Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Schleswig
Beschluss verkündet am 18.01.2001
Aktenzeichen: 11 U 139/99
Rechtsgebiete: BGB, VOB/A


Vorschriften:

BGB § 276
VOB/A § 25
VOB/A § 26
Zur Frage des Schadensersatzes bei unrechtmäßiger Aufhebung einer Ausschreibung.

SchlHOLG, 11. ZS, Beschluss vom 18. Januar 2001, - 11 U 139/99 -,


Beschluss

11 U 139/99 3 O 217/98 - LG Flensburg

In dem Rechtsstreit

Kläger und Berufungskläger; Antragsteller,

- Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte

gegen

Beklagte und Berufungsbeklagte

- Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte Dr. Tischler, Dr. Carstensen, Dr. Schulz und Dr. Punke in Schleswig -

wegen Schadensersatz

hat der 11. Senat des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht , den Richter am Oberlandesgericht und den Richter am Oberverwaltungsgericht am 18. Januar 2001 in Schleswig beschlossen:

Tenor:

Der Antrag des Klägers auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Berufungsverfahren wird abgelehnt.

Gründe

I.

Der Kläger begehrt Prozesskostenhilfe für das Berufungsverfahren.

Im Jahr 1997 bot er im Rahmen einer öffentlichen Ausschreibung der Beklagten Tischlerarbeiten an. Nach der Submission am 18.09.1997 hob die Beklagte die Ausschreibung auf und führte eine neue - beschränkte - Ausschreibung auf geänderter Leistungsgrundlage durch; an dieser Ausschreibung wurde der Kläger nicht beteiligt. Der Kläger gab aber ein Nachtragsangebot ab. Aufgrund dieser - zweiten - Ausschreibung wurde der Auftrag vergeben.

Der Kläger beansprucht den Ersatz der Angebotskosten und des entgangenen Gewinns in Höhe von insgesamt 19.583,97 DM zzgl. 10 v. H. Zinsen ab dem 22.04.1998.

Er hat die Ansicht vertreten, die (erste) Ausschreibung, bei der er als günstigster Bieter den Auftrag hätte bekommen müssen, sei zu Unrecht aufgehoben worden. Danach sei er um ein Nachtragsangebot gebeten worden, was er eingereicht habe.

Die Beklagte hat einen Teilbetrag i. H. v. 639,40 DM für die Erstellung eines Angebots anerkannt und im Übrigen die Ansicht vertreten, der Kläger sei nicht günstigster Bieter gewesen und könne entgangenen Gewinn nicht beanspruchen, weil der Vertrag, so wie ursprünglich ausgeschrieben, mit keinem Bieter geschlossen worden sei. Das Nachtragsangebot des Klägers sei ungeeignet.

Das Landgericht Flensburg - Einzelrichterin der 3. Zivilkammer - hat die Klage - bis auf den anerkannten Betrag - im Urteil vom 2. Juli 1999 abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, die (erste) Ausschreibung sei - zwar - von der Beklagten zu Unrecht aufgehoben worden, entgangener Gewinn könne - aber - nicht beansprucht werden, weil der ausgeschriebene Auftrag nicht erteilt worden sei. Das Nachtragsangebot habe der Kläger nach den glaubhaften Bekundungen des Zeugen Strenger nicht auf Anforderung, sondern auf eigenes Risiko eingereicht.

Gegen das am 02.08.1999 zugestellte Urteil hat der Kläger am 27.08.1999 Berufung eingelegt. Im Berufungsverfahren wiederholt er sein bisheriges Vorbringen und erstrebt die Verurteilung der Beklagten im vollen Umfang seines erstinstanzlichen Antrags.

II.

Der Kläger kann die Bewilligung von Prozesskostenhilfe nicht beanspruchen. Dabei kann offen bleiben, ob die wirtschaftlichen Voraussetzungen der Bewilligung von Prozesskostenhilfe vorliegen (§§ 114 S. 1, 115 ZPO; Erklärung des Klägers vom 05.01.2001), denn vorliegend fehlen die sachlichen Bewilligungsvoraussetzungen. Die Rechtsverfolgung des Klägers im Berufungsrechtsstreit bietet keine hinreichende Aussicht auf Erfolg.

