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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Schleswig
Urteil verkündet am 14.12.2000
Aktenzeichen: 11 U 89/99
Rechtsgebiete: EGBGB


Vorschriften:

EGBGB Art. 65
Zur Frage, unter welchen Voraussetzungen am Meeresstrand Privateigentum begründet werden kann.

SchlHOLG, 11. ZS., Urteil vom 14. Dezember 2000, - 11 U 89/99 -, Te.


Sachverhalt:

Die Kläger kauften von der Beklagten ein Grundstück mit einer Gesamtfläche von 7.305 m², bestehend aus den Flurstücken a, b und c. Das Grundstück liegt an der Steilküste auf der Insel Fehmarn. Erstmals nach Stellung des Umschreibungsantrages erfuhren die Parteien durch Schreiben des zuständigen Rechtspflegers des Amtsgerichts Oldenburg vom 3. Juli 1996 an den beurkundenden Notar, dass das Katasteramt Oldenburg 1984 eine Neuvermessung u. a. der Flurstücke b und c vorgenommen hatte. Dabei sei festgestellt worden, dass es sich bei den Flurstücken b und c in der Größe von 1.021 m² bzw. 126 m² um Meeresstrand handele. Die Strandgrenze sei hier infolge natürlicher Ereignisse - Abbruch - landwärts vorgerückt. Meeresstrand sei aber nach Preussischem Allgemeinen Landrecht gemeines Eigentum des Staates und unterliege dem Gebrauch von Jedermann. Daraus ergebe sich die wichtige Folge, dass das Ufer des Meeres nicht eintragungsfähig sei.

Die Kläger haben die Ansicht vertreten, die Beklagte sei zur Rückzahlung eines Teils des Kaufpreises verpflichtet, weil die beiden betroffenen Flurstücke bereits bei Abschluss des Kaufvertrages nicht mehr verkehrsfähig gewesen seien und der Kaufvertrag daher nach § 306 BGB teilnichtig sei. Die Klage hatte in beiden Instanzen keinen Erfolg.

Gründe:

Die zulässige Berufung hat keinen Erfolg...

Die Kläger haben gegen die Beklagte keinen Anspruch auf teilweise Rückzahlung des Kaufpreises aus § 812 Abs. 1 Satz 1, 1. Alternative BGB. Denn der Kaufvertrag ist auch nicht hinsichtlich der Flurstücke b und c nach § 306 BGB nichtig. Vielmehr sind diese beiden Flurstücke, die früher oberhalb der Abbruchkante der Steilküste belegen waren und heute nach entsprechendem Abbruch tatsächlich Meeresstrand darstellen, entgegen der Auffassung des Grundbuchamtes bei dem Amtsgericht .... privateigentums- und deshalb eintragungsfähig.

Auch Meeresstrand ist nämlich eine Sache im Sinne des § 90 BGB, da er ebenso wie ein an den Strand nur angrenzendes Grundstück im Raum abgrenzbar und beherrschbar ist (Petersen, Deutsches Küstenrecht, 1989, RdNr. 992). Auf Meeresstrand finden deshalb die §§ 903 ff BGB Anwendung. Den eigentumsrechtlichen Bestimmungen des BGB vorrangig sind allerdings landesgesetzliche Vorschriften, welche dem Wasserrecht angehören. Diese Vorschriften sind nach Art. 65 EGBGB durch die Einführung des BGB unberührt geblieben. Dieser Vorbehalt des EGBGB bewirkt u. a. auch, dass entsprechende, seinerzeit bestehende Vorschriften des Landeswasserrechts geändert und ergänzt werden können, (vgl. auch dazu Petersen a. a. O., RdNr. 995 m. N.).

Das gegenwärtige Landeswasserrecht enthält aber keinerlei Vorschriften über die Eigentumsfähigkeit von Meeresstrand, es begründet auch kein Eigentum des Staates an demselben. Im Schleswig-Holsteinischen Landeswassergesetz findet sich allerdings in § 66 Abs. 3 eine Definition des Meeresstrandes. In seinen eigentumsrechtlichen Bestimmungen - den §§ 88 bis 96 Landeswassergesetz - wird jedoch das Eigentum am Meeresstrand gerade nicht geregelt. In den §§ 33 bis 35 Landesnaturschutzgesetz finden sich lediglich Regeln über den Gemeingebrauch am Meeresstrand - nach § 33 Abs. 1 Landesnaturschutzgesetz darf der Meeresstrand von jedem auf eigene Gefahr betreten werden - und über bestimmte Sondernutzungsrechte.

Im Grundsatz ist deshalb gemäß Art. 65 EGBGB durchaus auf das vor Inkrafttreten des BGB maßgebliche Landeswasserrecht zurückzugreifen. Zu Unrecht ist jedoch offensichtlich das Grundbuchamt davon gegangen, dass insoweit hier die wasserrechtlichen Bestimmungen des Preußischen Allgemeinen Landrechts einschlägig seien (vgl. zu diesen Bestimmungen auch BGHZ 44, 27 ff). In Schleswig-Holstein ist - anders als in den sogenannten Altprovinzen Preußens - das Preußische Allgemeinen Landrecht jedoch nie in Kraft gesetzt worden (vgl. BGH NJW 1989, 2464, 2467; Kähler, Das Schleswig-Holsteinische Landesrecht, 2. Aufl. 1923, S. 16 ff und Petersen, a. a. O., RdNr. 991 dort mit Nachweisen in Fußnote 30).

