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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Schleswig
Urteil verkündet am 13.12.2001
Aktenzeichen: 11 U 160/2000
Rechtsgebiete: BNotO


Vorschriften:

BNotO § 19 I
BNotO § 20 I Satz 2
Ein Notar, der einen wichtigen Teil einer Verlosung eigenverantwortlich gestaltet, muß die Bedingungen einer Risikoversicherung kennen, weil diese wichtige Ausschlusstatbestände enthalten.
Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht Im Namen des Volkes Urteil

11 U 160/2000

Verkündet am: 13. Dezember 2001

In dem Rechtsstreit

hat der 11. Zivilsenat des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts in Schleswig auf die mündliche Verhandlung vom 20. November 2001 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht und die Richter am Oberlandesgericht und für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung der Klägerin wird das am 21. Juli 2000 verkündete Urteil der 17. Zivilkammer des Landgerichts Kiel teilweise geändert und insgesamt wie folgt neu gefasst:

Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 17.241,38 DM nebst 4 % Zinsen seit dem 06. November 1998 zu zahlen.

Die Kosten des ersten Rechtszugs haben die Klägerin zu 14/100 und der Beklagte zu 86/100 zu tragen.

Die Kosten des zweiten Rechtszugs hat der Beklagte zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Wert der Beschwer des Beklagten und der Streitwert des Berufungsverfahrens betragen 17.241,38 DM.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung der Klägerin hat Erfolg.

1. Die Klägerin hat aufgrund eines Angebots vom 20. September 1998 und einer Annahmeerklärung vom 23. September 1998 mit der Firma S Automobile GmbH die Durchführung einer Verkaufsförderungsmaßnahme vereinbart. Diese bestand darin, dass in den Räumen der Fa. S am ein Tresor-Gewinnspiel durchgeführt werden sollte. Nach diesem Gewinnspiel konnten Gäste der Fa. S einen Toyota Starlet im Wert von 20.000 DM gewinnen, wenn sie an einem Acrylglastresor einen beliebigen 6-stelligen Code eingaben und hierbei die richtigen Zahlen trafen. Für den Fall eines Gewinns hat die Klägerin bei der Streitverkündeten eine Risikoversicherung in Höhe des Nettobetrags des Fahrzeugpreises abgeschlossen.

Nach den Versicherungsbedingungen sollte die Zahlenkombination des Tresorschlosses von einem von der Klägerin beauftragten Notar ausgewählt werden. Der Notar sollte den Lösungscode in ein Formular übertragen und in einem zu versiegelnden Umschlag verschließen. Dieser Umschlag sollte der Klägerin ausgehändigt werden.

Am 25. September 1998 richtete die Klägerin per Fax ein Ansuchen an den Beklagten, als Notar beim Gewinnspiel am tätig zu werden. Bereits vor dieser Aktion hatte es zwischen den Parteien mehrfach Zusammenarbeit bei gleichartigen Gewinnspielen gegeben. Aufgrund dieser Zusammenarbeit war dem Beklagten die Versicherungspolice bekannt. Am 05. Oktober 1998 errichtete der Beklagte das Protokoll UR-Nr. / über die Einstellung des Lösungscodes und die Übergabe des verschlossenen Umschlags an einen Mitarbeiter der Klägerin. Am erzielte ein Herr R den Gewinn des Toyota Starlet, weil er den vom Beklagten eingestellten Lösungscode 987654 erraten hatte. Die Streitverkündete verweigerte den Versicherungsschutz, weil nach den Versicherungsbedingungen keine laufenden Ziffern als Lösungscode hätten gewählt werden dürfen. Die Klägerin nimmt deshalb den Beklagten auf Schadensersatz in Anspruch, weil er nach ihrer Auffassung gegen Amtspflichten verstoßen hat.

