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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Schleswig
Urteil verkündet am 07.10.2004
Aktenzeichen: 11 U 79/03
Rechtsgebiete: BGB, AGBG, VVG


Vorschriften:

BGB § 765
AGBG § 3
AGBG § 9
VVG § 67
VVG § 187
1. Ist der Bürge Geschäftsführer oder Gesellschafter des Hauptschuldners, können Formularbürgschaften auch dann wirksam sein, auch wenn de Sicherungszweck unbestimmt und allumfassend ist.

2. Leistungen einer Warenkreditversicherung dienen nicht der Schuldbefreiung des Hauptschuldners und führen deshalb nicht zur Tilgung der Hauptschuld.

3. § 67 VVG gilt nicht für Ansprüche aus Warenkreditversicherungen.


Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht Urteil Im Namen des Volkes

11 U 79/03

verkündet am: 07.10.2004

hat der 11. Zivilsenat des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts in Schleswig auf die mündliche Verhandlung vom 14.09.2004

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung des Beklagten gegen das am 20. Mai 2003 verkündete Urteil des Einzelrichters der 2. Zivilkammer des Landgerichts Flensburg wird zurückgewiesen.

Der Beklagte trägt die Kosten des Berufungsrechtszuges.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Beklagte kann die Vollstreckung der Klägerin gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120% des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Der Streitwert für den Berufungsrechtszug beträgt 38.346,89 €.

Gründe:

I.

Der Beklagte wehrt sich gegen seine Inanspruchnahme als Bürge für eine Forderung der Klägerin gegen die in Konkurs befindliche Reederei K.-S. GmbH, deren Gesellschafter und zeitweiliger Geschäftsführer er war.

Hinsichtlich des Sach- und Streitstandes erster Instanz sowie des Tenors und der Gründe der erstinstanzlichen Entscheidung wird auf die Darstellung des am 20. Mai 2003 verkündeten Urteils des Einzelrichters der 2. Zivilkammer des Landgerichts Flensburg Bezug genommen.

Gegen das dem Beklagtenvertreter am 4. Juni 2003 zugestellte Urteil hat der Beklagte am 4. Juli 2003 Berufung eingelegt und diese Berufung nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 4. September 2003 mit einem am 3. August und einem weiteren am 3. September 2003 beim Oberlandesgericht eingegangenen Schriftsatz begründet.

Der Beklagte macht geltend:

Die Bürgschaften seien unwirksam, weil die Übernahme einer Haftung für eine erst zukünftig erwachsende Schuld unbestimmten Umfangs dem Maßstab des AGB-Gesetzes - insbesondere dessen § 9 - nicht standhalte.

Die geschäftlichen Hintergründe der Bürgschaften offenbarten, dass der Beklagte bei Abgabe habe annehmen können, dass er nicht in Anspruch genommen werden würde Die Klägerin habe die Gesellschafterbürgschaften verlangt, um ihrerseits eine Sicherung für einen Sparkassenkredit zu belegen, so dass bei den Bürgen der Eindruck hervorgerufen worden sei, ihre Inanspruchnahme sei nicht beabsichtigt und die Bürgschaften hätten nur zur Beruhigung der Sparkasse dienen sollen.

In der Rechtsprechung würden Bürgschaften von geschäftlich unerfahrenen Personen in bestimmten Fällen als unwirksam betrachtet und dieser Gedanke müsse auch hier erwogen werden.

Die Hauptforderung sei schon in den Jahren 1992 bis 1994 getilgt worden. Dies könne der Beklagte zwar nicht unmittelbar beweisen, weil die anderen Gesellschafter ihm die Bücher der Hauptschuldnerin nicht zur Einsicht gegeben hätten, deshalb sei nun aber die Klägerin aufzufordern, ihre Bücher über die Abrechnungen jener Zeit vorzulegen.

Falls noch später eine Forderung gegen die Hauptschuldnerin bestanden habe, sei sie durch Tilgungen erloschen. Die Klägerin habe Leistungen der Hermes-Versicherung erhalten, die, wenn nicht zur Tilgung, dann jedenfalls zum Wegfall der Aktivlegitimation geführt hätten. Sie habe über Jahre Zahlungen aus einem Fahrgastverkauf der Reederei K.-S. GmbH an eine andere Reederei erhalten. Sie habe einen Reisebus eines anderen Gesellschafters verwertet und sie habe Restwarenbestände zurückgenommen und verwertet. Die Klägerin habe die Hauptschuldnerin während des Laufes der Geschäftsbeziehung mit ihrer Preisgestaltung übervorteilt und dadurch Schadensersatzansprüche der Hauptschuldnerin gegen die Klägerin ausgelöst, die der Schuld entgegenzuhalten seien und sie zum Erlöschen brächten.

