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Gericht: Oberlandesgericht Schleswig
Urteil verkündet am 06.02.2003
Aktenzeichen: 11 U 83/01
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 39
Ein ehemaliges Vereinsmitglied muss auch dann eine von der Mitgliederversammlung noch während seiner Mitgliedschaft beschlossene, aber erst nach seinem Ausscheiden fällig gewordene Sonderumlage nicht mehr bezahlen, wenn mit dieser Umlage Aufgaben bzw. entstandene Schulden aus der Zeit seiner Mitgliedschaft gedeckt werden sollen.
Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht Im Namen des Volkes Urteil

11 U 83/01

Verkündet am 6. Februar 2003

hat der 11. Zivilsenat des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 14. Januar 2003 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht, den Richter am Oberlandesgericht und die Richterin am Oberlandesgericht für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung der Beklagten wird das am 04. April 2001 verkündete Urteil der Einzelrichterin der 8. Zivilkammer des Landgerichts Flensburg geändert und die Klage abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Streitwert für das Berufungsverfahren beträgt 8.101,49 €.

Tatbestand:

Die beklagte Gemeinde erklärte im Herbst 1998 ihren Austritt aus dem klagenden Verein, der unter Berücksichtigung der Vereinssatzung zum 31. Dezember 1999 wirksam wurde. Im Herbst 1999 offenbarte die Vereinsführung ein zwischenzeitlich entsstandenes erhebliches Defizi. Die Mitgliederversammlung beschloss zur Deckung dieses Defizits Mitte Dezember 1999 die Erhebung einer Sonderumlage, die nach dem Text des Beschlusses "bis spätestens 31. Januar 2000" zu zahlen war. Die Beklagte weigerte sich unter Hinweis auf ihren Vereinsaustritt, die Sonderumlage zu bezahlen. Das Landgericht hat die Beklagte zur Zahlung verurteilt. Ihre Berufung war erfolgreich.

Gründe:

Die zulässige Berufung hat Erfolg. Entgegen der Auffassung des Landgerichts hat der Kläger gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Zahlung der Sonderumlage aus § 5 Abs. 3 der Vereinssatzung in Verbindung mit Top 4 Ziffer 1 des Beschlusses der Mitgliederversammlung des Klägers vom 18. Dezember 1999.

Denn nach diesem Beschluss war die hier fragliche Sonderumlage "bis spätestens 31. Januar 2000 zu zahlen" und mithin unter Berücksichtigung von § 271 Abs. 2 BGB erst am 31. Januar 2000 fällig. Zu diesem Zeitpunkt war die Beklagte aber nicht mehr Mitglied des Klägers, denn sie hatte bereits im Oktober 1998 ihren Austritt erklärt, der unter Berücksichtigung der Vereinssatzung (§ 4 Abs. 6) zum 31. Dezember 1999 wirksam wurde. Ein Verein kann aber ein ausgeschiedenes Mitglied zur Leistung von Beiträgen nicht mehr heranziehen, die die Mitgliederversammlung zwar während der Zugehörigkeit des Mitglieds zum Verein für ein vor dem Ausscheiden liegendes Geschäftsjahr festgesetzt, aber erst zu einem Zeitpunkt fällig gestellt hat, in dem das Mitglied bereits ausgeschieden war (BGHZ 48, 207 ff.).

Insoweit ist nämlich maßgeblich, dass mit Wirksamwerden des Austritts eines Mitglieds aus dem Verein die Mitgliedschaft beendet wird und im Grundsatz Pflichten des Mitglieds zu diesem Zeitpunkt auch erlöschen (Soergel/Hadding, BGB, 13. Aufl. 2000, § 39 Rnr. 8). Satzungsbestimmungen und auch Beschlüsse von Mitgliederversammlungen können deshalb Mitglieder nach Wirksamwerden des Ausscheidens nicht mehr binden oder verpflichten (so schon RGZ 88, 395, 398 f.). Insbesondere können auch Beitragserhöhungen oder Sonderumlagen, die erst nach dem Ausscheiden des Mitglieds fällig werden - selbst wenn dies nur für einzelne Raten des Beitrages gilt - von dem ausgeschiedenen Mitglied nicht mehr verlangt werden, was im Anschluss an die genannte Entscheidung des Bundesgerichtshofs in der Literatur allgemein anerkannt ist (Soergel/Hadding, a. a. O., § 39 Rnr. 9; Erman/H.P.Westermann, BGB, 10. Aufl. 2000, § 39 Rnr. 3; Staudinger/Weick, BGB, 13. Aufl. 1995, § 39 Rnr. 11 und Palandt/Heinrichs, BGB, 62. Aufl. 2003, § 39 Rnr. 4).