2. Der Schadensersatzanspruch der Klägerin beurteilt sich nach § 19 Abs. 1 BNotO, weil der Beklagte im Rahmen der Verlosung eine Amtstätigkeit als Notar ausgeübt hat. Diese Tätigkeit ist in § 20 Abs. 1 Satz 2 BNotO geregelt, wonach zu den Aufgaben eines Notars unter anderem auch die Vornahme von Verlosungen und Auslosungen gehört. Hierbei kann der Notar sich darauf beschränken, über die Verlosung lediglich eine Zeugnisurkunde zu erstellen, ohne die Verlosung selbst vorzunehmen. Er kann aber auch ganz oder teilweise die Verlosung selbst durchführen. Bei jeder dieser Möglichkeiten der Beteiligung des Notars an der Durchführung der Verlosung handelt es sich um eine Amtstätigkeit des Notars (Schippel/Reithmann, BNotO, 7. Aufl., Rz. 23 f. zu § 20; Lerch/Sandkühler, BNotO, 3. Aufl., Rz. 48 ff. zu § 20; Rundschreiben des Deutschen Notarinstituts v. 13.10.1998, zitiert in Schippel-Reithmann, a. a. O., Rz. 24 zu § 20).

3. Auf der dem Beklagten bekannten Versicherungspolice wurde als besondere Vereinbarung vermerkt, dass neben den geschriebenen Bedingungen zur Gewinnspiel-Versicherung und den Sonderbedingungen zur Gewinnspiel-Versicherung (Tresorspiel) als vereinbart gelten sollte, dass die Zahlenkombination als Lösungscode kein Datum sein durfte. Dementsprechend hat der Beklagte in das Protokoll vom 05. Oktober 1998 aufgenommen, dass die Zahlenkombination kein Datum sein durfte. Nach § 3 der Sonderbedingungen durfte die Zahlenkombination außerdem nicht aus gleichen Ziffern (z. B. 888888) oder aus laufenden Ziffern (z. B. 1, 2, 3, 4, 5, 6) oder aus Zahlenreihen, die die Kombination 0 - 9 ermöglicht (z. B. 6, 7, 8, 9, 0, 1), bestehen. Die weiteren Ausschlüsse sind hier nicht von Bedeutung. Die Klägerin wirft dem Beklagten vor, bei der gewählten Kombination 987654 gegen das Verbot der Einstellung laufender Ziffern verstoßen zu haben. Der Beklagte bestreitet, dass die Klägerin ihm mit Schreiben vom 11. April 1996 die vollständigen Versicherungsbedingungen übersandt habe. Außerdem hält er ablaufende Ziffern nicht für laufende Ziffern im Sinne des § 3 der Sonderbedingungen.

Die Beantwortung der Frage, welche Amtspflichten der Beklagte im Rahmen der Verlosung wahrzunehmen hatte und ob er diese verletzt hat, richtet sich danach, in welchem Umfang er an der Verlosung beteiligt werden sollte. Soll der Notar die Verlosung nicht selbst vornehmen, sondern den Vorgang der Verlosung urkundlich niederlegen, beschränkt sich seine Amtspflicht auf eine Tatsachenbeurkundung durch Anlegung eines Protokolls gemäß § 36 BeurkG.

Der Notar ist gemäß §§ 20 Abs. 1 Satz 2, 24 Abs. 1 Satz 1 BNotO auch berechtigt, aktiv auf die Verlosung Einfluss zu nehmen und sie sogar selbst durchzuführen. Aus dem an den Notar gerichteten Ansuchen kann sich etwa ergeben, dass er über die Protokollierung hinaus den Vorgang der Verlosung gestalten soll, um ein ordnungsgemäßes Verfahren durch entsprechende Ratschläge oder Anordnungen sicherzustellen. Eine derartige Einflussmöglichkeit geht über die Aufnahme von Protokollvermerken hinaus, denn der Notar übernimmt in einem derartigen Fall die eigenverantwortliche Überwachung oder Gestaltung einer durch andere durchgeführten Verlosung als Amtstätigkeit (Rundschr. d. Dt. Notarinstituts v. 13.10.1998; Schippel/Reithmann, a. a. O., Rz. 23 f. zu § 20).