Der Beklagte beantragt,

das angefochtene Schlussurteil vom 20. Mai 2003 zu ändern, das Anerkenntnis-Vorbehaltsurteil des Landgerichts Flensburg 2 O 316/02 aufzuheben und die tenorierten Klageansprüche abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung auf Kosten des Beklagten zurückzuweisen.

Sie verteidigt das angefochtene Urteil und macht geltend, dass die Höhe der Verbindlichkeit der Hauptschuldnerin ihr gegenüber seit 1992 niemals unter 645.000 DM gelegen und die Schuld zum Zeitpunkt der Anmeldung zur Konkurstabelle mit 744.749 DM valutiert habe. Diese Schuld sei seitdem nicht in nennenswertem Umfang reduziert worden. Aus der Verwertung zurückgenommener Waren seien 50.000 DM und aus der Verwertung eines Reisebusses 33.500 DM erlöst worden. Von der Hermes-Kreditversicherung habe sie 135.000 DM erhalten, so dass sich die Hauptschuld immer noch auf 478.000 DM belaufe.

Von einem angeblichen Fahrgastverkauf sei ihr nichts bekannt. Erlöse aus einem solchen Geschäft seien ihr nicht zugeflossen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Parteien im Berufungsrechtszug wird auf die zu den Akten gereichten Schriftsätze Bezug genommen.

II.

Die Berufung des Beklagten konnte keinen Erfolg haben.

Mit seinen erstmals in der Berufungsinstanz vorgebrachten Angriffen gegen die Wirksamkeit der Bürgschaften kann der Beklagte nicht mehr gehört werden, denn die Beklagtenvertreterin hatte in erster Instanz den Anspruch (im Urkundenprozess) anerkannt und sich nur die Ausführung ihrer Rechte im Nachverfahren vorbehalten. Damit hat sie die urkundlich belegte Bürgschaftsverpflichtung anerkannt, so dass sie vom Grunde her nicht mehr in Frage gestellt werden kann.

Der Berufungsangriff lässt sich allenfalls insoweit mit dem Anerkenntnis vereinbaren, als noch in Frage gestellt werden könnte, ob die Bürgschaft sich wirksam auf die Hauptschuld in ihrem aktuellen Umfang beziehen kann oder ob sie beschränkt ist auf die Hauptschuld, die zum Zeitpunkt der Bürgschaftserklärung bestand.

Der Senat braucht nicht zu entscheiden, ob der Angriff insoweit mit dem Umfang der Anerkenntniserklärung zu vereinbaren ist, weil der Angriff im Ergebnis ohnehin nicht zu einer Reduzierung des Bürgschaftsumfangs führen würde.

Die Berufung leitet die Wirksamkeitsbedenken aus § 9 AGBG her, weil der Sicherungszweck der Formularbürgschaften unbestimmt und allumfassend sei. Die Bürgschaften sollten nach dem Formulartext für alle auch künftig erst entstehenden Forderungen aus der Geschäftsverbindung der Hauptschuldnerin und der Gläubigerin zeitlich unbegrenzt gelten.

Die Wirksamkeit von Formularbürgschaften mit Formulierungen wie den hier vorliegenden begegnet auf der Grundlage von §§ 3 und 9 AGBG häufig Bedenken, weil die Haftung sich auf eine summenmäßig unbegrenzte Hauptforderung beziehen soll und der Bürge nicht zu übersehen und nicht zu beeinflussen vermag, welche Entwicklung die Hauptforderung künftig nehmen wird. Solche Wirksamkeitsbedenken äußert der BGH für den Fall einer Formularbürgschaft durchaus auch in der vom Landgericht genannten Entscheidung BGH in BGHZ 130, 19 (= NJW 1995, 2553).

Die von der Berufung aufgezeigten Wirksamkeitsbedenken sind hier aber unbegründet, die Bürgschaften sind wirksam, auch soweit sie den erst nach ihrer Unterzeichnung entstandenen Forderungsumfang betreffen.

