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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Schleswig
Urteil verkündet am 23.12.2008
Aktenzeichen: 11 U 89/08
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 133
BGB § 157
Die vertragliche Pflicht, eine Wechselsprechanlage mit Türöffner und Videoüberwachung zu liefern, gilt für alle mit einem Türöffner zu öffnenden Türen, wenn eine Einschränkung nicht klar vereinbart ist. Die Installation der Videoüberwachung über den Fernseher des Wohnungsmieters ist als teilweise Eigenleistung ausdrücklich zu vereinbaren.
Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht Im Namen des Volkes Urteil

11 U 89/08

verkündet am: 23. Dezember 2008

In dem Rechtsstreit

hat der 11. Zivilsenat des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts in Schleswig durch den Einzelrichter auf die mündliche Verhandlung vom 9. Dezember 2008 für Recht erkannt:

Tenor:

1. Das Urteil des Einzelrichters der 2. Zivilkammer des Landgerichts Lübeck vom 7. Juli 2008 wird geändert.

Die Beklagte wird verurteilt, die in dem Gebäude der Wohnungseigentümergemeinschaft A, angebrachte Videoüberwachungsanlage dergestalt instand zu setzen, dass eine Videoüberwachung auch hinsichtlich des Hauseingangs ... und nicht nur hinsichtlich des Eingangs H möglich ist, und darüber hinaus die in der Wohnung des Klägers ....1. Obergeschoss, ..., vorhandene Videoüberwachungsanlage so zu installieren, dass diese nicht über den eigenen Fernseher des Klägers erfolgt, sondern vielmehr über einen separaten Monitor neben der Wechselsprechanlage und dem Türöffner bzw. über einen aus diesen Bestandteilen in einem bestehenden Gerät.

2. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits im ersten und zweiten Rechtszug.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 7.200,00 € abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in entsprechender Höhe leistet.

4. Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird auf 6.000,00 € festgesetzt.

Gründe:

I.

Die Parteien streiten um die Verpflichtung der Beklagten, dem Klagantrag entsprechend eine Videoüberwachung einzurichten.

Zur Ergänzung des Sach- und Streitstandes wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils Bezug genommen.

Das Landgericht hat mit dem angefochtenen Urteil die Klage abgewiesen und dies damit begründet, dass die Videoüberwachung der Haustür an der Nordseite des Gebäudes zur Straße H, geschaltet über den Fernsehempfänger des Klägers in der von ihm gekauften Eigentumswohnung nach den vertraglichen Verpflichtungen der Beklagten ausreichend sei.

Der Kläger hat gegen dieses Urteil form- und fristgerecht Berufung eingelegt und beantragt:

unter Abänderung des am 07.07.2008 verkündeten Urteils des Landgerichts Lübeck - 2 O 252/07 - wird die Beklagte verurteilt, die in dem Gebäude der Wohnungseigentümergemeinschaft A, angebrachte Videoüberwachungsanlage dergestalt instand zu setzen, dass eine Videoüberwachung auch hinsichtlich des Haustüreingangs ... und nicht nur hinsichtlich des Einganges H möglich ist, und darüber hinaus die in der Wohnung des Klägers, ...1. Obergeschoss, ..., vorhandene Videoüberwachungsanlage so zu installieren, dass diese nicht über den eigenen Fernseher des Klägers erfolgt, sondern vielmehr über einen separaten Monitor neben der Wechselsprechanlage und dem Türöffner bzw. über einen aus diesen Bestandteilen in einem bestehenden Gerät.

Die Beklagte hat beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte meint, der Vertrag der Parteien sei im angefochtenen Urteil fehlerfrei ausgelegt worden.

II.

Die Berufung ist zulässig und in der Sache erfolgreich.

In der zum Kaufvertrag gehörenden Baubeschreibung wird auf Seite 2 unter der Überschrift "Elektroinstallation" aufgeführt:

"Wechselsprechanlage, Türöffner und Videoüberwachung."

Diese Beschreibung ist von einem objektiven Empfänger einer solchen Erklärung nach Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte dahin zu verstehen, dass die mit einer Wechselsprechanlage und einem Türöffner versehenen Türen der Wohnanlage videoüberwacht sind, ohne dass es darauf ankommt, ob es sich bei einer solchen Tür um eine im Hauseingangsbereich H oder im Hauseingangsbereich ... eingebaute Tür handelt. Sinn und Zweck einer Videoüberwachung in Verbindung mit einer Wechselsprechanlage und einem Türöffner durften von einem Leser der Baubeschreibung darin gesehen werden, eine Tür, die ohne direkten Blick darauf geöffnet werden kann, durch eine Videoüberwachung zu sichern bzw. den Nutzern des Türöffners die Möglichkeit zu geben, die Person, die Einlass begehrt, auf dem Videomonitor zu erkennen bevor der Türöffner bedient wird.