Aus dem an den Beklagten gerichteten Ansuchen vom 25. September 1998 ergibt sich, dass seine Mitwirkung als Notar bei einem Tresor-Gewinnspiel im Autohaus S gewünscht wurde, um ein Toyota-Neufahrzeug im Wert von netto 17.241,38 DM zu verlosen. Die näheren Einzelheiten der vom Beklagten zu übernehmenden Aufgaben sind dort zwar nicht geregelt. Dies ist aber unschädlich, weil bereits aufgrund einer längeren Zusammenarbeit bekannt war, dass die Aufgaben des Beklagten darin bestehen sollten, dass er sich zunächst davon überzeugen sollte, ob im Tresor die Fahrzeugschlüssel des zu verlosenden Fahrzeugs vorhanden waren. Anschließend sollte er eine nur ihm bekannte Zahlenkombination am Tresor einstellen und dann der Klägerin einen versiegelten Umschlag mit der darin auf einem Formular vermerkten Zahlenkombination übergeben. Diese Tätigkeit hat der Beklagte auch tatsächlich ausgeführt und im Protokoll vermerkt.

Die Amtstätigkeit des Beklagten ging über die bloße Beurkundung des Verlosungsvorgangs hinaus, denn er hat eigenverantwortlich einen bedeutenden Teil der Verlosung selbst übernommen, indem er die Zahlenkombination bestimmte und einstellte. Hierbei handelte es sich um die wichtigste Tätigkeit im Rahmen der Vorbereitung einer ordnungsgemäßen Verlosung. Die zusätzliche Dokumentation der gewählten Zahlenkombination diente der Überprüfung der vom Beklagten vorgenommenen Tätigkeit. Wenn ein Notar im Rahmen der Verlosung derart wichtige, eigenverantwortliche Aufgaben übernimmt, ist ihre sorgfältige und rechtskundige Erledigung Amtspflicht, bei deren Verletzung ein Schadensersatzanspruch aus Amtshaftungsrecht nach § 19 BNotO entsteht (Rundschr. d. Dt. Notarinstituts v. 13.10.1998). Insoweit müssen die zur notariellen Aufklärungs- und Belehrungspflicht nach § 17 BeurkG entwickelten Grundsätze zumindest entsprechend angewendet werden.

Nach § 17 BeurkG soll der Notar den Willen der Beteiligten erforschen, den Sachverhalt klären, die Beteiligten über die rechtliche Tragweite des Geschäfts belehren und ihre Erklärungen klar und unzweideutig in der Niederschrift wiedergeben. Dabei soll er darauf achten, dass Irrtümer und Zweifel vermieden sowie unerfahrene und ungewandte Beteiligte nicht benachteiligt werden. Bestehen Zweifel, ob das Geschäft dem Gesetz oder dem wahren Willen der Beteiligten entspricht, sollen die Bedenken mit den Beteiligten erörtert werden. Grundsätzlich darf der Notar sich im Rahmen der Sachverhaltsaufklärung auf die tatsächlichen Angaben der Beteiligten verlassen und braucht keine eigenen Ermittlungen anstellen. Er muss allerdings bedenken, dass Beteiligte entscheidende Umstände, auf die es für das Rechtsgeschäft ankommen kann, möglicherweise nicht erkennen oder rechtliche Begriffe falsch verstehen. Deshalb hat der Notar sich über den Inhalt der von den Beteiligten vorgelegten Unterlagen zu unterrichten und diesen zu berücksichtigen, soweit dies zur Klärung der Tatsachen erforderlich ist, die für ein ordnungsgemäßes Geschäft von Bedeutung sind. Dies gehört nicht nur zur allgemeinen Betreuungspflicht des Notars, sondern auch zur Prüfungs- und Belehrungspflicht gemäß § 17 BeurkG (BGH NJW 1996, 520, 521; 1996, 524, 525; WM 1993, 1513, 1514 f.).

Die Klägerin behauptet, dem Beklagten durch Schreiben vom 11. April 1996 die damals gültigen Versicherungsbedingungen übersandt zu haben. Diese Versicherungsbedingungen wurden bis zur Auslosung vom leicht geändert, weil das Gewinnspiel von einer fünfstelligen auf eine sechsstellige Zahlenkombination umgestellt wurde. Daran wurden auch die Ausschlüsse in § 3 der Sonderbedingungen angepasst. Außerdem wurde der Spielablauf dahingehend geändert, dass die Berechtigungsscheine der Teilnehmer der Verlosung nicht mehr in eine Box gegeben und erst am Ende der Aktion nach Bekanntgabe des Lösungscodes ausgewertet wurden, sondern der Teilnehmer konnte die auf einem Berechtigungsschein eingetragene Zahlenkombination sofort selbst am Tresor eingeben oder durch die Aufsichtsperson eingeben lassen. Dadurch hätte unmittelbar nach der Eingabe der Zahlenkombination festgestellt werden können, ob der Tresor sich öffnete.