Wenn der Bürge - wie hier - der Geschäftsführer oder Gesellschafter einer Handelsgesellschaft ist, kann er sich auch in Formulartexten wirksam in solchem Umfang verpflichten.

Der BGH führt z. B. in der in NJW 2000, 658 veröffentlichten Entscheidung aus, dass die Wirksamkeitsbedenken, die sich an solche Klauseln knüpfen können, nicht für Geschäftsführer und Gesellschafter gelten, die "ihrer" Gesellschaft durch die Bürgschaft Kredit verschaffen wollen, und dass es dabei - entgegen früherer Auffassung - auch nicht darauf ankomme, ob der Bürge Allein- oder Mehrheitsgesellschafter sei, denn jeder Gesellschafter habe die Möglichkeit, sich über die Verbindlichkeiten einen Überblick zu verschaffen und sei daher weniger schutzwürdig, als ein außenstehender Bürge.

Der Beklagte war hier anfänglich Geschäftsführer und daneben von der Gründung bis zum Konkurs Gesellschafter mit einem 1/6 Anteil an der Hauptschuldnerin, einer GmbH. Auch wenn er kurz vor der Übernahme der Bürgschaften die Geschäftsführung abgegeben haben sollte (eine erstinstanzlich nicht bestrittene Darstellung, die allerdings im Widerspruch zu dem Handelsregisterauszug steht, den die Klägerin in der Berufung eingereicht hat), wusste er, dass die Verbindlichkeiten der Hauptschuldnerin schon bei Abgabe der Bürgschaften diese weit überstiegen. Die zu Grunde liegenden Forderungen der Klägerin gegen die Hauptschuldnerin resultierten hier nur aus einem bestimmten Geschäftsbereich, nämlich aus der Lieferung von Transitwaren auf Kredit. Ihre Entwicklung war daher für den Beklagten durchaus einschätzbar. Die Bürgschaften wurden verlangt, weil auch zukünftig Warenkredit gewährt werden sollte. In dieser Situation kann das Begehren nach Bürgschaften, die den Umfang der bisherigen Verpflichtungen nicht einmal erreichten, nicht als unbillig angesehen werden.

Die Bedenken dahingehend, dass es den Bürgen überraschen könne (§ 3 AGBG) und ihn unangemessen benachteilige (§ 9 AGBG), wenn er für von ihm nicht beinflussbare und der Höhe nach nicht einschätzbare erst künftig entstehende Forderungen in Anspruch genommen werden könne, bestehen bei dieser Sachlage nicht.

Mit neuen Angriffen mit dem angeblichen Hintergrund der Geschäfte, die die Bürgschaften ausgelöst haben sollen, kann der Beklagte nach § 531 ZPO nicht mehr gehört werden. Hintergründe der Bürgschaften, die erstinstanzlich nicht geschildert wurden und von Klägerseite jetzt auch bestritten werden, kann der Senat nicht mehr berücksichtigen.

Auch dass der Kläger unerfahren gewesen sei und deshalb besonderen Schutzes bedürfe, war erstinstanzlich nicht behauptet worden und kann nun gleichermaßen nicht mehr geprüft werden. Unerfahrenheit wird im Übrigen auch in der Berufung mit Tatsachen nicht untermauert und liegt bei einem Gesellschafter und zeitweiligen Geschäftsführer einer Reederei auch keinesfalls nahe.

Soweit der Beklagte sich darauf berufen will, dass die Hauptforderung zwischenzeitlich nicht mehr existent sei, weil sie durch Tilgungen, Verrechnungen, Gegenansprüche und Versicherungsleistungen erloschen sei, trägt er für solche Tilgungstatsachen die Beweislast, wie das Landgericht unter Hinweis auf die z. B. in BGH NJW 1996, 719 dargestellte Darlegungs- und Beweislastverteilung zutreffend ausgeführt hat. Die Beweislast kann auch nicht dadurch verlagert werden, dass der Beklagte Probleme hat, Tatsachenerkenntnisse, die aus der Sphäre der Hauptschuldnerin stammen, zu erlangen, weil ihm die ehemaligen Mitgesellschafter keine Auskünfte erteilen.

Mehr, als eine substantiierte Darstellung, welche Tilgungsleistungen sie erhalten hat, kann von der nicht beweisbelasteten Klägerin nicht verlangt werden. Eine solche Darstellung hat die Klägerin abgegeben.