1. Dem Kläger stehen Ansprüche auf Ersatz von Angebotskosten und von entgangenem Gewinn nur zu, wenn die Beklagte die Ausschreibung ohne Vorliegen eines nach § 26 VOB/A anzuerkennenden Grundes aufgehoben hat (BGH, Urt. v. 08.09.1998, X ZR 99/96, BGHZ 139, 280 ff. = NJW 1998, 3640 ff [Ls. 1]; OLG Nürnberg, Urt. v. 18.09.1985, 4 U 3597/84, NJW 1986, 437 [Ls. 3]). Zu Gunsten des Klägers kann - auch im Hinblick auf die Stellungnahme des Innenministeriums vom 17.12.1997 (Bl. 73 d. A.) - davon ausgegangen werden, dass die Aufhebung der Ausschreibung im vorliegenden Fall nicht durch § 26 VOB/A gedeckt war.

2. Entgangenen Gewinn kann der Kläger - danach - beanspruchen, wenn und soweit dieser Schaden auf die fehlerhafte Aufhebung der Ausschreibung zurückzuführen ist.

Das Landgericht hat dies mit ausführlicher und rechtlich überzeugender Begründung verneint. Die der Entscheidung zugrundeliegenden rechtlichen Maßstäbe befinden sich in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Senats (vgl. Urt. v. 17.02.2000, 11 U 91/98, NVwZ 2000, 837) und des BGH (Urt. v. 08.09.1998, X ZR 48/97, NJW 1998, 3636, und Urt. v. 17.02.1999, X ZR 101/97, NJW 2000, 137 ff.). Mit der Berufung werden keine Ansatzpunkte vorgetragen, die eine abweichende Entscheidung zu Gunsten des Klägers erwarten lassen.

a) Im Falle der vergaberechtlich fehlerhaften Aufhebung einer Ausschreibung (§ 26 VOB/A) kommt freilich ein Anspruch auf Schadensersatz in Höhe des entgangenen Gewinns dann - ausnahmsweise - in Betracht, wenn dem davon betroffenen Bieter der Zuschlag erteilt worden wäre oder hätte erteilt werden müssen (OLG Düsseldorf, Urt. v. 10.01.1999, 23 U 122/88, BauR 1990, 257; OLG Karlsruhe, Urt. v. 05.11.1992, 4 U 24/92, BauR 1994, 144); genau dies macht der Kläger vorliegend - der Sache nach - geltend. Soweit es in diesem Zusammenhang darauf ankommt, ob der Kläger bei der ersten Ausschreibung tatsächlich günstigster Bieter war oder ob sein Angebot wegen der "unbestimmten" Skontoangabe bzw. der nicht ausschreibungsgerecht angebotenen Türen im Rahmen des § 25 VOB/A bei einer korrekten Angebotswertung unberücksichtigt hätte bleiben dürfen, sind die Erfolgsaussichten der Berufung i. S. d. § 114 S. 1 ZPO zu bejahen.

b) Die Haftung des Auftraggebers auf das Erfüllungsinteresse setzt indes - weiterhin - voraus, dass der Auftrag so, wie er ausgeschrieben worden ist, tatsächlich überhaupt zur Vergabe gelangt. Darauf hat bereits das Landgericht zutreffend hingewiesen (S. 6 d. Urt.-Abdr.; vgl. - in diesem Sinne ausdrücklich auch - BGH, Urt. v. 08.09.1998, X ZR 48/97, a.a.O., [Ls. 2]).

Entschließt sich der Auftraggeber aus sachlich nachvollziehbaren Gründen zu grundlegenden technischen bzw. konzeptionellen Änderungen der zu vergebenden Leistung, kann er von einer Vergabe des bisher ausgeschriebenen Auftrages auch gänzlich Abstand nehmen und eine der geänderten Konzeption entsprechende neue Ausschreibung durchführen. Ein davon betroffener Bieter kann in diesem Fall den entgangenen Gewinn aus dem ursprünglichen, nicht zur Ausführung gelangenden Auftrag nicht beanspruchen. Im Rahmen eines Vergabeverfahrens darf er schutzwürdig wohl darauf vertrauen, dass der Auftraggeber das Vergaberecht einhält, nicht aber auch darauf, dass die zu vergebende Leistung gleichsam auf das ursprüngliche Leistungsverzeichnis "festgeschrieben" und auch so vergeben wird. Eine nach § 26 VOB/A ungerechtfertigte Aufhebung der Ausschreibung verpflichtet den Auftraggeber bereits zum Ersatz der Angebotskosten (negatives Interesse der Bieter); das Erfüllungsinteresse kann nur verlangt werden, wenn die ausgeschriebene Leistung ohne die ungerechtfertigte Aufhebung der Ausschreibung - im Wesentlichen - unverändert vergeben worden wäre.

