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Gericht: Oberlandesgericht Schleswig
Urteil verkündet am 16.06.2005
Aktenzeichen: 11 U 154/04
Rechtsgebiete: LVwG Schl.-H.
Vorschriften:
LVwG Schl.-H. § 220 | |
LVwG Schl.-H. § 223 Abs. 1 |
Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht Im Namen des Volkes Urteil
verkündet am: 16.06.2005
In dem Rechtsstreit
hat der 11. Zivilsenat des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts in Schleswig auf die mündliche Verhandlung vom 24. Mai 2005 für Recht erkannt:
Tenor:
Das Versäumnisurteil vom 19. April 2005 wird aufrechterhalten.
Der Kläger trägt die weiteren Kosten des Berufungsverfahrens.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Gründe:
I.
Der Kläger verlangt von der Beklagten gemäß § 221 LVwG Entschädigung mit der Begründung, dass die Beklagte ihn gemäß § 220 LVwG in Anspruch genommen habe, indem sie die ursprünglichen Mieter seiner Eigentumswohnung D. in diese zur Vermeidung drohender Obdachlosigkeit wieder eingewiesen hätte. Er macht geltend: Die Familie D. habe die Eigentumswohnung beschädigt zurückgelassen. Die Schäden bezifferten sich auf 29.516,88 €. Da die Familie D. die Wohnung insgesamt 37 Monate lang innegehabt habe, und zwar 22 Monate lang als Mieter und 15 Monate lang als Eingewiesene, begehre er von der Beklagten als Schadensersatz 15/37 des Betrages von 29.516,88 €, also 11.966,43 €. Zudem habe die Beklagte zunächst eine Einweisung bis zum 30. November 2001 und dann bis zum 30. Juni 2002 angeordnet. Im Hinblick auf die am 30. Juni 2002 auslaufende Einweisung habe er die Wohnung am 15. Juni 2002 zum 1. Juli 2002 an Dr. H. vermietet. Mit Bescheid vom 27. Juni 2002 habe die Beklagte dann die Einweisung bis zum 31. Dezember 2002 verlängert mit der Folge, dass Dr. H. von dem Mietvertrag zurückgetreten sei. Er begehre neben Zahlung von 11.966,43 € die Feststellung, dass die Beklagte ihm zum Ersatz der Schäden verpflichtet sei, die ihm aufgrund des Rücktritts des Dr. H. vom Mietvertrag entstanden seien.
Das Landgericht hat die Klage mit dem angefochtenen Urteil, auf das wegen des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes und wegen der Begründung Bezug genommen wird, abgewiesen.
Mit seiner Berufung verfolgt der Kläger sein erstinstanzliches Klagziel weiter.
Der Senat hat die Berufung des Klägers durch Versäumnisurteil am 19. April 2005 zurückgewiesen. Der Beklagte hat gegen dieses Urteil mit am 19. April 2005 bei Gericht eingegangenem Schriftsatz Einspruch eingelegt.
Der Kläger beantragt,
das Versäumnisurteil vom 19. April 2005 aufzuheben und
1. die Beklagte unter Aufhebung des Urteils des Landgerichts Itzehoe vom 09. September 2004 - Az. 4 O 53/04 - zu verurteilen, an ihn 11.966,43 € nebst 5 % jährlicher Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 17. Dezember 2002 zu zahlen,
2. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, ihm den Vermögensschaden zu ersetzen, der ihm aus dem Rücktritt des Dr. Michael H. vom Mietvertrag vom 15. Juli 2002 entstanden ist
Die Beklagte beantragt,
das Versäumnisurteil vom 19. April 2005 aufrechtzuerhalten.
Die Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil.
Wegen des Berufungsvorbringens der Parteien wird auf die im Berufungsrechtszug gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.
II.
Der Kläger hat gegen das Versäumnisurteil vom 19. April 2005 rechtzeitig, nämlich innerhalb der gemäß §§ 539 Abs.3, 339 Abs.1 ZPO zwei Wochen ab Zustellung des Versäumnisurteils betragenden Einspruchsfrist, Einspruch eingelegt mit der Folge, dass über seine Berufung erneut zu entscheiden ist. Die Berufung des Klägers hat keinen Erfolg. Das Versäumnisurteil vom 19. April 2005 ist aufrechtzuerhalten. Das Landgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Kläger kann von der Beklagten nicht Zahlung von 11.966,43 € beanspruchen (1.). Sein Feststellungsantrag ist zwar zulässig, aber unbegründet (2.).