Zurückgegriffen werden könnte allerdings auf Bestimmungen des sogenannten Jütischen Lows von 1240 in der durch Christian IV am 20. November 1592 autorisierten Übersetzung. Eine spätere Aufhebung der dortigen strandrechtlichen Bestimmungen lässt sich nicht feststellen (Petersen, a. a. O., RdNr. 1000). Im Grundsatz wäre deshalb denkbar, dass dieses alte Landesrecht über Artikel 65 EGBGB den Meeresstrand von der Eigentumsordnung des BGB ausschließt. Fehmarn gehörte auch zum Rechtsgebiet des Jütischen Lows. Das dort vorrangig geltende Fehmarnsche Landrecht enthält keine diesbezüglich einschlägigen Vorschriften, so dass auf das subsidiär geltende Jütische Low zurückgegriffen werden kann (vgl. dazu Kähler, a. a. O., S. 27 f.).

Das Jütischen Low bestimmte aber in Buch III Kapitel 61:

§1 Vrag (Wrack), dat tho Lande schleit unde nemandt volget, edder dar nemandt nakümpt, dat gehöret dem Köninge.

§ 2 Wente (denn, weil) alle Vorstrande syn des Köninges.

Die Auslegung dieser Rechtssätze ist allerdings hinsichtlich der entscheidenden Frage, ob der König danach Privateigentum am Meeresstrand haben sollte, schon in der älteren Literatur streitig gewesen (vgl. dazu Kähler, a. a. O., S. 265 und Petersen a. a. O., RdNr. 1001 m. w. N.). Sieht man allerdings den Bezug der Regelung über den Meeresstrand in dem genannten § 2 zu dem vorausgegangenen § 1 über das Eigentum an einem Wrack, so spricht Vieles dafür, dass bereits das Jütischen Low hier ein Privateigentum am Strand begründen wollte, das dem König zustehen sollte (so mit ausführlicher Begründung Hesse, Zur Lehre vom Privateigentum am Meeresstrand, 1911, S. 66 ff). Dabei setzte das Jütische Low entsprechend der damaligen Rechtsvorstellung voraus, dass der Strand ohnehin bereits der Gebietshoheit des Königs unterstand, so dass die fraglichen Bestimmungen dem König etwas Zusätzliches konzidieren wollten, eben ein Eigentum privatrechtlicher Art (Hesse, a. a. O., S. 68).

Selbst wenn man dieser Auslegung nicht folgen wollte, gibt es im Ergebnis jedenfalls keine ausreichenden Anhaltspunkte, dass die fraglichen Bestimmungen des Jütischen Lows den Meeresstrand dem Privateigentum gänzlich entziehen wollten. Auch eine sich in dieser Richtung herausbildende gemeinsame Rechtsüberzeugung, die sich zu einem Gewohnheitsrecht verfestigt haben könnte, lässt sich nicht feststellen (dazu Petersen, a. a. O., RdNr. 1001).

Nicht streitig ist allerdings, dass die Zuordnung des Meeresstrandes zum Eigentum des Königs im Jütischen Low jedenfalls auch den Zweck hatte, sicherzustellen, dass die ihrer Beschaffenheit nach für einen allgemeinen Gebrauch bestimmten Meeresstrände diesem allgemeinen Gebrauch der Bevölkerung auch möglichst unbeeinträchtigt offenstehen sollten (Petersen, a. a. O., RdNr. 1004).

Vor diesem Hintergrund und unter Berücksichtigung des Umstandes, dass das genannte alte landesgesetzliche Wasserrecht den Meeresstrand jedenfalls nicht eindeutig der Privateigentumsfähigkeit entzieht, kann entgegen einer früher vertretenen Auffassung (PrOVG 89, 205, 208 ff.; ihm folgend noch Soergel/Hartmann, BGB, 12. Aufl. 1994, Art. 65 EGBGB RdNr. 13) nicht mehr festgestellt werden, dass der Meeresboden im Geltungsbereich des früheren Jütischen Lows nicht privateigentumsfähig ist. Denn unter Berücksichtigung der modernen Dogmatik des öffentlichen Sachenrechtes erfordert das auch von dem Jütischen Low verfolgte Ziel, den Gemeingebrauch am Meeresstrand sicherzustellen, jedenfalls nicht, dass Meeresstrand der Privateigentumsfähigkeit entzogen und allein dem Staat zugewiesen wird.