Der Beklagte bestreitet, die Versicherungsbedingungen mit Schreiben vom 11. April 1996 erhalten zu haben, räumt aber ein, dass ihm die Versicherungspolice mit Schreiben vom 11. April 1996 zugegangen ist. Für den Zugang der Versicherungsbedingungen hat die Klägerin sich auf Parteivernehmung des Beklagten berufen. Der Beklagte hat seinen Bürovorsteher für den Nichtzugang der Versicherungsbedingungen benannt.

Wenn dem Beklagten die Versicherungsbedingungen zugegangen waren, war er auf jeden Fall verpflichtet, diese zur Kenntnis zu nehmen und auf Ausführungsbestimmungen abzuklären, die sich auf die vom Beklagten bei der Durchführung des Tresor-Spiels übernommene Tätigkeit bezogen. Hierzu gehörte der § 3 der Sonderbedingungen, weil dort bestimmt wurde, dass Versicherungsschutz nur gewährt werden würde, wenn die im Einzelnen aufgezählten unzulässigen Zahlenkombinationen nicht ausgewählt werden würden. Soweit die Versicherungsbedingungen Bestimmungen über den Verfahrensablauf enthielten, der in den Aufgabenbereich des Beklagten als Notar fiel, konnte der Beklagte ohne Kenntnis dieser Bestimmungen seine Amtspflichten nicht sachgerecht ausüben, weil die Gefahr bestand, dass die Klägerin ihren Versicherungsschutz verlor, wenn der von ihr eingeschaltete Notar die Versicherungsbedingungen nicht beachtete. Der Zweck der Beauftragung eines Notars bestand nicht nur darin, den Risikoversicherer vor unzulässigen Manipulationen im Rahmen der Verlosung zu schützen, sondern darüber hinaus sollte auch ein einredefreier Versicherungsschutz der Klägerin gewährleistet werden, indem einer vertrauenswürdigen, rechtskundigen Aufsichtsperson wichtige Verfahrensabschnitte übertragen wurden. Diese Gesichtspunkte waren auch dem Beklagten bekannt, denn die Klägerin hat ihm unstreitig die Versicherungspolice in Kopie übersandt, so dass der Beklagte auch wusste, dass seine Tätigkeit als Notar Voraussetzung für den von der Klägerin geltend zu machenden Versicherungsschutz war und dass hierfür ein bestimmter Verfahrensablauf einzuhalten war.

Die Versicherungspolice erwähnt lediglich eine einzige ausdrücklich ausgeschlossene Zahlenkombination, denn dort heißt es:

"Neben den oben genannten Bedingungen gilt vereinbart, daß die Zahlenkombination als Lösungscode kein Datum sein darf."

Eine Beweisaufnahme zum Zugang der Versicherungsbedingungen ist nicht erforderlich, weil der Beklagte als Notar verpflichtet war, sich nicht nur mit der Kenntnisnahme der Versicherungspolice und dem Hinweis auf den Ausschluss des Datums als Zahlenkombination zu begnügen, sondern von ihm muss verlangt werden, dass er sich die in der Police erwähnten Versicherungsbedingungen hätte vorlegen lassen, um sie auf etwaige von ihm bei der Einstellung der Zahlenkombination und Durchführung der Verlosung zu beachtende Regelungen zu überprüfen. Von einem Notar, dem ein wichtiger Teil einer Verlosung eigenverantwortlich überlassen wird, muss erwartet werden, dass er ausreichende Bemühungen unternimmt, um die Bedingungen für seine Tätigkeit zu klären. Hierzu gehört die Kenntnis der Versicherungsbedingungen, weil diese im Allgemeinen wichtige Ausschlusstatbestände enthalten, die aus Platzgründen nicht in der Police aufgezählt werden können. Wenn in der Police im Zusammenhang mit dem Ausschluss des Datums als Zahlenkombination ausdrücklich auf die oben genannten Bedingungen und somit auch auf die Sonderbedingungen des Tresor-Spiels hingewiesen wird, handelt ein Notar pflichtwidrig, wenn er die Verlosung durchführt, ohne sich vom Auftraggeber die Sonderbedingungen vorlegen zu lassen. Bereits der Hinweis auf der Police, dass neben dem dort erwähnten Ausschluss auch weitere Bedingungen gelten sollen, erlaubt kein Vertrauen des Notars darauf, dass ihm sämtliche ausgeschlossenen Zahlenkombinationen mitgeteilt worden sind.