Die Klägerin ist nicht verpflichtet, ihre Geschäftsbücher offen zu legen, um zu beweisen, dass ihr weitere Tilgungsleistungen nicht zugeflossen sind, denn sie ist nicht beweisbelastet. Sie muss diese Geschäftsbücher auch nicht offen legen, um dem Beklagten einen Beweis zu ermöglichen, denn bei diesen Unterlagen handelt es sich um Firmenunterlagen, auf deren Vorlegung oder Herausgabe der Beklagte nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechts keinen Anspruch hat (§ 422 ZPO).

Der Beweis einer Tilgung der Hauptschuld in einem für die Bürgschaft maßgeblichem Umfang ist dem Beklagten nicht möglich.

Soweit die Berufung mit dem Argument Gehör finden möchte, die Hauptforderung sei schon in den Jahren 1992 bis 1994 getilgt worden, war eine angebliche Tilgung schon in dieser Zeit erstinstanzlich nicht behauptet worden.

Es war erstinstanzlich unstreitig, dass die Klägerin gegen die Hauptschuldnerin noch im Jahr 1995 eine Forderung über 744.749,00 DM besaß.

Dies ist erstinstanzlich im Vorverfahren (Urkundsprozess) ausdrücklich zugestanden worden, denn die Beklagtenvertreterin hatte in der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht auf Vorhalt der Konkurstabelle vom 27.10.1995 erklärt, der Hauptanspruch werde nicht bestritten, sie wolle nur bestreiten, dass die Klägerin die Anspruchsberechtigte sei (weil die Firma der Klägerin in einigen Schriftstücken geringfügig abweichend vom Handelsregistereintrag geschrieben worden war).

In der Folgezeit hat sie noch einmal zur Hauptforderung Stellung genommen und erklärt, es sei ausdrücklich darauf hingewiesen, dass die Anmeldung zur Konkurstabelle bereits am 24.05.1995 erfolgt sei. Seit diesem Zeitpunkt habe es zahlreiche Veränderungen der Forderung gegeben.

Solche Erklärungen sind als Zugeständnis zu werten, dass jedenfalls zum Zeitpunkt der Anmeldung der Hauptforderung zur Konkurstabelle die Hauptforderung in der angemeldeten Höhe (744.749,00 DM) bestand.

Der nun völlig neue Vortrag, dass die Schuld schon vor Konkursanmeldung erloschen sei, kann wegen des Zugeständnisses I. Instanz, aber auch auf der Grundlage von § 531 ZPO nicht berücksichtigt werden.

Im Urkundsprozess und Nachverfahren I. Instanz hatte die Beklagtenvertreterin gegen das Bestehen der Hauptforderung eingewendet, diese sei zwischenzeitlich durch Zahlungen der Hermes-Versicherung, welche die Klägerin erhalten habe, getilgt.

Bei dieser Versicherung handelt es sich um eine "Warenkreditversicherung" der Klägerin. Leistungen einer solchen Versicherung dienen nicht der Schuldbefreiung des Hauptschuldners und führen eine Tilgung auch nicht herbei.

Solche Versicherungen ersetzen nur den Schaden, der entsteht, wenn der Schuldner leistungsunfähig wird.

Für Schuldner und Bürgen haben Leistungen einer solchen Versicherung keine befreiende Wirkung.

Die Berufung hat dieser Erkenntnis dadurch Rechnung getragen, dass sie jetzt statt einer Tilgung durch die Versicherungsleistung den Wegfall der Aktivlegitimation der Klägerin durch Forderungsübergang auf die Versicherung geltend macht.

Bei Schadensversicherungen führt § 67 VVG einen gesetzlichen Forderungsübergang mit Erbringung der Versicherungsleistung herbei. Für die Warenkreditversicherung gilt aber die Vertragsfreiheit, die gesetzlichen Regelungen des Vertragsinhaltes nach dem VVG sind für diese Versicherungsart nicht bindend. Dies folgt aus § 187 VVG (siehe Prölss/Martin § 187 VVG Rdn. 6). Für die Warenkreditversicherung gibt es AVG-Warenkredit in verschiedenen Fassungen, daneben kann auch ein Versicherungsinhalt individuell vereinbart werden.