Das öffentliche Sachenrecht wird vielmehr geprägt von dem Grundsatz des sogenannten "modifizierten Privateigentums (dazu Wolff/Bachof/ Stober, Verwaltungsrecht, Band II, 6. Aufl. 2000 S., 698 ff.). Als Objekte der Privatrechtsordnung nehmen öffentliche Sachen danach am allgemeinen Rechtsverkehr teil. Sie unterliegen der durch das Privatrecht bestimmten Verfügungsmacht des Eigentümers und können Gegenstand von Rechtsgeschäften sein, z. B. in privatrechtlicher Form veräußert und belastet werden. Überlagert und teilweise eingeschränkt wird die private Sachherrschaft jedoch durch die öffentlich-rechtlichen Befugnisse, die für den Meeresstrand in den §§ 33 bis 35 Landesnaturschutzgesetz in Form des Gemeingebrauches an demselben und bestimmter Sondernutzungsrechte durch den Gesetzgeber vorgezeichnet sind. Diese öffentlich-rechtlichen Befugnisse hindern aber nicht, dass der Meeresstrand im privaten Eigentum stehen und auch übertragen werden kann (ebenso Palandt/Heinrichs, BGB, 59. Aufl. 2000 , Überblick vor § 90 RdNr. 12; Petersen, a. a. O., RdNr. 1004 bis 1010 mit ausführlicher Begründung; vgl. auch bereits Schleswig-Holsteinische Oberlandesgericht, Urteil vom 11. März 1987 - 9 U 18/86 -).

Die Beklagte konnte den Klägern als Käufer deshalb auch im vorliegenden Fall an den verkauften Flurstücken a und b privates Eigentum verschaffen. Die Richtigkeit dieses Ergebnisses wird durch den Umstand unterstrichen, dass die fraglichen Flurstücke vor dem Zeitpunkt, als sie durch Abbruch der Steilkante zum Meeresstrand wurden, nach jeder Auffassung privateigentumsfähig waren. Es läßt sich aber kein Rechtssatz auffinden, der auch vor dem Hintergrund der Eigentumsgarantie in Art 14 GG bestimmt, dass bislang privateigentumsfähige Grundstücke allein durch ihre naturbedingte Umwandlung in Meeresstrand ihre Eigentumsfähigkeit verlieren. Die über Art. 65 EGBGB weiterhin anwendbare genannte Vorschrift aus dem Jütischen Low kann dafür schon deshalb nicht herangezogen werden, weil sie diese Konstellation nicht deutlich regelt. Zudem lässt sich - wie dargestellt - dieser alten Norm ohnehin nicht mit der notwendigen Sicherheit entnehmen, dass der Meeresstrand grundsätzlich der Privateigentumsfähigkeit entzogen werden soll.

Gewährleistungsansprüche gestützt auf die §§ 459 ff. BGB können die Kläger gegen den Beklagten entgegen ihrer Auffassung nicht geltend machen.... Auch aus dem Gesichtspunkt des Rechtsmangels können die Kläger keine Ansprüche geltend machen. Denn ein Rechtsmangel liegt nicht vor, weil der Meeresstrand - wie dargestellt - eintragungsfähig ist. Die sich aus dem Landesnaturschutzgesetz im Interesse des Gemeinwohls ergebenden öffentlich-rechtlichen Bindungen stellen keine Rechtsmängel des Grundstücks dar (vgl. dazu Palandt/Putzo, a. a. O., § 434 RdNr. 6).

Die Kläger haben im Übrigen das erhalten, was sie gekauft haben. Die Größenangabe hinsichtlich des gesamten Grundstücks in dem Kaufvertrag war nicht falsch. Die Lage des Grundstücks ergab sich aus der den Klägern vor Abschluss des Kaufvertrages bekannten Flurkarte. In dieser Karte ist im Übrigen die Böschungslinie zutreffend eingezeichnet, so dass allein schon daraus Anhaltspunkte bestanden, dass es sich bei den Flurstücken a und b um Meeresstrand handeln konnte. Auf den im Kaufvertrag im Übrigen in § 2 Abs. 1 enthaltenen Haftungsausschluss kommt es deshalb schon gar nicht mehr an.

Ein Anspruch der Kläger auf Vertragsanpassung wegen Wegfalls der Geschäftsgrundlage kommt ebenfalls nicht in Betracht. Geschäftsgrundlage soll nach der Darstellung der Berufung die angeblich gemeinsame Vorstellung der Kaufvertragsparteien gewesen sein, dass sich die fraglichen Flurstückeoberhalb der Steilküste befinden, also jenseits des Meeresstrandes liegen. Die Regelung des Sachmängelrechtes schließt es aber aus, dass der Käufer sich wegen einer - etwa fehlenden - Eigenschaft bzw. Beschaffenheit der Kaufsache, die auch einen Sachmangel begründen könnte, auf Wegfall der Geschäftsgrundlage beruft (Soergel/Huber, a. a. O., vor § 459 RdNr. 203 m. w. N.). Das Risiko der Belegenheit und Beschaffenheit des Flurstückes fiel zudem nach dem Text des Kaufvertrages - nämlich dem Gewährleistungsausschluss, in § 2 Abs. 1 - in den Risikobereich der Kläger als Käufer, so dass auch aus diesem Grunde eine Vertragsanpassung über die Regeln des Wegfalls der Geschäftsgrundlage nicht in Betracht kommen kann....

Ende der Entscheidung

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