Aufgrund der Tatsache, dass der Beklagte sich die Versicherungsbedingungen vor Durchführung der Auslosung nicht vorlegen ließ, steht eine Pflichtverletzung des Beklagten fest. Darüber hinaus könnte man erwägen, ob der Notar beim Einstellen der Lösungskombination sein pflichtgemäßes Ermessen aus allgemeinen Gesichtspunkten falsch ausgeübt hat. Selbst wenn dem Beklagten die Sonderbedingungen nicht bekannt waren, konnte er aufgrund der Gestaltung der Verlosung als Glücksspiel ersehen, dass die Zahlen nach dem Zufallsprinzip ausgewählt werden sollten. Dem Zufallsprinzip widerspricht es aber, wenn eine auffällige, leicht zu erratende Zahlenkombination gewählt wird. Als leicht zu erratende Zahlenkombination hat der Beklagte in diesem Fall die ablaufenden Ziffern von 9 bis 4 ausgesucht. Weitere Beispiele dafür, dass der Beklagte auch bei anderen Verlosungen auffällige Zahlenkombinationen gewählt hat, hat die Klägerin in der Berufungsbegründung aufgeführt. Danach hat der Beklagte bei der für ein BMW-Autohaus durchgeführten Verlosung die Typenbezeichnungen 323 und 523 aneinandergereiht. Bei einem weiteren Gewinnspiel hat er die Reihenfolge der Telefontastatur, nämlich 1, 4, 2, 5, 3, 6 gewählt. Letztlich bedarf diese Frage aber keiner Entscheidung, weil bereits in der Durchführung der Verlosung ohne Kenntnis der für sie geltenden Verfahrensbestimmungen ein eindeutiger Pflichtverstoß liegt.

4. Die Schadensersatzpflicht nach § 19 Abs. 1 BNotO setzt voraus, dass die Pflichtwidrigkeit des Notars zu einem Schaden des von der Amtspflicht Betroffenen geführt hat. Hätte der Beklagte sich die Sonderbedingungen für das Tresor-Spiel vorlegen lassen, wäre er in der Lage gewesen, die dort aufgezählten Ausschlüsse zu beachten. Ob die Versagung des Versicherungsschutzes durch die Streitverkündete damit begründet werden durfte, dass der Beklagte die Zahlenkombination 987654 bestimmt hatte, hängt davon ab, ob die gewählte Zahlenkombination 987654 unter den Begriff der "laufenden Ziffern" im Sinne des § 3 der Sonderbedingungen fällt. Dies bestreitet der Beklagte, weil nach seiner Auffassung eine rücklaufende Ziffernfolge nicht als laufende Ziffern bezeichnet werden kann. Insoweit verweist er auch auf das in § 3 der Sonderbedingungen aufgeführte Beispiel, wonach die Ziffern 1 bis 6, aber keine rücklaufenden Ziffern aufgezählt wurden.

Der Begriff der "laufenden Ziffern" bedeutet nicht ohne Weiteres, dass damit ausschließlich aufsteigende Ziffern gemeint sind. Da zwischen fortlaufenden und rücklaufenden Ziffern unterschieden werden kann, muss der Begriff der laufenden Ziffern als Oberbegriff aufgefasst werden, der beide Möglichkeiten umfasst. Darüber hinaus wurde in § 3 der Sonderbedingungen erläutert, dass auch andere Zahlenreihen, die die übliche Kombination 0 bis 9 ermöglicht, ausgeschlossen sein sollten. Auch bei gleichmäßig abnehmenden Ziffern kann von einer Zahlenreihe gesprochen werden. Unter diesen Umständen sind die in § 3 der Sonderbedingungen geregelten Ausschlüsse nicht zweifelhaft, auch wenn dort als Beispiele nur fortlaufende Ziffern gewählt wurden.