Der Senat vermag nicht die weder in der bisherigen Rechtsprechung noch in der Kommentarliteratur vertretene Auffassung des Landgerichts zu teilen, erst nach Ausscheiden des Mitglieds fällig gewordene Sonderumlagen müssten von dem ausgeschiedenen Mitglied noch mitgetragen und bezahlt werden, wenn damit Aufgaben bzw. Schulden aus der Zeit seiner Mitgliedschaft gedeckt werden sollten. Insoweit kann sich das Landgericht zunächst nicht auf die bereits genannte Entscheidung BGHZ 48, 207 ff. stützen. Denn dort stellt der Bundesgerichtshof im Ergebnis allein darauf ab, ob die Fälligkeit des Beitrages vor oder nach dem wirksamen Ausscheiden des Mitglieds eingetreten ist. In jenem Fall ging es um eine Sonderumlage schon für das Jahr 1960, die den in den Folgejahren zu erstellenden Bau eines Gebäudes betraf und bei dem die einzelnen Raten verteilt auf die Jahre 1961 bis 1963 von den Mitgliedern abgerufen werden sollten. Der Bundesgerichtshof hat deutlich ausgeführt, es gebe keine Bedenken dagegen, die dortige, zum Schluss des Jahres 1960 aus dem Verein ausgeschiedene Beklagte an dieser Umlage zu beteiligen, wenn nur von der Mitgliederversammlung vor Ausscheiden der Beklagten beschlossen worden wäre, diese Sonderumlage bereits als Beitrag für 1960 von allen Mitgliedern mit Fälligkeit noch in jenem Geschäftsjahr zu erheben. Vor diesem Hintergrund hat ersichtlich für den Bundesgerichtshof der Umstand, dass mit der fraglichen Sonderumlage jedenfalls auch eine erst in der Zukunft liegende Aufgabe erfüllt werden sollte, keine Rolle gespielt. Der Bundesgerichtshof hat in der fraglichen Entscheidung des Weiteren auch ausgeführt, dass ein ausscheidendes Mitglied bei einer Aufteilung der Sonderumlage in Raten diejenigen Raten nicht mehr aufzubringen habe, die erst nach seinem wirksamen Austritt fällig werden würden. Auch insoweit kommt es für den Bundesgerichtshof nicht auf den Zweck der Umlage und die Frage an, ob zukünftige oder vergangene Aufgaben finanziert werden sollen.

Auch der Senat teilt die Auffassung des Bundesgerichtshofs und der Literatur, dass für die Frage, ob ein ausgeschiedenes Mitglied noch an Sonderumlagen zu beteiligen ist, allein darauf abzustellen ist, ob der Beschluss über die Sonderumlage und deren Fälligkeit noch vor Wirksamwerden des Austritts liegen. Denn die inhaltliche Frage, ob mit der Sonderumlage eine zukünftige oder eine nur die Vergangenheit umfassende Aufgabe finanziert werden soll, ist in aller Regel bereits nicht einfach zu entscheiden. So geht es im vorliegenden Fall zwar einerseits darum, Schulden abzubauen, die noch im Zeitraum der Mitgliedschaft der Beklagten aufgetreten sind, soll aber der Sonderumlagenbeschluss auf der anderen Seite dazu führen, dass der Verein in der Zukunft - nämlich ab dem Geschäftsjahr 2000 - arbeitsfähig bleibt, eine Insolvenz vermieden wird und Nachteile für den Tourismus und das Image der Vereinsmitglieder in der Zukunft möglichst umgangen werden. Auch soll im vorliegenden Fall die endgültige Höhe der Umlage gemäß Top 4 Ziffer 2 des Beschlusses vom 18. Dezember 1999 abhängen von erst in der Zukunft sich klärenden Umständen, nämlich der Frage eines Immobilienverkaufes. In dem Sachverhalt, der der zitierten Entscheidung des Bundesgerichtshofs zu Grunde liegt, war es so, dass das fragliche Gebäude erst nach dem Ausscheiden des beklagten Mitglieds errichtet werden sollte. Auf der anderen Seite wollte der Verein aber bereits im Beschlusszeitpunkt Planungssicherheit schaffen und für die ersten Schritte eine solide Finanzierungsgrundlage erreichen. Insoweit knüpfte die Beitragspflicht also durchaus auch an eine Aufgabe an, die für den Verein bereits aktuell noch während der Mitgliedschaft der dortigen Beklagten bestand.