Im vorliegenden Fall weicht die in der - nach Aufhebung der Ausschreibung durchgeführten - beschränkten Ausschreibung beschriebene Leistung ("Alu-Pfosten-Riegel-Konstruktion") von der ursprünglichen Ausschreibung (Kunststofffenster) grundlegend ab; vor diesem Hintergrund ist dem Landgericht darin zu folgen, dass der ursprüngliche Auftrag nicht mehr vergeben worden ist. Der Kläger kann - dementsprechend - nur den Ersatz seiner nutzlosen Aufwendungen im Zusammenhang mit der Teilnahme an der (ersten) Ausschreibung beanspruchen; insoweit hat die Beklagte anerkannt.

c) Anhaltspunkte dafür, dass die Aufhebung der ersten und die zweite Ausschreibung von der Beklagten zum Nachteil des Klägers lediglich "vorgeschoben" worden sind, bestehen nicht. Die Beklagte hat zur Erläuterung der Planänderung auf dezidierte Anforderungen der künftigen Nutzer des Gebäudes verwiesen; dies ist von dem erstinstanzlich vernommenen Zeugen bestätigt worden. Auch wenn insoweit - dem in der Stellungnahme des Innenministeriums vom 17.12.1997 (Bl. 73 d. A.) angesprochenen Gedanken folgend - die Möglichkeit einbezogen wird, dass die Beklagte die Ausschreibung letztlich wegen einer (die Nutzeransprüche missachtenden, erst spät erkannten) unzureichenden Entwurfsplanung aufgehoben hat, ergibt sich nichts anderes. Zwar kann auch eine fehlerhafte Entwurfsplanung vorvertragliche Pflichten der Beklagten gegenüber den Bietern verletzen, dies gilt aber nicht in dem Sinne, dass auch die an den Entwurf geknüpfte Gewinnerwartung der Bieter haftungsrechtlich geschützt ist. Für den - sachlich nachvollziehbar begründeten - Fall einer Entwurfsänderung und einer dadurch bedingten Neuausschreibung gilt letztlich nichts anderes wie im Fall einer fehlerhaften Ausschreibung der geforderten Leistungen, die nur zur Haftung auf das negative Interesse führt (vgl. OLG Düsseldorf, a.a.O., Ls. 2).

d) Erfolgsaussichten der Berufung lassen sich auch aus dem vom Kläger in seinem Prozesskostenhilfeantrag genannten Urteil des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 18.02.1999 - 5 U 76/98 - (BauR 1999, 789/790 = ZVgR 1999, 199 ff.) nicht ableiten. Zwar hat das OLG Düsseldorf einen Anspruch des übergangenen günstigsten Bieters auf entgangenen Gewinn (unter Anrechnung ersparter Aufwendungen, § 649 S. 2 BGB entspr.) anerkannt, wenn eine Ausschreibung rechtswidrig aufgehoben worden ist. Die Entscheidung betrifft indes einen Fall, in dem der das betreffende Vergabeverfahren abschließende Zuschlag einem anderen Bieter erteilt worden ist. Gerade darin unterscheidet sich der vorliegende Fall. Hier ist aufgrund der ersten Ausschreibung bzw. des dieser zugrundeliegenden Leistungsverzeichnisses kein Zuschlag erteilt worden. Die Beklagte hat den ursprünglich ausgeschriebenen Auftrag nicht - wie in dem vom OLG Düsseldorf entschiedenen Fall - nach (fehlerhafter) Aufhebung der Ausschreibung in einem sog. Verhandlungsverfahren anderweitig vergeben, sondern gänzlich fallen gelassen und sich für die Vergabe einer konzeptionell wesentlich anderen Ausführung - im Wege eines nichtoffenen Vergabeverfahrens (vgl. § 3 Nr. 1 Abs. 2, Nr. 3 VOB/A) - entschieden.

e) Die - aus der Sicht des Klägers - fehlerhafte Vergabe des geänderten Auftrags ("Alu-Pfosten-Riegel-Konstruktion") im nichtoffenen Vergabeverfahren vermag den Anspruch auf Ersatz des entgangenen Gewinns ebensowenig zu begründen, wie das Unterlassen eines Teilnahmewettbewerbs (§ 3 Nr. 1 Abs. 2 VOB/A) bzw. einer Aufforderung an den Kläger "als billigstem Bieter", sich an der geänderten (beschränkten) Ausschreibung zu beteiligen.