1.
Dem Kläger steht gegen die Beklagte aus der allein in Betracht kommenden Anspruchsgrundlage § 221 LVwG kein Anspruch auf Zahlung von 11.966,43 € gegen die Beklagte zu. Zwar liegen die in § 221 LVwG bezeichneten Voraussetzungen vor (a.). Eine Entschädigung kann der Kläger gleichwohl nicht beanspruchen (b.).
a. Nach § 221 LVwG kann eine Person, die gemäß § 220 LVwG zur Abwehr einer gegenwärtigen Gefahr im Sinne des § 174 LVwG in Anspruch genommen worden ist, für den ihr dadurch entstandenen Schaden eine Entschädigung verlangen. Der Kläger ist als Nichtstörer gemäß § 220 LVwG durch die Einweisungsbescheide der Beklagten in Anspruch genommen worden, um eine Obdachlosigkeit der Familie D. zu verhindern, die eine Bedrohung der öffentlichen Sicherheit bedeutet hätte.
b. Art, Inhalt und Umfang der gemäß § 221 LVwG zu leistenden Entschädigung regelt § 223 LVwG. Nach § 223 Abs. 1 Satz 2 LVwG ist für Vermögensnachteile, die nicht in unmittelbarem Zusammenhang mit der zu entschädigenden Maßnahme stehen, eine Entschädigung nur zu leisten, wenn diese zur Abwendung unbilliger Härten geboten scheint. Die Schäden an der Eigentumswohnung des Klägers, die die Familie D. verursacht haben soll, stehen nicht in unmittelbarem Zusammenhang mit den wiederholten Einweisungen (aa.). Eine Entschädigung des Klägers ist auch nicht zur Vermeidung unbilliger Härten erforderlich (bb).
aa. Das Kriterium der Unmittelbarkeit ist nicht im formalen Sinn zu verstehen, sondern es betrifft die Zurechenbarkeit der Schadensfolge zu der hoheitlichen Maßnahme. Nötig ist ein innerer Zusammenhang mit dieser Maßnahme, d.h. es muss sich eine besondere Gefahr verwirklichen, die bereits in der hoheitlichen Maßnahme selbst angelegt ist (vgl. BGHZ 131, 163 = NJW 1996, 315). Das Tatbestandsmerkmal der Unmittelbarkeit ist ein Kriterium für die wertende Zurechnung der Schadensfolge nach Verantwortlichkeiten und Risikosphären. Danach reicht in Fällen der vorliegenden Art der bloße Kausalzusammenhang zwischen der Einweisungsmaßnahme und Vermögensnachteilen des Vermieters zur Bejahung der Unmittelbarkeit nicht aus. Vielmehr ist eine Unmittelbarkeit nur zu bejahen, wenn zum Zeitpunkt der Einweisungsmaßnahme ein erhöhtes Risiko unsachgemäßen Gebrauchs oder der mutwilligen Beschädigung seitens des Mieters bestand, und zwar aufgrund von typischerweise vorliegenden Spannungen. Vom Vorhandensein solcher Spannungen ist im Verhältnis (bisheriger) Vermieter/Mieter regelmäßig (nur) nach fristloser Kündigung, Erwirkung eines Räumungstitels und Einleiten von Vollstreckungsmaßnahmen auszugehen ( BGH a.a.O.).