Auf die inhaltliche Frage, ob die jeweilige Sonderumlage Aufgaben aus der Vergangenheit oder zukünftige Aufgaben finanzieren soll, kann es vor diesem Hintergrund nicht ankommen, wenn entschieden werden soll, ob ein ausgeschiedenes Mitglied die fragliche Sonderumlage noch zu bezahlen hat. Maßgeblich kann insoweit allein die sich auch aus § 39 BGB ergebende grundsätzliche Leitlinie des Gesetzes sein, dass Rechte und Pflichten eines Mitgliedes mit Wirksamwerden des Austrittes enden. Stellt die Mitgliederversammlung eine Sonderumlage deshalb erst nach Ausscheiden des fraglichen Mitglieds fällig, so kann von dem ausgeschiedenen Mitglied die Sonderumlage nicht mehr gefordert werden.

Diese Rechtslage führt entgegen der Auffassung der Berufung nicht grundsätzlich dazu, Vereinsmitglieder zu verleiten, bei derartigen Beschlussfassungen in Krisenzeiten betreffend Sonderumlagen unverzüglich Austrittserklärungen auszubringen. Denn insoweit greift zu Gunsten des Vereines der Schutz des § 39 Abs. 2 BGB ein. Danach kann die Satzung bestimmen, dass der Austritt nur am Schluss eines Geschäftsjahres oder erst nach dem Ablauf einer Kündigungsfrist zulässig ist und kann diese Kündigungsfrist bis zu 2 Jahren betragen. Mitglieder können sich mithin in Krisenzeiten - wenn nämlich die Satzung die Vorgaben des § 39 Abs. 2 BGB aufgreift - nicht kurzfristig aus dem Verein zurückziehen und so die Zahlung einer bereits beschlossenen Sonderumlage vermeiden.

Auch der Kläger hat im vorliegenden Fall von den Möglichkeiten des § 39 Abs. 2 BGB Gebrauch gemacht. Der von der Beklagten bereits im Oktober 1998 erklärte Austritt ist deshalb erst zum 31. Dezember 1999 wirksam geworden. Es wäre dem klagenden Verein deshalb unbenommen geblieben, die Sonderumlage auch von der Beklagten zu erheben, wenn er sie bis zum 31. Dezember 1999 fällig gestellt hätte. Die Mitgliederversammlung hat aber gerade auch zur Entlastung des Haushaltes 1999 ihrer Mitglieder und um ihnen Zahlungsaufschub zu verschaffen beschlossen, dass die Umlage erst Ende Januar 2000 fällig werden sollte. Für das Jahr 2000 können jedoch Pflichten der bereits ausgeschiedenen Beklagten nicht mehr begründet werden.

Mit dieser Rechtslage wird auch dem vom Landgericht angesprochenen Interesse des Vereins, Mitglieder zur Erzielung finanzieller Zahlungssicherheit auch dann noch mit Verpflichtungen belegen zu können, wenn sie ihren Austritt zu einem künftigen Zeitpunkt bereits erklärt haben, ausreichend Rechnung getragen. Denn der Verein kann durch entsprechenden Beschluss seiner Mitgliederversammlung dafür sorgen, dass die fragliche Sonderumlage noch rechtzeitig vor dem Ausscheiden des Mitglieds fällig gestellt wird. Da dies hier nicht geschehen ist, hat der Kläger gegen die Beklagte auch keinen Zahlungsanspruch.

Die Nebenentscheidungen folgen aus den §§ 91 Abs. 1, 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO, 25 Abs. 2 GKG.

Gründe für die Zulassung der Revision nach § 543 ZPO n. F. liegen nicht vor.

Ende der Entscheidung

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