Die Aktivlegitimation wäre deshalb nur dann berührt, wenn ein entsprechender Vertragsinhalt bestünde. Hierfür gibt es keinen Vortrag. Interna des Versicherungsvertrages werden nicht dargestellt. Anhaltspunkte für einen Wegfall der Aktivlegitimation gibt es nicht. Die Versicherung hat gegenüber dem Beklagten auch keinen Forderungsübergang angemeldet.

Die Aktivlegitimation könnte ohnehin allenfalls dann beeinträchtigt sein, wenn eine Versichtungsleistung den Schaden der Klägerin in einem solchem Umfang reduziert hätte, dass nicht einmal ein Betrag in Höhe der Bürgschaftsforderung verblieben wäre. Auch dafür gibt es keinen Anhaltspunkt, die Klägerin hat nach eigenen Angaben bei einer Hauptforderung von mehr als 750.000 DM nur 135.000 DM Versicherungsleistung erhalten. Der Beklagte vermag weitere Zahlungen nicht substantiiert darzustellen oder zu beweisen.

Der Anspruch gegen den Beklagten ist auch bereits seit September 1997 rechtshängig, ein erst anschließend bewirkter Rechtsübergang wäre nach § 265 ZPO unbeachtlich.

Soweit der Beklagte meint, die Klägerin habe die Hauptschuldnerin mit ihrer Preisgestaltung übervorteilt und der Hauptschuldnerin dadurch Schaden zugefügt, weshalb sie ihr zum Schadensersatz verpflichtet sei, ergeben sich aus seinem Vortrag keinerlei nachvollziehbare Tatsachen, die erkennen ließen, weshalb die Klägerin in ihrer Preisgestaltung nicht völlig frei sein soll. In der Berufung macht er geltend, dass die Klägerin die Bemühungen, anderenorts billiger einzukaufen, kartellwidrig abgeblockt habe Hohe Preise lösen noch keinen Schadensersatzanspruch aus. Der Vortrag des Beklagten ist insoweit erstinstanzlich zutreffend als unsubstantiiert bewertet worden, er lässt einen Schadensersatzanspruch nicht erkennen.

Selbst wenn die Hauptschuldnerin gegen die Klägerin Schadensersatzansprüche besäße, müsste der Konkursverwalter diese geltend machen und ggf. mit ihnen eine Aufrechnung erklären. Das gleichzeitige Bestehen von Forderungen der einen Seite und denkbaren Schadensersatzansprüchen der anderen Seite führt ohne eine solche Rechtsausübung durch den Konkursverwalter nicht dazu, dass die Schuld erlischt. Der Bürge kann die Aufrechnung nicht geltend machen.

Der Bestand der Schuld, für die der Beklagte sich verbürgt hat, bleibt daher von möglichen Schadensersatzansprüchen zwischen Hauptschuldnerin und Klägerin unberührt, da es keinen Anhaltspunkt dafür gibt, dass der Konkursverwalter Schadensersatzansprüche geltend gemacht und mit ihnen aufgerechnet hat.

Der Beklagte hatte sich schon erstinstanzlich darauf berufen, dass die Hauptschuldnerin ihren Fahrgastbestand an eine andere Reederei verkauft habe und der Ertrag aus diesem Geschäft der Klägerin zugeflossen sei, denn die Erwerberin habe dafür an die Klägerin je Fahrgast 1 DM zahlen sollen. Diese Transaktion soll ab dem 24.1.1995 stattgefunden haben, dem Tag, an dem die Hauptschuldnerin den Fahrgastverkehr einstellte und Konkurs anmeldete und die Abwicklung soll sich über 4 1/2 Jahre bis ins Jahr 1999 hingezogen haben. Zum Beleg hatte der Beklagte sich erstinstanzlich auf den ehemaligen Geschäftsführer und den Konkursverwalter bezogen. Irgendwelche Beträge hatte er nicht genannt, sondern nur behauptet, dieses Geschäft habe deutliche Veränderungen im Forderungsbestand ergeben.

Dieses Geschäft nach Konkursantragstellung wäre derart ungewöhnlich und hätte vom Konkursverwalter angefochten werden müssen, dass das Landgericht zu Recht einen rechtlichen Hinweis darauf gegeben hat, dass es hier bisher von Unsubstantiiertheit ausgehe.