Die fehlerhafte Wahl der Vergabeart führt - als solche - schon deshalb nicht zu Schadensersatzansprüchen eines Bieters, weil die diesbezügliche Entscheidung des öffentlichen Auftraggebers im Vorfeld des - frühestens nach Anforderung der Vergabeunterlagen durch die Bieter begründeten (vgl. Urt. des Senats vom 17.02.2000, a.a.O.) - vorvertraglichen Vertrauensverhältnisses getroffen wird. Entsprechendes gilt auch für den fehlenden Teilnahmewettbewerb.

Die Beklagte war - ferner - weder aus allgemeinen vergaberechtlichen Gründen noch im Hinblick auf die (zuvor aufgehobene) "erste" Ausschreibung gehalten, den Kläger gezielt zur Abgabe eines Angebots in der beschränkten Ausschreibung aufzufordern. Soweit der Kläger daraus, dass die Beklagte ihm die Änderung ihrer Planung mitgeteilt hat, etwas anders abzuleiten versucht, ist dem nicht zu folgen, denn diese Mitteilung erläuterte nur die Aufhebung der Ausschreibung, vermag aber kein Vertrauen dahingehend zu begründen, dass der Kläger an einer (anschließenden) beschränkten Ausschreibung beteiligt werden würde.

Unabhängig davon wären im Hinblick auf die zur "Alu-Pfosten-Riegel-Konstruktion" durchgeführten Ausschreibung Erfolgsaussichten einer auf das Erfüllungsinteresse gerichteten Klage nur dann gegeben, wenn hinreichend wahrscheinlich wäre, dass der Kläger bei korrekter Durchführung der beschränkten Ausschreibung den Zuschlag erhalten hätte. Dies ist nicht festzustellen. Abgesehen davon, dass das "Nachtragsangebot" des Klägers vom 22. Oktober 1997 außerhalb der beschränkten Ausschreibung abgegeben worden ist, entsprach dieses Angebot nach seinem eigenen Vorbringen (Bl. 197 d. A.) nicht den Anforderungen der neuen Ausschreibung. Es hätte deshalb schon bei der Angebotsprüfung (§ 23 VOB/A) ausgeschieden werden müssen. Auch wenn insoweit - zu Gunsten des Klägers - eine Hinweis- und Aufklärungspflicht der Vergabestelle (vgl. § 24 VOB/A) angenommen und eine entsprechende Überarbeitung des Angebots unterstellt wird, wäre - damit - eine Vergabe an den Kläger lediglich denkbar; für die Annahme, dass er den geänderten Auftrag nach korrekter Durchführung der beschränkten Ausschreibung auch erhalten hätte, fehlen dagegen greifbare Anhaltspunkte.

Für den Anspruch auf entgangenen Gewinn sind nach alledem die Erfolgsaussichten des Berufungsverfahrens zu verneinen.

3. Hinsichtlich der - weiter geforderten - Kosten der Erstellung des Nachtragsangebots des Klägers vom 22.10.1997 fehlen ebenfalls die Erfolgsaussichten.

Der Kläger hält - zwar - im Berufungsrechtsstreit an seiner Behauptung fest, dass er vom Zeugen Strenger zur Erstellung des Nachtragsangebots ausdrücklich aufgefordert worden sei. Das insoweit ergänzend angebotene Zeugnis eines Sachbearbeiters aus dem Innenministerium kann - indes - die Erwartung nicht begründen, dass dem Kläger der - ihm obliegende - Nachweis einer Anforderung des Nachtragsangebots gelingen wird. Ansatzpunkte dafür, dass die erstinstanzliche Bekundung des Zeugen Strenger (Bl. 84 d. A.), "mit Sicherheit kein Nachtragsangebot von ihm [dem Kl.] angefordert" zu haben, nicht der Wahrheit entspricht, sind dem Berufungsvorbringen des Klägers nicht zu entnehmen.

Der Prozesskostenhilfeantrag ist deshalb abzulehnen.

Ende der Entscheidung

Zurück