaltliche Leistung. Nach dieser Vorschrift kann das Vollstreckungsgericht eine Vollstreckungsmaßnahme ganz oder teilweise aufheben bzw. untersagen, wenn die Maßnahme unter voller Würdigung des Schutzbedürfnisses des Gläubigers wegen ganz besonderer Umstände eine Härte bedeutet, die mit den guten Sitten nicht vereinbar ist. Bei dieser Norm handelt es sich um eine eng auszulegende Ausnahmevorschrift. Ein Antrag nach § 765 a ZPO kann nicht mit Aussicht auf Erfolg gestellt werden, wenn der Schuldner bereits nach anderen Bestimmungen ausreichend geschützt ist oder geschützt werden kann (vgl. nur Zöller/Stöber, ZPO, 24. Aufl. 2004, § 765 a Rdnr. 13 mit zahlreichen Nachweisen).

Im vorliegenden Fall war aber - gerade angesichts einer Kenntnis der Kinder von der Leistungsunfähigkeit des Klägers, wie dies in der Antragsschrift dargestellt wird - eine Abänderungsklage nach § 323 ZPO auch für die Vergangenheit unter Berücksichtigung der BGH-Rechtsprechung möglich und das gebotene Mittel. Dies hätten die Beklagten unter Verwendung eines Standardkommentares ohne Schwierigkeiten herausfinden können. Es lag mithin insoweit eine unbrauchbare anwaltliche Leistung vor, so dass die dafür gezahlten Anwaltsgebühren nunmehr im Wege des Schadensersatzes zurückverlangt werden können.

Die Nebenentscheidungen folgen aus den §§ 92 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2, 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO, 25 Abs. 2 GKG.

Gründe für eine Zulassung der Revision nach § 543 ZPO n. F. liegen nicht vor.



Ende der Entscheidung

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