Daran ändert es entgegen der Ansicht der Beklagten nichts, dass sie auf Seite 1 ihrer Baubeschreibung unter der Überschrift Hauseingangsbereich lediglich eine zweiflügelige Eingangstür als Schiebetür zum Windfang beschreibt und dort den Satz zufügt:

"Im Windfang Briefkästen und Gegensprechanlage."

Diesen Satz auf Seite 1 der Baubeschreibung als Einschränkung der vorzitierten Erklärung auf Seite 2 der Baubeschreibung unter der Überschrift Elektroinstallation zu verstehen, fällt allein schon deshalb schwer, weil für die Sprechanlage unterschiedliche Begriffe gewählt wurden und weil allein auf Seite 2 unter der Überschrift Elektroinstallation der Begriff Türöffner mit dem Begriff Videoüberwachung verknüpft wird.

Hinzu kommt, dass es dem vom Erklärungsempfänger anzunehmenden Sinn und Zweck einer Videoüberwachung in Verbindung mit einem Türöffner nicht entspricht, wenn von mehreren mit einem Türöffner zu öffnenden Türen nur eine videoüberwacht ist.

Tatsächlich sind in der streitigen Wohnanlage zwei Hauseingangstüren mit Türöffnern eingebaut worden. Nach dem gemäß §§ 133, 157 BGB auszulegenden Vertrag der Parteien wird deshalb auch eine Videoüberwachung an jeder dieser Türen geschuldet.

Die dem Urteilstenor und dem Klagantrag entsprechende Installation der Videoüberwachungsanlage unabhängig von einem eigenen Fernseher des Klägers wird von der Beklagten aufgrund der in der Baubeschreibung uneingeschränkt zugesagten Videoüberwachung geschuldet.

Hätte die Beklagte nur Teile einer Videoüberwachungsanlage schulden und die vollständige Installation der Überwachungsanlage von einer Eigenleistungen des Käufers einer Wohnung abhängig machen wollen, hätte sie dies deutlich in ihrer Baubeschreibung zum Ausdruck bringen müssen. Der Senat folgt insoweit der Ansicht des Klägers, für die er sich auf die Feststellungen des von der Wohnungseigentümergemeinschaft beauftragten Sachverständigen, Herrn Dipl.-Ing. T (Anlage K 4, Bl. 44 GA), bezieht.

Soweit die Beklagte meint, die Auslegung der vertraglichen Bestimmungen oder die Rechte des Klägers seien in einem entscheidungserheblichen Maße davon beeinflusst, dass er eine Musterwohnung ohne Videomonitor entsprechend seinem Klagantrag besichtigt (Zeugnis S, Bl. 36, 118 GA) und seine eigene Wohnung auch ohne einen solchen Videomonitor abgenommen habe, vermag dem der Senat nicht zu folgen. Sowohl in einer Musterwohnung wie auch bei der Abnahme der eigenen Wohnung kann das Nichtvorhandensein eines eigenen Videomonitors übersehen worden sein.

Diese Möglichkeit steht auch der Annahme entgegen, die Rechte des Klägers auf die verlangte Installation der Videoüberwachung seien nach § 442 BGB ausgeschlossen. Das Übersehen eines fehlenden Videomonitors kann bei der Vielzahl der bei einer Besichtigung einer Musterwohnung oder aber der Abnahme der eigenen Wohnung zu beachtenden Punkte nicht als grob fahrlässig eingeordnet werden.

Die Ansprüche des Klägers sind nicht verjährt. Sowohl nach § 8 Abs. 4 des Kaufvertrages der Parteien (Anlage K 1, Bl. 12 GA) als auch nach § 438 Abs. 1 Ziffer 2 Buchst. a) BGB galt für die Ansprüche des Klägers eine fünfjährige Verjährungsfrist nach erfolgter Abnahme. Die Abnahme erfolgte hier am 28. August 2002. Die Klagschrift ist per Fax am 28. August 2007 beim Gericht eingegangen (Bl. 1 GA).

Die Verjährung wird gemäß § 204 Abs. 1 Ziffer 1 BGB zwar erst durch Erhebung der Klage gehemmt. Die Klage wird durch Zustellung der Klagschrift erhoben (§ 253 ZPO). Die Zustellung wirkt auf den Zeitpunkt der Klageinreichung jedoch zurück, sofern sie demnächst erfolgt (§ 167 ZPO). Die Zustellung ist hier am 31. August 2007 erfolgt (Bl. 31 GA). Sie wirkt also auf den Zeitpunkt der Klageinreichung zurück. Die Klage ist auch dann wirksam eingereicht, wenn sie per Fax eingeht (BGH NJW 1978, 1058; Palandt/Heinrichs, BGB, 68. Aufl., § 204 Rn. 7).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO. Der Streitwert ist nach § 63 GKG festgesetzt worden.

Ende der Entscheidung

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