Bei Zugrundelegung dieses Verständnisses von Unmittelbarkeit sind etwaige Beschädigungen der Eigentumswohnung des Klägers, die die Familie D. nach Erlass des ersten Einweisungsbescheides am 29. August 2001 verursacht haben soll, keine unmittelbare Folge der Einweisungsverfügung. Zwischen den Eheleuten D. und dem Kläger hat nämlich zum Zeitpunkt des Erlasses des ersten Einweisungsbescheides keine Situation vorgelegen, in der typischerweise Spannungen zu erwarten sind . Der Kläger hatte zwar das Mietverhältnis mit den Eheleuten D. mit Schreiben vom 8. August 2001 fristlos gekündigt. Es hatten sich aber der fristlosen Kündigung kein Räumungsrechtsstreit und keine Zwangsvollstreckungsmaßnahmen angeschlossen, sondern die Eheleute D. haben noch vor Ablauf der ihnen gesetzten Räumungsfrist (15. August 2001) das Ordnungsamt der Beklagten über die fristlose Kündigung unterrichtet, welches am 14. August 2001 ein Gespräch mit dem Kläger für den 16. August 2001 vereinbart hat, welches dann auch geführt und in welchem dem Kläger signalisiert worden ist, dass ein Einweisungsbescheid ergehen werde mit der Folge, dass für die nächste Zeit gesichert wäre, dass der Kläger Monat für Monat eine der Miete entsprechende Nutzungsgebühr erhält. Angesichts dieser Lage war bei typisierter Betrachtung nicht von dem Vorliegen eines angespannten Verhältnisses zwischen dem Kläger und den Eheleuten D. auszugehen. Dass das Verhältnis zwischen dem Kläger und den Eheleuten D. tatsächlich ungeachtet der am 8. August 2001 ausgesprochenen fristlosen Kündigung "in Ordnung" war, also keine Situation gegeben war, in der damit zu rechnen war, dass die Mitglieder der Familie D. mit der Wohnung unsachgemäßer als zuvor umgehen oder sogar mutwillige Beschädigungen vornehmen könnten, belegt die Tatsache, dass der Kläger den Eheleuten nach Ausspruch der fristlosen Kündigung des Mietverhältnisses noch ein Mieterhöhungsverlangen vorgelegt hat, welches diese am 28. Mai 2002 unterschrieben haben.
bb. Ist danach von fehlender Unmittelbarkeit zwischen den Einweisungsbescheiden der Beklagten und den vom Kläger geltend gemachten Vermögensnachteilen auszugehen, so kann der Kläger von der Beklagten Entschädigung nur beanspruchen, wenn dies zur Abwendung einer unbilligen Härte geboten erscheint. Wenn der Kläger keine Entschädigung für die von der Familie D. etwa nach dem 29. August 2001 hervorgerufenen Beschädigungen seiner Eigentumswohnung erhält, so bedeutet dies keine unbillige Härte für den Kläger. Wenn die Beklagte keine Einweisungsbescheide erlassen hätte, hätte der Kläger, wenn er eine Räumung seiner Eigentumswohnung durch die Eheleute D. hätte erreichen wollen, vermutlich einen Räumungsprozess gegen sie führen und aus einem Räumungstitel gegen sie vollstrecken müssen. Dies hätte vermutlich viele Monate gedauert. Nach erfolgreicher Räumung hätte der Kläger dann vermutlich die Wohnung nicht in einem wesentlich anderen Zustand zurückerhalten, als er tatsächlich vorlag, als ihm die Wohnung nach Auszug der Eheleute D. zurückgegeben worden ist. Vor diesem Hintergrund bedarf es zur Vermeidung unbilliger Härten keiner Entschädigung.
2.
Der zulässige (a.) Feststellungsantrag des Klägers ist unbegründet (b.).
a.
Ein Feststellungsantrag ist gemäß § 256 Abs. 1 ZPO nur zulässig, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an der begehrten Feststellung hat. Ein solches Interesse ist zu verneinen, wenn ein Kläger Leistungsklage erheben kann. Bei Klagerhebung am 4. März 2003 konnte der Kläger nur den bis zu diesem Zeitpunkt entstandenen Mietausfall wegen der Nichtdurchführung des Mietvertrages berechnen, den er mit Dr. H. am 15. Juni 2002 mit Wirkung zum 1. Juli 2002 über seine Eigentumswohnung für die Dauer von fünf Jahren geschlossen haben will. Da die fünf Jahre, gerechnet seit dem 1. Juli 2002, am 4. März 2003 noch nicht abgelaufen waren, war ein Feststellungsinteresse am 4. März 2003 jedenfalls für künftige Schäden gegeben. Eine einmal zulässig erhobene Feststellungsklage wird nicht nachträglich dadurch unzulässig, dass der Kläger nunmehr bezifferte Leistungsklage erheben könnte (vgl. Zöller, ZPO, 25. Aufl., § 256 Rn. 7 c). Die Feststellungsklage ist also jedenfalls bezogen auf nach dem 4. März 2003 entstandene und noch entstehende Schäden zulässig. Auch wenn es in dem Feststellungsantrag wörtlich nur um schon eingetretene Schäden geht, so ist der Feststellungsantrag doch gemäß § 133 BGB dahin auszulegen, dass er sich auch auf künftige Schäden beziehen soll.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO. Das Urteil ist gemäß §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO vorläufig vollstreckbar.
Ende der Entscheidung
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