Der Beklagte ist der Auffassung, die ihm vorgeworfene Amtspflichtverletzung sei für den Schadenseintritt nicht ursächlich geworden, weil der Klägerin der Versicherungsschutz selbst dann versagt worden wäre, wenn der Beklagte eine zulässige Zahlenkombination gewählt hätte. Unstreitig sei die Klägerin von dem in § 3 der Sonderbedingungen geregelten Spielablauf abgewichen, weil die Berechtigungsscheine mit der eingetragenen Zahlenkombination nicht in eine Box gegeben worden seien. Nach § 4 der Sonderbedingungen sei aber der Versicherungsfall nur eingetreten, wenn sich sowohl der erfolgreiche Teilnehmer als auch der Versicherungsnehmer an die Bedingungen und Regeln gehalten hätten. Es werde bestritten, dass die Klägerin mit der Streitverkündeten neue Versicherungsbedingungen vereinbart habe.

Der Beklagte erhebt den Einwand des rechtmäßigen Alternativverhaltens, weil er behauptet, der Schaden wäre auch bei amtspflichtgemäßen Verhalten eingetreten, denn der Klägerin hätte ohnehin wegen Verstoßes gegen die Spielregeln der Versicherungsschutz versagt werden müssen. Mit diesem Einwand kann der Beklagte nicht durchdringen, wobei es keiner Entscheidung darüber bedarf, ob und in welchem Umfang der Einwand des rechtmäßigen Alternativverhaltens im Notarhaftungsrecht zulässig ist und ob die Klägerin mit der Streitverkündeten einen geänderten Spielablauf vereinbart hat. Der geänderte Spielablauf hat sich weder auf die Gewinnchancen noch auf Manipulationsmöglichkeiten ausgewirkt und wäre deshalb von der Streitverkündeten auch bei einer einseitig von der Klägerin vorgenommenen Änderung nicht zum Anlass genommen worden, deshalb den Versicherungsschutz zu verweigern. Demgemäß hat die Streitverkündete ihre ablehnende Haltung im Schreiben vom 20. Oktober 1998 allein damit begründet, der Notar habe eine Zahlenkombination aus laufenden Ziffern festgelegt, die gegen § 3 der Sonderbedingungen verstoße.

5. Der Beklagte hat die Amtspflichtverletzung fahrlässig begangen, denn beim objektiver Betrachtungsweise wäre es ihm als sorgfältig arbeitenden Notar möglich gewesen, den seiner Amtstätigkeit zu Grunde liegenden Sachverhalt aufzuklären und die Auswahl einer vom Versicherungsschutz ausgeschlossenen Zahlenkombination zu vermeiden.

6. Soweit der Beklagte sich auf ein Mitverschulden der Klägerin beruft, weil diese ihm auch ungefragt von sich aus die für die Durchführung der Verlosung wichtigen Versicherungsbedingungen hätte aushändigen müssen, sind die Voraussetzungen des § 254 BGB nicht erfüllt.

Ein Vorwurf des Mitverschuldens der Klägerin wäre in Betracht zu ziehen, wenn sie die im eigenen Interesse gebotene Sorgfalt außer Acht gelassen und den Beklagten über die Versicherungsbedingungen nicht informiert hätte. Dies ist allerdings zwischen den Parteien streitig. Während die Klägerin nach ihrem Vortrag die Versicherungsbedingungen dem Beklagten übersandt haben will, bestreitet der Beklagte den Eingang der Versicherungsbedingungen in seinem Büro. Da es auch als möglich erscheint, dass die Klägerin die Versicherungsbedingungen versandt hat, diese aber beim Beklagten nicht angekommen sind, wäre der Mitverschuldensvorwurf nicht begründet. Für diesen Vorwurf ist der Beklagte beweispflichtig. Allein die Tatsache, dass die Klägerin sich die Versicherungsbedingungen zu Beginn dieses Rechtsstreits hat übersenden lassen, bedeutet nicht, dass die Versicherungsbedingungen auch bei der von der Klägerin behaupteten Übersendung am 11. April 1996 gefehlt haben müssen.