Auf den rechtlichen Hinweis hin hat der Beklagte in der mündlichen Verhandlung nur erklärt, die behauptete Erfüllung der Hauptforderung könne er nicht näher darlegen. Über die im Einzelnen geflossenen Beträge wisse er nichts, weil ihm der ehemalige Geschäftsführer keine Auskunft erteile.

Hier liegen deshalb ersichtlich nur Spekulationen vor, die der Beklagte äußert. Seine Darlegungs- und Beweislast zu Tilgungen kann er nicht dadurch umgehen, dass er Tilgungen behauptet, ohne einen konkreten Anhaltspunkt dafür zu haben, dass irgendein Betrag geflossen ist. Der Beklagte hat als Gesellschafter durchsetzbare Möglichkeiten, Einblick in die Geschäftsunterlagen der Gesellschaft zu erzwingen, Auskünfte von der Geschäftsleitung und vom Konkursverwalter zu erhalten. Er hat dazu seit 1995 Zeit gehabt. Er kann jetzt nicht mit der Behauptung gehört werden, durch den Fahrgastverkauf habe sich im Forderungsbestand eine "deutliche Veränderung" ergeben. Diese Behauptung, die eingestandenermaßen ohne konkrete Erkenntnisse aufgestellt wurde, ist zu unspezifiziert, als das ein Zivilgericht, dass dem Beibringungsgrundsatz zu folgen hat, ihr nachgehen dürfte. Soweit der Beklagte in der Berufung vertieft vorträgt und nun noch weitere angeblich geflossene Zahlungen - für deren Höhe er ebenfalls keine konkreten Anhaltspunkte hat - behauptet, ist dies wegen § 531 ZPO nicht zu beachten.

Die Berufung trägt erstmals zwei weitere "Tilgungssachverhalte" vor, die der Senat - trotz § 531 ZPO - soweit berücksichtigen kann, als die vorgetragenen Tatsachen von Klägerseite unstreitig gestellt wurden. Diese Sachverhalte betreffen die Verwertung des Reisebusses eines Mitgesellschafters und eines zurückgenommenen Warenbestandes.

Weitergehend, als durch die Klägerin zugestanden, ist eine Berücksichtigung nicht möglich.

Der Beklagte beruft sich für die Zulässigkeit neuen Tatsachenvorbringens (wohl zur Verwertung des Busses) zwar darauf, dass er Informationen erst nach der Entscheidung I. Instanz von der Ehefrau eines Mitgesellschafters erhalten habe, ohne aber zu erklären um welche Tatsachen es sich dabei gehandelt haben soll. Zugleich trägt er vor, dass das Landgericht diese Tatsachen durch rechtliche Hinweise hätte in Erfahrung bringen müssen und können - ein Argument, das der Behauptung, es gehe um erstinstanzlich nicht verfügbare Erkenntnisse, widerspricht.

Die Klägerin hat die Verwertung eines Restwarenbestandes mit einem Erlös von 50.000 DM und die Verwertung des Busses mit einen Erlös von 33.500 DM zugestanden.

Durch die Verwertungserlöse wird die Hauptforderung nur in einem Spitzenbereich reduziert, der die Bürgschaftsverpflichtung des Beklagten nicht berührt.

Der Beklagte hat auch selbst erklärt, ein Reisebus koste neu etwa 200.000 DM, so dass der Senat - auch wenn der Vortrag zuzulassen wäre - hätte feststellen müssen, dass der Verwertungserlös keinesfalls die Forderung gegen die Hauptschuldnerin in einem solchen Maße verringert haben kann, dass dies die Bürgschaft beeinträchtigt. Der Klägerin soll auch aus der Verwertung des Busses nach eigener Darstellung des Beklagten nur ein Überschusserlös zugeflossen sein, weil - wie der Beklagte vorher dargestellt hatte - sämtliche Reisebusse seiner Mitgesellschafter vollständig kreditfinanziert waren und die Gesellschafter selbst vermögenslos.

Die Berufung konnte deshalb keinen Erfolg haben.

Die Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 97 Abs. 1, 708 Ziffer 10, 711, 713 ZPO, 25 Abs. 2 GKG.

Gründe für die Zulassung der Revision nach § 543 ZPO n.F. bestehen nicht. Der Senat weicht nicht von der Rechtssprechung des Bundesgerichtshofs ab. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung und erfordert auch nicht zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtssprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts.



Ende der Entscheidung

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