Gegen ein Mitverschulden der Klägerin spricht weiterhin, dass sie entsprechend dem vom Beklagten nicht bestrittenen Vortrag der Berufungsbegründung den Beklagten anlässlich des Gewinnspiels vom 07./08. Februar 1998 auf die Zahlenkombination 323523 ansprach. Diese Kombination hatte der Beklagte bei einem BMW-Autohaus gewählt. Er wurde deshalb am 26. Februar 1998 vom Geschäftsführer der Klägerin ersucht, bei künftigen Gewinnspielen keine naheliegenden Zahlenkombinationen auszuwählen. Wenn der Beklagte dennoch am 05. Oktober 1998 eine einfache, naheliegende Zahlenkombination auswählte, hat er sich über Warnungen der Klägerin hinweggesetzt und muss für den Schaden allein verantwortlich gemacht werden.

7. Eine anderweitige Ersatzmöglichkeit gemäß § 19 Abs. 1 Satz 2 BNotO scheidet aus, weil der Beklagte mit der von ihm vorgenommenen Beteiligung an einem wesentlichen Teil der Verlosung eine Betreuung im Sinne des § 24 BNotO übernommen hat.

8. Die Klägerin hat bereits im ersten Rechtszug die Belege über die Bezahlung des Kaufpreises für den gewonnen Toyota Starlet vorgelegt. Der jetzige Berufungsantrag trägt dem Umstand Rechnung, dass Versicherungsschutz nur im Umfang des Nettobetrags bestanden hat. Die Höhe des der Klägerin entstandenen Schadensersatzanspruchs wird durch den Umfang des Versicherungsschutzes begrenzt, weil der Schaden der Klägerin allein dadurch verursacht worden ist, dass ihr aufgrund des Verhaltens des Beklagten der vertraglich zugesicherte Versicherungsschutz versagt wurde. Aus diesem Grund kommt es entgegen der Auffassung des Beklagten auch nicht darauf an, dass der Eintritt des Gewinnfalls zum bestimmungsgemäßen Verlauf einer Verlosung gehört, denn die Klägerin hatte für diesen Fall Vorsorge getroffen und hätte bei amtspflichtgemäßen Verhalten des Beklagten den Anspruch auf Aushändigung des Gewinns durch einen entsprechenden versicherungsrechtlichen Anspruch ausgleichen können.

Der Beklagte bestreitet den Eintritt des Versicherungsfalls, weil dieser auch unter Zugrundelegung der Sonderbedingungen in geänderter Form nicht eingetreten sei. Die Eingabe des richtigen Lösungscodes und damit der Gewinn des ausgelobten Preises hätte dazu führen müssen, dass der Tresor sich geöffnet hätte.

Von den 173 Teilnehmern hatten insgesamt zwei den richtigen Lösungscode erraten. Als die Aufsichtsperson um 12.00 Uhr erstmals den richtigen Lösungscode eingab, beobachtete sie ein leichtes mechanisches Zucken im Verschlussriegel des Tresors, der sich allerdings nicht öffnete. Dies wiederholte sich, als gegen 14:40 Uhr erneut der richtige Lösungscode eingegeben wurde. In einer Spielpause hatte die Aufsichtsperson den Tresor geringfügig anders positioniert und zwecks Überprüfung den prägnanten Lösungscode eingegeben. Daraufhin öffnete der Tresor sich ordnungsgemäß. Aufgrund einer Überprüfung der Teilnehmerkarten wurde dem Teilnehmer, der als erster den richtigen Lösungscode erraten hatte, der Preis zuerkannt. Dieses Verfahren ist nicht zu beanstanden, denn wenn trotz Eingabe des richtigen Lösungscodes der Tresor sich aufgrund einer mechanischen Unzulänglichkeit nicht öffnete, konnte deshalb weder dem Gewinner die Aushändigung des Preises verweigert noch der Klägerin der Versicherungsschutz versagt werden. Dies zeigt § 3 der Sonderbedingungen deutlich, denn danach musste lediglich die sechsstellige Kombination erraten werden, "die es ermöglicht, den Tresor zu öffnen", was unstreitig der Fall war.

8. Die Zinsforderung ist gemäß §§ 284 Abs. 1, 291 BGB aufgrund der Zahlungsaufforderung vom 04. November 1998 begründet.

9. Die Nebenentscheidungen folgen aus §§ 91 Abs. 1, 92 Abs. 1, 708 Nr. 10, 713, 546 Abs. 2 ZPO, 25 Abs. 2 GKG.

Ende der Entscheidung

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